OGH 10Ob90/04i

OGH10Ob90/04i18.2.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag. Petra D*****, Rechtsanwältin, *****, als Masseverwalterin im Konkurs über das Vermögen des Robert L*****, Tischlerei und Möbelhandel, *****, gegen die beklagte Partei ***** Gebietskrankenkasse, *****, vertreten durch Dr. Peter Resch, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen Anfechtung (Streitwert: EUR 18.485,81 sA, Revisionsinteresse EUR 6.913,47 s.A.), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 16. August 2004, GZ 3 R 112/04v-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 7. April 2004, GZ 6 Cg 59/03m-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 499,93 EUR (darin 83,23 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Beschluss vom 23. 1. 2003, 36 S 7/03a, hat das Landesgericht Korneuburg über das Vermögen des Robert L***** das Konkursverfahren eröffnet und die Klägerin zur Masseverwalterin bestellt.

Robert L***** hatte folgende für den nunmehrigen Rechtsstreit relevante Beitragszahlungen an die beklagte Gebietskrankenkasse geleistet: am 1. 8. 2002 EUR 6.913,47, am 20. 9. 2002 EUR 3.748,69, am 8. 10. 2002 EUR 1.974,50, am 8. 10. 2002 EUR 2.004,39 und am 19. 11. 2002 EUR 3.798,46. Zum Zeitpunkt der Zahlungen war die beklagte Partei in Unkenntnis einer - nicht festgestellten - Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Robert L*****. Sie hatte keinen Einblick in seine Geschäftsunterlagen und keinen Überblick über seine wirtschaftliche Gebarung. Sie hatte auch keine Kenntnis vom Umfang der Verschuldung und der Anzahl der Gläubiger.

Mit den Zahlungen beabsichtigte Robert L***** nicht, andere Gläubiger zu Gunsten der beklagten Partei zu benachteiligen. Auch die beklagte Partei ging nicht von einer solchen Benachteiligungsabsicht aus. Robert L***** beabsichtigte auch nicht, die beklagte Partei vor anderen Gläubigern zu begünstigen. Auch die beklagte Partei nahm eine solche Begünstigungsabsicht nicht an.

Robert L***** beglich durch die Zahlungen jeweils fällige, offene Beitragsschulden bei der beklagten Partei. Die Verbindlichkeiten auf dem Beitragskonto schwankten vom 4. 1. 2001 bis zum Zeitpunkt der letzten angefochtenen Zahlung (19. 11. 2002), gingen jedoch nie über mehr als vier Beitragsmonate hinaus.

Sämtliche im fraglichen Zeitraum getätigten Zahlungen erfolgten in bar bzw durch Überweisung entweder direkt an die beklagte Partei oder an den Gerichtsvollzieher. Zu Pfändungen oder gar einer exekutiven Verwertung kam es nicht. Neun Exekutionsverfahren wurden über Antrag der beklagten Partei im Schnitt zehn Wochen nach Einbringung des Exekutionsantrags bzw sechs Wochen nach Exekutionsbewilligung wegen Zahlung eingestellt. Zweimal zahlte der Gemeinschuldner vor Exekutionsbewilligung. Die restlichen von der beklagten Partei betriebenen Exekutionsverfahren wurden wegen Eröffnung des Konkurses (23. 1. 2003) eingestellt.

Zwischen April 2001 und dem Zeitpunkt der ersten angefochtenen Zahlung (1. 8. 2002) leitete die beklagte Partei neun Exekutionsverfahren ein, danach bis zum Zeitpunkt der dritten und vierten angefochtenen Zahlung (8. 10. 2002) nur ein weiteres Exekutionsverfahren, danach bis zum Zeitpunkt der fünften angefochtenen Zahlung (19. 11. 2002) weitere zwei Exekutionsverfahren. Den Exekutionsanträgen lagen jeweils zwei Monate (einmal drei Monate) vor den Anträgen fällig gewordene Beiträge in Höhe von EUR 3.373,26 bis maximal EUR 6.469,23 inklusive Zinsen und Kosten zugrunde.

Am 19. 8. 2002 leitete RA Dr. Christian R***** als Masseverwalter der Firma T***** ein Exekutionsverfahren gegen Robert L***** wegen eines Zahlungsrückstandes von EUR 32,03 ein. Diese Exekution wurde am 29. 10. 2002 bewilligt. Pfändungen erfolgten wegen Konkurseröffnung nicht.

Es ist nicht feststellbar, dass weitere Gläubiger des Robert L***** (mit Ausnahme des Finanzamts) exekutive Maßnahmen betrieben. Es ist nicht feststellbar, dass die beklagte Partei von weiteren Gläubigern (auch vom Finanzamt) Kenntnis gehabt hat. Weiters ist nicht feststellbar, dass bei weiteren Nachforschungen zum Zeitpunkt der angefochtenen Zahlungen die beklagte Partei Kenntnisse über weitere Gläubiger (mit Ausnahme Dris. R***** zum 29. 10. 2002 und des Finanzamts zum 30. 10. 2002) oder über eine allenfalls bestehende Zahlungsunfähigkeit erlangt hätte.

Die beklagte Partei mahnte mehrmals die Rückstände bei Robert L***** ein. Mit Schreiben vom 18. 7. 2002 drohte sie gerichtliche Maßnahmen, insbesondere die zwangsweise Pfandrechtsbegründung auf einer Liegenschaft an.

Das Erstgericht wies das auf Anfechtung der fünf Beitragszahlungen des Robert L***** an die beklagte Partei aus dem Zeitraum von 1. 8. 2002 bis 19. 11. 2002 gerichtete, auf "alle in der Konkursordnung vorgesehenen" Gründe gestützte Klagebegehren der Masseverwalterin ab. In seiner rechtlichen Beurteilung verwies es darauf, dass die beklagte Partei aufgrund der gegebenen Umstände zu Recht von einer bloßen Zahlungsstockung ausgehen habe können. Darüber hinaus hätten auch allfällige Nachforschungen keine Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit erbracht. Eine einzige weitere betriebene Forderung über EUR 32,03 könne kein Indiz für Zahlungsunfähigkeit sein. Da der beklagten Partei kein Vorwurf der fahrlässigen Unkenntnis einer allfälligen Zahlungsunfähigkeit des Robert L***** gemacht werden könne, seien die Anfechtungsvoraussetzungen nicht gegeben. Die Klärung des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit sei entbehrlich.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Masseverwalterin nicht Folge. Es verneinte eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens, übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und führte zum Standpunkt der Masseverwalterin, die beklagte Partei sei aufgrund der stetig steigenden Rückstände und der Ergebnislosigkeit der Fahrnisexekutionsverfahren zu weiteren Nachforschungen verpflichtet gewesen, zusammengefasst Folgendes aus: Der Oberste Gerichtshof nehme in Bezug auf den Sozialversicherungsträger treffenden Sorgfaltsmaßstab einen eher großzügigen Standpunkt ein. Vor allem die Entscheidung 6 Ob 70/97f (JBl 1998, 186) zu einem mit dem vorliegenden vergleichbaren Sachverhalt sei dadurch gekennzeichnet, dass noch wesentlich stärkere Krisenindikatoren vorgelegen seien, die vom Obersten Gerichtshof aber dennoch nicht so kritisch betrachtet worden seien, dass dem Sozialversicherungsträger aus der Unterlassung weiterer Nachforschungen ein Vorwurf gemacht werden hätte können. Vor allem habe der OGH die Tatsache häufiger Exekutionen über einen längeren Zeitraum für die mit Automationsunterstützung arbeitende beklagte Partei noch nicht als derart auffällig angesehen, dass sie zu weiteren Nachforschungen verpflichtet gewesen wäre. Dabei habe auch eine Rolle gespielt, dass der Gemeinschuldner in jenem Verfahren in der Baubranche tätig gewesen sei, in der mit saisonbedingten Schwankungen und unregelmäßigen Zahlungseingängen zu rechnen sei.

Auch wenn die zeitlichen Grenzen zwischen Zahlungsstockung und Zahlungsunfähigkeit nicht völlig verwischt werden dürften, zeichne sich der vorliegende Sachverhalt durch die Besonderheit aus, dass außer den relativ häufig von der beklagten Partei beantragten Exekutionen und dem über einen relativ langen Zeitraum bestehenden Beitragsrückstand, der über mehr als 1 ½ Jahre fast immer zwischen einem und drei bis vier Monatsbeiträgen geschwankt habe, keinerlei weitere Krisenindikatoren vorgelegen seien. So habe es keine Verhandlungen über eine ratenweise Bezahlung der Rückstände, um so weniger eine Ratenvereinbarung gegeben. Auch eine Einsichtnahme in das Namensregister Exekution hätte für die beklagte Partei erst im allerletzten Moment (Ende Oktober 2002) weitere betreibende Gläubiger aufgezeigt. Nur dann, wenn man mit einem Teil der Lehre die Ansicht vertrete, es müsse letztlich neben der Berücksichtigung branchenmäßiger Besonderheiten auch eine absolute Grenze der Zahlungsstockung geben (etwa drei bis sechs Monate), käme man zum Ergebnis, dass die beklagte Partei aufgrund der lang dauernden Beitragsrückstände und der immer wiederkehrenden Notwendigkeit von exekutiven Maßnahmen von einer Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners ausgehen hätte müssen. Für eine derartige Sichtweise gebe es aber in der bisherigen höchstgerichtlichen Judikatur keine Stütze. Selbst der Umstand, dass der Gemeinschuldner nicht unmittelbar der - besonderen saisonalen Schwankungen unterliegenden - Baubranche zuzuordnen sei, ändere nichts daran, dass der beklagten Partei, weil außer den Exekutionsverfahren weitere Krisenindikatoren völlig gefehlt hätten, aus der Unterlassung weiterer Nachforschungen kein Vorwurf gemacht werden könne. Somit habe das Erstgericht das Fehlen der Voraussetzungen des § 31 Abs 1 Z 2 KO zutreffend beurteilt.

Die ordentliche Revision sei hinsichtlich der Anfechtung der Zahlung vom 1. 8. 2002 von EUR 6.913,47 zulässig, weil die Frage der objektiven Grenze der Zahlungsstockung weiterhin einer Klärung durch den Obersten Gerichtshof harre. Der vorliegende Sachverhalt würde sich für eine grundsätzliche Judikatur in dieser Frage deshalb anbieten, weil entgegen den bisherigen höchstgerichtlichen Entscheidungen im vorliegenden Fall keinerlei zusätzliche Krisenindikatoren vorlägen. Hinsichtlich der Anfechtung der vier weiteren, jeweils unter EUR 4.000,-- liegenden Zahlungen sei die Revision jedenfalls unzulässig.

Gegen diese Entscheidung richtet sich - hinsichtlich der Anfechtung der Zahlung vom 1. 8. 2002 von EUR 6.913,47 - die Revision der klagenden Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagsstattgebenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

Vorauszuschicken ist, dass das Revisionsverfahren nur die Anfechtung der am 1. 8. 2002 im Betrag von EUR 6.913,47 geleisteten Zahlung betrifft, also die zeitlich erste der fünf angefochtenen Zahlungen des Robert L***** an die beklagte Gebietskrankenkasse.

Die hier als Grundlage für eine Anfechtung in Betracht kommende Bestimmung des § 31 Abs 1 Z 2 KO setzt die Zahlungsunfähigkeit oder einen gegen den Gemeinschuldner anhängigen Konkurseröffnungsantrag zum Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung voraus (7 Ob 662/89 = JBl 1990, 728 = ÖBl 1990, 469 = ecolex 1990, 146). Der Anfechtungsgegner muss von der (objektiven) Tatsache der Zahlungsunfähigkeit (oder des Konkursantrags) Kenntnis haben oder darüber in zumindest schuldhafter Unkenntnis sein. Ob der Gläubiger zum maßgeblichen Zeitpunkt aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Auskunftsmittel und seiner Kenntnis von der wirtschaftlichen Lage des Schuldners von dessen Zahlungsunfähigkeit Kenntnis haben musste, ist eine Frage der rechtlichen Beurteilung (RIS-Justiz RS0043687, RS0043695).

Eine allgemein gültige Regel für die Beurteilung dieser Frage lässt sich nicht finden. Entscheidend sind immer die Umstände des Einzelfalls, wobei auf den in einem bestimmten Verkehrskreis üblichen Sorgfaltsmaßstab abzustellen ist. Zu unterscheiden ist zwischen Tatsachen, die bereits einen Rückschluss auf die Zahlungsunfähigkeit erlauben, und jenen Tatsachen, die den Gläubiger zu weiteren Nachforschungen verpflichten (Weissel, Die Sorgfaltspflicht der Bank in der Rechtsprechung zu § 31 KO, ÖBA 1994, 955 [959]). Es kann jeweils nur im Einzelfall entschieden werden, ob gewisse Anzeichen einer wirtschaftlich schlechten Lage den Anfechtungsgegner zu Nachforschungen verpflichten oder ob keine Pflicht zu näheren Erkundigungen gegeben ist (RIS-Justiz RS0042837). Generell ist bei einem "außenstehenden" Gläubiger (also nicht der Hausbank: 6 Ob 70/97f = JBl 1998, 186 = ZIK 1998, 130) Zurückhaltung angebracht, da diesem in der Regel nur seine eigenen Eintreibungsschritte bekannt sind und weitere Nachforschungen üblicherweise mangels geeigneter Informationsmöglichkeiten wenig Aussicht auf Erfolg haben. Jedenfalls müssen die Krisenanzeichen bereits ein Indiz für eine Zahlungsunfähigkeit darstellen (7 Ob 526/89 = ÖBA 1989, 922 = wbl 1989, 195). Selbst (bekannte) Exekutionsmaßnahmen gegen den Schuldner verpflichten nicht generell zu Nachforschungen; auch hier kann nur aufgrund der Gesamtsituation des Einzelfalles entschieden werden (4 Ob 624/75 = EvBl 1976/145 = JBl 1977, 209, Schumacher; 6 Ob 70/97f = JBl 1998, 186 = ZIK 1998, 130). In den Fällen, in denen die Judikatur Nachforschungspflichten bejaht hat, lagen neben den Exekutionsverfahren noch weitere wesentliche Indizien für eine Zahlungsunfähigkeit des Schuldners vor (siehe Rebernig, Konkursanfechtung des Kontokorrentkredites [1998] Rz 197 f mit zahlreichen Nachweisen aus der Judikatur).

Sozialversicherungsträger sind nach der Rechtsprechung (dazu 6 Ob 622/95 = ZIK 1996, 62; 6 Ob 70/97f = JBl 1998, 186 = ZIK 1998, 130) zu Nachforschungen verpflichtet, wenn die Höhe des Rückstandes in kurzer Zeit rasch ansteigt und Zahlungen nur noch im exekutiven Weg einbringlich gemacht werden können bzw getroffene Ratenvereinbarungen nicht mehr eingehalten werden (8 Ob 37/00z). "Krisenindikatoren" dieser Intensität waren im vorliegenden Fall für die beklagte Partei nicht gegeben. Auch die Revision vermag dem keine überzeugenden Argumente entgegen zu setzen, wird doch letztlich nur der Standpunkt wiederholt, dass dann, wenn in einem Zeitraum von 1 ½ Jahren 14 (nach den Feststellungen zwölf) Exekutionsverfahren gegen den Gemeinschuldner geführt worden seien, eine Verpflichtung zu weiteren Nachforschungen über die Zahlungs(un)fähigkeit bestanden hätte; dabei hätte die beklagte Partei - auf nicht näher spezifizierte Weise - Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit erlangt.

Das maßgebliche Indiz für das Bestehen von Zahlungsunfähigkeit sieht die Masseverwalterin demnach in der länger dauernden Zahlungsstockung. Nach § 66 Abs 2 KO ist Zahlungsunfähigkeit „insbesondere anzunehmen", wenn der Schuldner seine Zahlungen einstellt. Zahlungsunfähigkeit setzt nicht voraus, dass Gläubiger andrängen; der Umstand, dass der Schuldner Forderungen einzelner Gläubiger ganz oder teilweise befriedigt hat oder noch befriedigen kann, begründet für sich allein nicht die Annahme, dass er zahlungsunfähig ist (§ 66 Abs 3 KO).

Dellinger (in Konecny/Schubert, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen § 66 KO Rz 42 ff, insb 49) hat zur Abgrenzung zwischen Zahlungsstockung und Zahlungsunfähigkeit vorgeschlagen, die Bezugnahme auf die Verkehrsauffassung durch eine objektive Frist zu ergänzen, sodass bloße Zahlungsstockung nur unter einer doppelten Voraussetzung anzunehmen sei: Zunächst sei erforderlich, dass der Schuldner mit hoher Wahrscheinlichkeit so bald und in dem Maße wieder zu Zahlungsmitteln gelangen werde, dass er die akut fälligen Verbindlichkeiten und die innerhalb des Planungszeitraumes fällig werdenden Verbindlichkeiten innerhalb der von Gläubigergruppe zu Gläubigergruppe jeweils unterschiedlichen, verkehrsüblichen Zuwartefristen bezahlen wird können. Hinzu kommen müsse die Erwartung einer echten liquditätsmäßigen Erholung, also einer Rückkehr zu pünktlicher Zahlungsweise, weil es andernfalls ein "ewige Zahlungsstockung" geben könnte. Dagegen helfe nur eine angemessene objektive Frist. Dellinger sieht eine Frist in der Länge von drei bis sechs Monaten als angemessen an.

Gegen festbestimmte Fristen spricht einerseits der Umstand, dass die KO sie im Zusammenhang mit der Definition der Zahlungsunfähigkeit vermeidet. Auch die mit dem IRÄG 1982 eingefügte „Interpretationshilfe" des § 66 Abs 3 KO ist sehr allgemein gehalten. Feste Obergrenzen sind auch insofern problematisch, als sie den Anforderungen des Einzelfalls zu wenig gerecht werden (Buchegger, Zur Dogmatik der Insolvenzauslösetatbestände, in Feldbauer-Durstmüller/Schlager (Hrsg), Krisenmanagement - Sanierung - Insolvenz [2002] 953 [961]). In diesem Sinn ist der bisherigen Judikatur zu folgen, die Zahlungsunfähigkeit dann annimmt, wenn der Schuldner seine Verbindlichkeiten nicht in „angemessener" Frist bezahlen kann (RIS-Justiz RS0064528). Damit kann den in den diversen Branchen durchaus unterschiedlichen und auch von der Art der Schuld abhängigen Auffassungen darüber, wie pünktlich Rechnungen zu befriedigen sind, besser Rechnung getragen werden (ausführlich Schumacher in Bartsch/Heil/Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht4 § 66 KO Rz 23). Ein Anlass zum Abgehen von der bisherigen Judikatur besteht nicht.

Somit war die beklagte Partei trotz der von ihr innerhalb des Zeitraumes von April 2001 bis zum Zeitpunkt der ersten - hier allein noch maßgeblichen - angefochtenen Zahlung (1. 8. 2002) eingeleiteten neun Exekutionsverfahren nicht zu weiteren Nachforschungen bezüglich der Zahlungs(un)fähigkeit des Robert L***** gehalten. Dabei ist ganz allgemein noch zu bedenken, dass Sozialversicherungsbeiträge aufgrund der Möglichkeit der Ausstellung eines Rückstandsausweises besonders rasch betrieben werden können (so auch Schumacher aaO § 66 Rz 23).

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 ZPO.

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