OGH 5Ob131/10s

OGH5Ob131/10s15.7.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Höllwerth und Dr. Roch als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerinnen 1.) Christa F*****, und 2.) Edith W*****, beide vertreten durch Anzböck & Brait, Rechtsanwälte in Tulln, wegen Eintragungen in der EZ 18 Grundbuch *****, über den Revisionsrekurs der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 8. April 2010, AZ 46 R 107/10s, womit infolge des Rekurses der Antragstellerinnen der Beschluss des Bezirksgerichts Meidling vom 18. Februar 2010, TZ 184/2010, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden hinsichtlich des Begehrens auf Einverleibung eines Vorkaufsrechts dahin abgeändert, dass sie insofern zu lauten haben:

„Zu Gunsten von Edith W*****, geboren *****, wird auf der Liegenschaft EZ 18 ***** ob dem Anteil B-LNR 1 der Christa F*****, geboren *****, die Einverleibung des Vorkaufsrechts gemäß §§ 1072 ff ABGB gemäß Punkt III der Vereinbarung vom 3. 6. 1994 bewilligt.“

Im Übrigen wird dem Revisionrekurs nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Erstantragstellerin ist Eigentümerin von 1130/112660-Anteilen der Liegenschaft EZ 18 Grundbuch *****, B-LNR 1, womit Wohnungseigentum an der Wohnung 2 Stiege I verbunden ist. Ihr Eigentumsrecht wurde zu TZ 177/2010 einverleibt.

Bereits mit Vereinbarung vom 3. 6. 1994 hat die Erstantragstellerin als aufgrund eines Leibrentenvertrags Berechtigte („außerbücherliche Eigentümerin“) hinsichtlich dieser Liegenschaftsanteile „zum Zweck der Sicherung der Erhaltung des Familienvermögens sowie der Liegenschaft im Familienbesitz“ der Zweitantragstellerin, ihrer Schwester, unter Punkt III das „Vorkaufsrecht gemäß den Bestimmungen des § 1072 ff ABGB“ eingeräumt und ist in Punkt IV dieser Vereinbarung folgende Verpflichtung eingegangen:

„Darüber hinaus verpflichtet sich Christa F***** geb. *****, gegenüber Edith W*****, geb. *****, dieser sämtliche Erträgnisse, die mit den gegenständlichen Liegenschaftsanteilen, in welcher Form auch immer verbunden sein sollten, wie insbesondere allfällige Mieterträgnisse, nach dem Erlöschen des Wohnungsrechtes des Herrn Otto N*****, geb. *****, sowie einen allfälligen Verkaufserlös aus dem Verkauf der vertragsgegenständlichen Wohnung jeweils zur Hälfte binnen 14 Tagen nach Erhalt auszufolgen.

Die Vertragsteile kommen demzufolge dahingehend überein, das hiemit zwischen den Vertragsteilen eingeräumte und vereinbarte Fruchtgenußrecht ob der vertragsgegenständlichen Liegenschaft grundbücherlich sicherzustellen.“

Unter Punkt V dieses Vertrags erklärte die Erstantragstellerin ihre ausdrückliche Zustimmung zur Einverleibung des Vorkaufsrechts gemäß Punkt III sowie des Fruchtgenussrechts gemäß Punkt IV dieser Vereinbarung.

Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag begehrten beide Antragstellerinnen aufgrund dieses Vertrags ob dem Anteil B-LNR 1 der EZ 18 KG ***** zu Gunsten der Zweitantragstellerin das Vorkaufsrecht gemäß Punkt III der Vereinbarung vom 3. 6. 1994 und das Fruchtgenussrecht gemäß Punkt IV der Vereinbarung vom 3. 6. 1994 einzuverleiben.

Das Erstgericht wies den Grundbuchsantrag ab. Gemäß § 94 Abs 1 Z 3 GBG dürften Einverleibungen und Vormerkungen nur aufgrund von Urkunden bewilligt werden, die einen gültigen Rechtsgrund enthielten. Die bloße Einräumung eines Fruchtgenussrechts reiche nicht aus, um eine Einverleibung zu erwirken. Der Vertragsurkunde müsse zu entnehmen sein, warum das Recht eingeräumt wurde, sei es durch Kauf, Schenkung oder Erfüllung einer bereits bestehenden Verpflichtung. Der vorgelegten Vereinbarung fehle es an der Angabe eines solchen Rechtsgrundes. Weil eine Bewilligung des Fruchtgenussrechts nicht in Betracht komme, müsse auch das weitere Begehren auf Einverleibung des Vorkaufsrechts abgewiesen werden (§ 96 GBG).

Dem dagegen von den Antragstellerinnen erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge.

Gemäß § 26 Abs 2 GBG müssten Urkunden, wenn es sich um die Erwerbung oder Umänderung eines dinglichen Rechts handle, einen gültigen Rechtsgrund enthalten. Die von den Antragstellerinnen vorgelegte Vereinbarung stelle aber keinen gültigen Rechtsgrund für die Einverleibung des Fruchtgenussrechts dar. Der genannte Zweck, nämlich die Sicherung der Erhaltung des Familienvermögens sowie der Liegenschaft im Familienbesitz reiche nach der Rechtsprechung zwar für eine Einverleibung eines Vorkaufsrechts hin, nicht aber für die Einverleibung eines Fruchtgenussrechts. Bei letzterem handle es sich um ein echtes dingliches Recht, das dem Berechtigten ein Recht an der Sache selbst bzw deren Erträgnissen verschaffe. Hiefür sei auch bei unentgeltlicher Rechteeinräumung die Anführung des Rechtsgrundes in der Urkunde gemäß § 26 Abs 2 GBG erforderlich. Das gelte auch dann, wenn eine schenkungsweise Einräumung des Fruchtgenussrechts aus weiteren Bestimmungen der Urkunde vermutet werden könne. Es sei nicht Sache des Grundbuchsgerichts, derartige Urkundenauslegungen vorzunehmen. Selbst wenn man aber von einem erkennbaren Schenkungswillen ausgehe, könnte das Begehren der Antragstellerinnen nicht bewilligt werden: Als Schenkung wäre nämlich die hiefür notwendige Notariatsaktsform einzuhalten. Nur der Vollständigkeit halber fügte das Rekursgericht noch hinzu, dass für die begehrte Einverleibung (des Fruchtgenussrechts) auch der Nachweis der Staatsangehörigkeit gemäß § 5 Abs 3 Wr AuslGEG fehle.

Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil Rechtsprechung des Höchstgerichts zur Frage, welcher Rechtsgrund in einer Grundbuchsurkunde für den Erwerb eines Fruchtgenussrechts genannt sein müsse, fehle.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs beider Antragstellerinnen mit dem Antrag auf Abänderung der Beschlüsse der Vorinstanzen im Sinne einer Bewilligung ihres Grundbuchsantrags; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragstellerinnen ist zulässig, weil das Rekursgericht das Wesen einer Fruchtgenussvereinbarung, die Voraussetzungen der Einverleibung eines Vorkaufsrechts und die Bestimmung des § 95 Abs 2 GBG verkannt hat.

Er ist jedoch nur teilweise, nämlich hinsichtlich des Begehrens auf Verbücherung des Vorkaufsrechts für die Zweitantragstellerin, berechtigt. Im Übrigen ist ihm aber die Berechtigung zu versagen.

1.) Zur Verbücherung des Vorkaufsrechts:

Zufolge § 9 GBG können im Grundbuch nur dingliche Rechte und Lasten, ferner das Wiederkaufs- und das Vorkaufsrecht sowie das Bestandrecht eingetragen werden. Erst durch die Verbücherung entfaltet die Vereinbarung eines Vorkaufsrechts dingliche Wirkung. Ein Vorkaufsrecht ist zwar nach dem Gesetzeswortlaut ein Nebenvertrag zu einem Kaufvertrag, kann aber nach Lehre und Rechtsprechung auch selbständig durch Vertrag begründet werden (vgl RIS-Justiz RS0020146). Für die Eintragung eines Vorkaufsrechts reicht dann die Vereinbarung über das Vorkaufsrecht und die Vereinbarung seiner Verbücherung aus. Der Angabe eines gesonderten Rechtsgrundes in der Vereinbarung bedarf es dann nicht. Eine solche ist daher im Grundbuchsgesuch nicht zu fordern (Hagleitner in Kodek, Grundbuchsrecht Rz 6 zu § 26 GBG mwN).

Eine unentgeltliche Einräumung des Vorkaufsrechts stellt keine Schenkung dar (1 Ob 108/03v = SZ 2004/97). Deshalb unterliegt sie auch nicht der Notariatsaktspflicht (RIS-Justiz RS0119327).

Gemäß § 1 Wr AuslGEG LGBl 1998/11 idgF bedürfen bestimmte Rechtsgeschäfte an Grundstücken, ein Zuschlag im Versteigerungsverfahren und die Annahme eines Überbots einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung bzw einer Bestätigung darüber, dass eine solche Genehmigung nicht erforderlich ist. Die Einräumung eines Vorkaufsrechts ist von diesen Grundverkehrsbeschränkungen nicht erfasst.

Bei der Möglichkeit der Teilstattgebung eines Grundbuchsgesuchs nach § 95 Abs 2 GBG kommt es nicht darauf an, ob ein möglicher Zusammenhang zwischen zwei verschiedenen Teilen eines Begehrens besteht, was eine Gesuchsabweisung zur Gänze nach sich ziehen muss, sondern ob ein unlösbarer Zusammenhang zwischen mehreren Teilen eines Gesuchs besteht (5 Ob 292/07p = NZ 2008, 379 [zust Hoyer NZ 2008, 382]; RIS-Justiz RS0114310 [T2]). Ein solcher unlösbarer Zusammenhang besteht zwischen einem Begehren auf Einverleibung eines Vorkaufsrechts und einem auf Einverleibung eines Fruchtgenussrechts nicht, auch wenn sie in ein und demselben Vertrag derselben Person zugesagt, aber nicht miteinander verknüpft wurden.

Der Revisionsrekurs erweist sich somit hinsichtlich des Begehrens auf Einverleibung des Vorkaufsrechts als berechtigt.

2.) Zum Fruchtgenussrecht:

Zutreffend ist, dass ein Fruchtgenussrecht gemäß § 26 Abs 2 GBG nur aufgrund von Urkunden einverleibt werden kann, die einen gültigen Rechtsgrund enthalten (RIS-Justiz RS0113380). Gemäß § 480 ABGB gibt jeder Vertrag einen tauglichen Rechtsgrund für eine Dienstbarkeitsbestellung ab (5 Ob 2036/96i = SZ 69/110; RIS-Justiz RS0101795). Der bloße Hinweis auf die vertragliche Einräumung einer Dienstbarkeit reicht aber nicht aus, die causa, also den mit der Rechtseinräumung verfolgten rechtlichen Zweck als grundsätzliche Wirksamkeitsvoraussetzung von Rechtsgeschäften nachzuweisen (5 Ob 114/08p = NZ 2009, 27; RIS-Justiz RS0011107 [T5]).

Die vom Rekursgericht aufgeworfene Frage ist im gegenständlichen Fall nicht entscheidungswesentlich. Das der Zweitantragstellerin eingeräumte Recht ist nämlich kein nach § 9 GBG verbücherbares dingliches Recht eines Fruchtgenusses. Im Grundbuch können nur dingliche Rechte und Lasten, ferner das Wiederkaufs-, das Vorkaufsrecht und das Bestandrecht eingetragen werden. Im Sachenrecht herrscht Typenzwang. Aus dem Gesetz ergibt sich eine geschlossene Zahl von dinglichen Rechten, den Parteien steht es nicht frei, neue Sachenrechte zu bilden. Die Ausgestaltung der Sachenrechte nach Inhalt und Umfang ist abschließend im Gesetz geregelt (RIS-Justiz RS0009728; zum Fruchtgenuss vgl 5 Ob 89/93 = NZ 1995, 90 [Hoyer]).

Der Fruchtgenuss ist das dingliche Recht auf volle Nutzung einer fremden Sache unter Schonung der Substanz. Das bloße Recht auf Erträgnisse einer Sache, das noch nicht das Recht gibt, die Sache auch zu verwalten, kommt einem Fruchtgenussrecht nicht gleich (RIS-Justiz RS0011877 [T1]). Im Vordergrund des Fruchtgenussrechts steht ein dingliches Recht auf volle Nutzung einer fremden Sache (RIS-Justiz RS0098753; RS0011873; Klang in Klang II2 510; Koziol/Welser I13 425; Koch in KBB2 § 509 Rz 4).

Weil aber das Fruchtgenussrecht an in die öffentlichen Bücher eingetragenen Liegenschaften zufolge § 481 ABGB erst durch die Verbücherung entsteht, muss der übereinstimmende Parteiwille auf einen solchen Fruchtgenuss gerichtet sein, sonst kann nur ein inhaltlich ähnliches obligatorisches Recht entstehen (Hofmann in Rummel 3 Rz 1 zu § 509 ABGB mwN; RIS-Justiz RS0088537).

Die vorgelegte Vereinbarung, wonach der Zweitantragstellerin sämtliche Erträgnisse der Eigentumswohnung zur Hälfte sowie der halbe Verkaufserlös zukommen sollen, erfüllt die Voraussetzungen des § 509 ABGB somit nicht.

Die dingliche Absicherung einer Kaufpreisteilungsverpflichtung (durch Begründung einer Reallast) wurde vom erkennenden Senat abgelehnt (5 Ob 81/97s = NZ 1998/404; RIS-Justiz RS0108150).

Das Begehren auf Einverleibung eines Fruchtgenussrechts zu Gunsten der Zweitantragstellerin ist daher durch den Inhalt der Urkunden nicht begründet (§ 94 Abs 1 Z 3 GBG).

Auf weitere Abweisungsgründe einzugehen erübrigt sich, weil eine Wiederholung dieses Gesuchs nicht in Betracht kommt (RIS-Justiz RS0060544; zuletzt 5 Ob 15/10g).

Dem Revisionsrekurs war insofern der Erfolg zu versagen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte