OGH 3Ob7/12v

OGH3Ob7/12v14.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der betreibenden Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Zöchbauer Frauenberger Rechtsanwälte in Wien, gegen die verpflichtete Partei K***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 28. September 2011, GZ 47 R 353/11a, 47 R 354/11y, 47 R 355/11w, 47 R 356/11t-33, womit infolge Rekurses beider Parteien die Beschlüsse des Bezirksgerichts Döbling vom 24. Mai 2011, GZ 23 E 7096/09p-12, -13, -16 und -20, zum Teil bestätigt und zum Teil abgeändert wurden, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß

(§ 78 EO iVm) § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Verpflichtete ist aufgrund einer Einstweiligen Verfügung vom 15. April 2008 schuldig, es im geschäftlichen Verkehr beim Vertrieb periodischer Druckwerke, insbesondere der Tageszeitung „K*****“, zu unterlassen, einen nicht zutreffenden zeitlichen Vorsprung ihrer redaktionellen Berichterstattung zu behaupten und/oder zu verbreiten. Sie hat dem Exekutionstitel nach Eintritt dessen Vollstreckbarkeit bereits am 24. September 2009 durch die Behauptung, dass „K*****“-Leser exklusiv als Erste von einem bestimmten Ereignis erfahren würden, obwohl zeitgleich auch andere Medien darüber berichteten, zuwidergehandelt; deshalb wurde über sie eine Geldstrafe in der Höhe von 5.000 EUR verhängt (3 Ob 226/10x).

Die Betreibende hat in vier folgenden Strafanträgen (bezeichnet als zweiter bis fünfter) zusammen sieben weiteren Verstöße der Verpflichteten geltend gemacht, die sich in zwei Verstoßmuster gliedern lassen; zum einen geht es um die Behauptung exklusiver Berichterstattung über Umfragen und deren Ergebnisse (Verstöße vom 8. und 9. Dezember 2010, 19. Februar 2011 sowie 15. April 2011), zum anderen um die Behauptung, schon früher über das nunmehrige Berichtsthema exklusiv berichtet zu haben (Verstöße vom 26. Februar 2011, 23. März 2011 und 14. April 2011).

Das Erstgericht bejahte die geltend gemachten Titelverstöße; dazu blieb der Rekurs der Verpflichteten erfolglos. Während das Erstgericht jedoch nur Geldstrafen von 8.000 EUR (für zwei Verstöße), 18.000 EUR, 20.000 EUR und 40.000 EUR (für drei Verstöße) verhängte, erhöhte diese das Rekursgericht über Rekurs der Betreibenden auf 15.000 EUR, 30.000 EUR, 40.000 EUR und 60.000 EUR. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands jeweils 30.000 EUR übersteigt.

Rechtliche Beurteilung

Ungeachtet der Bestätigung der Entscheidung des Erstgerichts zum Vorliegen der Titelverstöße durch das Rekursgericht liegt dazu keine Konformatsentscheidung iSd § 528 Abs 2 Z 2 ZPO iVm § 78 EO vor, die den Revisionsrekurs insofern absolut unzulässig machen würde. Eine teilweise bestätigende Entscheidung ist nämlich dann zur Gänze anfechtbar, wenn der bestätigende und der abändernde Teil in einem derart engen Zusammenhang stehen, dass sie voneinander nicht gesondert werden können und deshalb die Zulässigkeit ihrer Anfechtung nur einheitlich beurteilt werden kann (RIS-Justiz RS0044257 [T61]; RS0044191). Die Exekution zur Erwirkung einer Unterlassung durch Androhung und Verhängung von Geldstrafen oder Haft sind innerlich zusammengehörige Begehren (3 Ob 172/76 = RIS-Justiz RS0044257 [T22]). Das gilt auch für der Exekutionsbewilligung nachfolgende Strafanträge zu den Fragen, ob ein Titelverstoß erfolgte und welche Strafe dafür zu verhängen ist.

Die Beantwortung der Frage, ob ein bestimmtes festgestelltes Verhalten der verpflichteten Partei vom Exekutionstitel erfasst wird, geht nicht über den Einzelfall hinaus und wirft daher - ebenso wie die Auslegung des Exekutionstitels allgemein (RIS-Justiz RS0000595 [T4]) - regelmäßig keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO auf (RIS-Justiz RS0004662). Das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers ist stets eine Frage des Einzelfalls, der keine darüber hinausgehende Bedeutung zukommt, hängt sie doch ausschließlich von den jeweiligen konkreten Formulierungen ab, sodass sie keine brauchbaren Anhaltspunkte für die Beurteilung ähnlicher Fälle erwarten lässt. Ob auch eine andere Beurteilung der festgestellten Äußerung vertretbar wäre, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und bildet demnach keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0031869).

Eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung durch das Rekursgericht liegt aus folgenden, kurz darzustellenden Gründen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO) nicht vor.

1. Generell ist klarzustellen, dass die Behauptung der Exklusivität einer Berichterstattung zunächst bedeutet, allein - also unter Ausschluss aller Mitbewerber - über das konkrete Thema der Berichterstattung zu informieren. Dies enthält zwingend auch die Behauptung, als erster zu diesem konkreten Thema zu berichten, das heißt mit zeitlichem Vorsprung gegenüber den Mitbewerbern. Bei gleichzeitiger oder früherer Berichterstattung durch andere Medien zum selben Thema liegt daher ein Titelverstoß vor.

2. Zu den Verstößen vom 8. und 9. Dezember 2010, 19. Februar 2011 sowie 15. April 2011:

Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass Berichte über eine Umfrage zu einem bestimmten Thema samt Ergebnis,

a. die von einem Dritten eingeholt wurde und der Verpflichteten laut dem Text des Berichts exklusiv vorliege und

b. die in der Schlagzeile zum jeweiligen Bericht als „Exklusiv-Umfrage“ oder als „Blitzumfrage 'K*****'-exklusiv“ bezeichnet wird,

nicht nur die Behauptung, deren Thema sowie das Ergebnis allein (im oben bezeichneten Sinn) präsentieren zu können, zum Inhalt haben, sondern auch die Behauptung, vor den Mitbewerbern darüber zu berichten, also mit zeitlichem Vorsprung gegenüber diesen, ist keineswegs unvertretbar.

Bei der Berichterstattung über Meinungsumfragen richtet sich nämlich das Interesse des Durchschnittslesers regelmäßig nicht darauf, wer die Umfrage in wessen Auftrag durchführte, sondern welches Thema sie zum Gegenstand hatten und welche Ergebnisse erhoben wurden. Aus diesem Blickwinkel liegt der Zweck eines Hinweises auf die Exklusivität aber darin, Leser darauf aufmerksam zu machen, nur in diesem Druckwerk und daher auch früher als bei den Mitbewerbern zu a. über eine konkrete Umfrage oder zu b. über ein bestimmtes Umfragethema und -ergebnis informiert zu werden (iSv: „nur wir können über eine bestimmte Umfrage/eine Umfrage zu einem bestimmten Thema berichten“). Wenn dennoch in anderen periodischen Druckwerken zu a. über dieselbe Umfrage (wenn auch nur über einen Teil der Ergebnisse) oder zu b. zum nämlichen Umfragethema (sei die Umfrage zum selben Thema auch von einem anderen Unternehmen durchgeführt worden und sei dabei ein anderes Ergebnis erzielt worden) zumindest zur gleichen Zeit berichtet wird, so trifft die Behauptung eines zeitlichen Vorsprungs nicht zu, wodurch ein Titelverstoß verwirklicht wurde.

Auch die später im Text des Berichts erfolgte Nennung der Quelle ändert daran in der Konstellation zu b. nichts, wenn nicht auch klargestellt wird, dass sich die in der Schlagzeile behauptete Exklusivität nicht auf das Thema der Umfrage bezieht (sondern darauf, wer sie beauftragt hat) oder dass es sich um eine selbst durchgeführte Umfrage unter eigenen Lesern handelt, was hier allerdings mit der notwendigen Deutlichkeit unterblieb; nur dann muss dem unbefangenen Durchschnittsleser klar sein, dass über eine nur für die Verpflichtete/von der Verpflichteten durchgeführte Umfrage berichtet wird und deshalb zum dabei behandelten Thema auch andere Umfragen vorliegen können, über die auch in anderen Medien zumindestens zeitgleich berichtet werden (oder worden sein) kann. Daher kommt es in diesem Zusammenhang auf den sogenannten Schlagzeilenleser gar nicht an.

3. Zum Verstoß vom 26. Februar 2011:

Im vorausgehenden Bericht vom 20. Februar 2011 (./C) ist zwar von einem „Bauvorhaben“ einer Superschanze, aber auch davon die Rede, dass ein erster Bauversuch bereits stattgefunden habe. Es ist daher keineswegs unvertretbar, die im späteren Bericht vom 26. Februar 2011 (./B) als exklusiv bezeichnete „Baureportage“ als Verweis auf den Bericht ./C anzusehen. Dass dies aber keine exklusive Berichterstattung über die Superschanze darstellte, bestreitet die Verpflichtete gar nicht.

4. Zum Verstoß vom 14. April 2011:

Der Frage, ob es gerichtsnotorisch ist, dass die K***** in der Abendkolportage erscheint, kommt keine Bedeutung zu, weil ausdrücklich ein zeitlicher Vorsprung der Berichterstattung für den 29. März 2011 behauptet wird, an dem auch eine andere Zeitung über einen bevorstehenden Wechsel in der Führung einer politischen Partei berichtete; die Ansicht, dass sich der dortige Hinweis auf eine „Gazette“, die Derartiges behaupte, nicht zwingend auf die K***** beziehen müsse, ist keinesfalls unvertretbar, zumal auch der von der Verpflichteten behauptete Konkurrenzkampf zwischen den beiden Zeitungen keine einwandfreie Zuordnung erlaubt.

Das Bewilligungsgericht hat die Verpflichtung nur aufgrund des Titels festzustellen. Es hat sich dabei an den Wortlaut des Titels zu halten und kann nur aus diesem selbst schließen, was die Parteien oder das Gericht dabei in Wirklichkeit gemeint haben (RIS-Justiz RS0000207, zuletzt 3 Ob 220/11s). Eine Einschränkung dahin, die Verpflichtete habe es nur zu unterlassen, einen nicht zutreffenden zeitlichen Vorsprung gegenüber einem bestimmten Mitbewerber zu behaupten, lässt sich dem Exekutionstitel aber nicht entnehmen.

5. Zur Höhe der Geldstrafen:

Im Zuge einer Unterlassungsexekution zu verhängende Strafen haben willensbeugenden und repressiven Charakter. Durch die verhängte Strafe soll der Verpflichtete für begangenes Unrecht wirksam zur Rechenschaft gezogen und von weiteren Verletzungen des Exekutionstitels abgehalten werden; bloß symbolische Geldstrafen scheiden daher aus (RIS-Justiz RS0010057 [T3]). Die Bemessung von Geldstrafen nach § 355 EO wirft schon wegen der darin angeordneten Bedachtnahme auf Art und Schwere des jeweiligen Zuwiderhandelns gegen den Exekutionstitel, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Verpflichteten und das Ausmaß von dessen Beteiligung an der Zuwiderhandlung, also auf die konkreten Umstände des Einzelfalls, keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 78 EO iVm § 528 Abs 1 ZPO auf (RIS-Justiz RS0012388). Der von der Verpflichteten geltend gemachte Ermessensmissbrauch durch das Rekursgericht ist nicht zu erkennen.

Als Sachargumente gegen die Höhe der vom Rekursgericht ausgesprochenen Geldstrafen trägt die Verpflichtete nur vor, zwischen erstem und zweitem Verstoß lägen fast eineinhalb Jahre (richtig: ca 14,5 Monate) und es sei zu berücksichtigen, dass die angenommenen Verstöße teilweise in Ausgaben erfolgt seien, die nur in einem Bundesland erscheinen. Für die Bemessung einer Geldstrafe ist es aber weder von Belang, ob das titelwidrige Verhalten in einem Druckwerk gesetzt wurde, das für den wirtschaftlichen Erfolg der Verpflichteten von großer oder kleiner Bedeutung ist, noch ob ein längerer oder kürzerer Zeitraum bis zum ersten Verstoß oder zwischen mehreren Verstößen verstrichen ist (vgl 3 Ob 191/04s = RIS-Justiz RS0119427 = SZ 2004/131). Das mehrfache, eine beharrliche Ignoranz gerichtlicher Unterlassungsverpflichtungen dokumentierende Zuwiderhandeln verlangt hingegen eine markante Steigerung der Geldstrafen (RIS-Justiz RS0004718; RS0030819) auf ein auch für die Verpflichtete, die ihre von den Vorinstanzen angenommene hohe wirtschaftliche Potenz gar nicht bestreitet, fühlbares Ausmaß.

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