OGH 9Ob46/11x

OGH9Ob46/11x21.12.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, Hon.-Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** K*****, vertreten durch Dr. Hans Günther Medwed, Mag. Michael Medwed, Mag. Johann Sparowitz, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei R***** P*****, vertreten durch Mag. Gottfried Stoff, Rechtsanwalt in Graz, wegen Feststellung (14.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom 18. Mai 2011, GZ 2 R 82/11p-17, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtsachen Graz vom 8. März 2011, GZ 44 Cg 71/10t-13, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 908,64 EUR (darin 151,44 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Streitteile sind neben zwei weiteren Personen Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** GB ***** mit dem darauf befindlichen Haus *****. Die von der Klägerin bewohnten Räumlichkeiten befinden sich im Dachgeschoss, wobei das WC außerhalb dieser Wohnung liegt und nur vom Gang aus begehbar ist. Im Bereich vor der jetzigen Wohnungseingangstür befindet sich der Zugang zum Spitzboden und zum Dachbodenraum.

Vor dem Bezirksgericht Graz-West wurde im Verfahren GZ ***** von den Wohnungseigentümern ein Vergleich abgeschlossen, in dem auch der Beklagte der Klägerin „unter der Bedingung, dass die jeweiligen Vorhaben auch behördlich, insbesondere brandschutztechnisch genehmigt werden“, die Zustimmung zur Anbringung einer Tür „laut Plan des Dachgeschosses“ erteilte. Für den Fall, dass diese Abtrennung erfolgt, verpflichtete sich die Klägerin, einen Zugang zum Spitzboden vom Stiegenhausgang herzustellen. Die Parteien jenes Verfahrens und der Beklagte erklärten sich weiters damit einverstanden, „dass - falls dies den gesetzlichen Vorgaben entspricht - Top Nr 7 als Wohnung parifiziert wird“.

Der Beklagte ist der Ansicht, dass er keine Zustimmung zur Übertragung von Wohnungseigentum an der hinter der Tür liegenden Fläche gegeben habe.

Die Vorinstanzen gaben dem Begehren der Klägerin auf Feststellung statt, dass sie bzw ihr Rechtsnachfolger berechtigt sei, unter der Bedingung, dass dies behördlich, insbesondere brandschutztechnisch, genehmigt werde, die Wohnungseingangstür zur Top Nr 7 im Dachgeschoss des Hauses an die laut dem beiliegenden Plan blau eingezeichnete Stelle vorzuversetzen und die dadurch hinter der Wohnungseingangstür gelegene Gangfläche und den Dachbodenraum in ihr Wohnungseigentumsobjekt zu integrieren, sodass bei einer Neuparifizierung diese Flächen dem Wohnungseigentumsobjekt der Klägerin zuzuordnen seien.

Das Berufungsgericht ließ nachträglich die Revision zu, weil die Feststellung eines Rechts „unter der Bedingung, dass dies behördlich, insbesondere brandschutztechnisch genehmigt wird“, als nicht hinreichend bestimmte Bedingung im Sinne der Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0039125) qualifiziert werden könnte.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist entgegen diesem nach § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch nicht zulässig, weil die in der Revision geltend gemachten Fragen mit der bereits vorhandenen höchstgerichtlichen Rechtsprechung gelöst werden können.

1. Insoweit der Beklagte das Feststellungsinteresse der Klägerin bezweifelt, ist darauf zu verweisen, dass sich das Bestehen eines rechtlichen Interesses an der alsbaldigen Feststellung iSd § 228 ZPO nach den Umständen des Einzelfalls richtet, denen - vom Fall grober Fehlbeurteilung abgesehen - keine über diesen hinausgehende Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0039177 [T1]). Eine solche unvertretbare Rechtsansicht des Berufungsgerichts liegt nicht vor.

Ein Feststellungsinteresse ist dann als gegeben zu erachten, wenn eine objektive Ungewissheit über den Bestand oder Umfang eines Anspruchs besteht, die durch die Rechtskraftwirkung des Feststellungsurteils beseitigt werden kann (RIS-Justiz RS0038964). Das Feststellungsinteresse ist auch schon in dem Fall gegeben, wenn der Bestand des streitigen Rechts bestritten wird, sodass eine tatsächliche Ungewissheit und Unsicherheit besteht. Dies gilt insbesondere dann, wenn diese Ungewissheit durch ein Verhalten des Beklagten verursacht wird (RIS-Justiz RS0038968 [T2, T8]).

Bedingte Rechte können nach der Rechtsprechung nur dann festgestellt werden, wenn der gesamte übrige rechtserzeugende Sachverhalt feststeht und nur die bereits genau und bestimmt festgesetzte Bedingung noch nicht eingetreten ist (RIS-Justiz RS0039125). Bezüglich des Erfordernisses der behördlichen Genehmigungen zum Versetzen einer Wohnungseingangstür und der Integrierung der dahinter gelegenen Flächen in ein Wohnungseigentumsobjekt ist aber keine dem Klagsstandpunkt abträgliche Ungenauigkeit zu erkennen.

Für das Bestehen eines (separaten) Feststellungsinteresses genügt es, dass die Klägerin in ihrer Bewegungsfreiheit im Rechtsleben oder in der Vornahme wirtschaftlicher Maßnahmen behindert wird (RIS-Justiz RS0038968 [T1]). Auch das trifft angesichts der vom Beklagten bezweifelten und der der Klägerin dadurch entstandenen Unsicherheit über die Reichweite des Vergleichstextes, die sie vor der Umsetzung kostspieliger Änderungen beseitigt wissen will, zu. Dies steht auch der Ansicht des Beklagten entgegen, dass die Klägerin bereits ein Leistungsbegehren stellen hätte können, und begründet im vorliegenden Fall ihr Rechtsschutzinteresse.

2. Der Beklagte meint weiter, Wohnungseigentumsverträge stünden unter dem Formerfordernis der Schriftlichkeit, deren Zweck nur eine objektive, am Wortlaut festhaltende Auslegung zulasse. Der Wortlaut des strittigen Vergleichspunkts beinhalte aber nicht die Überführung der neuen Flächen hinter der verschobenen Eingangstür in das Wohnungseigentum der Klägerin.

Das Formgebot stellt allerdings keine Auslegungsgrenze dar, vielmehr ist zunächst nach allgemeinen Regeln der Parteiwille zu eruieren und sodann das Auslegungsergebnis am Formgebot zu messen, wobei die vom Formzweck erfassten Abreden in der Urkunde zumindest angedeutet sein müssen (Andeutungstheorie, s nur P. Bydlinski in KBB3, § 886 Rz 2, Rummel in Rummel, ABGB3 § 886 Rz 13). Warum dies mit dem Einverständnis des Beklagten dazu, dass die Klägerin die Tür vorversetzt und sodann „Top Nr 7 als Wohnung parifiziert wird“, nicht der Fall gewesen sein soll, ist nicht ersichtlich.

3. Soweit der Beklagte die Feststellungen „Wohnung“, „Wohnungseingangstür“ und „Wohnungstür“ als unrichtige rechtliche Beurteilung moniert, ist unschwer erkennbar, dass die Vorinstanzen damit keine Qualifikation der Räumlichkeiten der Klägerin als Wohnung iSd § 2 Abs 2 WEG vornahmen.

4. Hinsichtlich der geltend gemachten sekundären Feststellungsmängel (unterbliebene Feststellung von Vergleichspunkt 4.) ist auf die Beurteilung des Berufungsgerichts, Pkt 2.3., hinzuweisen.

5. Dass mit dem Vergleich eine entschiedene Rechtssache vorläge, wurde bereits vom Berufungsgericht zutreffend verneint (s RIS-Justiz RS0037242).

Da somit insgesamt keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt wird, ist die Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte