Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil lautet:
Das Klagebegehren, 1. die Beklagte sei schuldig, den Klägern zur ungeteilten Hand 105.991,09 EUR samt 4 % Zinsen ab Klageeinbringung zu bezahlen; 2. es werde gegenüber der Beklagten festgestellt, dass diese den Klägern zur ungeteilten Hand für sämtliche Schäden hafte, die aus der weisungswidrigen Auszahlung der Kaufpreisvaluta des Kaufvertrags der Kläger mit der Verkäuferin R***** R***** vom 11. 4. 2007 resultieren, wird abgewiesen.
Die Kläger sind schuldig, der Beklagten die mit 21.009,62 EUR (darin enthalten 1.953,35 EUR USt und 9.289,50 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit schriftlichem Vertrag vom 11. 4. 2007 kauften die Kläger die Liegenschaft EZ ***** GB ***** mit dem Einfamilienhaus *****, auf der zu C-LNr 10 zugunsten der S***** AG (in der Folge: Pfandgläubigerin) ein Höchstbetragspfandrecht über 250.000 EUR einverleibt war, um einen Kaufpreis von 153.500 EUR. Die beklagte Rechtsanwältin errichtete den Kaufvertrag und wurde von den Klägern und der Verkäuferin zur Treuhänderin bestellt. Dazu wurden folgende Vereinbarungen getroffen:
- Die Käufer verpflichteten sich, den Barkaufpreis binnen drei Wochen ab Vertragsunterfertigung bei der Treuhänderin auf das im Vertrag genannte Treuhandkonto zu hinterlegen und die Grunderwerbssteuer sowie die gerichtliche Eintragungsgebühr bei der Treuhänderin auf das im Vertrag genannte Finanzamtskonto mit dem unwiderruflichen Auftrag zu hinterlegen, die Grunderwerbsteuer und die gerichtliche Eintragungsgebühr im Wege der Selbstbemessung zu begleichen.
- Die Beklagte wurde (in Punkt III. des Vertrags) von beiden Vertragsteilen - einseitig unwiderruflich - beauftragt, die Kaufpreisvaluta in Empfang zu nehmen. Für den Fall, dass der Kaufpreis, die Grunderwerbsteuer oder die Eintragungsgebühr nicht fristgerecht oder nicht in voller Höhe erlegt würden, hatte die Verkäuferin das Recht, unter Setzung einer 14tägigen Nachfrist vom Vertrag zurückzutreten.
- Die Treuhänderin verpflichtete sich, den Kaufpreis samt abgereifter Anderkontozinsen abzüglich der Kontoführungsgebühren nach grundbücherlicher Durchführung des Vertrags an die Pfandgläubigerin zur Erlangung der Löschungserklärung ob C-LNr 10 zur Anweisung zu bringen und einen allfälligen Restbetrag auf das angeführte Konto der Verkäuferin anzuweisen. Für den Fall, dass zur Erlangung der für die lastenfreie Übergabe erforderlichen Löschungserklärung ob C-LNr 10 Teile des Kaufpreises bereits vor der grundbücherlichen Durchführung an die buchberechtigte Bank anzuweisen seien, erteilten die Vertragsparteien mit Unterfertigung des Kaufvertrags ihre ausdrückliche Einwilligung hiezu.
- In Vertragspunkt IV. wurde festgehalten, dass das Pfandrecht C-LNr 10 mit dem treuhändig erlegten Gesamtkaufpreis auszubezahlen ist und die Kosten für die Beschaffung der Löschungserklärung von der Verkäuferin zu tragen sind, welche sich verpflichtete, die Käufer diesbezüglich schad- und klaglos zu halten.
- Die Vertragsparteien bevollmächtigten die Treuhänderin mit der Errichtung und der grundbücherlichen Durchführung des Kaufvertrags, mit ihrer Vertretung vor der Finanzbehörde im Verfahren zur Bemessung der Grunderwerbsteuer sowie ausdrücklich [auch] damit, alle zur grundbücherlichen Durchführung des Kaufvertrags erforderlichen und zweckmäßigen Rechtshandlungen zu veranlassen und Erklärungen abzugeben, insbesondere auch Rangordnungsgesuche im Namen der Verkäuferin zu verfassen.
Die Übergabe des Vertragsgegenstands sollte vereinbarungsgemäß am 30. 4. 2004 stattfinden.
Mit Schreiben vom 5. 4. 2007 erteilte [auch] die E***** AG (in der Folge: Bank) der Beklagten einen Treuhandauftrag. Die Bank teilte mit, dass sie im Auftrag der Kläger der Beklagten als ihrer Treuhänderin den Betrag von 153.500 EUR vor Erfüllung der vereinbarten Auszahlungsbedingungen zur Verfügung stellen und entsprechend der Anforderung der Beklagten den obigen Betrag zu treuen Handen überweisen und die Beklagte ermächtigen werde, über diesen zu verfügen, wenn die Erfüllung der nachstehend aufgezählten Treuhandbedingungen aufgrund der der Beklagten vorliegenden Urkunden sichergestellt sei. Im Anschluss daran nannte die Bank die Einverleibung des Eigentumsrechts für die Kläger jeweils zur Hälfte, die Einverleibung des Höchstbetragspfandrechts zugunsten der Bank gemäß der beiliegenden Pfandurkunde über 338.000 EUR nach Löschung sämtlicher Vorlasten im ungeteilten ersten Rang, die Übergabe der entsprechenden Pfandurkunde im Original an die Bank sowie die Übergabe des Grundbuchsbeschlusses und des aktuellen Grundbuchsauszugs, aus dem die ordnungsgemäße Durchführung der genannten Punkte hervorgehe.
Im Weiteren lautet das Schreiben wie folgt:
„Dieser Treuhandauftrag ist bis zum 1. Oktober 2007 befristet. Sollten bis zu diesem Zeitpunkt die Treuhandbedingungen nicht erfüllt sein, ist uns vorbehaltlich einer einvernehmlichen Fristerstreckung der überwiesene Betrag zuzüglich der angereiften Zinsen über unsere Aufforderung unverzüglich rückzuüberweisen.“
Die Beklagte unterfertigte den vorbereiteten Passus, wonach sie sich mit den obigen Bedingungen vollinhaltlich einverstanden erklärte und dementsprechend die Treuhandschaft übernahm, sowie die sofortige Überweisung des Treuhandbetrags anforderte. Diese Erklärung wurde von ihr mit 19. 4. 2007 datiert.
Dem Kaufvertrag zufolge leistete die Verkäuferin unter anderem dafür Gewähr, dass im betreffenden Einfamilienhaus keine baulichen Maßnahmen gesetzt wurden, die der Bauordnung widersprechen, dass keine offenen Bau- oder Abbruchaufträge sowie der Verkäuferin bekannte Mängel bestehen und dass sich die Heizanlage in gewartetem und mängelfreiem Zustand befindet. Nach Übergabe des Hauses stellten die Kläger Mängel fest und forderten die Beklagte auf, bis zur Klärung der Mängelbehebungsproblematik keine Auszahlung des Kaufpreises vorzunehmen. Die Verkäuferin bestritt das Vorliegen von Mängeln und forderte die weitere Durchführung des Kaufvertrags.
Mit Schreiben vom 5. 6. 2007 verwiesen die Kläger auf das von ihnen angestrengte Beweissicherungsverfahren und wiederholten ihre Forderung, mit der Durchführung des Vertrags innezuhalten. Die Beklagte lehnte eine solche Vorgangsweise unter Hinweis auf die Mehrseitigkeit des Treuhandauftrags (Unbeachtlichkeit einer nachträglichen einseitigen Weisung - Erfordernis der Zustimmung aller Parteien) ab.
Mit Schreiben vom 11. 7. 2007 teilte die Bank der Beklagten mit, dass die Erfüllung der Treuhandbedingungen aufgrund des Rücktritts der Käufer nicht mehr möglich sei und ersuchte um Rücküberweisung der Treuhandvaluta. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 12. 7. 2007 ab und verwies darauf, dass die Voraussetzungen für die Rückzahlung des Kaufpreises [mangels Ablaufs der gesetzten Frist] noch nicht erfüllt seien. Zwar habe die zwischenzeitig stattgefundene Befundaufnahme tatsächlich einige Mängel ergeben; der Rücktritt vom Kaufvertrag könnte jedoch möglicherweise nicht gerechtfertigt sein.
In weiterer Folge verwendete die Beklagte einen Teil des Kaufpreises, um die Löschungserklärung hinsichtlich des bestehenden Pfandrechts zu erlangen und veranlasste die grundbücherliche Durchführung des Kaufvertrags. Der Restkaufpreis von 50.000 EUR verblieb auf dem Treuhandkonto.
Am 19. 9. 2007 wurde die Klage auf Wandlung des Kaufvertrags eingebracht. Mit Schreiben vom 20. 9. 2007 teilte die Beklagte dem Vertreter der Kläger mit, dass sie verpflichtet sei, die Treuhandschaft wie vereinbart durchzuführen. Sie habe daher den für die Erlangung der Löschungserklärung erforderlichen Kaufpreisteil bereits an die Pfandgläubigerin zur Auszahlung gebracht und nach Erhalt der Löschungserklärung auch bereits das Grundbuchsgesuch eingereicht. Der Restkaufpreis werde - wie besprochen - auf dem Treuhandkonto bis zu einer einvernehmlichen Regelung zwischen den Vertragsparteien oder bis nach Abschluss eines Prozesses bleiben.
Am 1. 10. 2007 wurde das Eigentumsrecht der Kläger bücherlich einverleibt. Mit Urteil vom 15. 4. 2008 wurde der Kaufvertrag aufgehoben. Die beklagte Verkäuferin wurde schuldig erkannt, binnen vier Wochen die grundbücherliche Rückabwicklung des Kaufvertrags einschließlich der Rückabwicklung des von ihr an die Beklagte erteilten Treuhandauftrags gemäß Punkt III. des Kaufvertrags zu bewirken. Die Verkäuferin war auch damit einverstanden, dass der erliegende Restkaufpreis von 50.000 EUR von der Beklagten an die Kläger rücküberwiesen wurde.
Zwischenzeitig wurde der von der Bank finanzierte Kaufpreis, der ursprünglich als Fremdwährungskredit aufgenommen worden war, zurückkonvertiert, was zu einer Nachbelastung des Kreditkontos der Kläger führte.
Mit der vorliegenden Klage begehren die Kläger Schadenersatz in Höhe von 105.991,09 EUR sA und die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche Schäden, die aus der weisungswidrigen Auszahlung der Kaufpreisvaluta und des Kaufvertrags vom 11. 4. 2007 resultieren. Spätestens seit 12. 7. 2007 sei sich die Beklagte des vorliegenden Interessenkonflikts der Vertragsparteien bewusst und daher zum gerichtlichen Erlag des Kaufpreises verpflichtet gewesen. Sie habe jedoch mit Schreiben von diesem Tag erklärt, der Aufforderung zur Rücküberweisung der Treuhandvaluta an die Bank nicht nachzukommen, weil die Voraussetzungen für eine Rückzahlung des Kaufpreises noch nicht erfüllt seien. Auch von der Klage auf Wandlung sei die Beklagte verständigt worden und habe daraufhin mitgeteilt, sie sei trotz Rücktritt vom Vertrag verpflichtet, die Treuhandschaft wie vereinbart durchzuführen. Der zur Tilgung erforderliche Betrag sei bereits zur Auszahlung gebracht worden, die Pfandgläubigerin habe auch bereits eine Löschungserklärung ausgestellt und es stehe den Käufern nur mehr der Kaufpreisrest zur Verfügung, den die Beklagte treuhändig in Verwahrung halten werde. Entgegen der Ansicht der Beklagten diene die Treuhandschaft nicht der Besicherung der Aufrechterhaltung des Kaufvertrags, sondern der Besicherung des Eigentums der Verkäuferin sowie „des Eigentums der Käufer am Kaufpreis und der finanzierenden Bank an ihrem Pfandrecht“. Der mit Urteil aufgetragenen Rückabwicklung sei die Verkäuferin, die dazu auch wirtschaftlich nicht in der Lage zu sein scheine, nicht nachgekommen. Sie habe einen Verkauf des Hauses und die damit verbundene Rückabwicklung des Kaufvertrags nicht zu Wege gebracht. Es sei nicht absehbar, wann es zu einer derartigen Rückabwicklung kommen werde. Die Beklagte sei rechtzeitig vom Rücktritt vom Kaufvertrag informiert worden und habe dessen ungeachtet dessen bücherliche Abwicklung zu Lasten der Kläger durchgeführt. Sie hafte den Klägern „bereits jetzt“ für den daraus entstandenen Schaden „in Form“ des nicht rückerstatteten Kaufpreises von 105.991,09 EUR. Ein darüber hinausgehender Schaden aus der Verweigerung der Rückerstattung des Kaufpreises an die kreditierende Bank sei derzeit nicht abschätzbar. Die Kläger hätten daher ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass die Beklagte für sämtliche Schäden aus der weisungswidrigen Auszahlung der treuhändig zur Verfügung stehenden Kaufpreisvaluta hafte.
Die Beklagte beantragte Klageabweisung und wendete ein, sie sei ihren vertraglich übernommenen Pflichten als Treuhänderin nachgekommen. Sinn und Zweck einer übernommenen Treuhandschaft sei es, sämtliche Treugeber möglichst abzusichern. Der Treuhänder sei kein Schiedsrichter über behauptete Mängel oder Leistungsstörungen. Er habe die übernommenen Aufträge durchzuführen. Die geforderte gerichtliche Hinterlegung entspreche nicht dem Treuhandauftrag. Der Beklagten sei es verwehrt gewesen, einem einseitigen Auftrag zu entsprechen. Der Treuhänder sei zwar berechtigt zu hinterlegen, aber niemals verpflichtet, dies zu tun.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt beurteilte es rechtlich dahin, dass sowohl die Klägerin als auch die Bank den erteilten Treuhandauftrag widerrufen hätten, was im Gegensatz zum Beharren der Verkäuferin auf der Durchführung des Treuhandauftrags durch grundbücherliche Abwicklung gestanden sei. Der von den Klägern geforderte gerichtliche Erlag sei hier deshalb nicht in Betracht zu ziehen, weil damit die Interessen der Bank nicht im Sinn des Treuhandauftrags (Pfandrechtseinverleibung oder Rücküberweisung) gewahrt gewesen wären. Es wäre der Treuhänderin lediglich dann möglich gewesen, den Ausgang des Rechtsstreits zwischen den Vertragsparteien abzuwarten, wenn die Beklagte den von der Bank erhaltenen Treuhandbetrag an diese zurückbezahlt hätte, zumal spätestens bis zum 1. 10. 2007 ein Pfandrecht einzuverleiben oder der Treuhandbetrag zurückzuzahlen gewesen sei. Bei einer solchen Vorgangsweise hätte die Beklagte den Interessen der Bank und jenen der Kläger gerecht werden können. Die Verkäuferin wäre nicht schlechter gestellt gewesen als wenn es den Klägern von vornherein nicht gelungen wäre, den Kaufpreis bei der Treuhänderin zu erlegen. Der Treuhandauftrag habe nicht zur Sicherung der grundbücherlichen Durchführung des Kaufvertrags dienen sollen, sondern zur Sicherung der Eigentumsrechte der beteiligten Parteien. Die Beklagte treffe daher grundsätzlich die Haftung für den Schaden, der durch die grundbücherliche Durchführung entstanden sei. Die Höhe sei konkret nicht bestritten worden. Die Kläger hätten auch ein Feststellungsinteresse, weil der Kaufpreis kreditfinanziert sei und die Höhe dieses Schadens erst nach Bezahlung des in diesem Urteil zugesprochenen Schadenersatzbetrags berechnet werden könne. Ob die Kosten der „zwangsweisen Konvertierung“ des Kredits als Schaden anzusehen seien, könne derzeit auf sich beruhen.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es vertrat zusammengefasst den Standpunkt, dass der Schaden der Kläger bereits infolge der pflichtwidrigen Auszahlung zur Abdeckung des auf der verkauften Liegenschaft lastenden Pfandrechts eingetreten sei. Durch das Weiterbestehen der Kreditverbindlichkeit im Vermögen der Kläger nach Unterbleiben der Rückführung des Treuhandbetrags an die treugebende Bank sei die den Schaden bewirkende Vermögensminderung eingetreten. In welcher Form es in Zukunft zu einer Minderung dieses Schadens dadurch kommen werde, dass die Verkäuferin, die durch die Abdeckung der Pfandlast bereichert sei, den zur Löschung verwendeten Kaufpreisteilbetrag den Klägern (doch noch) rückerstatten könne, sei ohne Belang. Der nun eingetretene Fall der Leistungsstörung sei von den Parteien der Treuhandvereinbarung vorweg nicht bedacht worden. Es könne ihnen nicht unterstellt werden, dass sie der Beklagten im Fall der Leistungsstörung ein Entscheidungsrecht nach Gutdünken über die Auszahlung oder weitere Verwahrung oder Rücküberweisung des Kaufpreises hätten einräumen wollen. Werde strittig, ob das Objekt Mängel habe und seinen Preis überhaupt wert sei, verletze die Ausfolgung des Treuhandbetrags (oder hier die Verwendung des kreditfinanzierten Kaufpreises zur Abdeckung der pfandrechtlich sichergestellten Verbindlichkeit im Interesse der Verkäuferin) die Interessen des kreditgebenden Treugebers, dessen Hypothek dann möglicherweise keine volle Deckung im Wert der Liegenschaft finde. Die Treuhandabwicklung solle daher nicht, weder rechtlich noch faktisch, über Fälle der Leistungsstörungen entscheiden. Durch die Fortsetzung der Verbücherung ungeachtet der Informationen, dass der Kaufvertrag durch Wandlung aufgehoben werden könnte, habe die Beklagte die Interessenkollision einseitig zugunsten der Verkäuferin entschieden. Auch die von der Bank gesetzte Frist bis zum 1. 10. 2007 beseitige den Vorwurf der Einseitigkeit nicht, weil die Bank im ursprünglichen Treuhandauftrag „entweder“ Verbücherung „oder“ Rückzahlung vorbehaltlich einer Fristverlängerung aufgetragen habe. Insofern habe der Bank gegenüber keine Verpflichtung bestanden, in jedem Fall und ungeachtet weiterer Entwicklung zu verbüchern. Es habe vielmehr dem Interesse der Bank an einer werthaltigen Sicherstellung widersprochen, die Verbücherung voranzutreiben, anstatt um die im Treuhandauftrag angesprochene Verlängerung des Auftrags „anzufragen“. Am 19. 9. 2007 sei die Klage auf Wandlung gerichtshängig und die Beklagte nach dem unwidersprochenen Klagevorbringen davon auch verständigt worden. Die Bank habe ihrerseits bereits im Juli 2007 einen „Widerruf“ des Treuhandauftrags ausgesprochen, sodass die Beklagte daraus immerhin hätte entnehmen können, dass von Seite der Bank kein über das Interesse der Käufer hinausgehendes Eigeninteresse an der Verbücherung des Kaufvertrags mehr bestanden habe. Der Meinung der Berufung, dass die Beklagte die Verbücherung ungeachtet des Wandlungsbegehrens abzuwickeln und die Lastenfreistellung zu bewirken gehabt habe, könne daher nicht beigepflichtet werden.
Das Berufungsgericht schloss sich auch hinsichtlich des Feststellungsbegehrens der Beurteilung des Erstgerichts an. Der Schaden sei schon deshalb nicht im vollen Umfang bezifferbar, weil er durch die verzögerte Rückführung des zur Finanzierung des Kaufpreises aufgenommenen Kredits der Kläger entstehe. Es hänge daher, wie das Erstgericht zutreffend ausgeführt habe, unter anderem vom Zeitpunkt der Ersatzleistung der Beklagten ab, wann und in welchem Umfang der aushaftende Kredit getilgt werde. Daher sei zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz die endgültige Beurteilung der Höhe des durch das Verhalten der Beklagten verursachten Vermögensschadens noch nicht möglich gewesen und damit auch das bestrittene Feststellungsinteresse gegeben.
Die ordentliche Revision sei zulässig, weil „zum pflichtgemäßen Verhalten des Treuhänders im Fall einer außerplanmäßigen Leistungsstörung im Grundverhältnis (über die Zulässigkeit des hier nicht relevanten Hinterlegungsantrags hinaus)“ keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.
Gegen die Berufungsentscheidung richtet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag im klageabweisenden Sinn; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, sie ist auch berechtigt.
Die Revisionsbeantwortung schließt sich der Beurteilung der Vorinstanzen an und verweist dabei auf die Entscheidung 7 Ob 626/92. Diese beschäftige sich mit der hier verfahrensgegenständlichen Rechtsfrage und gelange zum Ergebnis, dass die gerichtliche Hinterlegung eines wegen versteckter Mängel strittigen Teilbetrags, sogar trotz Gewährleitungsausschlusses im Kaufvertrag, „zulässig“ sei. Umso mehr müsse dies im vorliegenden Fall gelten.
Tatsächlich geht die Entscheidung 7 Ob 626/92 jedoch von einem völlig anders gelagerten Sachverhalt aus; dort durfte die Treuhänderin den Kaufpreis nämlich erst und nur dann an den Verkäufer weiterleiten, wenn die Beklagten ihr eine Bestätigung über die ordnungsgemäße Übergabe der Wohnung zugesandt hätten. Da der Auslegung dieser vertraglichen Bestimmung keine über den vorliegenden Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukam, wurde die dortige Revision zurückgewiesen.
Demgegenüber beruft sich die Beklagte in ihrer Revision zutreffend auf die in der Entscheidung 7 Ob 111/08m dargelegten Grundsätze ständiger Rechtsprechung, die der erkennende Senat bereits anlässlich der Beurteilung eines vergleichbaren Falls wie folgt zusammengefasst hat:
„Der [dortige] Treuhandauftrag muss daher so verstanden werden, dass der Beklagte [= Treuhänder] an den Verkäufer nur auszahlen darf, sobald eine lastenfreie Einverleibung des Eigentumsrechts der Käufer gewährleistet ist. ...
Wer einen Geldbetrag in Wahrung der Interessen zweier Personen in Verwahrung nimmt (oder nehmen soll), ist Treuhänder beider Teile (RIS-Justiz RS0010452). Bei einem mehrseitigen Treuhandverhältnis hat der Treuhänder die - gegensätzlichen - Interessen aller Treugeber bestmöglich zu wahren (RIS-Justiz RS0107334). Einer nachträglichen Weisung, die nur von einem Treugeber ausgeht, sachlich ungerechtfertigt ist und den anderen Treugeber belastet, darf der Treuhänder beider Vertragsteile nicht nachkommen (RIS-Justiz RS0010417; RS0112065).
Dem Beklagten war demnach ein Abgehen von dem an ihn unwiderruflich erteilten Treuhandauftrag, vor der Auszahlung des (restlichen) Kaufpreises für den lastenfreien Eigentumserwerb der Käufer zu sorgen, allein aufgrund der Zustimmung des Verkäufers zu einer Eigentumseinverleibung vor Erlag des Kaufpreises nicht möglich. Die diesfalls unterbleibende Lastenfreistellung des Kaufobjekts hätte ja zur Belastung der Käufer in der Form geführt, dass sie eine mit einem Pfandrecht belastete Liegenschaft erworben und das Risiko der Lastenfreistellung selbst zu tragen gehabt hätten. Die somit erforderliche Zustimmung der Käufer zum Abgehen vom im Kaufvertrag erteilten Treuhandauftrag wurde aber von der Klägerin gar nicht behauptet.
... Der mehrseitige Treuhänder darf keine Erhöhung des Risikos für einen oder mehrere Treugeber herbeiführen. … Welche Interessen der Treuhänder gegenüber einem bestimmten Treugeber zu wahren hat, bestimmt sich in erster Linie nach Inhalt und Zweck des ihm erteilten Treuhandauftrags (6 Ob 262/99v = RIS-Justiz RS0112065 [T1] = RS0107334 [T2]; 7 Ob 119/05a).“
Von diesen Grundsätzen ausgehend macht die Revision zu Recht geltend, dass die bekämpfte Beurteilung, die Beklagte habe ihre Pflichten als Treuhänderin durch die mit der Fortführung der Lastenfreistellung verbundene Schuldtilgung (Abdeckung der Pfandschuld im „einseitigen“ Interesse der Verkäuferin) verletzt, mit der zitierten ständigen Rechtsprechung zur Unwiderruflichkeit mehrseitiger offener Treuhandschaften zum Zweck der Abwicklung von Liegenschaftskaufverträgen nicht in Einklang steht.
Danach war es der hier beklagten Treuhänderin nämlich ebenfalls nicht gestattet, von den ihr unwiderruflich erteilten Treuhandaufträgen allein aufgrund der Weisungen der Käufer abzugehen. Die in diesem Fall unterbleibende Lastenfreistellung des Kaufobjekts samt geforderter gerichtlicher Hinterlegung des Kaufpreises hätte ja nicht nur den Interessen der Verkäuferin (an der Tilgung der Pfandschuld) widersprochen, sondern auch zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Belastung der Bank geführt; und zwar in der Form, dass mangels Tilgung der Pfandschuld weiterhin nur die bereits mit einem Pfandrecht belastete Liegenschaft als Sicherheit zur Verfügung gestanden wäre, wobei der Kaufpreis - trotz Unterbleibens der grundbücherlichen Durchführung des Kaufvertrags - nicht rücküberwiesen, sondern hinterlegt worden wäre. Die somit erforderliche Zustimmung der betroffenen Treugeber zu einem solchen Abgehen von den erteilten Treuhandaufträgen wurde aber von den Klägern gar nicht behauptet. Daher durfte die Beklagte der nachträglichen Weisung, die nur von einem Treugeber ausging, sachlich nicht gerechtfertigt war und die anderen Treugeber belastete, nicht nachkommen (RIS-Justiz RS0010417; RS0112065; zu allem: 7 Ob 111/08m mwN).
Da es der Klägerin nicht gelungen ist, eine pflichtwidrige Vorgangsweise der Treuhänderin nachzuweisen sind - in Stattgebung der Revision - die Entscheidungen der Vorinstanzen im klageabweisenden Sinn abzuändern.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.
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