OGH 5Ob136/10a

OGH5Ob136/10a24.1.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache des Antragstellers Josef S*****, vertreten durch Dr. Anton Tschann, Rechtsanwalt in Bludenz, gegen die Antragsgegnerin Barbara S*****, vertreten durch Achammer & Mennel Rechtsanwälte OG in Feldkirch, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse gemäß §§ 81 ff EheG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 3. Mai 2010, GZ 3 R 32/10v-41, mit dem infolge Rekurses des Antragstellers der Beschluss des Bezirksgerichts Bezau vom 13. Dezember 2009, GZ 3 FAM 4/09x-34, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden im Umfang der Spruchpunkte 1. bis 3. und 5. des erstgerichtlichen Beschlusses sowie hinsichtlich der Kostenentscheidungen aufgehoben; dem Erstgericht wird insoweit die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Parteien haben am 28. 5. 1977 die Ehe geschlossen, die mit Urteil des Erstgerichts vom 27. 11. 2008 aus dem Verschulden des Antragstellers geschieden wurde. Die Antragsgegnerin trifft eine Mitschuld an der unheilbaren Zerrüttung der Ehe. Das Verschulden des Antragstellers überwiegt. Der letzte gemeinsame Wohnort der Parteien war in S*****, U*****. Der Ehe entstammen vier Kinder, die alle volljährig und selbsterhaltungsfähig sind.

Der Antragsteller ist am 14. 10. 1946 in H***** geboren und war dort bis zum 6. Lebensjahr mit seiner Familie wohnhaft; dann zog die Familie nach S*****. Der Vater des Antragstellers übernahm das auf der Bauparzelle .44 (alle folgenden Grundstücksbezeichnungen beziehen sich auf das GB *****) errichtete Haus in sein Eigentum und die Familie wohnte dort dann ab Mai 1953. Der Antragsteller verbrachte Kindheit und Jugend in S***** und wohnte im Elternhaus bis zu seiner Hochzeit mit der am 23. 12. 1949 geborenen Antragsgegnerin im Jahre 1977.

Nach der Eheschließung zogen die Parteien nach Sch***** und wohnten dort neun Jahre lang. Der Antragsteller war von Beruf Zollwachebeamter und ließ sich nach Sch***** versetzen. Auch der Antragsgegnerin war diese Wohnsituation sympathisch. Sie stammt aus Bad H*****, einem ca 50 km von der Sch***** Grenze entfernten, in Bayern gelegenen Ort.

1981 erhielt der Antragsteller von seinen Eltern die Liegenschaft EZ 45 (bestehend aus GST-NR 361 [landwirtschaftlich genutzt, Wald], 364 [Wald], 415 [Baufläche], 435/1 [Baufläche] und der Bauparzelle .44 [Wohnhaus Nr 47 mit Wirtschaftsgebäude und Hofraum]) geschenkt. Zu dieser Zeit waren die Parteien in Sch***** „stabil verankert“ und hatten keinen Wunsch nach Änderung der Wohnsituation.

1986 zogen die Parteien mit ihren Kindern über Drängen des Antragstellers nach S*****. Die Parteien wohnten dort zunächst in unmittelbarer Nachbarschaft zum Elternhaus des Antragstellers. Die Parteien hatten bereits ab dem Umzug nach S***** geplant, auf GST-NR 435/1 ein Einfamilienhaus zu errichten, was dann auch in den Jahren 1988 bis 1991 geschah. Dazu mussten Schwierigkeiten mit der Gemeinde überwunden werden, weil der Antragsteller 1983 das in der Nähe gelegene GST-NR 328/15 erworben hatte und die Gemeinde die Bebauung dieses Grundstücks bevorzugt hätte. Die Finanzierung des Ankaufs des GST-NR 328/15 (Wiese mit 1.036 m²) war mit ca 120.000 Schilling aus Ersparnissen der Streitteile und mit weiteren 101.000 Schilling, welche der Antragsteller von seinem Vater geschenkt erhalten hatte, erfolgt. Diese Liegenschaft liegt teilweise im neuen Gefahrenzonenplan, weshalb die Möglichkeit der Bebauung nicht gesichert ist und deren Wert nunmehr 23.180 EUR beträgt.

Um für den geplanten Neubau des Wohnhauses die Wohnbauförderung zu erlangen, schloss der Antragsteller mit seinem Bruder einen Schenkungsvertrag über die Bauparzelle .44 mit dem darauf errichteten Elternhaus ab. Dieses Haus stammte aus ca 1750 und befindet sich derzeit in einem nicht bewohnbaren Zustand. Der Antragsteller hat auch nach der Schenkung an seinen Bruder das Elternhaus allein benützt und die darauf entfallenen Lasten bezahlt.

Die GST-NR 418 und .44 liegen unmittelbar beisammen. Das Elternhaus auf der Bauparzelle .44 ist nur wenige Meter vom Haus U***** entfernt. Zum Vorplatz des Hauses auf der Parzelle .44 gelangt man teilweise über GST-NR 435/1.

Zwecks Errichtung des Hauses U***** (Holzhaus) wurden in den Wäldern des Vaters des Antragstellers Holzschlägerungen durchgeführt. Das Holz oder der Erlös aus dem Verkauf wurde für den Hausbau verwendet. Die Holzbeistellung für den Hausbau durch den Vater des Antragstellers hatte einen heutigen Wert von 13.000 EUR.

Beim Hausbau selbst erbrachte der Antragsteller umfangreiche Arbeitsleistungen; auch sein Vater half bis zu dessen Ableben am 1. 12. 1989 mit. Diese Leistungen des Vaters des Antragstellers entsprechen einem heutigen Wert von 12.000 EUR.

Im Zuge des Ablebens des Vaters des Antragstellers erhielten dieser und sein Bruder ein Sparbuch. Davon entfielen 287.000 Schilling auf den Antragsteller, die in den Hausbau flossen und die heute mit 25.000 EUR zu bewerten sind.

Das GST-NR 435/1 hat ein Ausmaß von 426 m², im unbebauten Zustand einen Wert von 36.210 EUR und im bebauten Zustand einen solchen von 29.000 EUR. Der Verkehrswert der Liegenschaft (mit Haus und einem Bodenwert von 29.000 EUR) beträgt 246.500 EUR. Das Zubehör ist 3.300 EUR wert. Das Haus und ein Teil des Gartens befinden sich als Grenzüberbau teilweise auf GST-NR 415.

Die Familie bezog das Haus U***** (GST-NR 435/1) am 24. 12. 1991. Die Kinder sind teilweise schon seit mehreren Jahren ausgezogen. Nur der Sohn Florian wohnt jetzt wieder zeitweise im Haus.

Die Antragsgegnerin wohnt seit 1991 durchgehend in U*****. Der Antragsteller ist im April 2006 ausgezogen und wohnt nun in Miete in einer Wohnung mit 60 m² bestehend aus Wohnküche, Schlafzimmer, Klosett und Dusche. Die Miete beträgt inklusive aller Nebenkosten 500 EUR monatlich. Der Antragsteller verfügt über keine sonstige Wohnmöglichkeit.

Die Antragsgegnerin stammt aus Bayern (Bad H*****) und tat sich bei der Eingewöhnung in S***** schwer. Sie ist aber mittlerweile sozial integriert, sieht S***** als ihr zu Hause an und will dort wohnhaft bleiben. Der in Bad H***** wohnhaft gewesene Vater der Antragsgegnerin, zu dem diese immer eine innige Beziehung unterhielt, ist inzwischen verstorben. Nach Bad H*****, wo jetzt nur mehr ein Cousin wohnt, haben sich die Kontakte der Antragsgegnerin „verflacht“. Die Antragsgegnerin ist seit 1998 Alleineigentümerin des Elternhauses in Bad H*****. Es handelt sich um ein ca 1969 errichtetes Haus mit zwei Wohnungen, allerdings ohne baulich getrennten Stiegenaufgang ins Obergeschoß. Die Antragsgegnerin hat die obere Wohnung um 557 EUR monatlich inklusive Betriebskosten vermietet.

Der Antragsteller hat bis 1994 als Zollwachebeamter gearbeitet. Ca fünf Jahre lang betrieb er nebenbei einen Weinhandel und 10 Jahre lang eine Putenzucht. Im Haushalt und bei der Kindererziehung half der Antragsteller mit.

Den hauptsächlichen und ganz überwiegenden Anteil der Kindererziehung und Haushaltsführung erledigte die Antragsgegnerin. Nebenbei verkaufte sie mehrere Jahre lang Aloe-Vera-Produkte, arbeitete fallweise im mobilen Hilfsdienst sowie im Krankenpflegeverein und gab Gymnastikstunden.

Insbesondere bis zum Hausbau der Parteien erhielt die Antragsgegnerin von ihrem Vater immer wieder finanzielle Mittel, und zwar insgesamt ca 20.000 EUR, die in den Haushalt, den Hausbau und „in das Leben“ flossen.

Es steht nicht fest, dass der Antragsteller im Fall der Übertragung des Eigentums am Haus U***** an die Antragsgegnerin das Elternhaus von seinem Bruder zurückbekommen und dort wohnhaft sein wird.

Der Antragsteller hat die Finanzierungszusage einer Bank für eine Ausgleichszahlung bis 110.000 EUR.

Die Antragsgegnerin hat die Finanzierungszusage einer Bank für eine Ausgleichszahlung bis 220.000 EUR. An einer von der Antragsgegnerin zu leistenden Ausgleichszahlung würde sich der Sohn Florian beteiligen, für den es „ein Thema“ ist, dauerhaft im Haus U***** zu wohnen.

Das für den Hausbau aufgenommene Wohnbauförderungsdarlehen haftete per April 2006 mit ca 37.200 EUR aus. Die monatliche Rückzahlung von 230,97 EUR bezahlte seit seinem Auszug immer der Antragsteller.

Der Antragsteller beantragte die Aufteilung gemäß den §§ 81 ff EheG. Er wolle weiterhin Alleineigentümer der Liegenschaft EZ 45 bestehend ua aus GST-NR 435/1 mit dem Haus U***** bleiben. Der Antragsgegnerin sei eine angemessene Ausgleichszahlung zuzuerkennen.

Die Antragsgegnerin begehrte eine Aufteilung in dem Sinn, dass ihr das Alleineigentum an GST-NR 435/1 mit dem Haus U***** übertragen werde.

Das Erstgericht sprach aus, dass

1. das Eigentumsrecht an GST-NR 435/1 vom Antragsteller an die Antragsgegnerin übertragen werde und diese nach Rechtskraft der Entscheidung berechtigt sei, um die Abschreibung des Grundstücks aus der EZ 45, die Eröffnung einer neuen Einlage hiefür und die Einverleibung ihres Eigentumsrechts anzusuchen;

2. zu Gunsten des GST-NR 435/1 ob GST-NR 415 hinsichtlich einer näher bezeichneten Fläche die Dienstbarkeit der Nutzung zu Wohnzwecken eingeräumt werde; diese Dienstbarkeit umfasse die Belassung sämtlicher Blumen, Sträucher und Gehölze sowie baulicher Vorrichtungen, die sich derzeit auf der Dienstbarkeitsfläche befänden, eine weitere allfällige Bepflanzung mit Blumen, Sträuchern und Gehölzen, nicht jedoch mit Bäumen, das Aufenthaltsrecht auf dieser Dienstbarkeitsfläche und die Errichtung von bloß anzeigepflichtigen Bauvorhaben; der Antragsteller habe jegliche Maßnahmen zu unterlassen, die der Ausübung dieses Rechts entgegenstünden;

3. die Antragsgegnerin sei verpflichtet, dem Antragsgegner (richtig: Antragsteller) eine Ausgleichszahlung von 147.000 EUR (samt 5 % Zinsen im Falle des Zahlungsverzugs) binnen 6 Wochen zu leisten;

4. das GST-NR 328/15 verbleibe im Alleineigentum des Antragstellers (unangefochten und damit rechtskräftig);.

5. die Antragsgegnerin sei verpflichtet, ab Dezember 2009 das Wohnbauförderungsdarlehen aus eigenem zu verzinsen und zu tilgen sowie den Antragsteller diesbezüglich schad- und klaglos zu halten.

Die Spruchpunkte 6. und 7. enthalten die Kostenentscheidung des Erstgerichts.

Rechtlich folgte das Erstgericht betreffend die Zuteilung des GST-NR 435/1 an die Antragsgegnerin der ihm vom Rekursgericht im ersten Rechtsgang überbundenen Ansicht, wonach diese Art der Teilung insbesondere wegen des überwiegenden Scheidungsverschuldens des Antragstellers der Billigkeit entspreche. Hinsichtlich des GST-NR 328/15 komme der „Bewahrungsgrundsatz“ zum Tragen. Die Ausgleichszahlung ermittelte das Erstgericht ausgehend von Beiträgen der Ehegatten im Verhältnis von 1 : 1 aufgrund einer näher dargestellten Zurechnung und Verteilung des von den Parteien während der Ehe erzielten „Nettozugewinns“.

Das Rekursgericht bestätigte die - im Spruchpunkt 4. (Eigentum des Antragstellers an GST-NR 328/15) unbekämpft gebliebene - Entscheidung des Erstgerichts hinsichtlich der Spruchpunkte 1. (Übertragung des Eigentumsrechts an GST-NR 435/1 an die Antragsgegnerin), 2. (Einräumung der Dienstbarkeit für GST-NR 435/1) und 5. (Tilgungspflicht der Antragsgegnerin betreffend das Wohnbauförderungsdarlehen), gab aber dem Rekurs des Antragstellers hinsichtlich des Spruchpunkts 3. (Ausgleichszahlung) dahin Folge, dass es die Antragsgegnerin zu einer Ausgleichszahlung von 155.000 EUR verpflichtete. Weiters änderte das Rekursgericht die Kostenentscheidung ab.

Rechtlich war das Rekursgericht der Ansicht, dass hier kein Anwendungsfall des § 82 Abs 2 EheG vorliege, weil der Antragsteller nur das Grundstück, auf dem später die Ehewohnung errichtet worden sei, geschenkt erhalten habe. Auf die Frage, ob die Antragsgegnerin dringend auf die Weiterbenützung der Ehewohnung angewiesen sei, komme es insoweit nicht an. Der Antragsgegnerin als dem an der Scheidung minderschuldigen Teil stehe ein Optionsrecht in dem Sinn zu, dass diese „in gewissem Umfang“ die ihr zuzuweisenden Sachen wählen könne. Die Antragsgegnerin habe seit vielen Jahren ihren Lebensmittelpunkt in S***** und es sei der Antragsteller gewesen, der im Jahr 2006 ausgezogen und eine ehewidrige Beziehung zu einer anderen Frau aufgenommen habe. Es entspreche unter diesen Umständen der Billigkeit, nicht die Antragsgegnerin aus dem Haus zu weisen und ihr eine andere Wohnung aufzuzwingen. Der Bewahrungsgrundsatz müsse in diesem Fall in den Hintergrund treten. Die gebotene Übertragung des Eigentums an GST-NR 435/1 an die Antragsgegnerin erfolge auch nicht entschädigungslos oder gegen eine nur unverhältnismäßige Gegenleistung, sei doch die Antragsgegnerin zu einer angemessenen Ausgleichszahlung in der Lage. Diese Ausgleichszahlung sei nach einer näher dargestellten Abrechnung mit 155.000 EUR zu bemessen. Das Erstgericht habe gestützt auf §§ 86 f EheG auch eine Dienstbarkeit einräumen dürfen, gehörten doch auch die Freiflächen um das Haus zur „Ehewohnung“.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil die Entscheidung mit höchstgerichtlicher Rechtsprechung in Einklang stehe, wonach der an der Scheidung minderschuldigen Partei ein Wahl- bzw Optionsrecht hinsichtlich der aufzuteilenden Sachen zustehe. Jene Umstände, die eine andere Regelung „billiger“ erscheinen ließen, seien einzelfallabhängig.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass dem Antragsteller das Eigentumsrecht an GST-NR 435/1 belassen und er verpflichtet werde, das Wohnbauförderungsdarlehen zu tilgen sowie der Antragsgegnerin eine angemessene Ausgleichszahlung zu leisten. Hilfsweise stellt der Antragsteller auch einen Aufhebungsantrag.

Die Antragsgegnerin hat von der ihr eingeräumten Möglichkeit der Erstattung einer Revisionsrekursbeantwortung Gebrauch gemacht und in dieser beantragt, den Revisionsrekurs des Antragstellers zurück-, in eventu abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil sich die ausreichende Berücksichtigung des Bewahrungsgrundsatzes (§ 90 Abs 1 EheG) bei der Zuteilung der Ehewohnung an die Antragsgegnerin auf Basis der gegebenen Sachverhaltsgrundlage noch nicht abschließend beurteilen lässt; der Revisionsrekurs ist daher in seinem Aufhebungsantrag auch berechtigt.

1. Der Antragsteller meint, eine gravierende Fehlbeurteilung bei der Anwendung des Billigkeits- und Beitragsgrundsatzes zu erkennen, weil er zur Schaffung der Ehewohnung weit überwiegend beigetragen habe, während das Rekursgericht von gleich zu gewichtenden Beiträgen beider Parteien ausgegangen sei. Dieser Standpunkt des Antragstellers ist deshalb unzutreffend, weil sowohl das Erstgericht (S 7 und 14 f in ON 34) also auch das Rekursgericht (S 14 ff in ON 41) die vom Antragsteller reklamierten, das Haus (die Ehewohnung) betreffenden Eigen- bzw Drittleistungen (Grundstück, Holzbeistellung, Mitarbeit des Vaters, „Erbzahlung“) bei der Ermittlung des „Zugewinns“ bzw der Ausgleichszahlung ohnehin zu seinen Gunsten veranschlagt haben. Bei welchen einzelnen Positionen auf der Basis der vorliegenden Feststellungen insoweit eine Fehlbeurteilung vorliegen soll, zeigt der Antragsteller in seinem Revisionsrekurs nicht konkret auf. Die vom Antragsteller beanstandete Schlussfolgerung des Rekursgerichts, wonach die Parteien zur „Errichtung“ des Hauses in gleicher Weise beigetragen hätten, wird um einen entscheidenden Punkt verkürzt wiedergegeben, versteht sich diese Beurteilung doch mit der ausdrücklichen Einschränkung um die „erwähnten Vorleistungen“ ([von Seiten] des Antragstellers bzw seines Vaters). Dass die Vorinstanzen darüber hinaus die Beiträge der Parteien gleich gewichtet haben, ist unbedenklich (§ 71 Abs 3 AußStrG).

2. Der Antragsteller vertritt gestützt auf § 90 Abs 1 EheG - zusammengefasst - die Ansicht, dass die Übertragung des Eigentums an unbeweglichen Sachen „nur als ultima ratio“ angeordnet werden dürfe. Der Bewahrungsgrundsatz habe betreffend die Ehewohnung nur dann zurückzutreten, wenn diese einem existenziellen Wohnbedürfnis eines Ehegatten diene und die Ausgleichszahlung nicht hoch genug sei, damit sich dieser eine eigene Wohnung leisten könne. Bevor einem Ehegatten sein Eigentum entzogen werde dürfe, müssten alle anderen Möglichkeiten, wie etwa obligatorische Benützungsrechte, ausgeschöpft werden. Das vom Rekursgericht in den Vordergrund gerückte Optionsrecht des an der Scheidung minderschuldigen Ehegatten sei kein im Gesetz genannter Aspekt der Aufteilung, weshalb dieser Umstand allein die Eigentumsübertragung an einer unbeweglichen Sache nicht rechtfertigen könne.

Hiezu hat der Oberste Gerichtshof Folgendes erwogen:

2.1. Dem Rekursgericht ist zunächst dahin beizupflichten, dass hier kein Fall einer iSd § 82 Abs 1 Z 1 EheG von einem Dritten geschenkten „Ehewohnung“ vorliegt, hat doch der Antragsteller von seinen Eltern nur die Liegenschaft geschenkt erhalten, auf der dann erst danach das Wohnhaus errichtet wurde. Die Frage, ob die Antragsgegnerin auf die Weiterbenützung der Ehewohnung zur Sicherung ihrer Lebensbedürfnisse angewiesen ist (§ 82 Abs 2 EheG), spielt daher für die Einbeziehung des GST-NR 435/1 mit dem Haus U***** in die Aufteilung keine Rolle (vgl RIS-Justiz RS0057260; Stabentheiner in Rummel3, § 82 EheG Rz 14; Deixler-Hübner in Gitschthaler/Höllwerth, § 82 EheG Rz 27). Dass die Ehewohnung (GST-NR 435/1 mit dem Haus U*****) in das Aufteilungsverfahren miteinzubeziehen ist, bezweifelt aber ohnehin auch der Antragsteller im Grunde nicht. Soweit sich der Antragsteller dann allerdings inhaltlich auf Rechtsprechung zu dem in § 82 Abs 2 EheG enthaltenen Begriff „des Angewiesenseins“ bezieht, folgen daraus allein keine abschließenden Kriterien für die hier im Vordergrund stehende Zuteilungsfrage.

2.2. Nach § 90 Abs 1 EheG darf die Übertragung des Eigentums an unbeweglichen Sachen oder die Begründung von dinglichen Rechten daran nur angeordnet werden, wenn eine billige Regelung in anderer Weise nicht erzielt werden kann. Nach der Rechtsprechung wird die Übertragung des Eigentums an unbeweglichen Sachen tendenziell an strenge Voraussetzungen geknüpft und deshalb auch als „ultima ratio“ bezeichnet (vgl RIS-Justiz RS0057905). Auch wenn § 90 Abs 1 EheG in die Ehewohnung betreffenden Fällen etwas weitherziger gehandhabt werden mag (vgl 3 Ob 551/82 = EFSlg 41.411; 7 Ob 750/80 = EFSlg 36.465; allgemein zur Beachtlichkeit des Wohnbedürfnisses unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit vgl RIS-Justiz RS0057733; RS0057952; s auch Stabentheiner in Rummel³, § 90 EheG Rz 1; Bernat in Schwimann³, § 90 EheG Rz 1; Deixler-Hübner in Gitschthaler/Höllwerth, § 90 EheG Rz 1), so hat sich hier aber das Rekursgericht bei Zuteilung der Ehewohnung an die Antragsgegnerin im Wesentlichen nur darauf gestützt, dass diese am Wohnort sozial integriert sei und der Antragsteller seinerseits die Ehewohnung verlassen und (ua) damit die Ehe zerrüttet habe, was ein Optionsrecht der Antragsgegnerin bei der Aufteilung begründe. Dabei sind aber wesentliche Entscheidungskriterien unberücksichtigt geblieben:

2.3. Es mag Fälle geben, in denen zwar nur ein Ehegatte im Grundbuch als Eigentümer eingetragen ist, das Haus während der Ehe errichtet wurde, die früheren Ehegatten hiezu etwa zu gleichen Teilen beigetragen haben und sie im Innenverhältnis übereinstimmend der Auffassung waren, dass das Haus ihnen beiden „gehört“, sie also beide übereinstimmend der Meinung waren, materiell Miteigentümer zu sein, die Verbücherung beider früheren Ehegatten aber allenfalls nur aus Bequemlichkeit oder wegen fehlendem Problembewusstsein unterblieben ist (vgl etwa 3 Ob 2224/96x = EFSlg 84.698). Unter derartigen Umständen wird dem Bewahrungsgrundsatz nur geringere Bedeutung zukommen, doch kann vom Vorliegen eines solchen Falles auf der Grundlage der gegebenen Feststellungen - nicht zuletzt aufgrund der umfangreichen Beiträge zum Hausbau seitens der Familie des Antragstellers - nicht ausgegangen werden.

2.4. Ein Rechtsprechungsgrundsatz dahin, dass das vom Rekursgericht betonte - im Gesetz ohnehin nicht positivierte - Optionsrecht des schuldlos (hier nur: des weniger schuldig) geschiedenen Ehegatten (vgl dazu RIS-Justiz RS0057387; RS0057523) den Bewahrungsgrundsatz allein und gänzlich entkräftet, existiert ebenfalls nicht.

2.5. Der Umstand, dass die Antragsgegnerin S***** inzwischen als ihre Heimat ansieht, vermag die Übertragung des Eigentums an GST-NR 435/1 auf sie nicht ohne weiters zu rechtfertigen. Es mag zutreffen, dass die Antragsgegnerin hinsichtlich der Wohnversorgung nicht auf ihr ererbtes Elternhaus in der BRD verwiesen werden sollte, ist sie doch am nunmehrigen Wohnort sozial integriert. Dass im Fall des Verbleibs des GST-NR 435/1 beim Antragsteller mit der dann für die Antragsgegnerin zu erwartenden Ausgleichszahlung (allenfalls zusammen mit einer [weitergehenden] finanziellen Verwertung des ererbten Elternhauses) eine adäquate Wohnraumbeschaffung am bisherigen Wohnort nicht möglich oder nicht zumutbar sein soll, ist jedenfalls nicht zu erkennen und blieb bislang auch ungeprüft.

2.6. Die Kinder der Parteien sind alle großjährig und selbsterhaltungsfähig, sodass auch insoweit kein spezifischer Bedarf (gerade) an der Ehewohnung zu erkennen ist. Dass es für einen Sohn der Parteien „ein Thema“ ist, dauerhaft im Haus U***** wohnen zu wollen, ist kein für die Aufteilung entscheidender Umstand.

2.7. Die mit der Eigentumsübertragung an die Antragsgegnerin verbundene Dienstbarkeitsbegründung ist zwar - entgegen der Ansicht des Antragstellers - nicht schon mangels (genereller) Zugehörigkeit des belasteten Grundstücks zur Aufteilungsmasse grundsätzlich unzulässig, umfasst doch die der Aufteilung unterliegende Ehewohnung auch mitbenützte Freiflächen sowie Hausgärten (vgl RIS-Justiz RS0058318; Deixler-Hübner in Gitschthaler/Höllwerth, § 81 EheG Rz 18), und nur dieser Nutzungsumfang soll mit der eingeräumten Dienstbarkeit gewährleistet werden. Diese Dienstbarkeitsbegründung steht allerdings in einem deutlichen Spannungsverhältnis zum Trennungsgrundsatz, ist doch damit ein auch zukünftiger Kontakt der Parteien vorgezeichnet. Wenn der Trennungsgrundsatz schon solcherart vernachlässigt wird, dann wäre wohl auch die Möglichkeit eines bloß obligatorischen Nutzungsrechts der Antragstellerin an der Ehewohnung (Mietverhältnis) zu erwägen gewesen. Diese Möglichkeit blieb ebenfalls unerörtert.

3. Zusammengefasst zeigt sich somit, dass für die Übertragung des Eigentums an GST-NR 435/1 an die Antragsgegnerin samt Dienstbarkeitsbegründung der Hinweis auf deren soziale Integration im Wohnort und das überwiegende Scheidungsverschulden des Antragstellers nicht ausreicht. Im fortgesetzten Verfahren werden daher allfällige weitere billige und dem Bewahrungsgrundsatz des § 90 Abs 1 EheG besser entsprechende Aufteilungsmöglichkeiten mit den Parteien zu erörtern und in tatsächlicher Hinsicht zu prüfen sein. Dabei wird insbesondere auf alternative Möglichkeiten der Antragsgegnerin zu einer adäquaten Wohnraumbeschaffung in S***** einzugehen sein. Erst danach wird abschließend beurteilt werden können, ob die Übertragung des Eigentums an GST-NR 435/1 an die Antragsgegnerin wirklich ausreichende und dann auch mit § 90 Abs 1 EheG in Einklang stehende Billigkeitserwägungen für sich hat.

4. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 78 AußStrG. Die demnach maßgeblichen Billigkeitserwägungen können erst in der die Sache erledigenden Endentscheidung angestellt werden (vgl 5 Ob 256/09x; 5 Ob 179/08x; 5 Ob 223/07s).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte