OGH 2Ob322/00t

OGH2Ob322/00t25.1.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz H*****, vertreten durch Waldbauer & Paumgarten & Naschberger, Rechtsanwälte Partnerschaft in Kufstein, gegen die beklagten Parteien 1. Margarethe K*****, und 2. Josef K*****, ebendort, beide vertreten durch Dr. Friedrich Hohenauer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 490.000 sA, infolge der Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 26. September 2000, GZ 1 R 186/00p-66, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 6. Mai 2000, GZ 8 C 154/98t-61, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, dass sie zu lauten haben:

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen S 270.000, die erstbeklagte Partei darüber hinaus weitere S 220.000, jeweils samt 6,75 % Zinsen vom 30. 4. 1998 bis 28. 10. 1998 und 4 % Zinsen seit 29. 10. 1998 zu bezahlen.

Das Zinsenmehrbegehren von 8 % Zinsen vom 4. 4. 1998 bis 29. 4. 1998 sowie von weiteren 1,25 % Zinsen vom 30. 4. 1998 bis 28. 10. 1998 und von 4 % Zinsen seit 29. 10. 1998 wird abgewiesen.

Die beklagten Parteien sind weiters zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei zu Handen ihrer Vertreter binnen 14 Tagen die mit S 392.874,24 (hierin enthalten S 37.620 Barauslagen und S 59.209,04 Umsatzsteuer) bestimmten Prozesskosten aller drei Instanzen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagten sind seit 23. 9. 1971 miteinander verheiratet und haben vier gemeinsame Kinder, als jüngstes die am 15. 2. 1989 geborene Stefanie. Der Kläger war im Zeitpunkt ihrer Geburt noch selbst verheiratet (seit 1996 ist er Witwer) und hat ebenfalls vier Kinder. Als in Tirol tätiger Landmaschinenhändler lernte er auch mehrfach Frauen näher kennen, darunter die um rund 20 Jahre jüngere Erstbeklagte, mit der er ab Sommer 1988 bis Mai 1992 ein durchgehendes intimes Liebesverhältnis unterhielt, wobei er insbesondere die häufigen Abwesenheiten des Zweitbeklagten damals als Fernfahrer hiefür ausnützte. Später gab es nur mehr gelegentlich Geschlechtsverkehr, zuletzt 1994.

Bereits im Mai 1992 hatte der Kläger mit der Erstbeklagten "Schluss gemacht" und sich in der Folge anderen Frauen zugewandt, worauf die Erstbeklagte gegenüber dem Kläger ein aggressives Verhalten an den Tag legte, aufgrund dessen sie in den Folgejahren zwischen Jänner 1994 und Jänner 1995 auch insgesamt dreimal strafgerichtlich verurteilt wurde, und zwar jeweils zu bedingten Geldstrafen wegen der Vergehen der (vorsätzlichen) Körperverletzung und der Sachbeschädigung teils gegen die Person und Sachen des Klägers, teils zum Nachteil der Maria B*****, der sich der Kläger damals zugewandt hatte.

Die Erstbeklagte setzte den Kläger aber auch schon in der ersten Jahreshälfte 1993 dadurch unter Druck, dass sie ihm zu verstehen gab, seine Vaterschaft bezüglich der Tochter Stefanie gerichtlich feststellen zu wollen, und Aktionen setzte, die zum Einschreiten von Sicherheitsorganen führten, um so ihre ehemalige Beziehung publik zu machen: Alle Familienangehörigen und auch Betriebsangehörigen des Klägers sollten durch ihre auffälligen Aktionen von der ehemaligen ehebrecherischen Beziehung erfahren.

Bis zur Krise in der Beziehung mit der Erstbeklagten hatte der Kläger dieser großzügige Geldzuwendungen zukommen lassen, aber keinen regelmäßigen Unterhalt, obwohl er schon damals - freilich mit gewissen Zweifeln - gemeint hatte, dass er der Vater des Mädchens sei. Angesichts der Großzügigkeit des Klägers der Erstbeklagten gegenüber war Kindesunterhalt zu dieser Zeit jedenfalls kein strittiges Thema gewesen. Als diese außereheliche Beziehung in die Krise kam, ging es der Erstbeklagten darum, vom Kläger, wenn er sich schon von ihr abwendet, (weiterhin) Geldzahlungen zu erhalten, wobei sie im Vorfeld der ersten, am 28. 9. 1993 eingebrachten Ehelichkeitsbestreitungsklage etwa wiederholt mit ihrem PKW vor dem Privathaus des Klägers in B***** vorfuhr, sodass sich auch dessen damals noch lebende Gattin bei diesem erkundigte, wer denn diese Frau sei. Am 1. 6. 1993 versperrte die Erstbeklagte dem Kläger bei dessen Privathaus sogar die Ausfahrmöglichkeit mit ihrem PKW, sodass die Gendarmerie eingeschaltet werden musste. Am 23. 5. 1993 hatte sie den Schlüsselbund des Klägers mit den Autoschlüsseln anlässlich einer gemeinsamen Fahrt an sich genommen und ebenfalls erst über Gedarmerieintervention wiederum zurückgegeben.

Dass der Kläger Vater von Stefanie sei, hatte die Erstbeklagte seiner ältesten Tochter Margit schon im Sommer 1989 oder 1990 mitgeteilt, die freilich bereits vor dieser Information von der sexuellen Beziehung des Klägers zur Erstbeklagten wusste.

Ab spätestens 1993 machte die Erstbeklagte im Privathaus des Klägers auch "Telefonterror", indem sie auch nach 22.00 Uhr anrief und sich nach dem "Franz" (Kläger) erkundigte. Solche Anrufe bekam auch der Sohn des Klägers mit, weil er den Hörer abnahm; dieser Sohn sah auch am 29. 9. 1993 jene leichten Verletzungen, die sein Vater anlässlich einer Eifersuchtsattacke der Erstbeklagten von dieser im Gesicht erlitten hatte, wobei sie ihm damals auch in die Hoden gestoßen hatte. Am 27. 6. 1993 hatte es anlässlich einer Intervention der Erstbeklagten im Betriebsgelände des Klägers in V***** einen weiteren "Riesenkrach" gegeben, bei welchem der Kläger von ihr ebenfalls leicht verletzt worden war und sie überdies eine Scheibe des Betriebsgebäudes eingeschlagen hatte.

Nachdem der Zweitbeklagte vom außerehelichen Verhältnis zum Kläger durch Mitteilung seiner Frau erfahren hatte, brachte er am 28. 9. 1993 zu 2 C 40/93d des Bezirksgerichtes Rattenberg hinsichtlich seiner Tochter Stefanie eine Ehelichkeitsbestreitungsklage ein. Da der Kläger zum Schutz seiner eigenen Familie vermeiden wollte, als Vater gerichtlich festgestellt zu werden, bezahlte er zunächst am 11. 10. 1993 S 70.000 und am 19. 11. 1993 S 100.000, darüber hinaus auch mehrmals S 5.000 und dreimal Beträge im Bereich zwischen S 15.000 und S 25.000 - jeweils an die Erstbeklagte, wovon jedoch der Zweitbeklagte wusste. Die Summe dieser ab Herbst 1993 einsetzenden Zahlungen betrug bis einschließlich 19. 11. 1993 mindestens S 220.000, wobei es mit diesen Beträgen auch um den Unterhalt des Kindes ging. Mit diesen Zahlungen wollte der Kläger erreichen, dass die Klage zurückgezogen wird, mit der letzten Zahlung von S 100.000 überdies, dass er Ruhe von der Erstbeklagten bekomme.

Tatsächlich trat dann am 19. 10. 1993 im Ehelichkeitsbestreitungsverfahren Ruhen des Verfahrens ein. Am 14. 1. 1994 langte jedoch ein Fortsetzungsantrag des Zweitbeklagten ein, nachdem die Verhandlungen der Erstbeklagten mit dem Kläger wegen Leistung weiterer Zahlungen fehlschlugen und deshalb die Erstbeklagte an diesem Tag erneut gegen den Kläger tätlich geworden war.

Schließlich wurde am 22. 3. 1994 eine schriftliche Vereinbarung zwischen allen drei Beteiligten (und nunmehrigen Prozessparteien) geschlossen, wobei dies auch mit Wissen und Willen des Zweitbeklagten geschah, und welche folgenden Wortlaut hatte:

"Vereinbarung

abgeschlossen zwischen:

Josef K***** geb. 24. 8. 1950 und

Margarethe K***** geb.

beide auch als Vertreter ihrer am 15. 12. 1989 geborenen Tochter Stefanie

Franz H***** geb.

wie folgt:

Zwischen den Parteien bestehen mehrere Rechtsbeziehungen unter anderem auch dahingehend, dass Frau Margarethe K***** behauptet, dass ihre Tochter Stefanie kein eheliches Kind ist, sondern von Herrn Franz H***** gezeugt wurde.

Zur Bereinigung der wechselseitigen Ansprüche vereinbaren die Parteien Folgendes:

1) Herr Josef K***** zieht die zu 2 C 40/93d des BG Rattenberg überreichte Klage unter Anspruchsverzicht zurück.

2) Herr Franz H***** bezahlt an das Ehepaar K***** zuhanden Frau Margarethe K***** einen pauschalierten Betrag von

a) per Scheck S 100.000,--

durch Übergabe eines Sparbuches S 80.000,--

unverzüglich nach Beschlussfassung über die

Klagsrückziehung,

b) per Scheck oder bar S 90.000,--

am 1. 12. 1994.

Die zu a) genannten Beträge wurden bei RA Dr. Roland Paumgarten mit dem Auftrag hinterlegt, sie nach Vorliegen der Voraussetzungen an Frau Margarethe oder Herrn Josef K***** auszufolgen.

Die Parteien erklären, dass damit alle wechselseitigen Ansprüche ausgeglichen sind.

Das Ehepaar K***** wird in Zukunft Behauptungen, dass ihre Tochter Stefanie nicht ehelich geboren ist, auch im Interesse ihrer Tochter unterlassen.

Frau Margarethe K***** unterfertigt diese Vereinbarung auch im Vollmachtsnamen ihres Mannes Josef K*****."

Die vom Kläger hierin zugesagten Zahlungen wurden in der Folge tatsächlich erbracht.

Mit dieser schriftlichen Vereinbarung wollte der Kläger primär erreichen, dass die damals noch behängende Ehelichkeitsbestreitungsklage unter Anspruchsverzicht zurückgezogen wird (sodass es beim Zweitbeklagten als präsumtivem Vater des Mädchens geblieben wäre) - welche Vertragsabsicht beiden Beklagten auch klar war -, darüber hinaus sollte aber auch mit der Gesamtzahlung von jedenfalls S 490.000 (einschließlich der bereits näher geschilderten und aufgeschlüsselten S 220.000) nicht nur diese Klage vom "Tisch sein", sondern auch die Möglichkeit einer künftigen Feststellung seiner Person als Vater des Kindes. Zu seinen vier ehelichen Kindern sollte nicht ein fünftes uneheliches Kind mit gleichem gesetzlichen Erbrecht kommen. Die Vermeidung dieser Situation war dem Kläger die Gesamtzahlung von S 490.000 wert. Dass diese Summe Unterhalt für Stefanie ist, wurde am 22. 3. 1994 zwischen den Streitteilen nicht festgelegt. Vielmehr war dieser Betrag eine Pauschalabfindung dafür, dass der Kläger nun "eine gewisse Garantie hat, nicht mehr als Vater des Kindes Stefanie in Anspruch genommen zu werden." Den Beklagten ihrerseits sollte die Disposition über die gesamten S 490.000 freigestellt sein. Tatsächlich wurde dieser Betrag von den Beklagten im Wesentlichen für einen Hausbau in M***** verwendet.

Bereits mit Schreiben vom 29. 3. 1994 teilte die damalige Vertreterin des Zweitbeklagten, Rechtsanwältin Dr. Hochstaffl-Salcher, dem Klagevertreter mit, dass der Kläger über diese schriftliche Vereinbarung hinaus noch die Bezahlung "sämtlicher mit Beratung und gerichtlicher Geltendmachung in Bezug auf Ehelichkeitsbestreitung verbundenen Kosten und Gebühren", weiters eines monatlichen Betrages von S 5.000 wertgesichert ab März 1994 sowie schließlich die Überschreibung eines Baugrundes im Ausmaß von ca 700 m2 entweder in S***** oder in der Umgebung von K***** auf die minderjährige Stefanie zugesagt habe. Obwohl der Kläger dieses Schreiben am 7. 4. 1994 durch seinen Anwalt ablehnend beantworten ließ, erfolgte noch im April 1994 die Zurückziehung der Ehelichkeitsbestreitungsklage beim Bezirksgericht Rattenberg.

An die übernommene Verpflichtung, in Zukunft Behauptungen zu unterlassen, dass ihre Tochter Stefanie nicht ehelich geboren ist, hielt sich die Erstbeklagte in der Folge nicht. Vielmehr verstärkte sie sogar ihren "Telefonterror" (1994/95 gab es etwa 100 solche Anrufe) im Privathaus des Klägers und konfrontierte nunmehr auch dessen Gattin mit der Behauptung, ihre Tochter Stefanie stamme vom Kläger und dieses Kind müsse einmal auch einen Erbteil (so wie die ehelichen Kinder des Klägers) erhalten. Am 2. 5. 1995 schrieb die Erstbeklagte der Gattin des Klägers auch einen Brief, wonach Stefanie nun als erbberechtigt nach Franz H***** (dem Kläger) eingetragen werde, und weiters, dass der Kläger seine Frau nunmehr mit der bereits weiter oben erwähnten Rosa B***** betrüge.

Daneben regte die Erstbeklagte bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck eine Ehelichkeitsbestreitungsklage des Staatsanwalts an, die am 12. 6. 1995 beim Bezirksgericht Rattenberg zu 2 C 26/95y eingebracht wurde. In dieser hieß es - entsprechend den Informationen durch die beiden nunmehrigen Beklagten - :

"Als Franz H***** [Kläger] eine Zahlung von S 500.000 an die Kindesmutter erbrachte und weiters versprach, bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit der mj Stefanie einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 5.000 zu leisten, zog Josef K***** [Zweitbeklagter] die Ehelichkeitsbestreitungsklage beim Bezirksgericht Rattenberg zurück. Die Zusage hinsichtlich der monatlichen Unterhaltsbeiträge wurde seitens H***** in der Folge nicht eingehalten."

Der Kläger erfuhr von dieser Klage spätestens durch seine Ladung zur Einvernahme am 11. 7. 1995. Nachdem in diesem Verfahren ein medizinisches Sachverständigengutachten jedoch ergeben hatte, dass eine Vaterschaftswahrscheinlichkeit von 99,99 % des Zweitbeklagten (als ehelicher Vater) besteht, wurde auch diese Klage zurückgezogen. Durch dieses Gutachten war tatsächlich auch die Erstbeklagte überrascht worden, weil sie gemeint hatte, dass der Kläger der Vater Stefanies sei.

Der Kläger hatte für einen zumindest seit 4. 4. bis 28. 10. 1998 bei einer Raiffeisenbank unberichtigt aushaftenden Abstattungskredit in Höhe des Klagebetrages 6,75 % Zinsen p.a. zu bezahlen.

Mit der am 11. 8. 1998 eingebrachten Klage begehrt der Kläger die Rückzahlung der geleisteten S 490.000, und zwar S 270.000 zur ungeteilten Hand von beiden beklagten Parteien, S 220.000 von der erstbeklagten Partei allein, jeweils samt 8 % Zinsen seit 4. 4. 1998, gestützt auf jeglichen Rechtsgrund, insbesondere § 1042 ABGB, Irrtum, List, Drohung, Schadenersatz und Bereicherung.

Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Bereits vor Kenntnis des Vaterschaftsgutachtens im zweiten Ehelichkeitsbestreitungsverfahren sei der Kläger der Überzeugung gewesen, nicht der Vater des Mädchens zu sein, sodass er keine Rückforderungsansprüche stellen könne. Die erste Ehelichkeitsbestreitungsklage sei auch vereinbarungsgemäß zurückgezogen worden. Das Bestehen auf einer Rückabwicklung sei sittenwidrig und die nunmehrige Klage ein Druckmittel gegenüber der Erstbeklagten, sich ihm wiederum zuzuwenden. Die Klageforderung sei auch verjährt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es beurteilte die eingangs wiedergegebenen Feststellungen rechtlich dahin, dass die Vereinbarung vom 22. 3. 1994 als außergerichtlicher Vergleich zu werten sei, der erst am 11. 8. 1998 (Tag der Klageeinbringung) wegen Willensmängeln bekämpft worden sei. Den Beklagten komme daher Verjährung zugute, zumal Tathandlungen in Richtung Arglist oder Zwang nicht hervorgekommen seien. Die drei rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen hätten bloß Eifersuchtsattacken betroffen. Habe der Kläger die Auffassung vertreten, mit diesem Vergleich sei die Vaterschaftssache erledigt, hätte es sich um einen Rechtsirrtum gehandelt, der in seine Sphäre falle. Zufolge des Bestehens einer vertraglichen Vereinbarung fehlte es auch an den Voraussetzungen für eine Rückforderung nach § 1042 oder §§ 1431 ff ABGB. Da Schlechtgläubigkeit der Beklagten beim Abschluss der Vereinbarung nicht erwiesen sei, sei auch aus dem Titel des Schadenersatzes für den Kläger nichts zu gewinnen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes in ihrer Gesamtheit und führte rechtlich (zusammengefasst) aus, dass eine Anfechtung der Vereinbarung schon wegen Verjährung ausscheide. Rücktritt vom Vertrag habe der Kläger nicht geltend gemacht. Ein Ersatzanspruch nach § 1042 ABGB käme deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger für die Beklagten nicht einen Aufwand gemacht habe, den diese nach dem Gesetz selbst hätten machen müssen, und zudem die Zahlungen ihren Rechtsgrund in einer vertraglichen Abmachung hätten. Für den Rückforderungstitel der ungerechtfertigten Bereicherung betrage die Verjährungsfrist zwar 30 Jahre, jedoch sei der Hauptvertragspunkt (nämlich Zurückziehung der Vaterschaftsklage) ohnedies eingehalten worden. Der Vertragsverstoß der Erstbeklagten in Richtung Verstärkung ihres Telefonterrors samt Konfrontation der Gattin des Klägers vom Umstand der Geburt eines außerehelichen Kindes habe "noch nicht an der Geschäftsgrundlage der Vereinbarung gerührt." Vielmehr habe es sich diesbezüglich nur um ein "Motiv des Klägers" im Sinne des § 901 ABGB gehandelt, das aber ausdrücklich zur Bedingung gemacht hätte werden müssen. Auch dass der Kläger Vater des Kindes Stefanie ist, sei nicht Geschäftsgrundlage der Vereinbarung vom 22. 3. 1994 gewesen.

Das Berufungsgericht erklärte überdies die ordentliche Revision für nicht zulässig, weil es sich zu den entscheidungswesentlichen Fragen an der oberstgerichtlichen Rechtsprechung orientiert habe und die Rechtssache in ihrer Bedeutung nicht über den konkreten Einzelfall hinausreiche.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte außerordentliche Revision des Klägers mit dem Antrag, in Abänderung der bekämpften Entscheidung dem Klagebegehren stattzugeben; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagten Parteien haben nach Freistellung eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der primär die Zulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels (mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage) bestritten und daher dessen Zurückweisung, in eventu Bestätigung der bekämpften Entscheidung beantragt wird.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit zulässigund auch großteils berechtigt.

Soweit der Kläger seine Argumentation zum Wegfall der Geschäftsgrundlage darauf stützt, dass seine bei "Vergleichsabschluss" (Beilage D) nur für möglich erachtete außereheliche Vaterschaft zur jüngsten Tochter der beklagten Parteien durch das Vaterschaftsgutachten im zweiten Ehelichkeitsbestreitungsverfahren (der Staatsanwaltschaft) widerlegt worden sei, er jedoch bis dahin mit hoher Wahrscheinlichkeit gerechnet und auch angenommen habe, der Vater dieses Mädchens zu sein, ist ihm die seit SZ 54/71 ergangene Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes entgegenzuhalten, dass der Einwand des Fehlens oder des Wegfalls der Geschäftsgrundlage - welches Rechtsinstitut gegenüber anderen Möglichkeiten, rechtsgeschäftliche Bindungen zu beseitigen, nur als letztes Mittel heranzuziehen ist (RS0017454) - nicht auf Umstände gestützt werden kann, welche zur Irrtumsanfechtung berechtigt hätten (RS0014932). Für eine derartige Anfechtung hätte es jedoch der Einhaltung der in § 1487 ABGB normierten Frist bedurft, was bereits von den Vorinstanzen erkannt wurde und vom Kläger in der Revision auch nicht (mehr) in Abrede gestellt wird.

Wurde eine vertragliche Regelung getroffen (hier die schon mehrfach erwähnte schriftliche "Vereinbarung" vom 22. 3. 1994), so ist nach ständiger Rechtsprechung eine Heranziehung von Bereicherungsgrundsätzen - zur Korrektur dieser vertraglichen Abmachung - ausgeschlossen (RS0033585, 0020022; zuletzt 2 Ob 120/00m mwN). Dass die Zahlungen - ausgehend von dieser sogar unter Einbindung von Rechtsanwälten zustande gekommenen Vereinbarung - vom Kläger mit animus obligandi erfolgten, stellt auch er selbst nicht in Abrede (vgl SZ 69/40, dort zum hier nicht mehr verfahrensgegenständlichen § 1042 ABGB).

Von den Vorinstanzen wurde jedoch bisher eine Beurteilung dieser Vereinbarung Beilage ./D auch im Lichte des § 879 ABGB außer Acht gelassen. Diese Bestimmung stellt nämlich klar, dass die Rechtsordnung - trotz der im Schuldrecht grundsätzlich geltenden Vertragsfreiheit der Parteien (Koziol/Welser II11 12) - eine ihre Normen und Grundsätze missachtende privatautonome Rechtsgestaltung grundsätzlich nicht duldet, und der Missbrauch der Privatautonomie durch die Anordnung der Nichtigkeit des unerwünschten Rechtsgeschäftes verhindert, ein dennoch geschlossenes also eliminiert werden soll. Insoweit ist § 879 ABGB die Zentralnorm der Inhaltskontrolle von Rechtsgeschäften schlechthin (Krejci in Rummel, ABGB3 Rz 1 zu § 879). Abs 1 dieser Gesetzesstelle spricht dabei von Verträgen und meint somit privatrechtliche Verträge aller Art (Krejci, aaO Rz 4). Gerade im Familienrechtsbereich ist ein weites Feld für die Sittenwidrigkeit - und damit Nichtigkeitsprüfung - eröffnet, geht es doch hier um den der privatautonomen Rechtsgestaltung grundsätzlich entzogenen Schutz familienrechtlicher Institutionen, wobei speziell Verknüpfungen mit Entgeltzahlungen vom Gesetzgeber missbilligt werden und daher verpönt sind (Krejci, aaO Rz 153).

Die Familie ist eine zentrale Erscheinungsform der menschlichen Gesellschaft. Sie ist nicht nur für die Gesellschaft wichtig, sondern auch für jeden Einzelnen bedeutungsvoll, weil er in eine Familienbeziehung hineingeboren wird (Koziol/Welser I11 391). Daher ist es auch wichtig, dass dieser biologische Zusammenhang zwischen Einzelperson und Familie grundsätzlich auch nach außen hin in korrekt rechtlichen Bahnen verläuft. Die entsprechenden familienrechtlichen Normen (insbesondere §§ 137 ff ABGB) haben dabei nicht bloß personenrechtlichen, sondern auch vermögensrechtlichen Charakter; Familienverhältnisse sind auf Dauer angelegt, grundsätzlich nicht rechtsgeschäftlich disponabel und in ihren rechtlichen Ausformungen häufig zwingender Natur (Koziol/Welser aaO 393 ff). Im Bereich der Eltern-Kind-Beziehung ist dabei auch auf den speziell durch die EMRK manifestierten verfassungsrechtlichen Schutz (Art 8) Rücksicht zu nehmen, der auch das Grundrecht auf Feststellung der (richtigen) Vaterschaft miteinschließt: Dass auch die nichteheliche Familie - soweit im vorliegenden Fall bis zum Gutachten im zweiten Vaterschaftsprozess eine mögliche außereheliche Vaterschaft des Klägers im Raume stand - in den Schutzbereich des Art 8 EMRK fällt, haben sowohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als auch die Kommission bereits mehrfach anerkannt und bejaht (Nachweise siehe etwa in Pernthaler/Rath-Kathrein, Der grundrechtliche Schutz von Ehe und Familie, in 40 Jahre EMRK Grund- und Menschenrechte in Österreich, II 245 [264 samt FN 94 und 95]); ebenso geschützt sind die Beziehungen zwischen Geschwistern (Pernthaler/Rath-Kathrein aaO 265 samt FN 106). Nach nunmehr herrschender Auffassung muss ein Staat nach Art 8 EMRK auch die rechtlichen Regelungen von Familienbeziehungen so gestalten, dass die Betroffenen ein "normales Familienleben" führen können (Pernthaler/Rath-Kathrein aaO 266), was selbstredend wiederum voraussetzt, dass ein Kind im Streitfalle seine Mitgliedschaft zur (richtigen) Familie auch rechtlich klären und verbindlich feststellen lassen können muss, um überhaupt eine normale Entwicklung einer familienrechtlichen Beziehung ermöglichen zu können (EGMR 18. 12. 1986 Nr 6/1985/92/139 - Johnston ua gegen Irland, EuGRZ 1987, 313 ff). Wie die Kommission im Falle der Beschwerde Nr 10.961/84, LeMot ua gegen Belgien (EuGRZ 1988, 45 [46]) ausgeführt hat, "verlangt das Fehlen eines Ehebandes zwischen der unverheirateten Mutter und dem mutmaßlichen Vater geradezu ein formelles Verfahren, um die Vaterschaft festzustellen."

Eine - wie hier zwischen den Streitteilen geschehene - rein entgeltverknüpfte (wobei die geflossenen Summen jedenfalls im weit überwiegenden Ausmaß vereinbarungsgemäß den Eltern allein für deren Hausbau und nicht der Minderjährigen zugekommen sind) Abbedingung des Rechtes auf Feststellung der wahren Vaterschaft zu Lasten des Kindes ist nach Auffassung des Obersten Gerichtshofes - in zusammenfassender Würdigung aller Umstände des Falles - eine nichtige Vereinbarung nach § 879 ABGB. In der Entscheidung JBl 1995, 46 hat der Oberste Gerichtshof eine Vereinbarung, wonach der Vater eines noch nicht geborenen Kindes im Wesentlichen eine völlige Abwälzung jeder Verantwortung und jeden Risikos aus den Folgen der intimen Partnerschaft samt Schwangerschaft der Frau anstrebte, für sittenwidrig erklärt; auf den gleichen Zweck läuft auch die hier (wenngleich erst nach der Geburt des Kindes, dessen außereheliche Vaterschaft der Kläger und auch die beiden Beklagten, speziell die Erstbeklagte als Mutter dieses Kindes, für nahezu sicher erachteten) getroffene Vereinbarung hinaus. Als Sanktion nennt § 879 ABGB die Nichtigkeit des betreffenden Rechtsgeschäftes. Absolute Nichtigkeit, die einen Vertrag von Anfang an unwirksam werden lässt, ist dabei sogar nach Rechtsprechung und Lehre unter Umständen von Amts wegen aufzugreifen (Krejci aaO Rz 248 mwN aus der Rechtsprechung). Dies braucht hier jedoch nicht weiter untersucht zu werden, weil die Berufung des Klägers auf alle Rechtsgründe auch - wie bereits ausgeführt - die Geltendmachung der Nichtigkeit miteinschließt. Die Nichtigkeit erstreckt sich dabei auch auf den gesamten Inhalt der verfahrensgegenständlichen Vereinbarung, wodurch diese ex tunc (Krejci aaO Rz 251) beseitigt wird und damit den Rückforderungsanspruch des Klägers für das Geleistete rechtfertigt. Rechtsgrundlage dafür bildet § 877 ABGB, der nach hM als eigener Kondiktionentyp iS einer Bereicherungsrückabwicklung betrachtet wird (Apathy in Schwimann, ABGB2 Rz 2 zu § 877; Rummel in Rummel, ABGB2 Rz 1 zu § 877) und damit auch für den gegenständlichen Fall heranzuziehen ist, weil auch die Rückforderung erbrachter Leistungen im Falle des § 879 ABGB unter diese Gesetzesstelle zu subsumieren ist (Apathy aaO Rz 5 mwN) und sich auf alle erbrachten Leistungen erstreckt (JBl 1984, 200). Dieser Anspruch verjährt - wie Rummel zuletzt zutreffend ausgeführt hat - auch erst in 30 Jahren (aaO Rz 6; Apathy aaO Rz 22), sodass die diesbezügliche Einrede der Beklagten obsolet ist.

In diesem Sinne ist daher dem Klagebegehren grundsätzlich stattzugeben. Die Höhe der geleisteten Zahlungen wurde dabei von den beklagten Parteien bereits in ihrer Klagebeantwortung ON 3 ausdrücklich als richtig zugestanden und damit außer Streit gestellt (Punkt C in ON 3 = AS 11). Die Höhe des Zinsenbegehrens entspricht freilich nicht den diesbezüglich vom Erstgericht getroffenen Feststellungen (Seite 22 des Ersturteils = AS 535), weshalb diesbezüglich nur 6,75 % p.a. (statt wie begehrt 8 % p.a.) zugesprochen werden konnten. Da im Forderungsschreiben der Klagevertreter vom 3. 4. 1998 die Fälligstellung erst per 30. 4. 1998 erfolgte, konnten diese Zinsen auch nur ab diesem Datum (und nicht bereits - wie in der Klage begehrt - ab 4. 4. 1998) zuerkannt werden. Überdies ist lediglich festgestellt, dass der Kläger bloß bis 28. 10. 1998 Bankzinsen zu entrichten hatte, weshalb für den Zeitraum seither auch nur die gesetzlichen Zinsen zustehen.

Die diesbezüglichen Zinsenmehrbegehren mussten daher abgewiesen werden.

Die Rechtssache ist daher dem Grunde und der Höhe nach bereits entscheidungsreif, weshalb in Stattgebung der Revision und Abänderung der Urteile der Vorinstanzen im Sinne des Klagebegehrens (ausgenommen das geringfügig überhöhte Zinsenmehrbegehren) erkannt werden konnte.

Die Kostenentscheidung hinsichtlich des Verfahrens aller drei Instanzen beruht auf §§ 43 Abs 2, 50 ZPO. Dabei waren bloß im Kostenverzeichnis erster Instanz Korrekturen vorzunehmen: Für den ohne Auftrag des Gerichtes erstatteten Schriftsatz vom 3. 12. 1998 (ON 13) - nach Beginn der Streitverhandlung (§ 258 ZPO) - gebühren nur Kosten nach TP 2 (JBl 1987, 392; 2 Ob 2182/96p). Die Barauslagen in Höhe von zusammen S 600 für Zeugengebühren in der Streitverhandlung vom 15. 12. 1999 (ON 52) wurden unter dem 27. 12. 1999 nochmals verzeichnet, obwohl nach der Aktenlage unter diesem Datum keine (weitere) Streitverhandlung stattfand. Im Übrigen entsprechen die Kosten den tarifmäßigen Ansätzen.

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