OGH 5Ob142/11k

OGH5Ob142/11k14.9.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** Privatstiftung, *****, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wider die beklagte Partei R*****, Arbeiterin, *****, vertreten durch Hasberger Seitz & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtsachen Wien als Berufungsgericht vom 11. März 2011, GZ 40 R 138/11g-40, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Ein erheblich nachteiliger Gebrauch des Mietgegenstands iSd § 30 Abs 2 Z 3 MRG liegt vor, wenn durch eine wiederholte, längerwährende vertragswidrige Benützung des Bestandobjekts oder durch eine längere Reihe von Unterlassungen notwendiger Vorkehrungen eine erhebliche Verletzung der Substanz des Mietgegenstands erfolgte oder auch nur droht (RIS-Justiz RS0067832; RS0068076; RS0067939). Ob dieser Kündigungsgrund verwirklicht ist, hängt typisch von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0068103; RS0021018), die - abgesehen von einer auffallenden und im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigierende Fehlbeurteilung der Zumutbarkeit einer Fortsetzung des Bestandverhältnisses - keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung begründen können (RIS-Justiz RS0113693).

2. Mit der Bedeutung einer unzureichenden bzw fehlenden Isolierung des Badezimmers für den Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG hat sich der Oberste Gerichtshof wiederholt befasst (vgl RIS-Justiz RS0070359; 8 Ob 505/95 = wobl 1996/50, 152 = MietSlg 47.336; 3 Ob 268/02m; 8 Ob 36/09s; 8 Ob 138/09s; 8 Ob 137/10w ua). Demnach kann dieser Kündigungsgrund vorliegen, wenn der Mieter eine Badewanne oder eine Dusche unsachgemäß ohne ausreichende Feuchtigkeitsisolierung durch nicht befugte Gewerbsleute installiert (vgl 8 Ob 96/04g = immolex 2005/108, 275 [Pfiel] = MietSlg 56.354; RIS-Justiz RS0070359).

3. Der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG setzt zwar kein Verschulden des Mieters voraus, wohl aber das Bewusstsein der Vertragswidrigkeit, wie es von einem vertrauenswürdigen Durchschnittsmieter erwartet werden kann (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht22 § 30 MRG Rz 17 mwN; 8 Ob 96/04g; 8 Ob 36/09s; 3 Ob 4/10z; RIS-Justiz RS0070433; RS0067957). Bei der Frage, ob dem Mieter die Schädlichkeit seines Verhaltens bewusst war oder bewusst sein musste, ist nach einem generellen Maßstab auf die von einem durchschnittlichen Mieter zu erwartende Erkennbarkeit der Schädlichkeit eines bestimmten Verhaltens abzustellen (RIS-Justiz RS0067957 [T5]).

4. Bei der im Zuge der Wohnungszusammenlegung erfolgten Errichtung des Baderaums im Jahr 1988 war keine ausreichende Feuchtigkeitsisolierung vorgenommen worden. Im Unterschied zu den von der Klägerin zum „subjektiven Tatbestand“ zitierten Vorentscheidungen 8 Ob 505/95; 3 Ob 268/02m und 8 Ob 36/09s hatte der von der Beklagten beauftragte Handwerker, ein Mitarbeiter eines Unternehmens mit Konzession für Gas-, Wasser- und Heizungsinstallation, seine Vorgangsweise mit dem Vermieter und Hauseigentümer abgesprochen. Es konnte auch keine Feststellung getroffen werden, dass es wegen der fehlenden Isolierung bis zum Abbruch des Badezimmers durch die Klägerin im Zuge der Sanierung des Hauses im Jahr 2008 zu Feuchtigkeitsaustritten gekommen wäre oder ein ursächlicher Zusammenhang zur großflächigen Schädigung der Dippelbaumdecken bestünde. Es gab nie eine Mitteilung über Wasseraustritte. Eine unter dem Aspekt der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts, das davon ausging, dass sich die Beklagte nach etwa 20-jähriger Nutzungsdauer nicht eines schädlichen Gebrauchs bewusst sein musste, liegt demnach nicht vor (vgl 8 Ob 96/04g).

5. Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der Entscheidung über das Vorliegen des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG auf den Zeitpunkt der Zustellung der Auflösungserklärung abzustellen (Frauenberger in Rechberger ZPO³ § 561 Rz 3; 8 Ob 36/09s, 8 Ob 96/04g; RIS-Justiz RS0021049 [T4, T5]; RS0106984). War zu diesem Zeitpunkt der Kündigungsgrund noch nicht oder nicht mehr verwirklicht, ist die Kündigung abzuweisen (T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht § 30 MRG Rz 8). Wie das Berufungsgericht zu Recht betont, ging im Zeitpunkt der Aufkündigung vom Badezimmer der Beklagten nach erfolgter Sanierung bereits geraume Zeit keine Gefahr für die Substanz des Hauses mehr aus. Die dazu vom Berufungsgericht vorgetragenen Argumente haben aber lediglich unterstützenden Charakter, sodass den in der Revision dazu aufgeworfenen Fragen zur Lösung des konkreten Falls keine Bedeutung mehr zukommt. Sie können damit ebenfalls keine Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO begründen (RIS-Justiz RS0088931 [T2, T4]).

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