OGH 7Ob180/10m

OGH7Ob180/10m19.1.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei KR H***** K*****, vertreten durch Dr. Andreas Brugger, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Marktgemeinde M*****, vertreten durch Dr. Axel Fuith, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung und Einwilligung in die Einverleibung von Eigentumsrechten, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 21. Juni 2010, GZ 2 R 21/10w-96, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 16. November 2009, GZ 17 Cg 15/09m-83, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger ist unter anderem Eigentümer der Grundstücke .690 in EZ ***** und .689 in EZ *****, jeweils KG *****. Auf diesen Grundstücken befindet sich jeweils ein Stallgebäude, nämlich der sogenannte „K*****-Stall“ und der sogenannte „D*****- oder L*****-Stall“. Die Beklagte ist unter anderem bücherliche Eigentümerin der Grundstücke 820/1 und 820/3 in EZ ***** KG *****. Die Stallgebäude wurden 1930/1931 erbaut. Die Einverleibung des Eigentumsrechts der Rechtsvorgänger des Klägers, F***** K***** und F***** D*****, an den bebauten Grundstücksteilen, deren vormalige Eigentümerin die Beklagte war, erfolgte am 4. 1. 1934.

Seit dem 4. 1. 1934 bildete das Grundstück .690 einen Teil des Gutsbestands der Liegenschaft in EZ ***** „K*****“, (damals im Eigentum von F***** K*****). Am 7. 8. 1936 erlangte der älteste Sohn von F***** K***** nach dessen Tod das Eigentum, am 21. 7. 1938 dessen jüngerer Bruder. Am 13. 6. 1980 ging das Eigentum im Erbweg auf den Kläger über.

Ebenfalls seit 4. 1. 1934 bildet das Grundstück .689 einen Teil des Gutsbestands der Liegenschaft EZ ***** „L***** - geschlossener Hof“. Am 8. 1. 1938 folgten im Erbweg F***** D***** und dessen vier minderjährige Geschwister mit der Beschränkung nach, dass F***** D***** nach Maßgabe des Protokolls und der letztwilligen Anordnung vom 2. 12. 1931 zur Alleinübernahme berechtigt sei. Am 15. 9. 1956 schlossen die Erben den Auseinandersetzungsvertrag, sodass am 12. 12. 1956 das Alleineigentumsrecht für F***** D***** einverleibt wurde. Mit Kaufvertrag vom 23. 8. 2001 erwarb der Kläger das Grundstück .689 von F***** D*****.

Die Beklagte wusste von der Bauführung der Ställe auf ihrem (damaligen) Grund. Jedenfalls der bebaute Grund sollte von vornherein nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsteile ins grundbücherliche Eigentum der Rechtsvorgänger des Klägers übergehen. Nicht feststellbar ist, ob die strittigen Flächen Anfang der 30er Jahre nach dem übereinstimmenden Willen der Beklagten und der Rechtsvorgänger des Klägers gemeinsam mit dem Erwerb der Grundstücksteile .690 und .689 in deren Eigentum übergehen sollten. Es ist jedenfalls möglich, dass die tatsächlich durchgeführte Einverleibung im Grundbuch, wonach die strittigen Flächen im Eigentum der Beklagten verblieben, dem übereinstimmenden Willen der damaligen Vertragsteile entsprach. Der Kläger und seine Rechtsvorgänger wissen seit spätestens 1963, dass die strittigen Flächen laut Grundbuch im Eigentum der Beklagten stehen.

Die um die Stallgebäude liegenden, strittigen Grundstücksteile, die sich aus dem als „integrierender Bestandteil“ des Ersturteils bezeichneten Plan ergeben, wurden wie folgt vom Kläger und seinen Rechtsvorgängern genutzt:

Die Teilfläche 1 (92 m²) war von Anfang an Richtung Süden durch eine Steinmauer begrenzt. An einer anderen Seite befand sich ein Zaun. Sie ist nur über die Teilfläche 15, den nördlich des K*****-Stalls verlaufenden „Gang“, erreichbar. Es gibt (seit jeher) einen kleinen Abstieg vom Grundstücksteil 6. Teilfläche 1 wurde vorwiegend als Auslauf- und Tränkeplatz für das dort gehaltene Vieh verwendet. Der Kläger und seine Rechtsvorgänger hielten im Stall zwischen sechs und zehn Kühe, zwei Pferde und mehrere Schweine. Seit 1970 sind die Kühe in einem anderen Stall untergebracht, die Schweine etwa seit 1978, die Pferde seit einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt in den 70er Jahren. Seither wird der K*****-Stall primär zu Ablagerungszwecken genutzt, unter anderem auch als Zwischenlager nach Schlachtungen. Derzeit dient der Grundstücksteil vor allem als Freigehege für einen Schäferhund.

Die Teilfläche 15 (19 m2) hat die Form eines Gangs und ist seit mindestens vierzig Jahren im Norden durch eine kleine Steinmauer begrenzt, „darüber hinaus befand sich dort immer ein Zaun“. An einer Seite des Stalls errichteten die Rechtsvorgänger des Klägers eine Haltevorrichtung, mit deren Hilfe Holzstangen gelagert wurden.

Die Teilfläche 18 (155 m²) wurde großteils (147 m²) in den 70er und 80er Jahren schrittweise von der Familie des Klägers asphaltiert. An der Nordseite wurde eine Mauer angelegt, nach Westen gab es keine Abgrenzung. Die Fläche diente bis zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt in den 70er Jahren (bis die Holzheizung durch eine Ölheizung ersetzt wurde) hauptsächlich der Holzlagerung und -verarbeitung (pro Jahr etwa 100 fm). Auf dem Grundstücksteil wurden auch Ziegel und Sand gelagert und eine Mischmaschine abgestellt, um Arbeiten im Zuge des Zu- und Umbaus zum Gastbetrieb durchführen zu können. Weiters wurde eine Vielzahl von landwirtschaftlichen Geräten abgestellt und manchmal Pferde in die Kutschen gespannt. Seit etwa 1981 verwenden der Kläger und seine Familie die Teilfläche 18 als Parkplatz für das Hotel. Nur im Ausmaß von 8 m² wurde die Teilfläche nicht ausschließlich vom Kläger und seinen Rechtsvorgängern genutzt. Sein Rechtsvorgänger F***** D***** brachte zumindest einmal eine Besitzstörungsklage ein. Seit 1981 stellte der Kläger Parkverbotsschilder für Fremde auf. Für die Schneeräumung sorgte die Familie des Klägers.

Die Teilflächen 6 und 12 (210 m²) befinden sich zwischen den Dächern der beiden Ställe und wurden von den jeweiligen Stalleigentümern gemeinsam zum Gehen, Fahren, Auf- und Abladen von Materialien und Abstellen landwirtschaftlicher Geräte sowie Zu- und Abtreiben der Tiere verwendet. Die Zufahrtsrampe zum „K*****-Stall“ (Teilfläche 12) wird nicht nur als Zufahrt, sondern auch als landwirtschaftliche Manipulationsfläche verwendet. Die Flächen waren nach Süden hin nie mit einem Zaun begrenzt. Insbesondere Ortsansässige gingen und gehen fallweise zwischen den beiden Ställen durch. Ob dies der Kläger oder seine Rechtsvorgänger gesehen haben, ist nicht feststellbar. Im Hofraum spielen immer wieder auch familienfremde Kinder, was vom Kläger geduldet wird. Betriebsfremde Personen fuhren nicht oder nur ganz selten mit dem Auto zwischen den Ställen durch. Es ist möglich, dass der „Anfangsbereich der Flächen manchmal zum Reversieren von Fahrzeugen verwendet wurde“.

Es ist nicht feststellbar, dass es allgemein ortsüblich ist, Hofräume einzuzäunen. Je kleiner ein Hofraum ist, desto konzentrierter und effektiver muss die Fläche verwendet werden. Ein Zaun würde ein Hindernis darstellen. Das Freihalten von Wende-, Durchfahrts- und Manipulationsflächen ist für den laufenden Wirtschaftsbetrieb einer landwirtschaftlichen Hofstelle unerlässlich. Aus landwirtschaftlicher Sicht benötigen die beiden Ställe an Auslaufflächen für Vieh, an Wende- und Manipulationsflächen und an Zufahrtsflächen einen Umliegegrund von 725 m² (D*****/L*****-Stall) und 300 m² (K*****-Stall). Da die „Umgriffsflächen“ der beiden Ställe einander überschneiden, ist eine Zaunerrichtung nahezu unmöglich. Die umliegenden Höfe grenzen sich überwiegend zu den öffentlichen Verkehrsflächen durch Zäune ab, eine Durchfahrtsmöglichkeit wird aber, wo dies möglich ist, offen gehalten. Die Befestigung von Hofflächen mittels Asphaltierung gehört mittlerweile zum Standard. Für einen mit der Vorgeschichte nicht Vertrauten stellen sich die Teilflächen 6 und 12 zumindest rein optisch als zu den angrenzenden Ställen gehörende Hofflächen dar.

Der Kläger und seine Rechtsvorgänger benutzten zumindest bis Ende der 70er Jahre die strittigen Teilflächen durchgehend zu landwirtschaftlichen Zwecken. In den 80er Jahren stand an der Südseite „des Stalls“ eine Presse zur Abfallverwertung, es wurde auch „Papier vom Hotel“ gelagert. Die Flächen südlich, nördlich und zwischen den Ställen wurden von „den Leuten des D*****/L*****-Stalls“ für den landwirtschaftlichen Betrieb genutzt. F***** D***** hielt mindestens 50 Kühe.

Es ist nicht feststellbar, ob die Beklagte (auch nur) Teilbereiche selbst asphaltierte oder Schneeräumungen durchführte oder sonst eine wie immer geartete Nutzung der Flächen vorgenommen hat. Weiters ist nicht feststellbar, ob Mitarbeiter oder Vertreter der Beklagten vor Aufnahme der vom Kläger im Jahr 1986 initiierten Gespräche ihn oder seine Rechtsvorgänger jemals darauf hingewiesen haben, dass der Grund im Eigentum der Beklagten stehe, insbesondere auch nicht anlässlich eines Verkaufs des Grundstücks .827 an R***** P***** in den Jahren 1957 und 1961.

Der Kläger begehrt mit der am 7. 9. 2006 bei Gericht eingelangten Klage die Feststellung, dass die Teilflächen im Eigentum des Klägers stünden und die Beklagte schuldig sei, in die Einverleibung seines Eigentumsrechts einzuwilligen. Der Kläger und seine Rechtsvorgänger hätten sich seit über vierzig Jahren berechtigt gefühlt, auch die an die Stallbauten angrenzenden strittigen Teilflächen wie Eigentümer zu nutzen. Die Nutzung sei von der Beklagten nie behindert oder beanstandet worden. Die Flächen seien daher von F***** K***** und F***** D*****, den Rechtsvorgängern des Klägers, ersessen worden. An ihrer Redlichkeit könne kein Zweifel bestehen. Als redliche Bauführer hätten sie das Eigentum nicht nur an der unmittelbar überbauten Fläche, sondern auch an der für dessen Benutzung unentbehrlichen Grundflächen erworben.

Die Beklagte beantragt die Klagsabweisung. Der Kläger und seine Rechtsvorgänger seien nicht redlich gewesen, weil sie Kenntnis vom Grundbuchstand gehabt hätten. Darüber hinaus seien die strittigen Flächen nicht landwirtschaftlich genutzt worden. Falls der Kläger und seine Rechtsvorgänger überhaupt Rechte erworben hätten, dann höchstens Dienstbarkeitsrechte.

Im ersten Rechtsgang wies das Erstgericht das Klagebegehren ab, weil dem Kläger die Redlichkeit als Ersitzungsvoraussetzung während der gesamten vierzigjährigen Ersitzungszeit fehle. Wenn jemand „aktiv“ wisse, dass ein anderer laut Grundbuch Eigentümer sei, müsse er zumindest Zweifel an der Rechtmäßigkeit des eigenen Besitzes haben. Die Grundsätze über die Bauführung auf fremdem Grund seien hier nicht anzuwenden, da die Parteien ein Übereinkommen über die Bauführung getroffen hätten. Eine Eigentumsübertragung hinsichtlich der Liegenschaftsanteile, auf denen die Ställe errichtet worden seien, sei von vornherein beabsichtigt gewesen.

Das Berufungsgericht hob das erstinstanzliche Urteil ohne Rechtskraftvorbehalt auf. Da die Ersitzung ein außerbücherliches Recht entstehen lasse, sei die (mögliche) Kenntnis des Ersitzungsbesitzers vom fehlenden Bucheintrag des in Anspruch genommenen Rechts kein Indiz für dessen Schlechtgläubigkeit. Auch die Indizwirkung der Unterlassung eines Bucheintrags durch den Rechtsnachfolger des Besitzes sei „zu schwach“, wäre doch sonst die gesetzlich vorgesehene Fortsetzung des Ersitzungsbesitzes (§ 1493 ABGB) fast regelmäßig in Frage gestellt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im zweiten Rechtsgang statt. Der Kläger und seine Rechtsvorgänger hätten zwar die strittigen Flächen nicht (vollständig) räumlich gegenüber den anderen Liegenschaftsanteilen abgegrenzt, doch hätten sie die strittigen Flächen in einer Art und Weise benützt, wie dies für landwirtschaftliche Hofflächen absolut üblich sei, ohne dass irgendein Dritter oder die Beklagte in diese Nutzung eingegriffen oder Rechte beansprucht hätte. Dass fallweise fremde Personen die Flächen benützt hätten, spiele keine Rolle, weil dies in dörflichen Bereichen übliche Verhaltensweisen seien.

Das Berufungsgericht bestätigte die angefochtene Entscheidung. Der Besitz während der Ersitzungszeit müsse dem Inhalt nach dem zu erwerbenden Recht entsprechen. Für die Ersitzung von Eigentum sei alleiniger Sachbesitz notwendig. Dies bedeute, dass die volle Zugehörigkeit der Sache zum Besitzausübenden sichtbar werde und die Besitzausübung Dritter erkennbar ausgeschlossen sein müsse. Handle es sich beim Ersitzungsgegenstand um öffentliches Gut, müsse die Benützung in anderer Weise ausgeübt werden als durch jedermann im Rahmen des Gemeingebrauchs. Die strittigen Teilflächen seien vom Kläger und seinen Rechtsvorgängern durchgehend ab Anfang der 30er Jahre bis zumindest Ende der 70er Jahre landwirtschaftlich genutzt worden. Die Benützung sei so gewesen, wie sie typischerweise von einem Landwirt, der die Flächen im Eigentum habe, vorgenommen werde.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil keine Rechtsfragen im Sinn von § 502 Abs 1 ZPO zu beurteilen seien.

Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in der ihm vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist auch im Sinne des Aufhebungsantrags berechtigt.

Die Ersitzung ist Erwerb eines Rechts durch qualifizierten Besitz während der gesetzlich bestimmten Frist. Sie führt zu einem originären Rechtserwerb, der zur Folge hat, dass der bisherige Rechtsinhaber sein Recht verliert (§ 1478 ABGB). Die Einverleibung der Ersitzung dient dazu, Personen, die eine Sache lange Zeit wie ein Eigentümer besitzen oder wie ein Berechtigter benützen, selbst im Fall eines gegenteiligen Grundbuchstands den Nachweis des Rechtserwerbs zu ersparen (7 Ob 226/01p mwN). Voraussetzungen für die Ersitzung sind neben dem Zeitablauf echter und redlicher Besitz eines Rechts, das seinem Inhalt nach dem zu erwerbenden Recht entsprochen hat, sowie Besitzwille. Echtheit des Besitzes ist auch für die uneigentliche Ersitzung des § 1477 ABGB erforderlich. Den Nachweis, dass der Besitz fehlerhaft sei, hat der Ersitzungsgegner anzutreten (RIS-Justiz RS0034138; RS0034251). Den Ersitzungsbesitzer trifft die Behauptungs- und Beweislast für Art und Umfang der Besitzausübung sowie die Besitzdauer, dem Ersitzungsgegner hingegen obliegt der Beweis der Unredlichkeit, weil die Redlichkeit des Besitzers gemäß § 328 ABGB im Zweifel vermutet wird (RIS-Justiz RS0010185). Der gute Glaube entfällt nicht nur bei nachträglicher Kenntnis der Unrechtmäßigkeit, sondern auch bei Kenntnis von Umständen, die Zweifel an der Rechtmäßigkeit hervorrufen müssen (5 Ob 36/10w mwN; RIS-Justiz RS0034103; RS0010185). Schon die Mitteilung des Rechtsstandpunkts des grundbücherlichen Eigentümers der Sache oder die Inanspruchnahme des Besitzes der strittigen Sache durch den Ersitzungsgegner kann den guten Glauben des Ersitzungsbesitzers zerstören (5 Ob 2090/96f mwN). Auch wenn der Ersitzungsgegner eine Hinweistafel mit „Privatbesitz - Durchgang bis auf Widerruf gestattet“ aufstellt, fällt die Redlichkeit weg (1 Ob 41/08y). Die Ersitzung eines Grundstücksteils wird nach der Rechtsprechung nicht dadurch gehindert, dass es der Erwerber einer Liegenschaft unterlässt, sich vom wahren Liegenschaftsumfang, der sich aus der Grundbuchsmappe ergibt, Kenntnis zu verschaffen (8 Ob 645/93; 6 Ob 158/99z). Die Ersitzungszeit gegenüber der Beklagten beträgt vierzig Jahre (§ 1472 ABGB).

Im vorliegenden Fall hatten die Rechtsvorgänger des Klägers und der Kläger zumindest seit dem Jahr 1963, also innerhalb des Ersitzungszeitraums, Kenntnis vom Grundbuchstand, nach dem die Teilflächen im grundbücherlichen Eigentum der beklagten Gemeinde stehen. Im Sinn der dargelegten Judikatur hätten der Kläger und seine Rechtsvorgänger Zweifel an der Rechtmäßigkeit ihres Besitzes haben müssen, falls sie nicht Kenntnis von Umständen hatten, aus denen sie schließen konnten, dass sie dennoch Eigentümer der Liegenschaftsanteile geworden seien. Es ist der Revision beizupflichten, dass nach den vorliegenden Feststellungen die Redlichkeit der Ersitzungsbesitzer noch nicht beurteilt werden kann. Es bedarf zum Vorbringen des Klägers Feststellungen, nämlich welche Umstände den Rechtsvorgängern insbesondere im Zuge der Übertragung der Liegenschaftsanteile in den Jahren 1930/31 bekannt waren, welche Gespräche sie mit Vertretern der Beklagten führten, welche Gemeinderatsbeschlüsse gefasst wurden und welche allfälligen Erhebungen der Kläger und seine Rechtsvorgänger im Hinblick auf die Kenntnis des Grundbuchstands vorgenommen haben. Erst dann kann die Frage der Redlichkeit des Klägers und seiner Rechtsvorgänger während des gesamten Ersitzungszeitraums abschließend beurteilt werden. Nur wenn feststeht, dass sie nach ihrem Wissensstand davon ausgehen konnten, Eigentümer der Liegenschaftsteile geworden zu sein, so ist ihre Redlichkeit zu bejahen.

Der Einwand der Beklagten, es sei jedenfalls nicht das Vollrecht ersessen worden, ist nicht berechtigt. Die Besitzausübung muss die volle Zugehörigkeit der Sache zum Ausübenden sichtbar zum Ausdruck bringen. Typische Arten der Ausübung des Sachbesitzes an unbeweglichen Sachen sind das Betreten, Verrainen, Einzäunen, Bezeichnen oder Bearbeiten (§ 312 ABGB). Der in der Revision zitierten Entscheidung 5 Ob 36/10w lag ein nicht vergleichbarer Fall (die Bewirtschaftung eines Obstgartens) zu Grunde. Im vorliegenden Fall hingegen steht die alleinige Nutzung der Teilflächen fest. Das gelegentliche Verwenden einer der Teilflächen durch Dritte zum Reversieren mit Fahrzeugen, das Durchgehen von Personen oder Spielen von Kindern ändert daran nichts und ist auch von einem Eigentümer von nicht eingezäunten Grundflächen nicht ganz zu verhindern. Es wurden hier ohnehin Abwehrmaßnahmen durch eine Besitzstörungsklage und das Aufstellen von Schildern gesetzt. Die fehlende Umzäunung der Grundstücksteile schadet im Hinblick auf ihre Anordnung und die beschriebene Situation ebenfalls nicht. (Nur) der Kläger und seine Rechtsvorgänger nutzten alle strittigen Teilflächen ab Anfang der 30er Jahre für mannigfache Tätigkeiten im Zusammenhang mit einer Landwirtschaft und eines Gastbetriebs wie Eigentümer. Ihr Alleinbesitz, der Voraussetzung für die Ersitzung des Eigentumsrechts ist (RIS-Justiz RS0009792), ist daher zu bejahen. Sollte sich nach den zu ergänzenden erstgerichtlichen Feststellungen die Redlichkeit des Klägers ergeben, so hätten er und seine Rechtsvorgänger das Eigentumsrecht ersessen.

Falls die Redlichkeit nicht bejaht werden könnte, ist darauf hinzuweisen, dass ein Eigentumserwerb durch redliche Bauführung nach § 418 Satz 3 ABGB - worauf schon die Vorinstanzen zutreffend hingewiesen haben - nicht in Betracht kommt, weil eine Vereinbarung über die Bauführung zwischen Grundeigentümer und Bauführer geschlossen wurde und diese die Anwendung der subsidiären Vorschrift des § 418 ABGB ausschließt (RIS-Justiz RS0011052, RS0011074).

Ob - worauf sich der Kläger auch noch stützt - seine Rechtsvorgänger die Liegenschaftsteile ohnehin (auch) vertraglich erworben haben, kann zur Zeit nicht beurteilt werden und stünde nur zur Entscheidung an, falls nicht bereits die Redlichkeit während des Ersitzungszeitraums zu bejahen wäre. Ein ausdrücklicher Parteiwille bei Übertragung der Liegenschaftsanteile von der Beklagten an die Rechtsvorgänger des Klägers im Zuge der Stallerrichtung zum rechtlichen Schicksal der angrenzenden Flächen, konnte zwar nicht festgestellt werden. Es fehlen aber Feststellungen zu den näheren Vertragsumständen und dem Inhalt der damit zusammenhängenden Urkunden, um die Rechtsfrage lösen zu können, ob die Parteien allenfalls eine schlüssige Eigentumsübertragung vereinbart haben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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