OGH 4Ob197/11s

OGH4Ob197/11s17.1.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Mag. H***** N*****, und 2. Ing. G***** N*****, vertreten durch Dr. Stefan Hoffmann und Dr. Thomas Herzog, Rechtsanwälte in Vöcklabruck, gegen die beklagte Partei Gemeinde T*****, vertreten durch Mag. Dr. Franz Hafner und Dr. Karl Bergthaler, Rechtsanwälte in Altmünster, wegen Unterlassung (Streitwert 6.000 EUR sA), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 21. September 2011, GZ 23 R 125/11p-15, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Gmunden vom 28. Juni 2011, GZ 2 C 347/11z-9, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien haben die Kosten ihrer Rekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Nach gefestigter Rechtsprechung sind unmittelbare Zuleitungen (direkte Immissionen) ohne besonderen Rechtstitel unter allen Umständen unzulässig, auch wenn sie von einer behördlich genehmigten Anlage ausgehen, außer die Zuleitung war durch eine behördliche Bewilligung gedeckt und bei Bewilligung von Zwangsrechten nach dem WRG entschädigt (RIS-Justiz RS0010528). Der Betroffene kann im Fall direkter Immissionen (unmittelbarer Zuleitungen) in erster Linie die Unterlassung der Beeinträchtigung verlangen (Eccher in KBB³ § 364 Rz 13). Wenn früher vereinzelt (1 Ob 31/88) ein anderer Standpunkt vertreten wurde, führt dies nicht zu einer „uneinheitlichen Rechtsprechung“ im Sinn von § 528 Abs 1 ZPO (vgl RIS-Justiz RS0042668). 6 Ob 15/04 betraf keine unmittelbare Zuleitung. Gegenstand der Entscheidung 7 Ob 66/02k war ein Ausgleichsanspruch, wobei der Oberste Gerichtshof die Rechtsfolgen einer allfälligen, unmittelbaren Zuleitung nicht in seine Überlegungen einbezog.

Im vorliegenden Fall beruft sich die Beklagte nicht auf eine behördliche Bewilligung der Ableitung von Oberflächenwasser über die Grundstücke der Klägerinnen; sie macht vielmehr Ersitzung geltend. Es kann daher nicht die Rede davon sein, dass der Unterlassungsanspruch der Klägerinnen gemäß § 364 Abs 2 ABGB von vornherein versage.

2. Das „längerfristig“ mögliche und durch Wasserimmissionen verursachte Eintreten ernster Substanzschäden an einem Wohnhaus kann einen drohenden unwiederbringlichen Schaden im Sinne des § 381 Z 2 EO darstellen; gleiches gilt für eine infolge von Wasserimmisionen eingetretene und fortschreitende Durchfeuchtung des Mauerwerks. Auch die mit solchen Immissionsfolgen verbundene Minderung der Wohnqualität und Lebensqualität des betroffenen Nachbarn ist durch Geld nicht oder nicht völlig adäquat ersatzfähig (1 Ob 16/95 = RIS-Justiz RS0044150).

Die Klägerinnen stützen ihren Sicherungsantrag auf die Behauptung einer solcherart eintretenden unbehebbaren Schädigung der Bausubstanz ihres Hauses. Das Rekursgericht ist daher vertretbar davon ausgegangen, dass die Klägerinnen die Voraussetzungen eines auf § 364 Abs 2 ABGB gestützten Untersagungsanspruchs hinreichend behauptet haben.

3. Die einstweilige Verfügung darf keine Sachlage schaffen, die nicht mehr rückgängig gemacht werden kann (RIS-Justiz RS0005696). Ob dies hier - bei Antragsstattgebung - der Fall wäre, kann mangels eines entsprechenden Tatsachensubstrats derzeit nicht beurteilt werden. Es wäre an der Beklagten gelegen darzutun, aus welchen Gründen sämtliche mögliche und zumutbare Maßnahmen eine nicht rückführbare Sachlage bewirken würden. Auch dies wäre sodann im fortgesetzten Verfahren zu erörtern und zu prüfen.

In Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen im Sinn von § 528 Abs 1 ZPO ist der Rekurs der Beklagten zurückzuweisen.

Der Ausspruch über die Kosten der Klägerinnen - diese haben in ihrer Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen - beruht auf § 393 Abs 1 EO.

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