OGH 10Ob10/12m

OGH10Ob10/12m13.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** AG, *****, vertreten durch Rechtsanwälte Gehmacher Hüttinger Hessenberger Kommandit-Partnerschaft in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1. G***** OG, *****, 2. C*****, 3. P*****, 4. F*****, alle vertreten durch Stolz & Schartner Rechtsanwälte GmbH in Radstadt, wegen 28.664,29 EUR sA, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 22. November 2011, GZ 4 R 182/11d-19, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 22. Juli 2011, GZ 14 Cg 206/10x-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der beklagten Parteien wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 1.932,34 EUR (darin enthalten 322,06 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin schloss mit der Erstbeklagten, die ein Gasthaus betreibt, am 31. 8. bzw 2. 9. 1998 ein Lieferungsübereinkommen mit folgendem wesentlichen Inhalt:

„1. Absatzstätte, Vertragsdauer

Dieses Lieferungsübereinkommen wird für die Absatzstätte 'Gasthaus G*****' ... für die Zeit vom 1. August 1998 auf die Dauer von 10 (zehn) Jahren vereinbart.

2. Lieferrecht und Getränkebezug

Der Vertragspartner räumt der Brauerei verbindlich und entgeltlich das Recht ein, für die in Punkt 1. angeführte Absatzstätte seinen gesamten Bedarf an den in der beigefügten Sorten-/Markenliste der Brauerei angeführten Bieren, in welchen Gebinden immer, ausschließlich und ununterbrochen zu liefern. Der Vertragspartner wird von anderen Unternehmern angebotene Biere, die zu den selben Sorten gehören, wie die aufgrund dieser Vereinbarung gelieferten Biere, nicht beziehen ...

3. Leistung der Brauerei

Der Kaufpreis für das eingeräumte Alleinbelieferungsrecht beträgt ATS 640.000 zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer ...

4. Mindestbezugsmenge

4.1. Die Brauerei und der Vertragspartner legen dem Vertrag einen Bezug von jährlich 200 hl an Bieren zugrunde, während der Laufzeit des Vertrages somit insgesamt 2.000 hl Bier.

...

5. Vertragsverletzung

Verletzt der Vertragspartner diesen Vertrag, insbesondere durch eine Verletzung der Getränkebezugsverpflichtung oder dadurch, dass er den Vertrag nicht im Sinne des Punkt 5. überbindet oder mit fälligen Zahlungen säumig wird, so gilt Folgendes:

a) ...

b) Überdies ist der Vertragspartner verpflichtet, nach Wahl der Brauerei entweder

aa) den Vertrag zu erfüllen und für die Verzögerung der Erfüllung Schadenersatz zu leisten oder

bb) die von der Brauerei gemäß Punkt 3. erbrachte Leistung zuzüglich USt zurückzuerstatten und der Brauerei allen aus der Nichterfüllung des Vertrages entstehenden Schaden zu ersetzen. ...

10. Sonstiges

10.1. Einvernehmlich wird festgehalten, dass der von der Brauerei bezahlte Kaufpreis keinen Kredit, sondern die volle Gegenleistung für das von der Brauerei erworbene Alleinbelieferungsrecht und die solcherart von Kunden übernommene Getränkebezugsverpflichtung darstellt, welche weder durch eine Rückzahlung, noch durch eine sonstige im Vertrag nicht vorgesehene Tilgung aufgehoben werden kann.

...

11. Zusätzliche Vereinbarungen

11.1. Die Brauerei gewährt dem Vertragspartner das Wahlrecht, auch während der Vertragszeit den noch nicht amortisierten Kaufpreisanteil zurückzuzahlen. In diesem Falle bleibt die Bezugsvereinbarung zur Gänze aufrecht, der Vertragspartner erhält jedoch auf alle Lieferungen von Faß- und Flaschenbier einen marktüblichen Rechnungsrabatt.

...

11.3. Wenn der Vertragspartner die vereinbarte jährliche Mindestbezugsmenge von 200 hl Bier nicht erreicht, wird vereinbart, dass in diesem Falle eine jährliche Anpassung ohne Zinsen durchzuführen ist.“

Der Dritt- und Viertbeklagte waren zum Zeitpunkt des Abschlusses des Lieferungsübereinkommens persönlich haftende Gesellschafter der Erstbeklagten. Der Zweitbeklagte führte nach dem Ausscheiden des Viertbeklagten gemeinsam mit dem Drittbeklagten das Unternehmen der Erstbeklagten weiter.

Im Jahr 1998 führte ein Mitarbeiter der Klägerin mit dem Dritt- und Viertbeklagten Verhandlungen über die ausschließliche Belieferung der Erstbeklagten mit Bieren der Klägerin. Obwohl die Klägerin zu dieser Zeit üblicherweise einen Höchstbetrag von 300 ATS pro hl Bierbezug als Kaufpreis für die Einräumung eines Alleinbelieferungsrechts bezahlte, wurde dieser Betrag im Hinblick auf Mitbewerber auf 320 ATS erhöht. Dieser Kaufpreis ist nichts anderes als eine vorweggenommene Rabattgewährung auf den vom Kunden zu zahlenden Einkaufspreis für das Bier. Seine Höhe hängt von der vereinbarten Bezugsmenge ab, was dem Dritt- und Viertbeklagten bewusst war. Gemeinsam gingen der Mitarbeiter der Klägerin sowie der Dritt- und der Viertbeklagte von einer Bezugsmenge von 200 hl pro Jahr aus. Der Mitarbeiter der Klägerin erklärte seinen Gesprächspartnern, dass bei Nichterreichen der vereinbarten Bezugsmenge der bezahlte Kaufpreis aliquot an die Klägerin zurückgezahlt werden muss.

Die Erstbeklagte erreichte in keinem Jahr im Zeitraum 1998 bis 2010 die Mindestbezugsmenge. Sie bezog in dieser Zeit insgesamt 972,61 hl Bier. Anlässlich der jährlichen Wintereindeckung im Herbst sprach ein Mitarbeiter der Klägerin mit dem Dritt- und dem Viertbeklagten wiederholt darüber, dass die vereinbarte Bezugsmenge von 200 hl nicht abgenommen wurde. Dabei wies er darauf hin, dass daher der aliquote Kaufpreis für die nicht abgenommene Biermenge zurückzuzahlen wäre, worauf der Dritt- und der Viertbeklagte meinten, dass sie kein Geld für die Rückzahlung hätten. Sie einigten sich daher mündlich darauf, die Vertragslaufzeit zu verlängern.

Mit Schreiben vom 5. 10. 2001 teilte die Klägerin der Erstbeklagten mit, dass diese im Hinblick auf die Änderung der Rechtslage für Lieferverträge ab 1. 1. 2002 das Recht habe, den Vertrag zu jedem Monatsletzten unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten mittels eingeschriebenen Briefes vorzeitig zu kündigen. Im Falle einer Kündigung sei die Erstbeklagte aber verpflichtet, den nicht amortisierten Teil bzw noch offenen Betrag der ursprünglichen Leistung der Klägerin, wie vereinbart, an die Klägerin zurückzuzahlen, ansonsten die Kündigung unwirksam sei.

Im Frühjahr 2010 erkundigte sich der Drittbeklagte bei einem Mitarbeiter der Klägerin, ob diese einen Beitrag zum geplanten Umbau des Betriebs leisten würde. Im Gespräch wurden der Bestand des Vertrags zwischen der Klägerin und der Erstbeklagten sowie die offene Mindestbezugsmenge thematisiert. Der Mitarbeiter der Klägerin teilte dem Beklagten mit, dass aufgrund der offenen Mindestbezugsmenge eine Leistung der Klägerin zum Umbau nicht möglich sei.

Mit Schreiben vom 13. 8. 2010 wiesen die Beklagten die Klägerin darauf hin, dass die Vertragsdauer von zehn Jahren abgelaufen sei und die Erstbeklagte kein Bier mehr von der Klägerin beziehen werde. Die Beklagten schlossen mit einem anderen Lieferanten einen Bierbezugsvertrag ab und bezogen von der Klägerin kein Bier mehr. Daraufhin rechnete die Klägerin am 8. 10. 2010 die offene Bezugsmenge ab und ersuchte die Erstbeklagte um Zahlung des nicht amortisierten Betrags von 28.670 EUR inklusive USt sowie kapitalisierter Zinsen, was die Beklagten jedoch ablehnten.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin von den Beklagten die Rückzahlung des nicht amortisierten Betrags in der Höhe von zuletzt 28.664,29 EUR sA.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und wendeten im Wesentlichen ein, das Alleinbelieferungsrecht der Klägerin habe für zehn Jahre bestanden und am 31. 7. 2008 geendet. Die Klägerin habe für die Beklagten eine Bierabsatzmenge von 200 hl jährlich kalkuliert, obwohl diese tatsächlich durchschnittlich nur 80 bis 90 hl pro Jahr betragen habe. Die Klägerin habe dadurch eine Verlängerung der Vertragsdauer von 10 auf 20 Jahre bewirken wollen. Diese Vereinbarung sei daher sittenwidrig und nach Art 81 EGV unwirksam. Entsprechend der Gruppenfreistellungsverordnung, VO Nr 2790/1999 vom 22. 12. 1999, habe ab 1. 1. 2003 keine wirksame Bezugspflicht mehr bestanden. Eine Vertragsanpassung sei den Beklagten nicht angeboten worden. Die Klägerin wäre nach dieser Gruppenfreistellungsverordnung und auch nach dem Lieferungsübereinkommen verpflichtet gewesen, eine jährliche Abrechnung mit Rechnungslegung vorzunehmen. Gleichzeitig hätte sie die Beklagten zur Zurückzahlung auffordern müssen. Da keine jährliche Abrechnung erfolgt sei und auch eine Rückforderung nach Ende der Bezugspflicht nicht vorgenommen worden sei, habe die Klägerin auf ihre Ansprüche schlüssig verzichtet. Teile der Ansprüche seien aufgrund der hier anzuwendenden dreijährigen Verjährungsfrist auch bereits verjährt. Schließlich hätte die Klägerin nach Treu und Glauben auf das Kündigungsschreiben der Beklagten reagieren und darauf hinweisen müssen, dass für den Fall der Beendigung des Bierbezugs ein Rückforderungsanspruch bestehe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es beurteilte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht dahin, dass der Vorleistung der Klägerin keine vollständige Gegenleistung der Beklagten gegenüberstehe, weil anstelle der vereinbarten 2.000 hl nur 972,61 hl Bier bezogen worden seien. Als Folge des Wegfalls des Schuldverhältnisses mit Vertragsbeendigung sei ein Bereicherungsanspruch in Höhe der fehlenden Gegenleistung von 28.664,29 EUR inklusive USt fällig geworden. Für diesen Anspruch gelte die 30-jährige Verjährungzeit, sodass die Forderung nicht verjährt sei. Auch das Unterbleiben der im Lieferungsübereinkommen vorgesehenen jährlichen Anpassung führe nicht zum Verlust des bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruchs. Ebensowenig könne aus der unterlassenen jährlichen Anpassung ein Verzicht der Klägerin auf die Rückzahlung des nicht amortisierten Kaufpreises abgeleitet werden. Dem Einwand der Beklagten, die unrealistisch kalkulierte jährliche Absatzmenge habe lediglich eine Vertragsverlängerung von 10 auf 20 Jahre bewirken sollen, sei entgegenzuhalten, dass der Mindestbezug einvernehmlich festgesetzt worden sei und die Höhe des Kaufpreises bestimmt habe. Davon abgesehen, sei der Erstbeklagten die Möglichkeit einer vorzeitigen Kündigung eingeräumt worden. Doch selbst wenn man von einer Sittenwidrigkeit der Ausschließlichkeitsbindung infolge ihrer zeitlichen Ausdehnung ausginge, würde daraus nicht die Nichtigkeit des gesamten Vertrags resultieren. Eine kürzere, nicht mehr sittenwidrige Laufzeit würde zu einer Verringerung der Bezugsmenge und damit auch zu einer Reduktion des Kaufpreises führen, weshalb es auch im Rahmen der Teilnichtigkeit zu einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung bzw einer Vertragsanpassung käme. Gleiches gelte auch für einen allfälligen Verstoß gegen das EG-Kartellverbot infolge Überschreitung der nach der Gruppenfreistellungsverordnung zulässigen Bindungsfrist. Auch die daraus resultierende Nichtigkeit würde zu einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung führen. Eine Verpflichtung der Klägerin, auf das Schreiben der Erstbeklagten vom 13. 8. 2010 zu reagieren und auf den nicht amortisierten Kaufpreis hinzuweisen, habe nicht bestanden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten keine Folge. Es vertrat in rechtlicher Hinsicht - zusammengefasst - die Auffassung, der von der Klägerin geltend gemachte bereicherungsrechtliche Rückforderungsanspruch unterliege der 30-jährigen Verjährungsfrist, weshalb eine Verjährung nicht eingetreten sei. Auch einen schlüssigen Verzicht der Klägerin auf die Geltendmachung ihres Rückforderungsanspruchs habe das Erstgericht zu Recht verneint. An das Vorliegen eines stillschweigenden Verzichts sei ein sehr strenger Maßstab anzulegen. Das Verhalten des Verzichtenden müsse bei Überlegung aller Umstände des Falls unter Berücksichtigung der im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche den eindeutigen, zweifelsfreien und zwingenden Schluss zulassen, er habe ernstlich verzichten wollen. Es könne weder aus der nicht (jährlich) vorgenommenen Anpassung der Bezugsmenge durch die Klägerin samt Rückforderung der aliquoten Geldleistung noch aus der fehlenden Rückforderung nach Wegfall der Bezugspflicht durch die Gruppenfreistellungsverordnung, VO Nr 2790/1999 vom 22. 12. 1999 über die Anwendung von Art 81 Abs 3 EGV auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen, auf einen solchen Verzicht geschlossen werden. Es sei von der Klägerin im Gegenteil anlässlich der jährlichen Wintereindeckung sowie in ihrem den Beklagten zugegangenen Schreiben vom 5. 10. 2001 auf die Rückzahlung des aliquoten Kaufpreises wegen Nichterreichung der Mindestbezugsmenge hingewiesen worden.

Weiters vertrat das Berufungsgericht die von ihm näher begründete Rechtsansicht, dass das Lieferungsübereinkommen weder gegen das Kartellverbot nach Art 81 EGV verstoße noch eine Nichtigkeit nach § 879 ABGB vorliege. Doch selbst wenn das Lieferungsübereinkommen aus dem Jahr 1998 infolge der Änderung der Rechtslage durch die Gruppenfreistellungsverordnung, VO Nr 2790/1999, nunmehr wegen eines allfälligen Verstoßes gegen Art 81 EGV zur Gänze oder soweit nichtig wäre, dass neben der kartellrechtlich verbotenen Bindung auch die dafür erhaltene Gegenleistung ex tunc unwirksam wäre, wäre dann die Frage der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung dieser Leistungen zu beurteilen. Mangels einer klaren gemeinschaftsrechtlichen Vorgabe richte sich die Beurteilung dieser Frage nach nationalem Recht. Die Rückforderung von Leistungen, die auf der Grundlage verbotener oder sittenwidriger Verträge erbracht worden seien, richte sich nach § 877 ABGB. Diese Bestimmung ordne grundsätzlich die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung des fehlgeschlagenen Vertrags an. Eine Kontrolle des Verbotszwecks könne aber einen Ausschluss der Kondiktion ergeben; insbesondere wenn die Rückforderung auf eine verbotene Entlohnung bzw Kondiktion der unerlaubten Handlung hinauslaufen würde. Für wegen eines Verstoßes gegen den Kartelltatbestand nichtige Vereinbarungen bedeute dies, dass die bereits empfangenen Leistungen grundsätzlich allseitig zurückzustellen seien. Auf diesen auf § 877 ABGB gegründeten Rückstellungsanspruch sei das allgemeine Kondiktionenrecht abzuwenden und der Rückstellungsanspruch unterliege der Schranke des § 1174 Abs 1 ABGB. Danach könne das wissentlich zur Bewirkung einer unmöglichen oder unerlaubten Handlung Gegebene nicht wieder zurückgefordert werden. Wissentlich leiste aber nur, wer das Verbot - oder bei Sittenwidrigkeit deren tatsächlichen Grundlagen - gekannt habe oder kennen musste. Da bei Abschluss der Alleinbezugsvereinbarung im Jahr 1998 die Klägerin aber das (erst durch die Gruppenfreistellungsverordnung, VO Nr 2790/1999 vom 22. 12. 1999 eingeführte) Verbot einer Bindungsdauer über fünf Jahre gar nicht kennen konnte, stünde auch § 1174 Abs 1 ABGB der bereicherungsrechtlichen Rückstellung nicht entgegen. Auch unter diesem Gesichtspunkt würde sich der Kondiktionsanspruch der Klägerin als berechtigt erweisen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zu den Auswirkungen und Rechtsfolgen (Nichtigkeit, bereicherungsrechtliche Rückabwicklung) der GVO 1999 auf bestehende „Bierbezugsaltverträge“ noch keine Rechtsprechung vorliege.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen bzw ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht zulässig, weil eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zu beurteilen ist. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichts ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO).

Die Beklagten machen in ihrem Rechtsmittel im Wesentlichen weiterhin geltend, das Lieferungsübereinkommen verstoße gegen kartellrechtliche Bestimmungen und sei sittenwidrig. Dabei sei nicht auf die zwischen den Parteien vereinbarte Vertragsdauer von zehn Jahren sondern auf die faktische Bindungsdauer abzustellen. Ausgehend vom bisherigen Verbrauch errechne sich eine faktische Bindungsdauer von ca 25 Jahren. Als Rechtsfolge sei eine geltungserhaltende Reduktion der Bindungsdauer auf zehn Jahre vorzunehmen. Da somit die Vereinbarung hinsichtlich der zehn Jahre übersteigenden Bindungsdauer sittenwidrig und nichtig sei, sei (auch) eine (aliquote) Rückforderung der von der Klägerin erbrachten Leistung ausgeschlossen. Die Feststellung einer Nichtigkeit könne nämlich nur die Konsequenz haben, dass beide Parteien keinerlei Rechte mehr aus dem Vertrag geltend machen können. Die Klägerin habe eine dem Kartellrecht zuwiderlaufende vertragliche Vereinbarung abgeschlossen, welche zu einer „Knebelung“ der Beklagten geführt habe. Der gebotene Wettbewerbsschutz werde auch durch eine den Beklagten eingeräumte Kündigungsmöglichkeit, die wirtschaftlichen Druck durch unzulässige Bezugsmengen oder Bezugsdauer erzeuge, nicht gewährleistet. Es bestünden daher allenfalls vertragliche Schadenersatzansprüche der Klägerin, welche jedoch nach Ablauf der dreijährigen Frist verjährt seien. Schließlich liege entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen auch ein schlüssiger Verzicht der Klägerin auf einen Rückforderungsanspruch vor.

Dazu ist Folgendes auszuführen:

1. Selbst wenn man mit den Ausführungen der Revisionswerber davon ausginge, das gegenständliche Lieferungsübereinkommen vom Sommer 1998 sei in der Folge im Hinblick auf das Inkrafttreten der Gruppenfreistellungsverordnung, VO Nr 2790/1999, wegen eines Verstoßes gegen Art 81 EGV (nunmehr Art 101 AEUV) oder gegen § 1 KartG 2005 nichtig gewesen, wäre zu berücksichtigen, dass das Unionsrecht keine abschließende Regelung der zivilrechtlichen Folgen eines Verstoßes gegen Art 81 EGV enthält. Nur die wichtigste zivilrechtliche Konsequenz einer Verletzung des Kartellverbots wird in Art 81 Abs 2 EGV vorgegeben: Gemäß Art 81 Abs 2 EGV sind Vereinbarungen und Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen, die gegen Art 81 Abs 1 EGV verstoßen, nichtig. § 1 Abs 3 KartG 2005 enthält die gleiche Rechtsfolgenanordnung für Vereinbarungen, die gegen das nationale Kartellverbot (§ 1 Abs 1 KartG 2005) verstoßen. Nichtigkeit gemäß Art 81 Abs 2 EGV bedeutet im Kern, dass die mit der Vereinbarung oder den Beschluss beabsichtigte Bindungswirkung nicht eintritt (T. Eilmansberger, Zur Nichtigkeit kartellrechtswidriger Vereinbarungen, JBl 2009, 337 ff [338]).

1.1. Die Nichtigkeitssanktion des Art 81 Abs 2 EGV bezieht sich nach der Rechtsprechung des EuGH nicht automatisch auf die gesamte Vereinbarung, sondern ordnet die Nichtigkeit nur für diejenigen Teile einer Vereinbarung an, die entweder selbst unmittelbar vom Verbot des Art 81 Abs 1 EGV erfasst sind oder sich von den von Art 81 Abs 1 EGV erfassten Teilen nicht sinnvoll abtrennen lassen. Nur wenn sich eine gemeinschaftsrechtswidrige Vertragsklausel vom restlichen Vertragswerk nicht trennen lässt, tritt Gesamtnichtigkeit ein (vgl 4 Ob 119/09t; 6 Ob 322/00x; 3 Ob 296/99x mwN). Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn eine Brauerei einem Gastwirt den begünstigten Bezug von Bier gegen Gewährung eines exklusiven Lieferrechts zusagt. Wenn die Alleinbezugspflicht des Abnehmers aus kartellrechtlichen Gründen entfällt, führt dies in der Regel auch zur Unwirksamkeit der damit in einem synallagmatischen Zusammenhang stehenden Gegenleistung, wie beispielsweise der Überlassung von Geld- oder Sachmitteln (vgl 3 Ob 296/99x; T. Eilmansberger aaO JBl 2009, 343 f; Wollmann in Mayer [Hrsg], EU- und EG-Vertrag Art 81 EGV Rz 162).

2. Mit der Frage nach der Reichweite der Nichtigkeitsfolge verwandt ist die Rückabwicklungsproblematik. Im Zuge der Duchführung und zur Abwicklung von Kartellvereinbarungen werden zwischen den Parteien häufig Leistungen ausgetauscht. Wenn ein Vertrag gegen Art 81 EGV verstößt und zur Gänze oder teilweise unwirksam ist, stellt sich die Frage, ob die ausgetauschten Leistungen einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung unterliegen. Mangels einer klaren gemeinschaftsrechtlichen Vorgabe richtet sich auch diese Frage nach nationalem Recht (vgl EuGH, 14. 12. 1983, Rs 319/82 , Kerpen, Slg 1983, 4173 Rdn 12). Die Rückforderung von Leistungen, die auf der Grundlage verbotener oder sittenwidriger Verträge erbracht wurden, richtet sich nach § 877 ABGB (RIS-Justiz RS0016323; T. Eilmansberger aaO JBl 2009, 427 mwN). Inhalt und Umfang des Anspruchs nach § 877 ABGB richten sich nach allgemeinen bereicherungsrechtlichen Grundsätzen (7 Ob 50/10v mwN). Gemäß § 877 ABGB hat daher derjenige, der die Rückabwicklung des Rechtsgeschäfts wegen Nichtigkeit verlangt, auch alles das zurückzustellen, was er aus einem solchen Vertrag zu seinem Vorteil erlangt hat (9 Ob 98/04h; 7 Ob 669/87 ua; RIS-Justiz RS0016321).

2.1. Für wegen eines Verstoßes gegen den Kartelltatbestand des Art 81 Abs 1 EGV nichtige Vereinbarungen bedeutet dies, dass die bereits empfangenen Leistungen grundsätzlich allseitig zurückzustellen sind. Dies ist in diesen Fällen auch die sachgerechteste Lösung, weil der Schutz der gemeinschaftsrechtlich gewährleisteten Rechte auch nach der Rechtsprechung des EuGH nicht zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Anspruchsberechtigten führen soll (EuGH, 20. 9. 2001, C-453/99, Courage/Crehan, Slg 2001, I-6297 Rdn 30). Dies stimmt damit überein, dass Normzweck des Art 81 EGV die Wiederherstellung der Handlungsfreiheit der beteiligten Unternehmen und nicht eine Vermögensverschiebung zugunsten eines der Beteiligten ist (Wollmann aaO Art 81 EGV Rz 163; vgl auch 6 Ob 322/00x; 3 Ob 296/99x).

2.2. Der Rückstellungsanspruch derjenigen Partei, die der anderen zur Durchführung einer kartellrechtswidrigen Kooperation oder als Entgelt für ein kartellrechtswidriges Versprechen bereits eine vermögenswerte Leistung erbracht hat, ist aber in zweifacher Hinsicht eingeschränkt:

2.2.1. Erstens ist der Rückstellungsanspruch dadurch und insoweit begrenzt, dass und als die leistende Partei (zB der Lieferant, der dem Abnehmer für das Eingehen einer Bezugsbindung eine Geld- oder Sachleistung erbracht hat) die kartellrechtswidrige Gegenleistung (den ausschließlichen Bezug oder die Abnahme einer bestimmten Menge bei ihm) bereits konsumiert hat (T. Eilmansberger aaO JBl 2009, 428). Dieser Einschränkung hat die Klägerin im vorliegenden Fall bereits dadurch Rechnung getragen, dass sie nur den noch nicht „amortisierten“ Teil ihrer Gegenleistung zurückfordert.

2.2.2. Zweitens unterliegt der auf § 877 ABGB gründende Rückstellungsanspruch auch der Schranke des § 1174 Abs 1 ABGB. Danach kann das wissentlich zur Bewirkung einer unmöglichen oder unerlaubten Handlung Gegebene nicht wieder zurückgefordert werden. Wissentlich leistet aber nur, wer das Verbot - oder bei Sittenwidrigkeit deren tatsächlichen Grundlagen - kannte oder kennen musste (T. Eilmansberger aaO JBl 2009, 430). Die Richtigkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass auch der Ausschlusstatbestand des § 1174 Abs 1 ABGB der bereicherungsrechtlichen Rückstellung nicht entgegenstehe, weil die Klägerin bei Abschluss der Alleinbezugsvereinbarung im Jahr 1998 das erst durch die Gruppenfreistellungsverordnung, VO Nr 2790/1999, festgelegte Verbot einer Bindungsdauer über fünf Jahre hinaus gar nicht kennen konnte, wird auch in den Rechtsmittelausführungen der Beklagten nicht in Zweifel gezogen.

2.3. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass der von der Klägerin geltend gemachte Rückforderungsanspruch selbst ausgehend von der von den Beklagten behaupteten Nichtigkeit des Lieferungsübereinkommens zu Recht bestehe, steht daher im Einklang mit der zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Eine erhebliche Rechtsfrage ist in diesem Zusammenhang nicht zu beurteilen.

3. Auch die weitere Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass der Kondiktionsanspruch der Klägerin nach § 877 ABGB grundsätzlich erst in 30 Jahren verjährt, steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (vgl 2 Ob 322/00t, SZ 74/11; 7 Ob 669/87 ua).

4. Schließlich sind Fragen des konkludenten Verzichts iSd § 863 ABGB in der Regel einzelfallabhängig und berühren keine Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO (vgl RIS-Justiz RS0107199). Die Beurteilung der Vorinstanzen hält sich auch diesbezüglich im Rahmen der Rechtsprechung.

Die Revision war daher mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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