OGH 7Ob156/11h

OGH7Ob156/11h28.9.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda sowie Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N***** Versicherung AG, *****, vertreten durch Walch & Zehetbauer Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei G***** H*****, vertreten durch Dr. Peter Berethalmy, Rechtsanwalt in Wien wegen 36.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Juni 2011, GZ 11 R 84/11w‑19, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2011:0070OB00156.11H.0928.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die klagende Unfallversicherung begehrt die Rückzahlung eines Teilbetrags von 36.000 EUR, den sie dem beklagten Vater des damals minderjährigen Versicherten in Höhe von insgesamt 95.780 EUR ausbezahlte, ohne eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung einzuholen.

Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt. Sie gingen dabei von den Feststellungen im Vorprozess des Versicherten gegen den Unfallversicherer aus, wonach der Vater 39.418,09 EUR nicht für den Sohn verwendet habe. Aufgrund der Streitverkündung und des Nichtbeitritts als Nebenintervenient sei es dem Beklagten verwehrt, geltend zu machen, dass diese Feststellungen unrichtig seien.

In den Rechtsmittelausführungen macht die außerordentliche Revision unter anderem auch Nichtigkeit der Berufungsentscheidung nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO geltend. Dabei wird verkannt, dass die relevierte Nichtigkeit nur dann zu bejahen ist, wenn die Fassung des angefochtenen Urteils so mangelhaft ist, dass dessen Überprüfung nicht vorgenommen werden kann oder das Urteil mit sich selbst im Widerspruch steht (was nur den Spruch selbst betrifft; ein Widerspruch in den Gründen reicht nicht aus) oder für die Entscheidung keine Gründe angegeben werden (2 Ob 167/10p mwN; E. Kodek in Rechberger³ § 477 ZPO Rz 12). Keiner dieser Tatbestände trifft auf die Berufungsentscheidung zu.

Die Zulassungsbeschwerde rügt ein Abweichen der Berufungsentscheidung von der Rechtsprechung zu folgenden Rechtsfragen:

a) wirksame Streitverkündung im Vorprozess mit der Rechtsfolge der Bindung an wesentliche Feststellungen des dortigen Verfahrens;

b) Annahme eines Schadenersatzanspruchs durch das Berufungsgericht ohne Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen.

Dazu ist vorerst festzuhalten, dass in dem vom versicherten Sohn des Beklagten gegen den dort beklagten (hier: klagenden) Unfallversicherer angestrengte Vorprozess (7 Ob 24/08t und 7 Ob 260/09z) wie folgt über die Klage abgesprochen wurde:

Der Vater des am 7. 3. 1987 geborenen, inzwischen volljährigen Versicherten hätte den von der Unfallversicherung auf das Konto des Vaters ausgezahlten (insgesamt 10.000 EUR bei weitem übersteigenden) Kapitalbetrag nach den Grundsätzen des § 149 Abs 1 letzter Satz in Verbindung mit § 234 ABGB nur mit Ermächtigung des Pflegschaftsgerichts entgegen nehmen dürfen; durch das Unterbleiben einer solchen hat die Beklagte an den Vater grundsätzlich nicht schuldbefreiend geleistet (§ 234 zweiter Satz ABGB [wonach - mangels Ermächtigung - der Schuldner durch Zahlung an den Vertreter von seiner Schuld „nur befreit wird, wenn das Gezahlte noch im Vermögen des minderjährigen Kindes vorhanden ist oder für seine Zwecke verwendet wurde“]).

Zur Höhe wurde festgestellt, dass der Vater

- die in Teilbeträgen auf sein Konto überwiesene Deckungsleistung der Unfallversicherung (von insgesamt 95.780 EUR) nur zum Teil (im Umfang von 36.361,91 EUR) zum Nutzen des Versicherten (nämlich für bereits getätigte Zahlungen) verwendet hat,

- am 28. 2. 2005 20.000 EUR an den Versicherten (zurück-)zahlte und

- (die dort eingeklagten weiteren) 39.418,09 EUR nicht zum Nutzen des Versicherten aufgewendet hat.

Im Vorprozess des Versicherten gegen die (nunmehr seinen Vater klagende) Unfallversicherung wurde dem auf (neuerliche) Zahlung von 39.418,09 EUR gerichteten Klagebegehren daher stattgegeben und die außerordentliche Revision der Unfallversicherung vom Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 27. 1. 2010, 7 Ob 260/09z, ‑ unter Hinweis auf die zitierten Feststellungen ‑ zurückgewiesen.

Was nun die erste in der Zulassungsbeschwerde angesprochene Rechtsfrage betrifft, hat der erkennende Senat schon zu 7 Ob 191/10d ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Streitverkündung - nach ständiger Rechtsprechung - dem Zweck dient, den als Schuldner eines Ersatzanspruchs in Frage Kommenden darauf aufmerksam zu machen, dass der Anspruchsteller als Partei eines anhängigen Verfahrens beabsichtigt, dieses Verfahren auch im Interesse des Ersatzpflichtigen zu führen, also nicht nur seine eigenen, sondern auch die fremden Interessen zu verfolgen (RIS-Justiz RS0114659). Durch die Streitverkündung wird dem Verständigten die Möglichkeit genommen, auch wenn er dem Verfahren nicht als Nebenintervenient beitritt, Einwendungen zu erheben, die er schon im Vorprozess hätte erheben können und die dort für die Entscheidung wesentlich gewesen wären (RIS-Justiz RS0038096). In diesem Rahmen ist der Nebenintervenient an die seine Rechtsposition belastenden Tatsachenfeststellungen im Urteil des Vorprozesses gebunden, sofern ihm in jenem Verfahren ‑ wie hier ‑ unbeschränktes rechtliches Gehör zustand (10 Ob 79/05y mwN; 7 Ob 159/07v). Dieser Umfang der Bindungswirkung einer Entscheidung gegenüber dem Nebenintervenienten ist durch Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs seit der Entscheidung des verstärkten Senats 1 Ob 2123/96d hinlänglich geklärt (RIS-Justiz RS0107338).

Von dieser, bereits zu 7 Ob 191/10d dargestellten Rechtslage ist das Berufungsgericht nicht abgewichen, wenn es von einer Bindungswirkung der für den Beklagten schädlichen Feststellungen im Vorverfahren ausging; steht doch ‑ entgegen den Rechtsmittelausführungen ‑ fest, dass die Unfallversicherung dem (hier) Beklagten schon mit der Klagebeantwortung im Vorverfahren (20 Cg 163/05g des Handelsgerichts Wien) am 30. 11. 2005 (Rückschein bei ON 4 = AS 22 im Beiakt) „den Streit verkündete“ und ihn aufforderte, dem Rechtsstreit als Nebenintervenient beizutreten, wobei ihm Kopien der Klage, Klagebeantwortung und sämtlicher weiterer Aktenbestandteile auch am 16. 3. 2007 (neuerlich) zugestellt wurden (Rückschein zu ON 17 = AS 92 im Beiakt).

In den weiteren Revisionsausführungen wird zu den Revisionsgründen (Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung) ebenfalls keine im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage vorgetragen.

Die darin enthaltenen Rügen befassen sich nur mit den Fragen, ob (auch) ein Schadenersatzanspruch der Klägerin gegenüber dem Beklagten besteht oder verjährt ist und ob über den Mitverschuldenseinwand abzusprechen gewesen wäre. Wie bereits das Erstgericht zutreffend erkannt hat, kommt es auf die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs und auf ein allfälliges Mitverschulden der Klägerin im vorliegenden Fall aber gar nicht an:

Da es allein um eine nicht schuldbefreiende Zahlung an den Beklagten als nicht zum Empfang berechtigten Scheinvertreter (7 Ob 260/09z) geht, stand der Klägerin gegenüber diesem (als Bereicherungsschuldner, der die Leistung tatsächlich erlangt hat) nämlich jedenfalls ein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch in Form eines Verwendungsanspruchs zu (Koziol in KBB³ Vor §§ 1431‑1437 ABGB Rz 13 mwN; P. Bydlinski in KBB³ § 1016 ABGB Rz 3; Schurr in Schwimann [Hrsg] ABGB Ta‑Komm § 1016 Rz 2; Leupold in Schwimann [Hrsg] ABGB Ta‑Komm Vor § 1431 ff Rz 8).

Auch eine Verjährung kommt daher nicht in Betracht, weil nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre Verwendungsansprüche nach § 1041 ABGB grundsätzlich in 30 Jahren verjähren (RIS-Justiz RS0020167; Rummel in Rummel³ § 1041 ABGB Rz 18 und Mader in Schwimann³ Vor §§ 1431 ff ABGB Rz 23 je mwN; zu allem: 4 Ob 117/10z).

Mangels erheblicher Rechtsfrage ist die außerordentliche Revision daher zurückzuweisen.

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