OGH 9ObA75/11m

OGH9ObA75/11m25.10.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Gillinger und AR Angelika Neuhauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. A***** N*****, vertreten durch Dr. Hermann Rieder, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Land *****, vertreten durch Dr. Markus Orgler, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung eines aufrechten Dienstverhältnisses (Feststellungsinteresse: 30.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. März 2011, GZ 15 Ra 138/10x-24, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Eine solche Rechtsfrage zeigt die Revision des Klägers nicht auf:

Ob eine Äußerung des Dienstnehmers den Entlassungsgrund der erheblichen Ehrverletzung - hier nach § 75 Abs 2 lit b L-VBG - begründet, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden, begründet daher für sich keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, soweit nicht aus dem Grund der Rechtssicherheit ein grober Auslegungsfehler zu korrigieren ist (vgl RIS-Justiz RS0105955). Eine Entlassung ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn das Verhalten des Dienstnehmers nach den gewöhnlichen Anschauungen der beteiligten Kreise die Interessen des Dienstgebers so schwer beeinträchtigt, dass ihm nach der Lage des Falls eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum nächsten Kündigungstermin bzw bis zum Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer nicht zugemutet werden kann (RIS-Justiz RS0029107, RS0028999, RS0029323 ua).

Die Vorinstanzen haben die Entlassung des Klägers, der als Oberarzt die Frage einer Turnusärztin nach der postoperativen Komplikationsrate des ihm vorgesetzten Primars mit einem Gerücht über diesen beantwortete („Schlächter von Ulm“) und sich auch in der Folge nicht davon distanzierte, ungeachtet der Frage nach der tatsächlichen Komplikationsrate wegen erheblicher Ehrverletzung als gerechtfertigt erachtet. Darin liegt noch keine grobe Fehlbeurteilung, die der höchstgerichtlichen Korrektur bedürfte. Zu Unrecht vermisst die Revision daher die Berücksichtigung der „tatsächlichen strukturellen Zusammenhänge“ an der betroffenen Klinik.

Die Vorinstanzen haben auch die Tatsache als unschädlich erachtet, dass der Kläger die Äußerung einige Monate vor der Entlassung während des unmittelbar vorangegangenen Dienstverhältnisses zum Bund gemacht hatte und dies dem beklagten Land erst nach Begründung des streitgegenständlichen Dienstverhältnisses bekannt wurde. Aufgrund des engen Konnexes der beiden Dienstverhältnisse (weiterhin Tätigkeit des Klägers als Oberarzt an derselben HNO-Klinik unter der Leitung des Primars) ist auch dies nach den Umständen des Falls vertretbar.

Zwar kann das Entlassungsrecht des Arbeitgebers auch unabhängig von der Kenntnis des Entlassungsgrundes untergehen, wenn ein Entlassungsgrund inzwischen so viel an Bedeutung verloren hat, dass die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber nicht mehr unzumutbar ist und der Arbeitnehmer nach Treu und Glauben mit dem Ausspruch der Entlassung auch nicht mehr zu rechnen braucht (RIS-Justiz RS0029014). Davon könnte hier aber schon angesichts der auch im Frühjahr 2009 aufrechten Brisanz dieses Gerüchts - der Kläger geht selbst von laufenden Ermittlungen des Landeskriminalamts aus - nicht ausgegangen werden.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision daher zurückzuweisen.

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