OGH 8ObA88/10i

OGH8ObA88/10i21.12.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Lukas Stärker und Dr. Andrea Eisler als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei J***** W*****, vertreten durch die Puttinger, Vogl & Partner Rechtsanwälte GmbH in Ried im Innkreis, gegen die beklagte Partei J***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Andreas Haberl und Dr. Gotthard Huber, Rechtsanwälte in Vöcklabruck, wegen 15.366,49 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 8. September 2010, GZ 12 Ra 74/10d-35, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Bei Vorliegen der Voraussetzungen für einen berechtigten vorzeitigen Austritt bleibt der Abfertigungsanspruch auch im Fall einer Eigenkündigung, die erkennbar unter Geltendmachung des wichtigen Lösungsgrundes erfolgt, gewahrt (RIS-Justiz RS0031717; Friedrich in Marhold/Burgstaller/Preyer § 26 AngG Rz 19 und § 25 Rz 53).

Auf einen vorzeitigen Austritt wegen Arbeitsunfähigkeit oder Gesundheitsgefährdung nach der hier anzuwendenden Bestimmung des § 82a lit a GewO 1859 sind die von der Lehre und Rechtsprechung zu § 26 Z 1 AngG entwickelten Grundsätze sinngemäß anzuwenden (vgl RIS-Justiz RS0028788).

2.1 Die Arbeitsunfähigkeit, die den Arbeitnehmer zum Austritt berechtigt, muss eine dauernde sein. Dabei muss die Einschränkung von so langer Dauer sein, dass nach den Umständen des Falls eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar ist. Eine Gesundheitsbeeinträchtigung berechtigt erst dann zum Austritt, wenn zu erwarten ist, dass sie über den in § 139 Abs 1 ASVG genannten Zeitraum andauern und den Arbeitnehmer an der Ausübung seiner vertraglich vereinbarten Tätigkeit hindern wird (RIS-Justiz RS0060144).

2.2 Das Vorliegen der Voraussetzungen für einen berechtigten vorzeitigen Austritt kann nur für den jeweiligen Einzelfall beurteilt werden (RIS-Justiz RS0106298).

Die Vorinstanzen haben ihren Entscheidungen die richtigen Rechtsgrundsätze zugrunde gelegt. Auch in der Anwendung dieser Grundsätze ist ihnen keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen.

Das vom Kläger ins Treffen geführte gesundheitliche Ereignis hatte zur Folge, dass er aufgrund ärztlicher Empfehlung vorübergehend keine Fahrzeuge lenken durfte. Eine vorübergehende Arbeitsunfähigkeit stellt aber keinen wichtigen Austrittsgrund dar (RIS-Justiz RS0028813). Dem Kläger ist an sich zuzustimmen, dass das zeitliche Ausmaß nach § 139 Abs 1 ASVG keine starre Grenze darstellt, sondern als Richtlinie für die Beurteilung dient, ob die Wiederherstellung der Arbeitskraft nach objektivem Maßstab in absehbarer Zeit zu erwarten ist (9 ObA 130/09x). Dies führt aber gerade nicht zu dem vom Kläger gewünschten Ergebnis, dass eine (vorübergehende) Arbeitsunfähigkeit in der Dauer von einem halben Jahr zum Austritt berechtigt. Vielmehr kommt es auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass beim Kläger keine dauernde Arbeitsunfähigkeit bestanden habe, ist mit Rücksicht auf die fachmedizinische Einschätzung sowie die neue berufliche Tätigkeit des Klägers nicht korrekturbedürftig.

3. Auf die direkte Anwendung der Bestimmung des Art XVI Z 2 des Kollektivvertrags für das Güterbeförderungsgewerbe kann sich der Kläger schon deshalb nicht berufen, weil weder eine dauernde Unfähigkeit zur Ausübung seiner Tätigkeit vorlag noch deswegen ein (unverschuldeter) Führerscheinentzug erfolgte. Sein Vorbringen, die zuständige Behörde hätte ihm den Führerschein (für die Dauer von drei bis sechs Monaten) entzogen, wenn das Krankenhaus seiner Meldepflicht nachgekommen wäre, verstößt gegen das Neuerungsverbot. Der in diesem Zusammenhang geltend gemachte sekundäre Feststellungsmangel liegt schon aus diesem Grund nicht vor.

Davon abgesehen geht die erwähnte Kollektivvertragsbestimmung von einer dauerhaften (endgültigen) Unfähigkeit zur Lenkung von Kraftfahrzeugen aus. Schon aus diesem Grund ist auch die Ablehnung der analogen Heranziehung der genannten Kollektivvertragsbestimmung mangels planwidriger Lücke (vgl dazu RIS-Justiz RS0098756; RS0008845; RS0008866) nicht korrekturbedürftig. Unter Zugrundelegung des Bedeutungsinhalts der in Rede stehenden Regelung kann den Kollektivvertragsparteien bei logisch-systematischer Betrachtungsweise nicht unterstellt werden, der Abfertigungsanspruch solle auch im Fall einer nur vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit gewahrt bleiben. Der Kläger kann sich weder auf einen dauernden Führerscheinentzug noch auf ein endgültiges Lenkverbot oder eine derartige Fahruntüchtigkeit berufen.

Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

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