OGH 8Ob73/10h

OGH8Ob73/10h22.7.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. M***** P*****, Rechtsanwalt, *****, gegen die beklagte Partei G***** F*****, Pensionistin, *****, vertreten durch Dr. Walter Pfliegler, Rechtsanwalt in Wien, wegen gerichtlicher Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 10. März 2010, GZ 39 R 354/09m-21, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die Bestimmung des § 492 ZPO, die das Unterbleiben einer Berufungsverhandlung im Allgemeinen von einem entsprechenden Verzicht abhängig machte, wurde durch das Budget-Begleitgesetz BGBl I 2009/52 aufgehoben. Gemäß § 480 Abs 1 ZPO ist eine Berufungsverhandlung daher nur mehr dann anzuberaumen, wenn der Berufungssenat dies im Einzelfall für erforderlich hält. Damit wurde die Entscheidung über die Notwendigkeit einer Berufungsverhandlung in das Ermessen des Berufungsgerichts übertragen. Durch das Unterbleiben der Durchführung einer Berufungsverhandlung wurde somit keine Nichtigkeit und angesichts der Entscheidung des Berufungsgerichts auch keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens begründet.

2.1 Ein erheblich nachteiliger Gebrauch vom Mietgegenstand iSd § 30 Abs 2 Z 3 MRG liegt vor, wenn durch eine wiederholte, länger währende vertragswidrige Benützung des Bestandobjekts oder durch eine längere Reihe von Unterlassungen notwendiger Vorkehrungen eine erhebliche Verletzung der Substanz des Mietgegenstands erfolgte oder auch nur droht (RIS-Justiz RS0067832; RS0068076), oder wenn das Verhalten des Mieters geeignet ist, den Ruf oder wichtige wirtschaftliche oder sonstige Interessen des Vermieters oder der Mitmieter zu schädigen oder zu gefährden (RIS-Justiz RS0070348; RS0020940). Die Frage, ob ein erheblich nachteiliger Gebrauch vorliegt, ist immer nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (RIS-Justiz RS0068103).

Eine Kündigung wegen unleidlichen Verhaltens setzt eine Störung des friedlichen Zusammenlebens voraus, die durch längere Zeit fortgesetzt wird oder sich in häufigen Wiederholungen äußert und überdies nach ihrer Art das bei den besonderen Verhältnissen des einzelnen Falls erfahrungsgemäß geduldete Ausmaß übersteigt (RIS-Justiz RS0070303; RS0067678). Auch der Frage, ob es sich bei einem konkreten Verhalten um ein unleidliches Verhalten handelt, kommt im Allgemeinen keine grundsätzliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zu (RIS-Justiz RS0042984).

Die Generalklausel des § 30 Abs 1 MRG hat nicht die Aufgabe, fehlende Merkmale der Kündigungsgründe des Abs 2 leg cit zu ersetzen, sondern dient dazu, vom Gesetz sonst nicht erfasste, aber an Gewicht den Kündigungsgründen des Abs 2 gleichwertige Sachverhalte diesen gleichzusetzen. Die vom Vermieter herangezogenen Gründe dürfen daher an Gewicht nicht hinter den in Abs 2 angeführten Kündigungsgründen zurückstehen (RIS-Justiz RS0070192). Bei einem Verstoß gegen vertragliche Verpflichtungen liegt ein Kündigungsgrund in diesem Sinn nur dann vor, wenn dadurch wichtige Interessen des Vermieters in einer Weise verletzt werden, dass sie einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz gleichkommen (RIS-Justiz RS0070227, vgl auch RS0070225).

2.2 Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass sich der Kläger auf die Nichtentfernung des vor rund 50 Jahren errichteten Podests durch die Beklagte nicht erfolgreich berufen kann, ist jedenfalls vertretbar. Ausgehend von den Feststellungen hat er den Bescheid der Baubehörde vom 4. 2. 2008 durch wahrheitswidrige Angaben gegenüber der Behörde erwirkt und dafür gesorgt, dass dieser der Beklagten nicht zugestellt wurde. Nach der nicht korrekturbedürftigen Rechtsansicht der Vorinstanzen wurde die vom Kläger behauptete Beeinträchtigung seiner Interessen durch den behördlichen Beseitigungsauftrag jedenfalls nicht durch das Verhalten der Beklagten herbeigeführt. Diese Beurteilung gilt für beide in der außerordentlichen Revision angeführten Kündigungstatbestände des § 30 Abs 2 Z 3 MRG. Aus diesem Grund vermag der Kläger auch mit den sich auf sein erstinstanzliches Vorbringen beziehenden Ausführungen keine erhebliche Rechtsfrage darzulegen.

Ebenfalls vertretbar ist die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass die - nach den Behauptungen des Klägers bauordnungswidrige - Errichtung des vom Fußboden jederzeit trennbaren Podests nicht geeignet war, eine relevante Beeinträchtigung des Rufs bzw sonstiger Interessen des Klägers oder des Zusammenlebens in seinem Haus zu beeinträchtigen, oder aber eine Bedrohung seiner wirtschaftlichen Existenz zu bewirken, sodass die Fortsetzung des Bestandverhältnisses für ihn unzumutbar sei. Nach dem zutreffenden Hinweis des Berufungsgerichts ist nicht einmal geklärt, ob für das fragliche Podest überhaupt eine Baubewilligung erforderlich gewesen wäre oder eine Bauanzeige ausgereicht hätte. Die Bauanzeige hat die Beklagte zwischenzeitlich nachgeholt. Entgegen der Ansicht des Klägers kann das Gesamtverhalten des Mieters durchaus mitberücksichtigt werden (RIS-Justiz RS0070378).

3. Zu der vom Kläger kritisierten Feststellung des Erstgerichts über eine bisher unterbliebene Aufforderung zur Entfernung des Podests stellte das Berufungsgericht klar, dass die beiden Schreiben des Klägers vom 4. 3. 2008 (Beilagen./G und ./H) mit dem Aufkündigungsverfahren im Zusammenhang stehen und sich die in Rede stehende Feststellung daher auf den Zeitraum vor seiner Bauanzeige vom 11. 10. 2007 bezieht. Auch der Hinweis des Klägers auf eine angebliche Aktenwidrigkeit vermag daher keine erhebliche Rechtsfrage zu begründen.

Soweit er in der außerordentlichen Revision neuerlich auf die mangelnde Belüftbarkeit des straßenseitigen Wohnzimmers sowie auf die Absturzgefahr Bezug nimmt, ignoriert er die von den Vorinstanzen ermittelte Sachverhaltsgrundlage.

Insgesamt gelingt es dem Kläger nicht, mit seinen Ausführungen eine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Die Revision war daher zurückzuweisen.

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