OGH 4Ob151/11a

OGH4Ob151/11a19.10.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** W*****, vertreten durch Mag. Anton Karte, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Dkfm. B***** H*****, vertreten durch Dr. Herbert Felsberger und Dr. Sabine Gauper-Müller, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Herausgabe (Streitwert 47.300 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 21. Juli 2011, GZ 2 R 118/11g-26, womit das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 4. Mai 2011, GZ 26 Cg 142/09t-22, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Vorinstanzen wiesen das auf sein im Erbweg erlangtes Eigentum gestützte Herausgabebegehren des Klägers mit der Begründung ab, die Erblasserin habe die gegenständlichen Ölgemälde der Beklagten zu Lebzeiten wirksam geschenkt und übergeben.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger vermag in seiner Revision keine erheblichen Rechtsfragen nach § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

Ist eine abschließende Sacherledigung ohne eine Berufungsverhandlung möglich, bildet es keinen Verfahrensmangel nach § 480 Abs 1 ZPO, die Berufung in nichtöffentlicher Sitzung zu erledigen (RIS-Justiz RS0125957).

Die „wirkliche Übergabe“ iSd § 943 ABGB bzw § 1 NZwG (nunmehr NotAktsG) muss sinnfällig nach außen bemerkbar und so beschaffen sein, dass aus ihr der Wille des Geschenkgebers hervorgeht, das Objekt der Schenkung sofort aus seiner Gewahrsame in den Besitz des Beschenkten zu übertragen (RIS-Justiz RS0011383). Der Ausdruck „wirkliche Übergabe“ bedeutet nichts anderes als das Gegenteil der bloßen Zusicherung oder des bloßen Schenkungsversprechens (4 Ob 560/89 = NZ 1991, 11 ua; RIS-Justiz RS0011383 [T6]). Wie die wirkliche Übergabe zu erfolgen hat, ist nach den Umständen des einzelnen Falls zu beurteilen (vgl RIS-Justiz RS0018975).

Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass die Geschenkgeberin anlässlich des (schlüssigen) Schenkungsvertragsabschlusses der Geschenknehmerin Schlüssel zur Wohnung aushändigte, in der sich die übergebenen Gegenstände befanden. Angesichts der Begleitumstände (weitgehende Aufgabe der Wohnungsbenützung durch die Geschenkgeberin, die schon bisher einen Großteil der Zeit an einem anderen Ort verbrachte, Vorbereitung der Wohnungsauflösung, weil der Bestand des Mietrechts von der überwiegenden Nutzung durch die Geschenkgeberin abhängt, sonstige Wohnungsschlüssel befinden sich in Händen von Personen, die jedenfalls keinerlei Besitzinteresse an der Wohnung oder dem Inventar haben) bildet es keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung, wenn das Berufungsgericht die Erfordernisse einer „wirklichen Übergabe“ erfüllt sah.

Hinzu kommt, dass die Geschenkgeberin zwei Jahre nach der Übergabe im Rahmen eines schriftlichen Auftrags samt Vollmacht, mit denen sie die Beklagte mit der Auflösung des Mietverhältnisses und der Wohnungsräumung beauftragte, ausdrücklich erklärte, dass sich alle in der Wohnung befindlichen beweglichen Sachen bereits im Eigentum der Beklagten befinden und dieser das alleinige Verfügungsrecht über diese Gegenstände zustehe. Ein allfälliger Formmangel der Schenkung wäre durch diesen nach außen tretenden Akt der Geschenkgeberin saniert (vgl 8 Ob 560/90; 5 Ob 231/72).

Dass die Erblasserin auch nach Schenkung und Übergabe des Wohnungsinhalts diesen weiter versichert hielt, ohne der Versicherung gegenüber auf das Fremdeigentum hinzuweisen, bedeutet keine Verfügung der Erblasserin über das geschenkte Gut oder bringt einen allenfalls aufrecht erhaltenen Besitzwillen zum Ausdruck, sondern nur das Bemühen, zu Lebzeiten die Beschenkte nicht mit Versicherungskosten belasten zu wollen. Gleiches gilt für die Unterlassung einer Schenkungssteuererklärung. Dass die Beklagte später der Erblasserin einen in der Wohnung verbliebenen Rosenkranz aushändigte, entsprach deren Wunsch und lässt keinen Zusammenhang mit dem rechtlichen Schicksal des (weltlichen) Wohnungsinventars erkennen.

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