OGH 9ObA13/12w

OGH9ObA13/12w27.2.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und Hon.‑Prof. Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky und Dr. Klaus Mayr als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei V*****, vertreten durch Mag. Michael Lang, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei T*****, vertreten durch Puttinger Vogl & Partner Rechtsanwälte GmbH in Ried im Innkreis, wegen 10.772,59 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 29. September 2010, GZ 10 Ra 26/11h‑62, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien vom 3. September 2010, GZ 4 Cga 120/08g‑53, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 768,24 EUR (darin enthalten 128,04 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die Vorinstanzen haben übereinstimmend das im Wesentlichen auf Bezahlung nicht abgegoltener Überstunden gestützte Begehren des klagenden Fernfahrers wegen Verfall nach der Verfallbestimmung des Kollektivvertrags für das Güterbeförderungsgewerbe abgewiesen.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist zutreffend, sodass es zufolge § 510 Abs 3 ZPO ausreicht, darauf zu verweisen.

Zusammenfassend ist den Ausführungen des Klägers in seiner Revision noch Folgendes entgegenzuhalten:

Der hier unstrittig anzuwendende XII des Kollektivvertrags für das Güterbeförderungsgewerbe für Arbeiter lautet:

„1.) Ansprüche des Dienstnehmers müssen innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit bei sonstigem Verfall beim Dienstgeber schriftlich geltend gemacht werden. Als Fälligkeitstag gilt jene Lohnzahlungsperiode, in welcher der Anspruch entstand und dem Dienstnehmer eine ordnungsgemäße Lohnabrechnung (Art XIV Z 4) ausgefolgt wurde. Bei rechtzeitiger Geltendmachung bleibt die gesetzliche Verjährungsfrist gewahrt.

2.) Der Anspruch des Dienstgebers …“

Nach ständiger Rechtsprechung sind die normativen Teile des Kollektivvertrags objektiv nach den Regeln der §§ 6 und 7 ABGB auszulegen (RIS‑Justiz RS0010088). Dementsprechend sind ausgehend von Text und Wortsinn sowie dem Zusammenhang der Regelungen die Absichten der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen (RIS‑Justiz RS0010089). Im Zweifel ist davon auszugehen, dass die Kollektivvertragsparteien eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung schaffen und eine Ungleichbehandlung vermeiden wollten (RIS‑Justiz RS0008828; RS0008897 jeweils mwN).

Der wesentliche Zweck der Verfallsklausel wird nun darin gesehen, einem Beweisnotstand zu begegnen, in dem sich der Arbeitgeber bei einer verspäteten Geltendmachung befinden würde (RIS‑Justiz RS0034417). Ausgehend davon ist aber die Rechtsansicht der Vorinstanzen, wonach die Übergabe von Tachographenscheiben, die erst ‑ wie das Berufungsgericht letztlich unstrittig zugrundelegt ‑ durch mikroskopische Auswertung durch einen geprüften Rechnungstechniker anhand der Tachographenblätter sowie weiterer Sachverständiger eine Feststellung der Überstunden ermöglichen, keine „schriftliche Geltendmachung“ iSd Art 12 Z 1 des KV darstellt, zutreffend.

Soweit der Kläger geltend macht, dass die Beklagte doch selbst auch nach ihrem Vorbringen die Tachographenscheiben der Lohnabrechnung zugrundegelegt hat, berücksichtigt er nicht, dass diese in den ordnungsgemäß erfolgten Abrechnungen von einem bestimmten Arbeitszeitausmaß ausgegangen sind. Da die Beklagte die ordnungsgemäße Lohnabrechnung im Sinne des Kollektivvertrags gelegt hat, kann sie sich aber auch auf die kollektivvertragliche Verfallsfrist berufen (RIS‑Justiz RS0034487). Deren Zweck ist es gerade dann, wenn die Beklagte von anderen Arbeitszeiten ausgeht, dieser die abweichende Vorstellung des Klägers von den tatsächlich geleisteten Arbeitsleistungen zumindest ersichtlich zu machen. Davon kann aber nicht ausgegangen werden, wenn lediglich Unterlagen vorgelegt werden, die für den Laien eine präzise Auswertung nicht ermöglichen.

Im Übrigen sieht § 24 Abs 4 KFG 1967 vor, dass der Zulassungsbesitzer eines Kraftfahrzeugs, das mit Fahrtenschreiber ausgerüstet sein muss, beim Austausch der Kontrollgeräte von einem Sachverständigen alle Daten speichern lassen und mindestens zwei Jahre aufbewahren muss. Letztlich muss es den Kollektivvertragsparteien wohl um eine über die Speicherung dieser Daten hinausgehende „schriftliche Geltendmachung“ durch den Arbeitnehmer gegangen sein.

Insgesamt ist also festzuhalten, dass allein die Übergabe der Tachographenscheiben noch keine schriftliche Geltendmachung iSd Art 12 Z 1 des KV für das Güterbeförderungsgewerbe darstellt.

Insgesamt war daher die Revision der klagenden Partei nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 2 ASGG, §§ 50 und 41 ZPO.

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