OGH 3Ob164/11f

OGH3Ob164/11f12.10.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Robin D*****, vertreten durch Dorda Brugger Jordis, Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die verpflichtete Partei Claude-Louis D*****, vertreten durch Dr. Georg Getreuer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 18.500.000 EUR sA, hier wegen Hinterlegung bei Gericht gemäß § 307 EO durch die Drittschuldnerin B***** AG, *****, vertreten durch Arnold Rechtsanwälte GmbH in Wien, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der betreibenden Partei als Erlagsgegnerin, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 30. Juni 2011, GZ 46 R 289/10f-40, womit ua über Rekurse der betreibenden Partei und einer weiteren Erlagsgegnerin der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 11. Juni 2010, GZ 63 E 5255/04y-19, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Aufgrund des vollstreckbaren Notariatsakts vom 11. April 2004 wurde der Betreibenden zur Hereinbringung einer Forderung von 18.500.000 EUR sA die Exekution nach § 294 EO durch Pfändung und Überweisung zur Einziehung von dem Verpflichteten zustehenden Geldforderungen aus einem bei der Drittschuldnerin eingerichteten Verrechnungskonto, die Exekution durch Pfändung des Anspruchs des Verpflichteten wider die Drittschuldnerin auf Herausgabe von Wertpapieren iSd § 296 EO und die Exekution nach § 331 EO durch Pfändung der Rechte des Verpflichteten aus Depotverträgen mit der Drittschuldnerin und aus dem dem Verpflichteten zustehenden Miteigentum an Wertpapieren, die in Sammelurkunden verbrieft sind, bewilligt.

Die Drittschuldnerin B***** AG stellte am 31. Mai 2010 den Antrag, den Erlag von 1.616.585 Stück-Anteilen an einem von der G***** Aktiengesellschaft aufgelegten Investmentfonds sowie eines Geldbetrags von 7.278,07 EUR „gemäß § 1425 ABGB bzw § 307 EO“ anzunehmen, für die Wertpapiere einen Verwahrer zu bestellen und auszusprechen, dass Verfügungen über den Gerichtserlag nur durch einvernehmlichen Antrag beider Erlagsgegner oder durch eine die Zustimmung eines Erlagsgegners ersetzende rechtskräftige gerichtliche Entscheidung erfolgen können. Sie stehe zwei Forderungsprätendenten gegenüber, und zwar der Betreibenden, die mit der vermeintlichen Priorität ihrer exekutiv im vorliegenden Exekutionsverfahren erwirkten Rechte argumentiere, und der Republik Österreich, die sich auf Verfall nach dem StGB und dem Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz (ARHG) stütze. Mit rechtskräftigem Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 4. Juni 2008, 182 Ns 15/06s-43, sei nämlich ausgesprochen worden, dass die der Verfallsanordnung eines amerikanischen Gerichts unterliegenden, von der Erlegerin verwahrten und nunmehr hinterlegten Vermögenswerte der Republik Österreich zufallen. Eine vollstreckbare gerichtliche Aufforderung zur Realisierung der bei der Erlegerin befindlichen Vermögenswerte zu Gunsten der Republik Österreich sei bereits angekündigt worden (ON 15).

Das Erstgericht nahm den Erlag gemäß § 307 EO an (Punkt I), bestellte die Drittschuldnerin zur Verwahrerin und Verwalterin der Anteile am Investmentfonds (Punkt II) und sprach im Punkt III aus, dass Verfügungen über den Gerichtserlag nur durch das Erstgericht, jedoch erst nach einvernehmlichem Antrag beider Erlagsgegner oder durch eine die Zustimmung eines Erlagsgegners ersetzende rechtskräftige gerichtliche Entscheidung, bzw nach rechtskräftiger Entscheidung sämtlicher anhängiger Verfahren erfolgen würden (ON 19).

Zu dem von der Betreibenden am 5. Februar 2010 gestellten Verwertungsantrag zur Exekution nach § 331 EO durch Ermächtigung verständigte das Erstgericht die Parteien am 29. Juni 2010 davon, dass die Entscheidung darüber erst nach Einigung beider Erlagsgegner im Erlag nach § 307 EO bzw eine darüber ersatzweise gefasste rechtskräftige Entscheidung eines Gerichts ergehen werde (ON 22).

Die gegen den Beschluss ON 19 von der Betreibenden und der Republik Österreich als Erlagsgegner erhobenen Rekurse wies das Rekursgericht als unzulässig zurück, weil gegen die Annahme eines freiwilligen Erlags kein Rechtsmittel zulässig sei, und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

Den Rekurs der Betreibenden gegen die Verständigung ON 22 wies das Rekursgericht - unbekämpft - mangels Beschwer zurück (ON 31).

Der Oberste Gerichtshof gab den Revisionsrekursen der Betreibenden und der weiteren Erlagsgegnerin Folge, hob die angefochtene Rekursentscheidung auf und trug dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über die Rekurse der Erlagsgegner gegen den Beschluss ON 19 unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf (3 Ob 168/10t; ON 38). Der Erlag nach § 307 EO bleibe im Allgemeinen ohne Einfluss auf die materiell-rechtliche Stellung des Verpflichteten und der sonstigen Beteiligten, sodass sie die Annahme des vom Drittschuldner erlegten Betrags zu Gericht in der Regel auch nach der Rechtslage nach der EO-Novelle 1991 nicht mit Rekurs bekämpfen könnten. Eine Einschränkung dieses Grundsatzes werde jedoch insoweit anerkannt, als der Beschluss über die reine Annahme des Erlags hinausgehe und unzulässige Aufträge enthalte; auch werde den Erlagsgegnern ein rechtliches Interesse daran zugebilligt, dass ein Erlag nicht nach § 1425 ABGB erfolge, sondern als solcher nach § 307 EO behandelt werde. Hier liege der Fall vor, dass der Beschluss des Erstgerichts über die Annahme des Erlags hinausgehe, weil das Erstgericht den Erlag zwar unter Berufung auf § 307 EO angenommen, jedoch in Punkt III seines Spruchs jede weitere Verfügung (worunter auch die Ausfolgung des Erlags iSd Verteilung zu verstehen sei) über den Erlag ausdrücklich vom Einvernehmen der Erlagsgegner oder vom Vorliegen einer die Zustimmung eines Erlagsgegners ersetzenden rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung abhängig gemacht habe. Damit sei zumindest unklar, ob das Erstgericht ungeachtet der Bezugnahme auf § 307 EO nicht doch einen Erlag nach § 1425 ABGB angenommen habe. Die Betreibende und die weitere Erlagsgegnerin hätten ein rechtliches Interesse an der Klarstellung, dass der Erlag als solcher nach § 307 EO erfolgt, sodass sie durch die Entscheidung des Erstgerichts beschwert seien. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen für eine Sachentscheidung des Obersten Gerichtshofs, sei die Sache ohne weitere inhaltliche Auseinandersetzung an das Rekursgericht zurückzuverweisen.

Das Rekursgericht gab daraufhin mit dem nunmehr bekämpften Beschluss beiden Rekursen teilweise Folge und änderte den Erlagsbeschluss des Erstgerichts dahin ab, dass dessen Punkt III ersatzlos aufgehoben wurde. Der ordentliche Revisionsrekurs wurde für nicht zulässig erklärt (ON 40).

Die Erlegerin habe ihren Antrag auf Hinterlegung bei Gericht sowohl auf § 307 EO als auch auf § 1425 ABGB gestützt; es handle sich aber um einen Antrag des Drittschuldners im Exekutionsverfahren. Zwar komme in diesem Zusammenhang grundsätzlich auch eine Anwendbarkeit des § 1425 ABGB in Frage, wegen seiner Bezogenheit auf das Exekutionsverfahren stelle § 307 EO aber die lex specialis zu § 1425 ABGB dar, weshalb nur die Anwendbarkeit der erstgenannten Bestimmung zu bejahen sei. Wegen des rechtlichen Interesses der Rekurswerber an dieser Klarstellung habe der Punkt III des angefochtenen Beschlusses ersatzlos zu entfallen. Auf die Unanfechtbarkeit der beiden weiteren Beschlusspunkte sei bereits hingewiesen worden. Aufgrund der Ausführungen des Obersten Gerichtshofs im ersten Rechtsgang sei keine erhebliche Rechtsfrage mehr zu lösen, weshalb der Revisionsrekurs unzulässig sei.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Betreibenden mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass der Erlagsantrag abgewiesen werde, in eventu Aufhebung und Zurückverweisung an das Rekursgericht. Gegen die Verneinung ihrer Beschwer argumentiert die Betreibende, der Rekurs sei zulässig, weil der angenommene Erlag in ihre Rechte aus zwei Gründen eingreife. Zum einen beeinträchtige der Erlag die Verwertung der Investmentfondsanteile, weil der Verwertungsantrag der Betreibenden (gemeint zur Exekution gemäß § 331 EO) noch nicht bewilligt worden sei. Daher seien Gegenstände hinterlegt worden, die nicht nach § 307 EO hinterlegbar seien, sodass die Verwertung des exekutiven Pfandrechts daran scheitern könne, dass sich die Erlegerin darauf berufe, sie könne die erlegten Wertpapiere nicht mehr verwerten. Zum anderen sei der Erlag schon deshalb unzulässig gewesen, weil dem Bund aufgrund der strafrechtlichen Verfallsanordnung nur ein Anspruch gegen den Verpflichteten auf Übertragung von Guthaben und Wertpapieren zustehe, der im Verteilungsverfahren nicht befriedigt werden könne; der Bund könne sich daher zu Lasten der Betreibenden an einem Verteilungsverfahren beteiligen, ohne jemals selbst ein Exekutionsverfahren geführt zu haben.

Rechtliche Beurteilung

Der Betreibenden gelingt es damit nicht, ihr Rechtsschutzinteresse an der Bekämpfung der den Erlagsbeschluss bestätigenden Rekursentscheidung darzulegen, weshalb der Revisionsrekurs mangels Rechtsmittellegitimation unzulässig ist.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits im ersten Rechtsgang dargelegt, dass es auch für die Rechtslage nach der EO-Novelle 1991 (3 Ob 255/03a) der herrschenden Ansicht entspricht, dass der Erlag nach § 307 EO im Allgemeinen ohne Einfluss auf die materiell-rechtliche Stellung des Verpflichteten und der sonstigen Beteiligten bleibt und sie die Annahme des vom Drittschuldner erlegten Betrags zu Gericht in der Regel nicht mit Rekurs bekämpfen können, woran festzuhalten ist (Resch in Burgstaller/Deixler § 307 EO Rz 27; Heller/Berger/Stix, EO III, 2201 f; Feil/Marent § 307 EO Rz 25; RIS-Justiz RS0002281; RS0004176). Das liegt darin begründet, dass der Erlag (nur) schuldbefreiend für den Drittschuldner wirkt, wenn die Voraussetzungen des § 307 Abs 1 EO vorliegen. Der betreibende Gläubiger kann den Drittschuldner auf Zahlung klagen, wenn die Voraussetzungen eines Erlags nicht vorliegen (Heller/Berger/Stix, EO III, 2201; Resch in Burgstaller/Deixler § 307 EO Rz 27 und 29).

Das Rekursgericht hat durch die ersatzlose Behebung des Punkts III des erstgerichtlichen Erlagsbeschlusses die ein rechtliches Interesse der beiden Erlagsgegner begründenden Unklarheit beseitigt, sodass nunmehr nach der erläuterten Rechtslage die Rechtsmittellegitimation fehlt. Diese kann aber auch der von der Betreibenden behauptete Rechtsirrtum der Vorinstanzen über die Beurteilung der Republik Österreich als (weitere) Forderungsprätendentin nicht begründen, weil bei Zutreffen dieses Vorwurfs die materiell-rechtliche Stellung der Betreibenden gegenüber dem Drittschuldner nicht negativ beeinflusst wird.

Dem weiteren Argument zur Beeinträchtigung der Verwertung im Rahmen der Exekution nach § 331 EO ist entgegen zu halten, dass die nach § 14 Abs 1 EO gestattete gleichzeitige Anwendung mehrerer Exekutionsmittel nicht zu einem unlösbaren Zusammenhang zwischen den einzelnen Exekutionen führt; sie können vielmehr ein völlig verschiedenes Schicksal haben (vgl 3 Ob 207/99h; 3 Ob 288/98v). Verfahrensrechtliche Voraussetzung für den Erlag nach § 307 (iVm § 329) EO ist sowohl bei der Forderungsexekution als auch bei der Anspruchsexekution (laut Punkt 1. und 2. der Exekutionsbewilligung) die, wenn auch vorbehaltlich früher erworbener Rechte Dritter erfolgte Pfändung und Überweisung der Forderung/des Anspruchs, die hier rechtskräftig bei der Annahme des Erlags vorlag; wegen des getrennten Schicksals der Verfahren über verschiedene Exekutionsobjekte/-mittel waren die Voraussetzungen des zur Exekution nach § 331 EO gestellten Verwertungsantrags bei der Entscheidung über den Erlagsantrag zu den beiden anderen Exekutionsobjekten nicht zu prüfen.

Zusammengefasst erweist sich der Revisionsrekurs somit als unzulässig, weshalb er zurückzuweisen war.

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