OGH 3Ob47/11z

OGH3Ob47/11z11.5.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Franz M*****, Rechtsanwalt, *****, als Masseverwalter im Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen des D***** K*****, gegen die beklagte Partei DK***** GmbH, *****, vertreten durch Walch & Zehetbauer Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Rechnungslegung und Zahlung, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. Jänner 2011, GZ 2 R 208/10p-19, womit über Berufung der beklagten Partei das Teilurteil des Handelsgerichts Wien vom 19. August 2010, GZ 17 Cg 44/10t-14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.721,90 EUR (darin 453,65 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 4.427,48 EUR (darin 326,58 EUR Umsatzsteuer und 2.468 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist aufgrund des Beschlusses des Bezirksgerichts T***** vom 4. September 2003, *****, Masseverwalter im Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen des Schuldners D***** K*****, geboren am ***** (im Folgenden: „Schuldner“). Der Schuldner, ein Polizeibeamter, hat keine Eigenverwaltung. Er war bereits vor Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens im Rahmen einer Nebenbeschäftigung als Versicherungsagent tätig.

Mit Gesellschaftsvertrag vom 8. April 2004 wurde die DK*****-E***** KEG gegründet, deren Firma am 14. März 2006 in DK***** K***** KEG geändert wurde. Als Komplementär fungierte zum Zeitpunkt der Gründung E***** E***** alleine; ab 26. Juli 2005 war D***** B***** zweiter Komplementär. Diese beiden Komplementäre wurden am 14. Februar 2006 (laut Firmenbuch: 14. März 2006) gelöscht und der Schuldner D***** K***** als seit 28. Februar 2006 selbständig vertretungsbefugter (alleiniger) Komplementär eingetragen. Am 3. Oktober 2006 wurde er als Komplementär von seinem Sohn M***** K*****, geboren am 24. September 1982, abgelöst. Die DK***** K***** KEG wurde im Februar 2009 gemäß § 131 Abs 5 UGB von Amts wegen aus dem Firmenbuch gelöscht.

Die D***** K***** KG wurde am 29. Jänner 2007 gegründet; der Antrag auf Löschung langte am 28. August 2008 beim Handelsgericht Wien ein. Die Funktion des Komplementärs hatte der genannte Sohn des Schuldners inne; der weitere Sohn C***** K***** fungierte als Kommanditist.

Mit Notariatsakt vom 2. Jänner 2008 gründeten die beiden Söhne die am 15. Februar 2008 ins Firmenbuch eingetragene DK***** GmbH, die nunmehr beklagte Partei (im Folgenden auch: „GmbH“). Die GmbH war und handelte de facto als Rechtsnachfolgerin der DK*****-E***** KEG (später DK***** K***** KEG) sowie der D***** K***** KG. In einem Zivilverfahren begehrte die nunmehr beklagte Partei ein Honorar für Beratungsleistungen, die nach den Prozessbehauptungen von einer der Vorgängergesellschaften erbracht worden waren.

Gleichzeitig mit der Gründung der GmbH haben die beiden Gesellschafter mit Notariatsakt vom 2. Jänner 2008 dem Schuldner unbefristet angeboten, ihre Gesellschaftsanteile um das Nominale an den Schuldner bzw dessen Erben oder von ihm namhaft gemachte dritte Personen abzutreten. Weiters haben sie sich in dem Notariatsakt verpflichtet, sich für die Dauer der Rechtswirksamkeit des Abtretungsanbots jedweder Verfügung über ihren Gesellschaftsanteil ohne Zustimmung des Schuldners zu enthalten. Das „Unternehmenskonstrukt“ verfolgte den Zweck, „die weiterhin entfalteten Tätigkeiten des Gemeinschuldners als Versicherungsagent und Vermögensberater vor dem Zugriff der Gläubiger bzw. des Klägers zu verschleiern“ (Erstgericht S 10 in ON 14).

Der Schuldner ist auch nach Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens de facto als Versicherungsagent für die DK*****-E***** KEG (nachmals DK***** K***** KEG), die D***** K***** KG und die DK***** GmbH tätig geworden. Die drei Gesellschaften haben im Zeitraum von September 2003 bis Juni 2008 Gesamteinnahmen in Höhe von mindestens 233.742,32 EUR erzielt. An den Schuldner sind in den Jahren 2006 bis 2008 zumindest Zahlungen in Höhe von 19.079,40 EUR an Kilometergeld erfolgt. Die drei Gesellschaften haben im Rechenwerk in den Jahren 2004 bis 2008 insgesamt Ausgaben für den Ankauf von Gutscheinen (von Tankstellen und Handelsunternehmen) von mehr als 18.000 EUR verbucht. Im Jahr 2005 wurde die Hälfte dieser Ausgaben auch einem Privatanteil zugeführt, sodass von einer privaten Teilverwendung ausgegangen werden kann. In welcher Höhe Leistungen daraus an den Schuldner geflossen sind, kann nicht festgestellt werden. Es kann auch nicht festgestellt bzw ausgeschlossen werden, dass an den Schuldner weitere Zahlungen erfolgt sind.

Der Kläger wurde erstmals im Jahr 2006 auf mögliche Sachverhalte einer Verschleierung von Einkommen bzw einer Tätigkeit des Schuldners aufmerksam, für die kein angemessenes Entgelt an diesen geflossen ist: Damals wurde der Kläger von einem Vermieter angerufen, der seine Verwunderung darüber ausdrückte, dass der Schuldner trotz des anhängigen Insolvenzverfahrens einen Mietvertrag (für eine Gesellschaft) abschließen könne. Dem Schuldner ist es im Insolvenzverfahren immer wieder gelungen, die Postsperre zu umgehen und dadurch etwa Firmenbucheintragungen zu erlangen, zu denen der Masseverwalter keine Zustimmung erteilt hatte. Im Lauf der Jahre 2007, 2008 hat sich beim Kläger nach seinen Erkundigungen das Wissen verdichtet, dass der Schuldner offenbar in größerem Umfang als ursprünglich angenommen Tätigkeiten ohne Information des Masseverwalters entfaltet hat. Die beklagte Partei bestritt gegenüber dem Kläger, dass der Schuldner eine verdienstliche Tätigkeit für sie erbracht hatte.

Der Kläger begehrt im Rahmen einer Stufenklage

1. die Rechnungslegung der beklagten Partei DK***** GmbH über die vom Schuldner für die DK*****-E***** KEG bzw DK***** K***** KEG, die D***** K***** KG und die DK***** GmbH erbrachten Leistungen sowie über die aus diesen Leistungen den Gesellschaften zugeflossenen Einkünfte für den Zeitraum von 8. April 2008 bis 30. November 2009 sowie

2. die Zahlung des sich aufgrund der Rechnungslegung als Erlös ergebenden Geldbetrags, wobei die ziffernmäßige Festsetzung des Zahlungsbegehrens bis zu der gemäß Punkt 1. des Urteilsbegehrens erfolgten Rechnungslegung vorbehalten bleibe.

Der Kläger habe neben seinem Beruf als Polizeibeamter Tätigkeiten als Versicherungsagent für die genannten Gesellschaften ausgeübt und versucht, allfällige Ansprüche der Konkursmasse aus dieser Nebenbeschäftigung zu verschleiern. Die beklagte Partei sei Rechtsnachfolgerin der DK*****-E***** KEG (nachmals DK***** K***** KEG) und der D***** K***** KG und habe im Rahmen einer Bestandsübertragung die Ansprüche der Vorgängergesellschaften aus der Vermittlung von Versicherungs- und Finanzierungsverträgen übernommen. Da der Schuldner weiterhin in verdienstvoller Weise Tätigkeiten als Versicherungsagent für die beklagte Partei erbracht habe, bestehe unabhängig davon, ob ihm dafür ein Entgelt zugeflossen sei oder nicht, ein Anspruch der Konkursmasse auf ein angemessenes Entgelt. Da die beklagte Partei gegenüber dem Kläger eine verdienstliche Tätigkeit des Schuldners in Abrede gestellt habe und sich aus den dem Kläger bislang vorliegenden Unterlagen die der Masse geschuldeten Beträge nicht ermitteln ließen, sei die beklagte Partei die Rechnungslegung und die Zahlung der sich aus dieser Rechnungslegung ergebenden Beträge schuldig.

Die beklagte Partei wandte ein, dass der Schuldner keine entgeltlichen Leistungen für sie erbracht habe und dass keine Rechtsnachfolge zwischen derDK*****-E***** KEG (nachmals DK***** K***** KEG), der D***** K***** KG und der beklagten Partei bestehe. Aus diesem Grund bestehe keine Verpflichtung der beklagten Partei zur Rechnungslegung hinsichtlich der anderen Gesellschaften. Der Anspruch des Klägers sei weiters verjährt. Schließlich wurde - nach Vorlage eines in einem Strafverfahren eingeholten Buchsachverständigengutachtens - vorgebracht, dass sich allfällige Ansprüche des Klägers aus diesem Gutachten ermitteln ließen.

Das Erstgericht gab dem Rechnungslegungsbegehren mit Teilurteil statt.

Rechtlich folgerte das Erstgericht aus dem eingangs dargestellten Sachverhalt, dass die beklagte Partei Rechtsnachfolgerin der oben genannten Gesellschaften sei und aufgrund des § 1409 ABGB auch hinsichtlich der Vorgängergesellschaften zur Rechnungslegung verpflichtet sei. Das Unternehmenskonstrukt habe den Zweck verfolgt, Vermögenswerte vor dem Zugriff der Gläubiger zu schützen bzw zu verschleiern, weshalb auch das Haftungserfordernis des Kennens oder Kennen-Müssens bei der beklagten Partei gegeben sei. Was der Schuldner während des Konkurses erwerbe, gehöre prinzipiell in die Konkursmasse. Der Kläger als Masseverwalter habe gegen die beklagte Partei einen Anspruch auf Rechnungslegung gemäß Art XLII Abs 1 1. Fall EGZPO. Alle dem Schuldner zugeflossenen Entgelte gehörten in die Masse; seien solche nicht geflossen, habe die Masse Anspruch auf ein angemessenes Entgelt, auch gemäß § 292e EO. Allein die beklagte Partei habe Informationen, wann der Schuldner für sie tätig geworden sei und welche Rechtsgeschäfte er erfolgreich für sie vermittelt hätte. Der Rechnungslegungsanspruch verjähre grundsätzlich erst in 30 Jahren, überdies wäre die Einrede der Verjährung rechtsmissbräuchlich.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Teilurteil des Erstgerichts im gänzlich klagsabweisenden Sinn ab. Betreffend den Beginn des Zeitraums, in dem der Schuldner alleiniger Komplementär der DK***** K***** KEG war, berichtigte es ein unrichtiges Datum von 14. Februar 2005 auf 14. März 2005 (richtig wäre die Jahresangabe 2006), ordnete die Beweisrüge der Rechtsrüge zu und legte seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde, dass der klagende Masseverwalter nicht angegeben habe, ob er sich auf den 1. oder den 2. Fall des Art XLII Abs 1 EGZPO stütze. Der erste Fall setze voraus, dass eine Verpflichtung zur Rechnungslegung schon nach bürgerlichem Recht bestehe. Der Kläger habe nicht vorgebracht, aufgrund welcher privatrechtlichen Vereinbarung zwischen dem Schuldner und der beklagten Partei eine Rechnungslegungsverpflichtung abzuleiten sei. Ein Rechnungslegungsanspruch könne zwar aus dem Provisionsanspruch abgeleitet werden, wenn man den Schuldner als selbständigen Versicherungsvertreter für andere Versicherungsvertreter, nämlich die genannten Gesellschaften verstehe, wozu es aber an einem konkreten Klagsvorbringen fehle. Auch das Klagebegehren sei nicht auf die Abrechnung allfälliger dem Schuldner zustehender Provisionsansprüche gerichtet. Abgesehen davon stelle der Umstand, dass der Schuldner dem Masseverwalter für die Beurteilung seiner Ansprüche gegen die beklagte Partei erforderliche Daten nicht freiwillig bekannt gegeben habe, ein konkursrechtliches Problem dar; der Kläger hätte daher zuerst nach den §§ 99 ff bzw 210 KO vorgehen müssen, wobei er nicht vorgebracht habe, dass ein solches Vorgehen nicht möglich sei oder erfolglos bleiben würde. Für den 2. Fall des Art XLII Abs 1 EGZPO müsse die Beklagte von der Verschweigung oder Verheimlichung des anzugebenden Vermögens vermutlich Kenntnis haben. Auch dazu habe der Kläger jedoch nichts vorgebracht.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige. Die Revision sei nicht zulässig, weil das Berufungsgericht nicht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers aus den Rechtsmittelgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Hinblick auf die erhebliche Rechtsfrage, ob dem Masseverwalter die Bestimmung des Art XLII Abs 1 2. Fall EGZPO gegenüber dem „verheimlichenden“ Schuldner zugute kommt, zulässig; sie ist auch im Sinne einer Wiederherstellung des erstgerichtlichen Teilurteils berechtigt.

1. Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass insoweit, als Bestimmungen der Konkursordnung/Insolvenzordnung relevant sind, im Hinblick auf die Konkurseröffnung am 4. September 2003 gemäß § 273 Abs 1 Satz 2 IO die Bestimmungen der Konkursordnung weiter anzuwenden sind.

2. In der außerordentlichen Revision macht der Kläger geltend, das Berufungsgericht verstoße gegen das Überraschungsverbot, weil in erster Instanz weder das Gericht noch die Parteien Zweifel daran gehabt hätten, dass eine Rechtsgrundlage für das Rechnungslegungsbegehren existiere. Erstmals in der Berufung habe die beklagte Partei behauptet, dass eine solche Rechtsgrundlage nicht bestehe. Dem Kläger sei keine Möglichkeit gegeben worden, im Rahmen einer Verfahrensergänzung zu dieser Argumentation Stellung zu nehmen. Der Kläger hätte vorgebracht, dass das Firmengeflecht der beklagten Partei und ihrer Vorgängergesellschaften der Verschleierung von Einkünften des Schuldners diene und die beklagte Partei hievon auch Kenntnis gehabt habe. Auch der Hinweis auf die Rechtsbehelfe nach der KO sei rechtlich verfehlt. Bei gegebener Möglichkeit hätte der Kläger vorgebracht, dass er wiederholt beim Konkursgericht die Verletzung der Mitwirkung des Schuldners angezeigt und beantragt habe, das Konkursgericht möge dem Schuldner entsprechende Aufträge erteilen, was das Konkursgericht auch gemacht habe. Überdies bestehe der Rechnungslegungsanspruch schon aufgrund des Handelsvertretergesetzes, weswegen der Kläger als Masseverwalter den Anspruch unmittelbar gegen die beklagte Partei geltend machen könne, ohne auf die Rechtsbehelfe nach der KO angewiesen zu sein. Dies ergebe sich auch daraus, dass lediglich der beklagten Partei bekannt sei, welche Rechtsgeschäfte in welchem Zeitraum der Schuldner für sie vermittelt und abgeschlossen habe. Die Anwendung der §§ 210 ff KO sei nach dem jetzigen Verfahrensstand von vornherein ausgeschlossen. Dass der Schuldner im Namen der beklagten Partei, die selbst kein Versicherer sei, Versicherungsverträge vermittelt und daher einen Anspruch auf Provision habe, sei aus dem Sachverhalt ableitbar, auch wenn dies nicht ausdrücklich festgestellt worden sei. Im Übrigen bestehe die Auskunftspflicht nach § 292e EO.

3. Dazu wurde erwogen:

3.1. Zwar hat sich der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren nicht explizit festgelegt, auf welchen der beiden Fälle des Art XLII Abs 1 EGZPO er sein Begehren stützt; dies war aber nicht notwendig. Der Kläger hat den behaupteten Anspruch auf Bekanntgabe der vom Schuldner erbrachten Leistungen und die diesem zugeflossenen Einkünfte (zusammengefasst) daraus abgeleitet, dass der Schuldner auch während des Konkursverfahrens weiterhin für die drei - von ihm faktisch beherrschten - Gesellschaften tätig geworden sei und einen Anspruch auf Entgelt und/oder Gewinn erworben habe. Entweder habe er Einkünfte unzulässigerweise an der Konkursmasse vorbeigeschleust oder eine gegenüber der Masse und den Gläubigern unwirksame Vereinbarung geschlossen, unentgeltlich für die Gesellschaften tätig zu werden. Die Masse habe Anspruch auf denjenigen Vorteil, den die Gesellschaften durch die Leistungen des Schuldners erhalten habe, jedenfalls aber auf ein angemessenes Entgelt für die Tätigkeit. Mit der Gründung der jeweiligen Gesellschaften sei eine Bestandsübertragung erfolgt, sodass sämtliche Ansprüche der Vorgängergesellschaft(en) aus der Vermittlung von Versicherungs- und Finanzierungsverträgen an die jeweils nachfolgende Gesellschaft übergegangen seien und letztendlich die GmbH als Nachfolgerin der DK*****-E***** KEG anzusehen sei. Die beklagte Partei habe sich in einem Zivilverfahren ausdrücklich auf die Bestandsübertragungen berufen.

3.2. Nach Art XLII Abs 1 2. Fall EGZPO kann derjenige, der von der Verheimlichung oder Verschweigung eines Vermögens vermutlich Kenntnis hat, auch ohne Bestand anderer materieller Verpflichtungen von jedem, der ein privatrechtliches Interesse an der Ermittlung des Vermögens hat, auf eidliche Angabe seines Wissens über Art, Höhe und Verbleib dieses Vermögens in Anspruch genommen werden.

3.2.1. Diese Bestimmung schafft im Gegensatz zum ersten Fall des Art XLII Abs 1 EGZPO einen eigenen privatrechtlichen Anspruch auf Angabe des Vermögens (RIS-Justiz RS0034834; Konecny in Fasching/Konecny 2 [2002] Art XLII EGZPO Rz 72 mwN). Der Zweck der Bestimmung liegt darin, Informationsdefizite auszugleichen und die erfolgreiche Anspruchsverfolgung zu ermöglichen (Bienert-Nießl, Materiellrechtliche Auskunftspflichten im Zivilprozess [2003] 141).

3.2.2. Vermögen ist jeder Aktivwert, der Gegenstand einer Leistungsklage sein kann (Konecny in Fasching/Konecny 2 Art XLII EGZPO Rz 77; Bienert-Nießl, Auskunftspflichten 152, 228).

3.2.3. Das von Art XLII Abs 1 EGZPO geforderte privatrechtliche Interesse ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn durch die Verheimlichung oder Verschweigung des Vermögens der Kläger selbst unmittelbar in seinen aus dem Gesetz oder einer Vereinbarung abgeleiteten Privatrechten beeinträchtigt wird (RIS-Justiz RS0034852). Das privatrechtliche Interesse ist auch immer dann gegeben, wenn der Kläger über das zu manifestierende Vermögen im Unklaren ist, die Angabe über die Vermögensverschweigung oder -verheimlichung aber braucht, um einen gesetzlichen oder vertraglichen Hauptanspruch geltend machen zu können (Bienert-Nießl, Auskunftspflichten 143).

Da die Arbeitskraft des Schuldners nicht Massebestandteil ist, steht ihm deren Verwertung auch nach Konkurseröffnung frei. Allerdings ist der der Exekution unterliegende Teil des Erwerbseinkommens Massebestandteil (Schubert in Konecny/Schubert, KO § 5 Rz 3 mwN). Gemäß § 99 KO ist der Schuldner verpflichtet, „alle zur Geschäftsführung erforderlichen“ Auskünfte zu erteilen. Diese umfassende Verpflichtung zur Auskunftserteilung wird jeweils durch Aufforderungen des Masseverwalters konkretisiert. Die Auskunftspflicht umfasst auch Angaben zum Umfang der Masse und damit auch zu den vom Schuldner während des Konkursverfahrens erzielten Einkünften (Schubert in Konecny/Schubert, KO § 5 Rz 3; 8 Ob 8/88; Hierzenberger/Riel in Konecny/Schubert, KO § 99 Rz 8). Erbringt der Schuldner zwar in einem ständigen Verhältnis für einen Dritten Arbeitsleistungen, die nach Art und Umfang üblicherweise vergütet werden ohne oder gegen eine unverhältnismäßig geringe Gegenleistung, gilt im Verhältnis zwischen dem Dritten und Gläubigern des Schuldners ein angemessenes Entgelt als geschuldet (§ 292e EO).

In diesem Sinn ist das geforderte privatrechtliche Interesse des Klägers an einer Bekanntgabe der vom Schuldner erbrachten Leistungen und die daraus bezogenen Einkünfte grundsätzlich zu bejahen.

3.2.4. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der Kläger nicht gehalten, vor einem Begehren nach Art XLII EGZPO nach den §§ 99 ff (insbesondere § 101) KO vorzugehen. Abgesehen davon, dass die Stufenklage gegen die (potenzielle) Geschäftsherrin des Schuldners gerichtet ist und sich die Schritte nach den §§ 99 ff KO gegen den Schuldner richten, ist eine Klageführung nach Art XLII Abs 1 1. Fall EGZPO wegen der unterschiedlichen Mittel und Ziele von vornherein nicht subsidiär zu einem Vorgehen nach den §§ 99 ff KO. In diesem Sinn wurde zu Art XLII Abs 1 1. Fall EGZPO bereits ausgesprochen, dass eine Pflicht zur Rechnungslegung nicht bloß deshalb verneint werden kann, weil der Kläger die angestrebte Auskunft allenfalls auch auf andere Weise erlangen könnte, beispielsweise aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Anspruchs im Verwaltungsverfahren (1 Ob 2370/96b = RIS-Justiz RS0106852; zur Ablehnung einer Subsidiarität der Stufenklage gegenüber dem Anspruch des Handelsvertreters auf Bucheinsicht ausführlich 8 Ob 527/92 = SZ 65/165).

3.3. Das Verschweigen bzw Verheimlichen von Vermögen setzt kein strafbares oder deliktisches Verhalten voraus (RIS-Justiz RS0034879 und RS0034859; Konecny in Fasching/Konecny 2 Art XLII EGZPO Rz 80). Gefordert wird von der Rechtsprechung ein aktives Verhalten, das bezweckt zu verhindern, dass Vermögen in die Verfügung des Klägers gelangt (7 Ob 610/95 = SZ 69/119; 7 Ob 269/02p mwN; näher Bienert-Nießl, Auskunftspflichten 147 ff). Dieses Verhalten muss nicht unbedingt vom Beklagten gesetzt werden (Konecny in Fasching/Konecny 2 Art XLII EGZPO Rz 83). Passiv legitimiert ist jeder, der von der Verschweigung oder Verheimlichung „vermutlich Kenntnis“ hat. Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung kein strenger Maßstab an die - vom Kläger nur zu bescheinigende (RIS-Justiz RS0034823 [T2]) - Kenntnis anzulegen. Schon der durch objektive Anhaltspunkte gestützte Verdacht, dass der Beklagte von der Verschweigung oder Verheimlichung Kenntnis hat, reicht aus (RIS-Justiz RS0034823; Fucik/Rechberger in Rechberger 3 Art XLII EGZPO Rz 3 mwN). Demnach sind auch die Umstände, die den Verdacht einer Vermögensverheimlichung begründen, vom Kläger bloß zu bescheinigen (Bienert-Nießl, Auskunftspflichten 144 f).

Entgegen dem Standpunkt des Berufungsgerichts reichen sowohl das Vorbringen als auch die Feststellungen für die Bejahung dieser Voraussetzungen zum Verschweigen bzw Verheimlichen von Vermögen.

3.3.1. Nach den Feststellungen hat der Schuldner gegenüber dem Masseverwalter aktive Verheimlichungsmaßnahmen in Bezug auf seine Einkünfte gesetzt. Er ist (ohne Informierung des Masseverwalters) während des Konkursverfahrens gesellschaftsrechtliche Verflechtungen eingegangen und ist - wie die nicht unbeträchtlichen Kilometergeldauszahlungen zeigen - für zumindest einer der drei in Rede stehenden Gesellschaften laufend tätig geworden. Das unbefristete Abtretungsanbot in Bezug auf die Anteile an der GmbH bestätigt das aktive Verheimlichungsverhalten des Schuldners.

3.3.2. Das Wissen der beklagten Partei um die Maßnahmen des Schuldners kann bereits aufgrund deren Prozessverhaltens als bescheinigt angenommen werden. Wie bereits das Erstgericht dargestellt hat, wurde vorerst ein verdienstliches Tätigwerden des Schuldners bestritten. Schließlich wurde das Tätigwerden außer Streit gestellt, aber behauptet, er habe dafür kein über den Ersatz von Auslagen hinausgehendes Entgelt erhalten. Als sich die Hinweise auf das Tätigwerden des Schuldners in dem in einem Strafverfahren eingeholten Buchsachverständigengutachten verdichteten, wurde in offensiver Weise vorgebracht, dass sich die Ansprüche des Klägers bereits aus diesem Gutachten errechnen ließen.

3.3.3. Im Übrigen bietet dieses Gutachten, das zu einem anderen Zweck erstellt wurde als dem Kläger als Berechnungsgrundlage zu dienen, allerdings keine taugliche Grundlage für die Annahme, dass das zu manifestierende Vermögen nun dem Kläger bereits bekannt wäre.

4. Da das endgültige Ziel des Begehrens des Klägers, der eine Stufenklage nach Art XLII Abs 3 EGZPO erhoben hat, die Zahlung eines sich aufgrund der Rechnungslegung ergebenden Geldbetrags ist, strebt er letztlich die Erfüllung einer Geldleistungsverpflichtung an; die von ihm in der ersten Stufe geforderten Offenlegungen haben hiezu Hilfscharakter. Die zu § 1409 ABGB ergangene Rechtsprechung, wonach der Übernehmer eines Vermögens infolge des gesetzlichen Schuldbeitritts neben dem ursprünglichen Schuldner nur für die Erfüllung von Geldverpflichtungen haftet (RIS-Justiz RS0054838; RS0033224 [T1]; RS0033324 [T6]), verhindert nicht, dass der Übernehmer - damit seine Haftung überhaupt effektuiert werden kann - auch die mit der Geldverpflichtung in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Offenlegungsverpflichtungen erfüllt.

Nach den erstgerichtlichen Feststellungen war die beklagte Partei „Rechtsnachfolgerin“ der DK*****-E***** KEG (später DK***** K***** KEG) und der D***** K***** KG und handelte „de facto“ als solche. Im Zusammenhang betrachtet stand beim Übergang von einer Gesellschaft auf eine andere die „Bestandsübernahme“ im Vordergrund, was auch dazu führte, dass sich die beklagte Partei in einem Zivilverfahren darauf stützte, zur Entgegennahme des Entgelts für von einer Vorgängergesellschaft erbrachte Leistungen berechtigt zu sein. Auch wenn die entsprechenden Feststellungen relativ offen formuliert sind, ist die Ansicht des Erstgerichts, die beklagte Partei sei als (direkte bzw indirekte) Vermögensübernehmerin und daher als nach § 1409 ABGB haftende Person zu qualifizieren, nicht zu beanstanden.

5. Da das Klagebegehren bereits nach Art XLII Abs 1 2. Fall EGZPO berechtigt ist, erübrigt sich ein Eingehen auf die Voraussetzungen des Art XLII Abs 1 1. Fall EGZPO ebenso wie eine Beurteilung der Frage, ob die Berufungsentscheidung als „Überraschungsentscheidung“ zu bewerten ist.

6. In Stattgebung der Revision der klagenden Partei ist daher das dem Rechnungslegungsbegehren stattgebende Teilurteil des Erstgerichts wiederherzustellen.

7. Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Kosten des Rechtsmittelverfahrens ist eine Folge des Obsiegens des Klägers in dem Zwischenstreit über das Rechnungslegungsbegehren (5 Ob 212/08z) und beruht auf §§ 50, 41 ZPO.

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