OGH 3Ob33/12t

OGH3Ob33/12t14.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Tobias Mitterauer, Rechtsanwalt, St. Johann im Pongau, Hauptstraße 12, als Insolvenzverwalter im Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen des Dr. G*****, vertreten durch Steger Kowarz Mitterauer Rechtsanwälte OG in St. Johann im Pongau, gegen die beklagte Partei Land Salzburg (Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung), Salzburg, Karl Wurmb-Straße 17, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Anfechtung (15.576 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 16. November 2011, GZ 22 R 414/11b-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 2. September 2011, GZ 31 C 365/11h-12, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 978,84 EUR (darin 163,14 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung

Mit Beschluss des Erstgerichts vom 17. Dezember 2010 wurde über das Vermögen des Dr. G*****, (in der Folge Schuldner) das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

Der Schuldner wurde aufgrund einer durch ein Unfallereignis verursachten Behinderung im Laufe des März 2010 in einem Altenheim der Caritas untergebracht. Mit Bescheid des Landes Salzburg, Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung, Abteilung Soziales, vom 13. Juli 2010, wurde für den Schuldner für die Kostenübernahme für das Altenheim der Caritas ab 1. April 2010 ein laufender Kostenbeitrag von 1.947 EUR monatlich festgesetzt, der bis zum 10. eines jeden Monats im Vorhinein zu leisten ist. Dieser Bescheid wurde an den damaligen Sachwalter des Schuldners, einen Rechtsanwalt, zugestellt. Da gegen den Bescheid kein Rechtsmittel eingebracht wurde, trat im Laufe des August 2010 die Rechtskraft ein.

Mit Schreiben vom 19. März 2010 informierte der Sachwalter die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung von seiner mit Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 16. März 2010 erfolgten Bestellung. In der Begründung des Beschlusses ist auch folgende Passage enthalten: „Der Betroffene ist verschuldet und hat kein Vermögen. Sein Einkommen wird zur Abdeckung der Heimkosten verwendet“.

Vor Erlassung des Kostenbeitragsbescheids wurde von der Behörde standardmäßig sowohl die Vermögens- als auch die Einkommenssituation des Schuldners erhoben. Bei der Erhebung der Vermögenssituation ist in den diesbezüglichen Standardformularen lediglich eine Angabe der Aktiva vorgesehen. Zur Einkommenssituation hat der Sachwalter der Behörde Einkommens- und Pensionsbelege des Schuldners übermittelt, aus denen die Behörde ein in der Behindertenhilfe anrechenbares Einkommen (inklusive aller Leistungen) von 3.679,15 EUR monatlich errechnete; sie teilte dem Sachwalter schon vor Bescheiderlassung mit Schreiben vom 10. Juni 2010 mit, dass sich daraus ein monatlicher Kostenbeitrag von 1.947 EUR für den Schuldner ergebe, weshalb ersucht werde, einen Dauereinzahlungsauftrag in dieser Höhe ab 1. Juli 2010 einzurichten oder zu den aktuellen Ergebnissen innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt des Schreibens schriftlich oder persönlich Stellung zu nehmen.

Da im Sachwalterbestellungbeschluss ausgewiesen war, dass der Schuldner nicht über Vermögen verfügt, hat die Behörde vor Erlassung des Bescheids über den Kostenbeitrag keine weiteren Erhebungen zum Vermögen des Schuldners durchgeführt. Aus den vom Sachwalter der Behörde übermittelten Einkommensunterlagen war ersichtlich, dass in dem angegebenen Zeitraum zumindest eine Gehaltsexekution gegen den Schuldner anhängig war. Tatsächlich waren gegen den Schuldner im Zeitraum 2009 und 2010 zahlreiche Fahrnis- und Gehaltsexekutionen anhängig.

Zu ***** des Bezirksgerichts Salzburg wurde ein Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Schuldners mit Beschluss vom 17. August 2010 mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen und ausgesprochen, dass der Schuldner zahlungsunfähig sei. Dieser Beschluss wurde am 13. September 2010 in der Insolvenzdatei veröffentlicht.

Am 15. November 2010 zahlte der Sachwalter des Schuldners den Betrag von 15.576 EUR an die beklagte Partei als Kostenbeitrag laut dem oben genannten Bescheid für die Monate April bis November 2010. Seitens der beklagten Partei war die Zahlung der Kostenbeiträge zuvor nicht urgiert worden, da der entsprechende Bescheid erst im August 2010 in Rechtskraft erwachsen war und bei der beklagten Partei in der Regel die Konten über die Kostenbeitragszahlungen erst immer zum Jahresende überprüft werden. Bei der beklagten Partei ist es nicht üblich, die Insolvenzdatei hinsichtlich der Personen zu überwachen, hinsichtlich derer Hilfeleistungen im Rahmen des Salzburger Behindertengesetzes erbracht werden.

Der Arbeitsplatz des zuständigen Sachbearbeiters hat zwar einen Internetzugang. Es kommt jedoch äußerst selten vor, dass jemand, für den die beklagte Partei die Kostenübernahme gemäß Salzburger Behindertengesetz übernimmt, zahlungsunfähig wird bzw dass über dessen Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet wird.

Zum Zeitpunkt der angefochtenen Zahlung hatte die beklagte Partei mangels Einsicht in die Insolvenzdatei bzw mangels sonstiger ausdrücklicher Hinweise (etwa durch den Sachwalter des Schuldners) keinerlei Kenntnis über die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners.

Das Erstgericht wies die auf fahrlässige Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit (§ 31 Abs 1 Z 2 IO) gestützte, auf Unwirksamerklärung der am 15. November 2010 geleisteten Zahlung von 15.576 EUR und Zahlung dieses Betrags an die Insolvenzmasse gerichtete Anfechtungsklage ab. An eine Behörde, die aufgrund von Sozialgesetzen Hilfeleistungen gewähre und hiefür Kostenbeiträge einhebe, seien in Bezug auf Nachforschungen zur Zahlungsunfähigkeit keine sehr strengen Maßstäbe anzulegen. Es würde eine Überspannung des Sorgfaltsmaßstabs darstellen, von der beklagten Partei zu fordern, die Insolvenzdatei hinsichtlich aller bei ihr in Betreuung befindlicher Personen durchzuforsten. Die einzigen auf eine mögliche Zahlungsunfähigkeit hinweisenden Anhaltspunkte der beklagten Partei hätten in einem einzelnen Satz der Begründung des Sachwalterbestellungsbeschlusses (Hinweis auf Verschuldung) und in der Kenntnis von einer Gehaltsexekution bestanden. Angesichts des von der beklagten Partei errechneten monatlichen Pensionseinkommens als Bemessungsgrundlage von 3.679,15 EUR und des Umstands, dass der Sachwalter keinerlei Hinweise auf eine allfällige Zahlungsunfähigkeit gegeben habe, erscheine die Unkenntnis der beklagten Partei von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zum Zeitpunkt der Zahlung nicht verschuldet iSd § 31 IO.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Im konkreten Fall seien keine ausreichenden Krisenindikatoren vorgelegen, die Bedenken an der Zahlungsfähigkeit des Schuldners erzeugen und eine gewissenhafte Vermögensüberprüfung durch die beklagte Partei veranlassen hätten müssen. Die beiden möglicherweise für eine Zahlungsunfähigkeit sprechenden Umstände in Form von Hinweisen auf die Verschuldung (in der Begründung des Sachwalterbestellungsbeschlusses) und die Anhängigkeit einer Gehaltsexekution seien noch keine starken Indizien für den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit beim Schuldner. Dass er laut Sachwalterbestellungsbeschluss „verschuldet“ sei und kein Vermögen habe, bedeute nicht, dass er zahlungsunfähig sei, zumal im Beschluss auch festgehalten sei, dass sein Einkommen zur Abdeckung der Heimkosten verwendet werde. Dieses Einkommen habe die beklagte Partei aufgrund der ihr vom Sachwalter übermittelten Einkommens- und Pensionsbelege mit 3.679,15 EUR monatlich errechnet, woraus sich ein monatlicher Kostenbeitrag von 1.947 EUR für den Gemeinschuldner ergeben habe. Da der Sachwalter keinen Einwand erhoben und gegen den Bescheid vom 13. Juli 2010 auch kein Rechtsmittel einbracht habe, habe es für die beklagte Partei keine ausreichenden Anzeichen für den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit gegeben.

Auch die ihr bekannte anhängige Gehaltsexekution habe die beklagte Partei vor allem im Hinblick auf das Verhalten des Sachwalters anlässlich der Ermittlung der Einkommenssituation des Schuldners nicht als massiven Krisenindikator werten müssen, zumal keine anderen Symptome einer Zahlungsunfähigkeit vorgelegen seien. Eine regelmäßige Einsichtnahme in die Insolvenzdatei sei von der Gebietskörperschaft nicht zu fordern.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem die Zulässigkeit bejahenden Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision der klagenden Partei nicht zulässig.

1. Die Beurteilung der Frage, welche Nachforschungen ein Gläubiger im Einzelnen anzustellen hat und ob fahrlässiges Verhalten iSd § 31 Abs 1 Z 2 IO vorliegt, stellt in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO dar (7 Ob 58/01g).

2. Der klagende Masseverwalter stützt die fahrlässige Unkenntnis der beklagten Partei von der Zahlungsunfähigkeit auf die Veröffentlichung der Abweisung eines Insolvenzeröffnungsantrags am 13. September 2010 (samt dem Hinweis, dass der Schuldner zahlungsunfähig sei).

Tatsächlich kann der Veröffentlichung einer Abweisung eines Insolvenzeröffnungsantrags nur ein Indiz für die Zahlungsunfähigkeit bilden.

2.1. Ob dem Anfechtungsgegner fahrlässige Unkenntnis von der Zahlungsunfähigkeit zur Last fällt, ist - bezogen auf den Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung - nach den zu Gebote stehenden Auskunftsmitteln, nach der Zumutbarkeit ihrer Heranziehung und der Ordnungsmäßigkeit ihrer Bewertung zu beurteilen (RIS-Justiz RS0064794). Da den Anfechtungsgegnern typischerweise unterschiedliche Auskunftsmittel zur Verfügung stehen, gewichtet die Rechtsprechung (auch) nach der Stellung des Gläubigers, wobei vor allem von Banken, hier wiederum vor allem von der Hausbank eine strenge Analyse der finanziellen Verhältnisse des Schuldners verlangt wird. Generell wird an die Sorgfaltspflicht bestimmter Großgläubiger ein strengerer Maßstab angelegt, weil sie über entsprechende Ressourcen zur Bonitätsüberwachung ihrer Schuldner verfügen (RIS-Justiz RS0064682 [T12]: Möglichkeit der Prüfung durch den Sozialversicherungsträger).

2.2. Rechtsprechung (10 Ob 90/04i) und Lehre (Weissel, Die Sorgfaltspflicht der Bank in der Rechtsprechung zu § 31 KO, ÖBA 1994, 955 [959]) unterscheiden zwischen Umständen, aus denen die Zahlungsunfähigkeit direkt abzuleiten ist, und Indizien, die zu einer Obliegenheit des Gläubigers zu (weiteren) Nachforschungen führen.

Die Einschätzung des Berufungsgerichts, es lägen keine ausreichenden Umstände vor, die einen direkten Rückschluss auf die bestehende Zahlungsunfähigkeit im November 2010 zuließen, ist durchaus vertretbar und bewegt sich im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung.

Dies gilt auch für die Frage, ob der beklagten Partei weitere Nachforschungen oblegen wären. Bei einem „außenstehenden“ Gläubiger (also nicht der Hausbank) ist nach der Rechtsprechung hier Zurückhaltung angebracht, weil diesem in der Regel nur seine eigenen Eintreibungsschritte bekannt sind und weitere Nachforschungen üblicherweise mangels geeigneter Informationsmöglichkeiten wenig Aussicht auf Erfolg haben (10 Ob 90/04i). Dies gilt auch für die hier beklagte Partei, die im privatwirtschaftlichen Bereich nicht über Informationsmöglichkeiten wie die Hausbank (auf vertraglicher Grundlage) oder wie Abgabenbehörden und Sozialversicherungsträger (auf gesetzlicher Grundlage) verfügt. Eine generelle Auskunftspflicht des Sachwalters über die Vermögensverhältnisse des Betroffenen scheitert an dessen Verpflichtung zur Geheimhaltung (vgl RIS-Justiz RS0117566).

Eine einzelne - im Übrigen nicht näher hinsichtlich Zeit und Forderungshöhe determinierte Gehaltsexekution - zieht für sich allein keine weiteren Nachforschungsobliegenheiten nach sich (vgl RIS-Justiz RS0064682). Gleiches gilt für die bloße Angabe des Sachwalters über eine „Verschuldung“. Immerhin hat er gegenüber dem Fördergeber auch die durchaus nicht besorgniserregende Einkommenssituation des Betroffenen offengelegt.

2.3. Zusammenfassend bewegt sich die Beurteilung des Berufungsgerichts, eine fahrlässige Unkenntnis der beklagten Partei von einer zum Zeitpunkt der Entgegennahme der Zahlung bestehenden Zahlungsunfähigkeit sei zu verneinen, einzelfallbezogen im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung.

3. Die vom klagenden Insolvenzverwalter in einen Zusammenhang gebrachten Bestimmungen des § 3 Abs 2 IO und des § 31 Abs 1 Z 2 IO sind nach der eindeutigen Gesetzeslage nicht miteinander vergleichbar.

Eine Ausnahme vom Grundsatz der Unwirksamkeit einer Zahlung an den Schuldner nach Insolvenzeröffnung besteht dann, wenn demjenigen, der die Zahlung leistete, zum Zeitpunkt der Zahlung die Tatsache der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Zahlungsempfängers ohne sein Verschulden unbekannt war (§ 3 Abs 2 IO). Bekanntlich stehen die Daten über Insolvenzeröffnungen in einer online zugänglichen Datenbank zur Verfügung, während es keine Datenbanken über die Zahlungsunfähigkeit gibt. § 31 Abs 1 Z 2 IO stellt als Anfechtungsvoraussetzung auf die Kenntnis bzw fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ab, während für § 3 Abs 2 IO die fahrlässige Kenntnis bzw fahrlässige Unkenntnis von der Insolvenzeröffnung maßgeblich ist. Es liegt auf der Hand, dass diese beiden Fälle nicht miteinander in einer eine Vergleichbarkeit nahe legenden Beziehung stehen.

4. Die Revision ist daher mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die der beklagten Partei zu ersetzenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Die beklagte Partei hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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