OGH 8ObA57/10f

OGH8ObA57/10f22.2.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Michael Umfahrer und Helmut Tomek als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. J***** K*****, vertreten durch Widter Mayrhauser Wolf Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei V*****-AG, *****, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wegen Kündigungsanfechtung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Mai 2010, GZ 10 Ra 17/10h-12, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, eine auflösend bedingt ausgesprochene Änderungskündigung befinde sich bis zur Erklärung des Arbeitnehmers, das Änderungsanbot anzunehmen oder abzulehnen, längstens bis zum Ablauf der für diese Erklärung gesetzten Frist, in einem Schwebezustand („bedingte Wirksamkeit“; Strasser, Zur Problematik der sogenannten Änderungskündigung, DRdA 1988, 1 ff [8]), der einer Anfechtung nach § 105 ArbVG entgegensteht, entspricht der schon vom Rekursgericht zitierten Entscheidung 8 ObA 216/94 (= ZAS 1995/5 [Brodil]) und auch der herrschenden Lehre (Strasser, aaO; Gahleitner in Cerny/Gahleitner/Preiss/Schneller, ArbVG § 105 Anm 2; Wolligger in ZellKomm § 105 Rz 8; Brodil, ZAS 1995, 50 ff [Glosse zu 8 ObA 216/94; die an der Entscheidung geäußerte Kritik betrifft andere Aspekte der Falllösung; soweit hier von Interesse spricht auch Brodil von „schwebender Wirksamkeit“ der Kündigung]).

Da die Gerichte nicht über bloß theoretische Sachverhalte zu urteilen haben, kommt eine Anfechtung der Kündigung erst dann in Frage, wenn ihr Bestehen nicht mehr von einer rechtsgestaltenden Willenserklärung des Gekündigten abhängt. Der Unterscheidung zwischen resolutiver und suspensiver Bedingung kommt aus diesem Blickwinkel keine entscheidende Bedeutung zu, weil in beiden Fällen dem Kläger ein Rechtschutzinteresse zur Anrufung des Gerichts fehlt, solange er selbst durch seine Willenserklärung auf die Wirksamkeit der Kündigung Einfluss nehmen kann. Diese Überlegung gilt hingegen nicht für das Vorverfahren nach § 105 ArbVG, insbesondere die Verständigung des Betriebsrats; die im Revisionsrekurs zitierte Ansicht Reissners in ZellKomm § 20 AngG Rz 108, die sich „insbesondere“ auf das Vorverfahren bezieht, sich dabei aber gerade auch auf die Entscheidung 8 ObA 216/94 stützt, vermag daher kein abweichendes Ergebnis zu tragen.

Der Gesetzeswortlaut des § 105 Abs 4 ASVG behandelt den Sonderfall einer Änderungskündigung nicht, sondern bezieht sich lediglich auf den Regelfall einer unbedingten Kündigung.

Der Verweis auf die Rechtsprechung zum Beginn der Anfechtungsfrist bei der Eventualkündigung für den Fall, dass eine vorangegangene Kündigung sich als unwirksam erweisen sollte, führt zu keinem anderen als dem vom Berufungsgericht erzielten Ergebnis. Die Wirksamkeit einer Eventualkündigung hängt nämlich gerade nicht von einer rechtsgestaltenden Entscheidung des anfechtungsberechtigten Arbeitnehmers ab, sondern nur von der rechtlichen Voraussetzung, dass ein aufzulösendes Dienstverhältnis überhaupt noch besteht. Ob diese Voraussetzung vorliegt, ist aber im Anfechtungsverfahren selbst zu klären.

Mit der Erhebung der Anfechtungsklage unterstellt der Anfechtende die Wirksamkeit der Kündigung (RIS-Justiz RS0028417, insb 9 ObA 40/04d), daher kann im Fall einer Änderungskündigung in der Erhebung der Klage - sofern sich aus ihrem Inhalt nichts Gegenteiliges ergibt - eine schlüssige Ablehnung des Änderungsanbots gelegen sein. Die dazu vertretene Ansicht der Beklagten, eine Klage könne nicht gleichzeitig die Anfechtungsfrist auslösen und wahren, ist nicht begründet. Bei der Frist zur gerichtlichen Anfechtung der Kündigung handelt es sich um eine formellrechtliche Frist (RIS-Justiz RS0052033), die unter Umständen auch verfrüht wahrgenommen werden kann (zur Erhebung eines Rechtsmittels vor Zustellung der Entscheidung: SZ 21/2; Pimmer in Fasching/Konecny² IV/1 § 464 ZPO Rz 3). Eine überzeugende Begründung, weshalb im Fall einer Anfechtungsklage nicht die fristauslösende Willenserklärung gleichzeitig mit der Klage verbunden werden könnte, bietet die Revisionsrekurswerberin nicht an. Nach der von ihr vertretenen Auffassung könnte der gekündigte Arbeitnehmer vielmehr nie von der eingeräumten Überlegungsfrist für das Änderungsanbot Gebrauch machen, weil er bei sonstigem Verlust der Anfechtungsmöglichkeit schon ab Zugang der Kündigung innerhalb der Fristen des § 105 ArbVG seine Entscheidung treffen müsste.

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