OGH 17Ob21/10b

OGH17Ob21/10b12.4.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Präsidentin Dr. Griss als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** S.A., *****, vertreten durch Dr. Hans Georg Zeiner und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei A***** Holding, *****, vertreten durch Dr. Thomas M. Wallnöfer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 36.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 29. Oktober 2010, GZ 3 R 49/10p‑36, mit welchem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 8. März 2010, GZ 39 Cg 45/07x‑32, abgeändert wurde, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2011:0170OB00021.10B.0412.000

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben, und die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten im Verfahren über die Berufung der klagenden Partei.

 

Begründung:

Die Parteien erzeugen und vertreiben Tabakwaren. Sie streiten über die Frage, ob der bevorstehende Marktauftritt der Beklagten in Markenrechte der Klägerin eingreift.

Die Klägerin ist Inhaberin zweier für Tabakwaren registrierter Wortmarken „EVE“ mit Priorität vom 19. Oktober 1989 (IR 544.259 und CTM 64113) und der nachstehend abgebildeten, ebenfalls für Tabakwaren registrierten Wortbildmarke mit Priorität vom 7. November 1989 (IR 551.868):

Die Zigarettenpackungen der Klägerin sind nach dem Muster dieser Wortbildmarke gestaltet. Sie sind seit längerer Zeit auch auf dem österreichischen Markt.

Die Beklagte ist Inhaberin der nachstehend abgebildeten Wortbildmarke mit Priorität vom 5. Februar 2007 (AT 237.611):

Die Beklagte vertreibt im Ausland Zigaretten in entsprechend gestalteten Verpackungen, der Vertrieb in Österreich steht unmittelbar bevor. Die Zigaretten beider Parteien haben einen geringeren Durchmesser als üblich, wofür sich die Bezeichnung „Slims“ eingebürgert hat.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verpflichten,

den Vertrieb und/oder Verkauf von Zigaretten unter dem Zeichen „eva“, insbesondere in der derzeit im Ausland verwendeten Verpackung, wodurch in die internationale Wortmarke Nr 544.259 „EVE“, in die Gemeinschaftswortmarke Nr 64113 „EVE“ und in die internationale Wortbildmarke Nr 551.868, jeweils der Klägerin, eingegriffen wird, zu unterlassen.

Weiters begehrt sie die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung in zwei Fachzeitschriften. Der unmittelbar bevorstehende Vertrieb durch die Beklagte verletze ihre älteren Markenrechte. „EVE“ und „EVA“ stimmten als Frauennamen im Wortsinn überein; zudem verwende die Beklagte ebenso wie die Klägerin Blumenmotive. Die Marken der Klägerin seien in Österreich bekannt. Daher bestehe Verwechslungsgefahr, zudem nutze die Beklagte die Bekanntheit und den guten Ruf der älteren Marken aus.

Die Beklagte wendet ein, „EVE“ sei ein (originär) schwaches Zeichen, weswegen schon die ‑ näher dargestellten - Abweichungen in der graphischen Gestaltung, im Wortbild und im Wortklang Verwechslungsgefahr ausschlössen. Erhöhte Bekanntheit liege nicht vor.

Im Sicherungsverfahren wiesen die Vorinstanzen den Sicherungsantrag ab, weil keine Verwechslungsgefahr bestehe. Erhöhte Bekanntheit der Marken der Klägerin nahmen sie (erkennbar) nicht an. Der Senat wies einen außerordentlichen Revisionsrekurs der Klägerin zurück (17 Ob 13/08y).

Im Hauptverfahren legte die Klägerin zwei demoskopische Untersuchungen zur Bekanntheit ihrer Marke in Österreich vor, gegen deren methodische Richtigkeit die Beklagte detaillierte Einwendungen erhob. Die Klägerin beantragte daraufhin, den Verfasser einer dieser Studien als Zeugen zu vernehmen, und zwar auch zum Beweis dafür, dass beide lege artis erstellt worden seien.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung führte es aus, erhöhte Bekanntheit der Marken der Klägerin sei nicht erwiesen. Privatgutachten oder Vernehmungen seien insofern keine tauglichen Beweismittel. Zudem stießen sie „zwangsläufig“ auf jene Bedenken, die hier die Beklagte eingewendet habe (fehlende Repräsentativität, methodische Mängel). Die Verwechslungsgefahr sei im Rahmen der rechtlichen Beurteilung abstrakt zu prüfen. Im konkreten Fall bestehe sie aus näher dargestellten Gründen nicht.

Das Berufungsgericht gab dem Unterlassungsbegehren zur Gänze und dem Antrag auf Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung teilweise statt; das Veröffentlichungsmehrbegehren wies es ab. Weiters sprach es aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig sei.

Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr sei unter anderem der Bekanntheitsgrad der Marke maßgebend. Das Ersturteil enthalte dazu keine Feststellungen, was einen sekundären Feststellungsmangel begründe. Die Vorlage einer demoskopischen Untersuchung sei insofern ein taugliches Beweismittel. Daher könnten aufgrund einer der beiden von der Klägerin vorgelegten Untersuchungen entsprechende Feststellungen getroffen werden. Gegen die methodische Richtigkeit dieser Untersuchung bestünden aus näher dargestellten Gründen keine Bedenken. Insbesondere sei sie von „einem renommierten Marktforschungsinstitut“ durchgeführt worden, weswegen ihr ohne gegenteilige Beweisergebnisse zur Frage der methodischen Richtigkeit „nicht so ohne weiteres“ mangelnde Aussagekraft unterstellt werden könne. Die Beklagte habe zur Widerlegung der Aussagekraft weder ein eigenes Gutachten vorgelegt noch ein solches beantragt. Aufgrund der Ergebnisse der Umfrage sei erwiesen, dass die Wortmarke „EVE“ im angesprochenen Verkehrskreis eine bekannte Marke sei. Daher genüge schon eine geringere Übereinstimmung in den Zeichen zur Bejahung der Verwechslungsgefahr. Zwar unterschieden sich Wortklang und Wortbild. Die angesprochenen Kreise verstünden aber den Wortbestandteil der Marke der Beklagten „e a“ wegen des dazwischen abgebildeten Herzens als den weiblichen Vornamen „Eva“ und das Zeichen „EVE“ als englische Form dieses Vornamens. Damit stimme der Wortsinn der Zeichen überein. Der Wortbestandteil „Eva“ („Ea“) sei in der Wortbildmarke der Beklagten prägend. Da die Wortmarke der Klägerin bekannt sei und Warenidentität bestehe, sei die Verwechslungsgefahr zu bejahen, obwohl die Wortmarke der Klägerin nicht unverändert in die Wortbildmarke der Beklagten übernommen worden sei und auch die sonstige grafische Gestaltung erhebliche Unterschiede aufweise.

In ihrer außerordentlichen Revision macht die Beklagte unter anderem geltend, dass das Berufungsgericht ohne Durchführung einer Berufungsverhandlung ein Privatgutachten verwertet habe, das vom Erstgericht zutreffend als absolut untaugliches Beweismittel bezeichnet worden sei. Darin liege ein Mangel des Berufungsverfahrens.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem von der Beklagten aufgezeigten Grund zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.

1. Ob Verwechslungsgefahr besteht, ist nach einem unionsweit einheitlichen Maßstab unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Maßgebende Faktoren sind dabei die Identität oder der Ähnlichkeitsgrad der miteinander in Konflikt stehenden Zeichen, die Identität oder der Ähnlichkeitsgrad der jeweils erfassten Waren oder Dienstleistungen und die Bekanntheit der Marke, in die angeblich eingegriffen wird (EuGH C‑39/97 , Canon, Slg 1998 I-05507; 4 Ob 124/06y = ÖBl 2007, 210 [Gamerith] - Hotel Harmonie mwN; RIS-Justiz RS0121482; zuletzt etwa 17 Ob 20/08bÖBl 2009, 180 [Schnider/Kresbach] - BOTOX). Das Rekursgericht hat daher zutreffend angenommen, dass die Behauptung der Klägerin, ihre Marken seien in Österreich bekannt, (auch) für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr relevant ist.

2. Das Erstgericht hat zur Bekanntheit der Marken der Klägerin im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung eine Negativfeststellung getroffen. Daher lag kein sekundärer Feststellungsmangel vor ‑ auch die Feststellung, dass etwas nicht festgestellt werden kann, ist eine Tatsachenfeststellung (RIS-Justiz RS0043248) -, sondern allenfalls ein primärer Verfahrensmangel wegen Nichtverwertung vorliegender Beweismittel (Studien) oder Nichtaufnahme eines beantragten Zeugenbeweises (Studienverfasser). Das Berufungsgericht hat das Vorliegen eines solchen Mangels in der Sache bejaht und das Verfahren durch Verwertung eines der angebotenen Beweise selbst ergänzt (§ 496 Abs 3 ZPO). Ein dabei unterlaufener Verfahrensmangel kann nach § 503 Z 2 ZPO mit Revision geltend gemacht werden. Hingegen wäre die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts nicht revisibel (RIS‑Justiz RS0043371), und zwar auch dann nicht, wenn das Berufungsgericht aufgrund einer Wiederholung ‑ oder gegebenenfalls Ergänzung ‑ des Beweisverfahrens eigene Feststellungen trifft (2 Ob 262/06b mwN; RIS-Justiz RS0123663). Damit ist von entscheidender Bedeutung, ob das Berufungsgericht die strittigen Feststellungen (allein) aufgrund der von der Klägerin vorgelegten demoskopischen Untersuchung treffen durfte. Wenn ja, ist die Richtigkeit dieser Feststellungen als Frage der Beweiswürdigung der Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof entzogen; wenn nein, liegt ein im Revisionsverfahren wahrzunehmender Verfahrensmangel vor.

3. Die Vorgangsweise des Berufungsgerichts war nicht mit den §§ 351 ff ZPO vereinbar.

3.1. Die Bekanntheit einer Marke, die in unterschiedlicher Weise auch für das Vorliegen einer durch Benutzung erworbenen Unterscheidungskraft iSv § 4 Abs 2 MSchG und den Schutz nach § 10 Abs 2 MSchG relevant ist, kann offenkundig sein (§ 269 ZPO), sie kann sich aus Indizien ergeben (Dauer und Umfang der Benutzung, Marktanteil, Werbeaufwand etc), sie kann aber auch durch Umfragen ermittelt werden (Ingerl/Rohnke, Markengesetz3 [2010] § 14 Rz 1343 ff mwN; vgl zur Feststellung der durch Benutzung erworbenen Unterscheidungskraft EuGH C-108, 109/97, Windsurfing Chiemsee, Slg 1999, I-2779, Rz 51 ff, und 4 Ob 38/06a = ÖBl 2007, 22 [Gamerith] – Shopping City).

3.2. Ist eine solche Umfrage nach Auffassung der Tatsacheninstanzen erforderlich, weil der Bekanntheitsgrad einer Marke nicht offenkundig ist oder auf andere Weise erwiesen werden konnte, so sind im Zivilprozess die Regeln über den Sachverständigenbeweis anzuwenden. Denn nach § 351 ZPO hat das Gericht einen oder mehrere Sachverständige zu bestellen, wenn die Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige „notwendig“ wird. Das ist immer dann der Fall, wenn das Gericht nicht über die zur Beurteilung eines Gegenstands erforderlichen „fachmännischen Kenntnisse“ (§ 364 ZPO) verfügt (Rechberger in Fasching/Konecny 2 § 351 Rz 1). Die Durchführung einer Verbraucherbefragung erfordert zweifellos fachliche Kenntnisse, insbesondere auf dem Gebiet der Statistik; diese Kenntnisse werden dem Gericht im Regelfall fehlen.

3.3. Ein iSd §§ 351 ff ZPO „notwendiges“ Gutachten kann nicht durch ein Privatgutachten ersetzt werden. Denn Privatgutachten sind nicht mehr als Urkunden, die die Meinung ihres Verfassers wiedergeben, wobei dieser Verfasser nicht den Pflichten eines gerichtlich bestellten Sachverständigen unterliegt. Sie sind daher nach der Rechtsprechung nicht geeignet, in einer Sachverständigenfrage „für sich allein die Entscheidung zu stützen“ (7 Ob 49/70 = JBl 1971, 144, RIS-Justiz RS0040363 für den Zivilprozess; 4 Ob 577/74 = EvBl 1975/80, RIS-Justiz RS0006282 für das Außerstreitverfahren; OLG Wien 16 R 209/86 = EvBl 1987/83; Rechberger in Rechberger 3 vor § 351 Rz 8; ders in Fasching/Konecny 2 vor § 351 Rz 12; weitere Nachweise bei Rüffler, Der Sachverständige im Zivilprozess [1995] 196 ff) ebenso bei vergleichbarer Rechtslage die deutsche Rechtsprechung, BGH III ZR 233/84 = BGHZ 98, 32; VIII ZR 62/92 = NJW-RR 1994, 255; Zimmermann in MüKo ZPO3 § 402 Rz 9 mwN).

Zwar betreffen die meisten Entscheidungen, die diesen Rechtssatz enthalten, andere Fallgestaltungen, nämlich den inhaltlichen Widerspruch zwischen einem gerichtlichen und einem Privatgutachten (zB 7 Ob 144/73; 3 Ob 224/74; 1 Ob 606/78) oder die Eignung eines Privatgutachtens zur Begründung einer Wiederaufnahmeklage (7 Ob 49/70; 1 Ob 128/02h). In 6 Ob 721/81 ging es allerdings tatsächlich um die Verwertung einer als Privatgutachten zu qualifizierenden Urkunde: Der gerichtliche Sachverständige hatte im erstinstanzlichen Verfahren aufgrund einer Blutgruppenanalyse einen Verstorbenen als Vater des Klägers ausgeschlossen. Die dafür erforderliche Blutprobe hatte ein Arzt einen Tag nach Eintritt des Todes abgenommen. In der Berufung hatte der Kläger ausgeführt, dass diese Vorgangsweise eine sichere Beurteilung ausschließe. Das Berufungsgericht hatte zu dieser Frage (nur) eine Stellungnahme jenes Arztes eingeholt, der das Blut abgenommen hatte, und auf dieser Grundlage die Entscheidung des Erstgerichts bestätigt. Der Oberste Gerichtshof sah darin einen Mangel des Berufungsverfahrens, weil der Arzt (als sachverständiger Zeuge iSv § 350 ZPO) nur über die Umstände der Blutabnahme zu vernehmen gewesen wäre, während die Frage, ob das so gewonnene Blut für eine Blutgruppenbestimmung geeignet war, ausschließlich vom gerichtlich bestellten Sachverständigen zu beurteilen sei. Die Vorgangsweise des Berufungsgerichts, die „schriftliche Äußerung eines Zeugen zu einer Sachverständigenfrage“ seiner Entscheidung zugrunde zu legen, würde auch in einem Verfahren, das nicht dem Untersuchungsgrundsatz unterliege, „einen erheblichen Verfahrensmangel“ bilden.

Gründe für ein Abgehen von dieser Rechtsprechung sind nicht ersichtlich. Erfordert die Beurteilung einer Tatsachenfrage besondere Fachkunde, so ordnet die Zivilprozessordnung eine bestimmte Vorgangsweise an: Entweder ist ein Sachverständiger zu bestellen, oder das Gericht verwertet mit Zustimmung der Parteien seine eigene Fachkunde. Diese Regelungen wären nicht erforderlich, wenn der Beweis daneben auch durch bloße Privatgutachten möglich wäre. Anders als im Sicherungsverfahren, wo bloße Bescheinigung genügt, hat es daher im Zivilprozess dabei zu bleiben, dass Feststellungen in einer Sachverständigenfrage nicht allein aufgrund von Privatgutachten getroffen werden können.

3.4. In der Literatur wird zwar ‑ wie in Deutschland (BGH III ZR 233/84 = BGHZ 98, 32; VIII ZR 62/92 = NJW-RR 1994, 255) ‑ die Auffassung vertreten, ein Privatgutachten könne unter gewissen Umständen als „urkundlich belegtes Sachvorbringen“ verwertet werden (Deixler-Hübner, Fortschreitender Einsatz von Sachverständigen. Notwendigkeit oder Gefahr? RZ 1992, 251 [253]; Jelinek, Der Sachverständige im Zivilprozess, in Aicher/Funk [Hrsg], Der Sachverständige im Wirtschaftsleben [1990] 45 [55]; Rechberger in Fasching/Konecny 2 vor § 351 Rz 12; kritisch Rüffler aaO 206 ff). Das kann aber nur dann gelten, wenn dieses Sachvorbringen wegen einer Außerstreitstellung für wahr zu halten ist, wofür nach § 267 ZPO in Ausnahmefällen auch das Fehlen einer substanziierten Bestreitung genügen kann (RIS-Justiz RS0039927; zuletzt 17 Ob 1/11p mwN). Erhebt der Gegner aber ‑ wie hier ‑ substanziierte Einwände, so wäre es eine Umgehung der Regeln über den Sachverständigenbeweis, wenn das Gericht das Privatgutachten dennoch seiner Entscheidung zugrunde legte. Denn im Ergebnis würde es damit in einer Sachverständigenfrage die Richtigkeit von ‑ wenngleich „urkundlich belegtem“ ‑ Sachvorbringen aufgrund eigener Fachkunde bejahen (vgl Rüffler aaO 209). Das stünde im Widerspruch zu § 364 ZPO.

4. Aus diesem Grund durfte das Berufungsgericht das von der Klägerin vorgelegte Privatgutachten nicht ohne Zustimmung der Beklagten verwerten. Sein Verfahren leidet daher an einem Mangel iSv § 503 Z 2 ZPO. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung in die zweite Instanz. Auf die Frage, ob wegen der Beweisergänzung eine Berufungsverhandlung erforderlich gewesen wäre, kommt es daher nicht an.

Soweit das Berufungsgericht weiterhin der Auffassung sein sollte, dass die unterbliebene Verwertung bzw Aufnahme der in erster Instanz beantragten Beweise einen Verfahrensmangel bildet (etwa wegen unterbliebener Erörterung von deren Untauglichkeit zur Beantwortung einer dem Sachverständigenbereich zuzuordnenden Frage), käme jedenfalls eine Beweisergänzung durch Verwertung eines Privatgutachtens ‑ außer bei einer nachträglich erteilten Zustimmung der Beklagten ‑ nicht in Betracht.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

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