OGH 2Ob217/09i

OGH2Ob217/09i15.9.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Herbert V*****, vertreten durch Dr. Maximilian Sampl, Rechtsanwalt in Schladming, gegen die beklagte Partei Maximilian W*****, vertreten durch Dr. Sieglinde Lindmayr, Dr. Michael Bauer, Dr. Günter Secklehner Rechtsanwalts OG in Liezen, wegen 10.096,60 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 28. Mai 2009, GZ 5 R 81/09k-36, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 30. März 2009, GZ 7 Cg 245/07v-32, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 742,27 EUR (darin 123,71 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger hatte im Café des Beklagten einen Geldspielautomaten mit zwei Spielprogrammen aufgestellt. Der Automat verfügte über eine elektronische Buchhaltung sowie über elektromechanische Kontrollzählwerke. Zwischen den Streitteilen war vereinbart, dass der Beklagte über den Kassaschlüssel des Automaten verfügen und die Gewinnauszahlungen an die Spieler selbständig vornehmen soll. Des weiteren hatte sich der Beklagte verpflichtet, die sich aus der Abrechnung ergebenden Lustbarkeitsabgaben beim zuständigen Gemeindeamt zur Einzahlung zu bringen, wobei er (auch) diese Beträge aus der Kassa des Automaten entnehmen durfte. Der sich aus den Abrechnungen ergebende „Gesamtgewinn“ wurde zwischen den Streitteilen 1 : 1 geteilt.

Im Jahr 2003 führte der Kläger beim Beklagten krankheitsbedingt keine regelmäßigen Abrechnungen durch. Die Abrechnung vom 17. oder 18. 12. 2003 ergab einen Überschuss von 31.645 EUR, von welchem der Kläger vereinbarungsgemäß Freispiele des Beklagten im Betrag von 8.000 EUR sowie die Lustbarkeitsabgaben von 3.451,80 EUR in Abzug brachte. Den verbleibenden „Gesamtgewinn“ von 20.193,20 EUR teilte er durch zwei, sodass auf jeden der Streitteile ein Betrag von 10.096,60 EUR entfiel.

Mit der am 13. 12. 2007 eingebrachten Klage begehrte der Kläger vom Beklagten die Zahlung dieses Betrags. Der Beklagte habe die Einspielungsergebnisse des Jahres 2003 unberechtigterweise an sich genommen und den dem Kläger gebührenden Anteil nicht abgeliefert.

Der Beklagte wandte ua die Verjährung des Anspruchs ein.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Bei der Forderung des Klägers handle es sich um eine solche des täglichen Lebens, weshalb die kurze Verjährungszeit maßgeblich sei. Der Anspruch sei daher verjährt.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Der Beklagte habe über den Kassaschlüssel des Automaten verfügt, Gewinnauszahlungen selbständig vorgenommen und aus den in der Kassa befindlichen Beträgen (auch) die Lustbarkeitssteuer zur Einzahlung gebracht. Er sei daher als Gewalthaber des Klägers iSd § 1009 ABGB anzusehen. Der auf diese Bestimmung gegründete Anspruch auf Herausgabe von Erlös und Gewinn falle nicht unter die Forderungen für „sonstige Leistungen“ gemäß § 1486 Z 1 ABGB. Sie unterlägen daher nicht der dreijährigen, sondern der dreißigjährigen Verjährungsfrist.

Zur Begründung des Zulassungsausspruchs führte das Berufungsgericht aus, es fehle an einer oberstgerichtlichen Rechtsprechung zu der Frage, „wann derartige Klagsansprüche verjähren“.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Beklagten erhobene Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Selbst wenn das Berufungsgericht die Zulässigkeit der ordentlichen Revision zu Recht ausgesprochen haben sollte, das Rechtsmittel aber dann nur solche Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, ist die Revision trotz der Zulässigerklärung durch das Gericht zweiter Instanz zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0102059).

Der Beklagte steht auf dem Standpunkt, die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, er sei Gewalthaber des Klägers iSd § 1009 ABGB gewesen, könne dahingestellt bleiben. Beim gegenständlichen Rechtsgeschäft handle es sich um ein solches des „täglichen Lebens“, weshalb die Verjährungsbestimmung des § 1486 Z 1 ABGB jedenfalls anzuwenden sei. Dem ist zu erwidern:

1. Bei einem Automatenaufstellvertrag übernimmt der Aufsteller in der Regel die Vertragspflicht zum Aufstellen und Warten, bei Warenautomaten auch zum Nachfüllen des Automaten, die Entnahme des eingenommenen Geldes, die Abrechnung mit dem Betriebsinhaber und das Auszahlen des vereinbarten Umsatzanteils (bzw „Gewinnanteils“) an ihn. Der Betriebsinhaber verpflichtet sich, das Aufstellen und den Betrieb der Automaten in seinen Räumen, meist an ausdrücklich vereinbarten Stellen, zu gestatten, und seinen Gästen oder Kunden sowie dem Aufsteller den Zutritt zu den Automaten zu gewähren (Häublein in MünchKomm BGB5 Vor § 535 Rn 26). Die vertragliche Hauptleistung des Betriebsinhabers besteht somit typischerweise in der Gestattung der Aufstellung des Automaten in den Räumen seines Geschäftslokals, die Gegenleistung des Aufstellers in der Umsatzbeteiligung des Betriebsinhabers (Emmerich in Staudinger, BGB Vor § 535 Rn 42; zur Leistungspflicht des Betriebsinhabers vgl auch SZ 31/7). Diesem Modell entspricht im Wesentlichen auch der zwischen den Streitteilen geschlossene Vertrag.

2. Die Rechtsnatur solcher Verträge ist umstritten; sie werden im (vorwiegend deutschen) Schrifttum zumeist als „Gestattungsvertrag“ mit mietrechtlichen und gesellschaftsähnlichen Elementen angesehen (Häublein aaO Rn 28; vgl auch Ulmer in MünchKomm, BGB5 Vor § 705 Rn 119; Emmerich aaO Rn 43). Im hier zu beurteilenden Fall hat das Berufungsgericht im Hinblick auf die getroffenen Vereinbarungen, wonach der Beklagte über den Kassaschlüssel verfügen durfte und aus den Kassabeständen die Auszahlungen an die Gewinner vornehmen sowie die Lustbarkeitsabgaben abführen sollte, (auch) Elemente der Geschäftsbesorgung erkannt. Diese Rechtsansicht lässt der Beklagte in seinem Rechtsmittel ausdrücklich unbekämpft.

3. Nach § 1486 Z 1 ABGB verjähren Forderungen für Lieferung von Sachen oder Ausführung von Arbeiten oder sonstige Leistungen in einem gewerblichen, kaufmännischen oder sonstigen geschäftlichen Betrieb in drei Jahren. Die in den Gesetzesmaterialien zur 3. Teilnovelle enthaltene Bezeichnung als „Geschäfte des täglichen Lebens“ weist nur auf den Beweggrund für die Einführung der kurzen Verjährungsfrist für gewisse Forderungen hin. Maßgebend ist aber allein die Aufzählung der konkreten Forderungen im Gesetz (2 Ob 284/99z mwN). Erfasst von dieser Bestimmung sind daher auch Forderungen, bei denen die zu Grunde liegenden Geschäfte nicht mehr als solche des täglichen Lebens bezeichnet werden können, also auch Forderungen von großen Beträgen und aus selten vorkommenden Geschäften, wenn sie zu einer der in § 1486 Z 1 ABGB aufgezählten Gruppen gehören (2 Ob 284/99z; 3 Ob 121/04x; RIS-Justiz RS0034143). Daraus folgt, dass der vom Beklagten in den Vordergrund gerückten Beurteilung als „Geschäft des täglichen Lebens“ keine allein entscheidende Bedeutung zukommen kann.

Die Hauptleistungspflicht des Klägers aus dem Automatenaufstellungsvertrag erschöpft sich - wie erörtert - in der Beteiligung des Beklagten am Einspielungserlös, weshalb der Beklagte seinen Anteil vom Kläger fordern kann. Dessen (eigener) Anspruch auf die Ausfolgung seines „Gewinnanteils“ hat hingegen seine Grundlage nicht in einer Leistung an den Beklagten (arg: „Forderungen für ...“), sondern darin, dass der Beklagte auch diesen Anteil vereinnahmt hat und die Ausfolgung an den Kläger verweigerte. Der Beklagte vermag auch in seinem Rechtsmittel nicht darzutun, worin die „sonstige Leistung“, insbesondere die ins Treffen geführte Geschäftsbesorgung des Klägers bestehen soll, „für die“ diesem der geforderte Betrag als Gegenleistung gebührt.

Nach der Rechtsprechung werden zwar von § 1486 Z 1 ABGB nicht nur Forderungen aus einem gültigen Vertragsverhältnis erfasst, sondern etwa auch solche aus Geschäftsführung ohne Auftrag, Aufwandsersatzansprüche nach § 1041 ABGB oder Bereicherungsansprüche aus ungültigen, sonst jedoch § 1486 ABGB unterliegenden Rechtsgeschäften (1 Ob 32/08z mwN [dort: Kondiktionsanspruch nach irrtümlicher Mehrlieferung]). Auch diesen Ansprüchen liegt aber jeweils zu Grunde, dass der Anspruchsteller an oder für den Anspruchsgegner - wenn auch nicht vertraglich gedeckte - Leistungen erbrachte; ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Forderung des Klägers auf Ausfolgung seines „Gewinnanteils“ nicht der kurzen Verjährung des § 1486 Z 1 ABGB unterliegt, steht somit im Einklang mit der dargestellten Rechtslage und wirft daher keine erhebliche Rechtsfrage auf.

4. Im Allgemeinen ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bei gemischten Verträgen für die Beurteilung jeder einzelnen Leistungspflicht die sachlich am meisten befriedigende Vorschrift heranzuziehen (RIS-Justiz RS0013941), das ist nach der sogenannten Kombinationstheorie die Vorschrift jenes Vertragstyps, dem die einzelne Pflicht entstammt (2 Ob 203/08d mwN; Bollenberger in KBB² § 859 Rz 15; Ulmer aaO Rn 119). War der Beklagte zur Ausfolgung des dem Kläger gebührenden „Gewinnanteils“ verpflichtet und ist dessen Anspruch als Herausgabeanspruch iSd § 1009 ABGB zu qualifizieren, so entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass dieser Anspruch der dreißigjährigen Verjährung unterliegt (8 Ob 5/06b mwN; RIS-Justiz RS0019397; P. Bydlinski in KBB² § 1009 Rz 4).

Indem der Beklagte die zweitinstanzliche Rechtsansicht, er sei Gewalthaber des Klägers iSd § 1009 ABGB, dahingestellt lässt und jegliche Auseinandersetzung mit der gesetzlichen Grundlage des geltend gemachten Anspruchs unterlässt, zeigt er keine dem Berufungsgericht unterlaufene Fehlbeurteilung auf, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof zugänglich wäre.

Schließlich werden auch - allenfalls argumentierbare - Aspekte gesellschaftsrechtlicher Natur in der Revision nicht thematisiert (vgl 2 Ob 22/93; RIS-Justiz RS0034291, RS0034297).

5. Da es somit der Klärung von Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht bedurfte, ist die Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.

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