OGH 1Ob105/10p

OGH1Ob105/10p6.7.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann Dr. E. Solé und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, Wien 6, Linke Wienzeile 18, vertreten durch Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei I*****ges.m.b.H., *****, als Masseverwalterin im Konkurs der A***** AG, *****, vertreten durch HAUSMANINGER KLETTER Rechtsanwälte‑Gesellschaft mbH, wegen Unterlassung gemäß § 28 KSchG und Veröffentlichung (Streitwert: 26.500 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 11. August 2009, GZ 4 R 71/09g‑24, womit das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 12. Februar 2009, GZ 22 Cg 209/08i‑12, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1. a) Das unterbrochene Verfahren wird hinsichtlich des Unterlassungs- und Veröffentlichungsanspruchs aufgenommen.

b) Der Antrag der klagenden Partei, das Verfahren auch hinsichtlich der vor Konkurseröffnung aufgelaufenen Kosten aufzunehmen, wird abgewiesen.

2. Die Bezeichnung der beklagten Partei wird wie im Kopf der Entscheidung ersichtlich berichtigt.

3. Der Revision wird nicht Folge gegeben.

4. Die beklagte Partei ist schuldig der klagenden Partei die mit 115,56 EUR (darin enthalten 18,96 EUR USt) bestimmten Kosten des Aufnahmeantrags binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Zu 1. Über das Vermögen der A***** AG (im Folgenden: beklagte Partei) wurde am 4. 5. 2010 der Konkurs eröffnet. Dadurch wurde das bereits beim Obersten Gerichtshof anhängige Verfahren unterbrochen (vgl 1 Ob 215/09p). Die klagende Partei beantragte am 7. 5. 2010 die Fortsetzung des Verfahrens, die in diesem Verfahrensstadium vom Obersten Gerichtshof auszusprechen ist (RIS‑Justiz RS0037225; RS0036655). Vor der Prüfungstagsatzung kann aber nur das Verfahren über das nicht der Anmeldung im Konkurs unterliegende Unterlassungs- und Veröffentlichungsbegehren (RIS‑Justiz RS0064093; zur „Teilfortsetzung“ vgl RIS‑Justiz RS0064071), nicht aber das Verfahren über die bis zur Konkurseröffnung aufgelaufenen Kosten (RIS-Justiz RS0064270) aufgenommen werden (§ 7 Abs 3 KO).

Zu 2. Weiters war die Berichtigung der Bezeichnung der Partei, über deren Vermögen der Konkurs eröffnet wurde, vorzunehmen (9 ObA 87/08x mwN).

Zu 3.

Die beklagte Partei hat im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit 420.000 Genussscheine emittiert, die (zumindest zu einem Teil) seit September 2001 durchgehend an der Börse notieren. Die zugrundeliegenden Genussscheinbedingungen enthalten in ihrem § 8 unter der Überschrift „Dauer der Genussrechte; Ansprüche bei Rückkauf“ ua nachstehende Bedingungen:

„1. Das Genussrechtskapital in der Höhe von insgesamt bis zu 420.000 EUR wird, soweit sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, der Gesellschaft auf die Dauer ihres Bestehens unter Verzicht auf die ordentliche und außerordentliche Kündigung zur Verfügung gestellt.

2. Die Gesellschaft ist berechtigt, die Genussrechte unter Einhaltung einer 6‑monatigen Verständigungsfrist zum Ende eines jeden Wirtschaftsjahres der Gesellschaft, frühestens jedoch zum 31. 12. 2004, zurückzukaufen. Der Kaufpreis für die Genussscheine entspricht dem zum Verkaufsstichtag geltenden Kurswert der Genussscheine. Der Kaufpreis ist binnen 10 Bankwerktagen nach dem Verkaufsstichtag gegen Einreichung der Genussscheine samt allfälliger Nebenpapiere und abzüglich allenfalls einzubehaltender Steuern fällig.“

In dem von der Beklagten verwendeten Auftragsformular für den Kauf der Genussscheine findet sich folgende Bedingung:

„Der Kunde erklärt sein Einverständnis, dass alle erforderlichen Schritte im Zusammenhang mit der Eröffnung/Auflösung seines Kontos/Wertpapierdepots, dem Kauf/Verkauf von Wertpapieren von der A***** AG bei der R***** durchgeführt und abgewickelt werden. Bankübliche Spesen und Depotgebühren übernimmt zur Gänze die A***** AG, wenn Konto und Depot bei der R***** eröffnet werden. Der Kauf der A*****‑Genussscheine, vermittelt von der A***** AG, erfolgt mit einem Agio. Der Verkauf von A*****‑Genussscheinen ist spesenfrei. Ab einer durchschnittlichen Performance von 12 % pa wird eine Gewinnbeteiligung von 10 % plus Mehrwertsteuer vom Gesamtkursgewinn einbehalten. Das Anlegerprofil für den Kunden wurde erstellt und die Risikohinweise übergeben. Genussscheinbedingungen wurden übergeben und dem Kunden erklärt.“

Die Klägerin mahnte mit Schreiben vom 7. 11. 2008 die klagsgegenständlichen Klauseln ab und beanstandete deren Verstoß gegen §§ 879 Abs 3 ABGB und 6 Abs 1 Z 1 KSchG. Die Beklagte teilte mit, die Kritik am Ausschluss des ordentlichen und außerordentlichen Kündigungsrechts in den Genussscheinbedingungen nicht nachvollziehen zu können und gab keine Unterlassungserklärung ab.

Die Klägerin begehrt der Beklagten im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern die Verwendung dieser bzw sinngleicher Klauseln in AGB und Vertragsformblättern und die Berufung darauf zu verbieten. Weiters wird ein Veröffentlichungsbegehren gestellt. Die beanstandeten Klauseln seien nach § 879 Abs 3 ABGB und § 6 Abs 1 Z 1 KSchG unzulässig, weil der gänzliche Ausschluss des außerordentlichen Kündigungsrechts mangels sachlicher Rechtfertigung jedenfalls gröblich benachteiligend sei. Die Genussscheinbedingungen enthielten keine Verpflichtung der Gesellschaft, für eine Börsennotierung zu sorgen, sondern lediglich eine „Kann‑Bestimmung“. Es liege überdies eine Ungleichbehandlung vor, weil die Beklagte ihrerseits in der zweiten Klausel ein ordentliches Kündigungsrecht zugestanden erhalte. Deshalb sei auch der Ausschluss eines ordentlichen Kündigungsrechts der Konsumenten unzulässig. Es bestehe Wiederholungsgefahr, weil die Beklagte keine Unterlassungserklärung iSd § 28 Abs 2 KSchG abgegeben habe, obwohl sie dazu aufgefordert worden sei. Die Qualifikation des Genussscheinkapitals als Eigenkapital spiele für die Frage der Zulässigkeit des vertraglichen Kündigungsausschlusses keine Rolle. Im Übrigen hätten Genussscheininhaber nie rechtlich die Möglichkeit gehabt, die Wertpapiere auch tatsächlich über die Börse zu kaufen oder zu verkaufen, weil sie verpflichtet seien, den Kauf und den Verkauf der Wertpapiere über die R***** und die A***** AG durchzuführen. Eine allfällige Börsennotierung sei rechtlich nur dann relevant, wenn die Genussscheininhaber im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses auch eine faktische Verkaufsmöglichkeit an der Börse gehabt hätten. Aufgrund des der Beklagten zustehenden jährlichen ordentlichen Kündigungsrechts seien die Genussscheine von vornherein nicht aktienähnlich. Eine Börsennotierung könne nur den Ausschluss des Rechts zur ordentlichen, nicht aber zur außerordentlichen Kündigung rechtfertigen. Letzteres sei vielmehr zwingend und könne nicht abbedungen werden. Selbst wenn man den Ausschluss des ordentlichen und des außerordentlichen Kündigungsrechts in zwei selbständige Klauseln trenne, gelte das aber keinesfalls für das der Beklagten eingeräumte ordentliche Kündigungsrecht, hier sei eine isolierte Betrachtung unzulässig.

Der im Laufe des Verfahrens zu einem Teil des Klagebegehrens angebotene Unterlassungsvergleich samt Anerkenntniserklärung sei unbeachtlich, weil der dazu gehörende Anspruch auf Urteilsveröffentlichung nicht anerkannt worden sei. Auch könne dadurch der Unterlassungsanspruch nach § 28 Abs 2 Satz 2 KSchG nicht wegfallen und die Gesetzwidrigkeit des geheilten Kündigungsausschlusses zumindest bei laufenden Altverträgen nicht rückwirkend geheilt werden. Die Beklagte unternehme den unzulässigen Versuch einer teleologischen Reduktion der inkriminierten Klausel, indem der Wegfall des der Beklagten als Gesellschaft eingeräumten Kündigungsrechts bewirken solle, dass die Rechtswidrigkeit des Kündigungsausschlusses der Verbraucher entfalle.

Nur eine fristgerecht abgegebene Unterlassungserklärung beseitige die Wiederholungsgefahr, nicht aber eine solche nach erfolgter Klagseinbringung, weil sie nicht fristgerecht sei.

Die Beklagte erklärte, sich rechtsverbindlich zu verpflichten, die bestehende Börsennotierung nicht aktiv zu beenden, insbesondere kein Delisting durchzuführen und sämtliche zumutbaren Maßnahmen zu setzen, um diese Börsennotierung so lange aufrecht zu erhalten, bis sie oder ihre Genussrechte erloschen seien. Im Übrigen wendete sie ein, dass die Genussscheine eine aktienähnliche Ausgestaltung mit Eigenkapitalcharakter hätten und den Rechtsinhabern die gleichen Rechte wie stimmrechtslosen Vorzugsaktionären einräumten. Deshalb sei es rechtlich geboten, die für letztere geltenden Rechtsvorschriften analog anzuwenden. Es liege ein quasi-gesellschaftsrechtliches Beteiligungsverhältnis vor. Jeder Genussscheininhaber werde aufgrund der Risikohinweise darüber informiert, dass es sich bei den Genussscheinen um ein Substanzgenussrecht handle und der etwaige Verkauf sowohl vom Kurs als auch von der Marktsituation abhängig sei. Die Genussscheine hätten durchgehend an der Börse notiert. Auch bei stimmrechtslosen Vorzugsaktien bestehe keine Möglichkeit der ordentlichen Kündigung, sondern nur jene des Ausstiegs aus dem Investment durch Veräußerung über die Börse. Da Genussscheine Eigenkapital darstellten, erfordere der Bestandsschutz der Gesellschaft, aber auch der Gläubigerschutz die Rechtswirksamkeit des Ausschlusses der vorzeitigen Kündigung. Auch in § 23 Abs 4 Z 1 BWG und § 73c Abs 1 Z 1 VAG habe der Gesetzgeber Genussscheinbedingungen vorgesehen, in denen eine Kündigung ausgeschlossen werde. Im Hinblick auf die bestehende Börsennotiz bedürfe es auch keines außerordentlichen Kündigungsrechts, das bei Dauerschuldverhältnissen nur eine ultima ratio darstelle und nur dann anwendbar sei, wenn keine andere Lösungsmöglichkeit vorliege. Der Oberste Gerichtshof habe in 10 Ob 534/05f für die Zulässigkeit des Ausschlusses der außerordentlichen Kündigung keine konkrete, sondern eine prinzipielle Börsengängigkeit gefordert. Beim Ausschluss des ordentlichen und des außerordentlichen Kündigungsrechts handle es sich jeweils um selbständige Regelungen, die isoliert zu betrachten seien, wenn sie auch sprachlich in einem Satz zusammengefasst sein mögen.

In Bezug auf ihr einseitiges Kündigungsrecht anerkannte die Beklagte im Zuge des Verfahrens das Unterlassungsbegehren, nicht jedoch das Veröffentlichungsbegehren und bot diesbezüglich einen pönalebewehrten Unterlassungsvergleich an. Darüber hinaus sei die Klage unzulässig, weil im Falle ihrer Stattgebung den Anlegern großer Schaden zugefügt werde, weil kein vernünftiger Aktieninvestor aufgrund der dramatischen Finanzkrise seine Aktien verkaufen und das Genussrechtskapital seine Qualität als Eigenkapital verlieren würde. Dies führe zur Passivierung des Genussrechtskapitals als Fremdkapital und im Hinblick auf die gefallenen Börsenkurse zumindest temporär zu einer Überschuldung der Beklagten und deren Insolvenz, was eine Verlustrealisation im größtmöglichen Ausmaß und eine Maximierung des Schadens auf Anlegerseite bedeute. Es liege daher eine statutenwidrige Verbandsklage gemäß § 29 Abs 2 Z 2 KSchG vor, weil die Klagsführung den Verbraucherinteressen aufgrund evidenter Anlegerschädigung schade.

Der Urteilsveröffentlichung bedürfe es nicht, weil die klagende Partei auf ihrer Internethomepage über das Verfahren berichte und Presseaussendungen durchführe, wodurch das öffentliche Interesse gewahrt werde.

Aufgrund des Anerkenntnisses betreffend die Klausel über das Kündigungsrecht der Gesellschaft bestehe diese und damit ein einseitiges Kündigungsrecht der Gesellschaft nicht mehr. Sie dürfe daher auch nicht mehr bei Prüfung der ersten Klausel über den Ausschluss des ordentlichen und außerordentlichen Kündigungsrechts der Genussscheinerwerber zur Beurteilung herangezogen werden.

Aufgrund des Anerkenntnisses und des angebotenen Unterlassungsvergleichs liege auch keine Wiederholungsgefahr mehr vor.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Hinblick auf den Ausschluss des außerordentlichen Kündigungsrechts der Anteilsscheinzeichner sowie des ordentlichen Kündigungsrechts der Gesellschaft statt und wies das Klagebegehren im Zusammenhang mit dem Ausschluss der ordentlichen Kündigung der Genussscheinerwerber ab. Es verwarf den Einwand der Unzulässigkeit des Klagebegehrens. Die Argumentation der Beklagten würde bedeuten, dass das Klagerecht des klagenden Vereins vom jeweiligen Zustand der Finanzmärkte und Börsenkurse abhängig wäre, was jeder rechtlichen Grundlage entbehre. Eine Rechtfertigung der Klagsführung durch den in den Statuten der Klägerin enthaltenen Zweck sei nicht erforderlich. Das Anerkenntnis der zweiten Klausel sei prozessualer Natur und müsse zur Klagsstattgebung führen. Für die materiellrechtliche Voraussetzung der Wiederholungsgefahr habe dieses prozessuale Anerkenntnis außer Bedacht zu bleiben. Im Übrigen beziehe sich die Regelung des § 28 Abs 2 KSchG auf die Beseitigung der Wiederholungsgefahr vor Klagseinbringung und nicht während des Verbandsprozesses. Die unbefristete Bindung von Kapital sei im Bereich des Gesellschaftsrechts nichts Ungewöhnliches. Der Ausschluss der ordentlichen Kündigung sei nach der Judikatur dann zulässig, wenn die Übertragbarkeit ausreichend abgesichert sei und dem Anleger eine der Kündigung gleichwertige Beendigungsmöglichkeit geboten werde. Die Börsennotierung bilde ein starkes Indiz für die Zulässigkeit des Austauschs der Lösungsrechte durch die Börsengängigkeit. Dass die Börsennotierung keine Sicherheit dafür biete, dass das Wertpapier auch immer an der Börse zu seinem dort bestehenden Kurswert verkauft werden könne, sei als übliches Marktrisiko anzusehen, das den veräußernden Anleger treffe. Hier habe die Beklagte tatsächlich die Notierung an der Börse seit Ausgabe der Genussscheine gewährleistet. Es bestehe daher eine faire Verteilung der wechselseitigen Rechte, Pflichten und Risken, auch wenn die Beklagte aufgrund der Genussscheinbedingungen nicht ausdrücklich dazu verpflichtet sei, ständig für eine Börsennotierung zu sorgen. Die Verpflichtung zur Börsennotierung ergebe sich aus dem Umstand, dass nur eine solche den Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts rechtfertige. Wolle die Beklagte also diesen Ausschluss beibehalten, müsse sie gleichzeitig die Börsennotierung aufrecht erhalten.

Dagegen ändere auch die Veräußerbarkeit der Genussscheine an der Börse nichts daran, dass ein Dauerschuldverhältnis vorliege, das grundsätzlich aus wichtigem Grund auflösbar sein müsse. Der Verweis auf das Partizipationskapital nach dem BWG und VAG führe zu keiner anderen Beurteilung, weil diese Instrumente auf bestimmte Unternehmen, die einer besonderen staatlichen Aufsicht unterlägen, beschränkt sei. Daraus könne nicht die Anerkennung der Wirksamkeit des Ausschlusses des außerordentlichen Kündigungsrechts auf davon nicht betroffene Genussscheinverhältnisse abgeleitet werden. Im Zusammenhang mit der Möglichkeit der Beklagten, eine ordentliche Kündigung auszusprechen, liege unter Berücksichtigung aller Interessen eine auffallende Ungleichbehandlung der Gesellschaft gegenüber Genussscheininhabern, die sachlich nicht gerechtfertigt sei. Das berechtigte Interesse an der Urteilsveröffentlichung liege bei der Verbandsklage nach dem KSchG darin, dass die Verbraucher als Gesamtheit das Recht hätten, darüber aufgeklärt zu werden, dass bestimmte Geschäftsbedingungen gesetz‑ bzw sittenwidrig seien. Die bloß faktische Änderung der Klauseln nach Klagseinbringung sei nicht geeignet, das Bedürfnis der Öffentlichkeit nach Aufklärung über die seinerzeitige Verwendung gesetzwidriger Vertragsbestandteile zu beseitigen. Bereits die Zahl der von der Beklagten ausgegebenen Genussscheine spreche für das öffentliche Interesse an der Information.

Das von beiden Streitteilen angerufene Berufungsgericht änderte die erstinstanzliche Entscheidung im Sinne einer gänzlichen Klagsstattgebung ab und ließ die ordentliche Revision zu. Der Privatautonomie bei der rechtlichen Ausgestaltung von Genussrechten seien grundsätzlich durch die Bestimmungen der §§ 884a, 879 ABGB und § 6 KSchG Grenzen gesetzt. Ein völliger Ausschluss des Kündigungsrechts bei unbefristeten Dauerschuldverhältnissen sei jedenfalls sittenwidrig und ein Verstoß gegen § 879 ABGB. Die Ausnahme bei der Ausgabe von Partizipationskapital bei Banken und Versicherungen sei nicht verallgemeinerungsfähig. Im Zusammenhang mit dem ordentlichen Kündigungsrecht sei es nicht ausreichend, dass im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses faktisch ein für den Genussscheininhaber günstiger Zustand bestehe, wenn dieser nicht rechtlich abgesichert sei. Im Verbandsklageverfahren sei stets die kundenfeindlichste objektive Auslegung maßgeblich. Eine Börsennotierung stelle selbst dann, wenn sie rechtlich verpflichtend vorgesehen sei, keinen in rechtlich oder wirtschaftlicher Hinsicht vollständig gleichwertigen Ersatz für das der Gesellschaft, nicht aber den Genussscheininhabern zustehende ordentliche Kündigungsrecht dar, weil einerseits die tatsächliche Verkaufsmöglichkeit an der Börse nicht immer gegeben sei und andererseits auch ein Verkauf an der Börse nicht gewährleiste, dass der Genussscheininhaber den ihm vertraglich zustehenden Wert erhalte. Ein Ausschluss der Kündigung sei grundsätzlich nur dann zulässig, wenn die Übertragbarkeit ausreichend abgesichert sei und damit einer Kündigung gleichwertige Beendigungsmöglichkeiten geboten würden. Das verlange Information der Anleger und die Schaffung von Voraussetzungen, die die Marktfähigkeit der Anlage förderten, wie deren Verbriefung und Börsenzugänglichkeit. Der Anleger könne durch die Übertragungsmöglichkeit das Lösungsrecht nur ausüben, wenn er einen Anleger finde, der bereit sei, die Kapitalanlage zu übernehmen. Gelinge ihm dies nicht, wirke der Austausch des Lösungsrechts wie ein Kündigungsausschluss, der zu einer sittenwidrigen Knebelung des Anlegers führen könne. Nur wenn die Übertragbarkeit sichergestellt sei, sei eine Verdrängung der Kündbarkeit einer Kapitalanlage durch deren Übertragung zulässig. Die Börsennotierung liefere damit keine automatische Berechtigung, sondern bilde nur ein Indiz für die Zulässigkeit des Austauschs. Sie rechtfertige überdies den Ausschluss der ordentlichen Kündigung nur im Fall eines beiderseitigen Ausschlusses des Kündigungsrechts. Dagegen werde hier der Gesellschaft die Möglichkeit eingeräumt, das Rechtsverhältnis in einem günstigen Zeitpunkt zu lösen und Genussscheinkapital abzuschichten. Es liege daher ein Ungleichgewicht zwischen der Beklagten und den Genussscheininhabern vor, das die Klausel unzulässig iSd § 879 Abs 3 ABGB und § 6 Abs 1 Z 1 KSchG mache.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Wer im geschäftlichen Verkehr in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die er seinen Verträgen zugrundelegt, oder in hiebei verwendeten Formblättern Bedingungen vorsieht, die gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen, kann nach § 28 Abs 1 KSchG auf Unterlassung geklagt werden. Dieses Verbot schließt auch das Verbot ein, sich auf solche Bedingungen zu berufen, soweit sie unzulässigerweise vereinbart wurden.

2. Nach § 879 Abs 3 ABGB ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls einen Teil gröblich benachteiligt. Dabei ist einerseits die objektive Äquivalenzstörung und andererseits die „verdünnte Willensfreiheit“ zu berücksichtigen. Die Beurteilung, ob eine Klausel den Vertragspartner gröblich benachteiligt, orientiert sich am dispositiven Recht, das als Leitbild eines ausgewogenen und gerechten Interessenausgleichs für den Durchschnittsfall dient (9 Ob 81/08i; RIS‑Justiz RS0014676).

Weicht eine Klausel vom dispositiven Recht ab, liegt eine gröbliche Benachteiligung eines Vertragspartners im Sinne der Bestimmung dann vor, wenn es für die Abweichung keine sachliche Rechtfertigung gibt. Das ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die dem Vertragspartner zugedachte Rechtsposition in einem auffallenden Missverhältnis zu vergleichbaren Rechtspositionen des anderen steht (RIS‑Justiz RS0014676; zuletzt 9 Ob 81/08i; 3 Ob 12/09z; 6 Ob 81/09v). Die Ausnahme von der in § 879 Abs 3 ABGB verankerten Inhaltskontrolle - die Festlegung der beiderseitigen Hauptleistungspflichten ‑ ist möglichst eng zu verstehen und soll auf die individuelle, zahlenmäßige Umschreibung der beiderseitigen Leistungen beschränkt bleiben. Die im dispositiven Recht geregelten Modalitäten der Hauptleistung, zB Ort und Zeit der Vertragserfüllung, fallen nicht unter diese Ausnahme (RIS‑Justiz RS0016908; RS0016931). Auch Klauseln, die das eigentliche Leistungsversprechen einschränken, verändern oder ausfüllen, unterliegen der Inhaltskontrolle (9 Ob 81/08i mit Verweis auf 6 Ob 253/07k und 3 Ob 12/09z).

3. Im Verbandsprozess nach § 28 KSchG hat die Auslegung der Klausel im „kundenfeindlichsten“ Sinn zu erfolgen (RIS‑Justiz RS0016590). Auf eine etwaige teilweise Zulässigkeit der beanstandeten Klausel kann nicht Rücksicht genommen werden, weil eine geltungserhaltende Reduktion im Verbandsprozess nicht möglich ist (RIS‑Justiz RS0038205).

4. Die Beklagte meint, dass im vorliegenden Fall der Kündigungsausschluss keine Nebenbestimmung sei, weil die Tatsache der Einordnung als Eigenkapital zwingendes Produktkriterium gewesen sei. Diese setze wiederum den Ausschluss der Kündigung voraus.

Dem kann nicht gefolgt werden:

Was eine Haupt‑ bzw Nebenleistung eines Vertrags ist, der auf Basis von Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern abgeschlossen wurde, ist nach objektiven Kriterien und nicht nach den allfälligen Vorstellungen des Verwenders der Formblätter oder AGB zu beurteilen. Ansonsten könnte der Verwender solcher AGB oder Vertragsformblätter deren Kontrolle regelmäßig umgehen.

5. Weiters meint die Revisionswerberin, dass im Hinblick auf die besonderen Erfordernisse der Aufklärung und Information der Anleger sowohl nach den Wohlverhaltensregelungen des WAG als auch nach dem KMG und überhaupt durch die individuelle Beratung des Anlegers keine Informationsasymmetrie vorliege und daher kein Verstoß gegen den Verbraucherschutz.

Auch dem kann nicht beigepflichtet werden:

Die Nichtigkeitssanktion des § 879 Abs 3 ABGB bezieht sich auf die gröbliche Benachteiligung eines Vertragspartners im Sinne einer objektiven Äquivalenzstörung und „verdünnter Willensfreiheit“ (vgl auch RIS‑Justiz RS0016914). Liegen diese Umstände vor, kommt es auf eine (aktuelle) Informationsasymmetrie nicht an.

6. Dass sowohl das WAG als auch das KMG Spezialbestimmungen zum KSchG enthalten, ändert nichts daran, dass das KSchG anwendbar bleibt, mögen auch in besonderen Aspekten der Geschäftsabwicklung ‑ zB bei der Prospektpflicht nach dem KMG oder besonderen Informationspflichten nach dem WAG ‑ zusätzliche Sonderanforderungen für die Ausgabe von Genussscheinen hinzutreten.

7. Zum Ausschluss der außerordentlichen Kündigung:

7.1. Unbestritten sind die hier zu beurteilenden Genussscheinbedingungen Grundlage für Vertragsbeziehungen, die die Gewährung von Genussrechten nach § 174 Abs 3 AktienG zum Gegenstand haben. Gesetzliche Regelungen, die das Genussrecht genauer definieren und seine rechtliche Gestaltung regeln, hat der Gesetzgeber bewusst nicht erlassen in dem Bestreben, die Entwicklung dieses Instruments unter Achtung des Prinzips der Privatautonomie nicht zu hindern. Entsprechend vielfältig ist die Art der Genussrechte, die damit eingeräumt werden können. In der Regel werden Genussrechte als Gegenleistung für Unternehmensfinanzierung eingeräumt und gewähren Ansprüche auf einen Teil des Gewinns, oft auch eine Beteiligung am Liquidationsergebnis. Sie können alle Rechte betreffen, die typischerweise Vermögensrechte eines Aktionärs sein können, nicht aber Verwaltungsrechte, insbesondere weder Stimmrecht noch Anfechtungsbefugnis. Genussrechte gewähren daher keine mitgliedschaftlichen Rechte. Im Gegensatz zu Aktien leiten sich Genussrechte nicht aus einem Gesellschaftsverhältnis ab, sondern sind schuldrechtlicher Natur und gewähren reine Gläubigerrechte ( Nagele in Jabornegg/Strasser AktienG 4 § 174 Rz 27 ff; Zollner in Doralt/Novotny/Kalss Komm zum AktienG § 174 Rz 17 f; Jusits , Genussscheine im österreichischen Zivilrecht, wbl 1987, 81).

7.2. Die Tatsache, dass die rechtliche Ausgestaltung der Genussrechte keiner besonderen gesetzlichen Regelung unterliegt, bedeutet für den Emittenten weitgehende Gestaltungsfreiheit. Der Privatautonomie sind aber grundsätzlich durch die Bestimmungen der §§ 864a, 879 ABGB und § 6 KSchG Grenzen gesetzt (RIS‑Justiz RS011791; 7 Ob 267/02v; 10 Ob 34/05f). Das auf Einräumung von Genussrechten gerichtete Rechtsgeschäft ist nach der Rechtsprechung ein Vertrag sui generis und begründet ein Dauerschuldverhältnis. Ihm liegen regelmäßig formularmäßige Bedingungen zugrunde, welche den für AGB sonst geltenden Vorschriften der §§ 864a, 879 Abs 3 ABGB sowie des KSchG unterliegen (RIS‑Justiz RS0117292).

7.3. Da Genussrechte im allgemeinen der Unternehmensfinanzierung dienen, sind sie auf Dauer angelegt und daher Dauerschuldverhältnisse ( van Husen aaO 116; Nagele aaO Rz 32 mwN; 10 Ob 34/05f). Nach in Rechtsprechung und Lehre unbestrittener Auffassung ist die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung, also einer Kündigung aus wichtigem Grund, allen Dauerschuldverhältnissen immanent ( Koziol/Welser , Grundriss II 139 ; RIS‑Justiz RS0018368; SZ 60/77 und SZ 59/42). Ein völliger Ausschluss des Kündigungsrechts bei einem unbefristeten Dauerschuldverhältnis wird daher grundsätzlich als sittenwidrig und als Verstoß gegen § 879 ABGB angesehen (vgl 1 Ob 176/98h = SZ 71/141 zu einem Teilzeitnutzungsrecht).

Auch für ein Genussrechtsverhältnis wird allgemein die Auffassung vertreten, dass das Recht auf eine außerordentliche Kündigung im Kern zwingend ist und durch allgemeine Geschäftsbedingungen nicht abbedungen werden kann, wenn das weitere Festhalten am Vertrag für eine Partei unzumutbar ist (10 Ob 34/05f; Kalss , Anlegerinteressen 494; van Husen aaO 169 f, 210, 235; Lindinger , Über Zulässigkeit und Beendbarkeit bestimmter Genussrechte, JBl 2003, 730 f; Lutter in Köllner Komm zum AktienG § 221 Rz 269).

7.4. Bei der Schaffung der Wohlverhaltensregeln des WAG stand die Aufwertung des Finanzplatzes Österreich im Vordergrund. Das Anlegerschutzkonzept des sekundären EG-Börse- und Kapitalmarktrechts basiert auf einem differenzierten Schutz nach der jeweiligen Professionalität des Anlegers, eine rein verbraucherschutzrechtlich orientierte Auslegung der allgemeinen Verhaltenspflichten fehlt ( Winternitz , Wertpapieraufsichtsgesetz Vor § 11 Rz 19 mwN). Vorrangiges Ziel der allgemeinen Verhaltenspflichten des WAG sind Schutz-, Aufklärungs‑ und Beratungspflichten sowie Aufzeichnungs‑ und Aufbewahrungspflichten und Ausfolgungspflichten. Der von der Revision angesprochene § 12 WAG (alt) stellt kein Sonderprivatrecht, sondern ein für Verbrauchergeschäfte normiertes flankierendes Verwaltungsstrafrecht dar ( Knobl , Die Wohlverhaltensregeln der §§ 11 bis 18 des österreichischen Wertpapieraufsichtsgesetzes, in ÖBA 1997, 9).

7.5. Die Revisionswerberin beruft sich in diesem Zusammenhang vor allem auf die Regelungen des Partizipationskapitals nach § 23 BWG und § 73c VAG. In beiden Bestimmungen wird Partizipationskapital als Kapital beschrieben, das auf Unternehmensdauer unter Verzicht auf die ordentliche und außerordentliche Kündigung zur Verfügung gestellt wird, das nur unter analoger Anwendung der aktienrechtlichen Kapitalherabsetzungsvorschriften (bzw nach dem BWG) eingezogen werden kann, dessen Erträgnisse gewinnabhängig sind und das wie Eigenkapital bis zur vollen Höhe am Verlust teilnimmt sowie mit dem Recht auf Beteiligung am Liquidationserlös verbunden ist und erst nach Befriedigung der Sicherstellung aller anderen Gläubiger zurückgezahlt werden darf.

Beide Bestimmungen regeln nicht die Zulässigkeit des Partizipationskapitals an sich, sondern normieren, unter welchen Voraussetzungen Partizipationskapital den Eigenmitteln zugerechnet werden darf.

Der Revision ist zuzugestehen, dass beide Bestimmungen offensichtlich von der grundsätzlichen Zulässigkeit von Kapitalbeteiligungen mit den aufgezählten Wesensmerkmalen, darunter auch dem dauerhaften Verzicht auf die ordentliche und außerordentliche Kündigung, ausgehen. Damit ist aber noch keineswegs gesagt, dass dies in zivilrechtlicher Hinsicht ‑ insbesondere in Vertragsformblättern oder AGB gegenüber Verbrauchern ‑ zulässig ist.

Die Frage kann aber letztlich dahingestellt bleiben, weil beide Bestimmungen auf ganz bestimmte Unternehmen, nämlich Banken bzw Versicherungsgesellschaften, beschränkt sind. Diese Normen wurden in die österreichische Rechtsordnung eingeführt, um den Kredit- und Versicherungsunternehmen die Aufbringung von Eigenkapital zu erleichtern ( van Husen , Zum Schicksal des Partizipationskapitals und seiner Verwandtschaft zu Vorzugsaktien, Die Versicherungsrundschau 2001, 230). Dass diese Bestimmungen auf die Beklagte direkt anwendbar wären, behauptet sie selbst nicht. Da sie mit dem oben dargelegten allgemeinen Grundsätzen zu Dauerschuldverhältnissen - jedenfalls was die außerordentliche Kündigungsmöglichkeit betrifft ‑ im Widerspruch stehen, sind sie als Spezialregelungen auch nicht ausdehnend auf die Beklagte analog anzuwenden. Auch in 10 Ob 34/05f hat der Oberste Gerichtshof darauf verwiesen, dass die Bestimmungen des § 23 BWG bzw § 73c VAG über das Partizipationskapital keine andere Beurteilung des Ausschlusses des außerordentlichen Kündigungsrechts rechtfertigen können, weil die Ausgabe derartigen Kapitals ausschließlich Banken und Versicherungen vorbehalten sei. Der Gesetzgeber habe die Ausgabe bewusst auf Unternehmen beschränkt, die einer besonderen staatlichen Aufsicht zum Schutz der Kunden vor einer Insolvenz oder schlechter Geschäftsgebarung unterlägen. Die Bestimmungen bezweckten hingegen nicht, das Recht der Dauerschuldverhältnisse in diesem Bereich neu zu gestalten. Es könne aus den Bestimmungen über das Partizipationskapital jedenfalls kein so gravierender Eingriff in allgemeine schuldrechtliche Prinzipien, wie es die Anerkennung der Wirksamkeit des Ausschlusses der außerordentlichen Kündigung eines Genussrechtsverhältnisses als Dauerschuldverhältnis wäre, abgeleitet werden.

7.6. Letztlich führt die Revisionswerberin für die Zulässigkeit des Ausschlusses des außerordentlichen Kündigungsrechts in ihren AGB die Entscheidung 10 Ob 34/05f an und meint, dass dort für den Fall der Börsennotierung keine Bedenken gegen den Ausschluss eines Kündigungsrechts bestanden.

In dieser Entscheidung wurde aber die mangelnde Börsegängigkeit der dort zu beurteilenden Gewinnscheine in erster Linie im Zusammenhang mit dem Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts behandelt. Die Unzulässigkeit des Ausschlusses des außerordentlichen Kündigungsrechts wurde umfassend auf andere Gründe gestützt und lediglich als weiteres Argument auch auf die mangelnde Börsegängigkeit verwiesen.

7.7. Der Ausschluss eines außerordentlichen Kündigungsrechts für die Dauer des Bestehens der Gesellschaft ist daher insgesamt bei den von der Beklagten ausgegebenen Genussscheinen als sittenwidrig iSd § 879 Abs 3 ABGB anzusehen, ohne dass es auf die Börsengängigkeit der Beteiligung ankäme.

8. Zum Ausschluss der ordentlichen Kündigung:

8.1. Hier meint die Revisionswerberin, dass bei Kapitalgesellschaften das Austrittsrecht durch ein Übertragungsrecht ersetzt werde, um den Haftungsfonds zu Gunsten der Gläubiger zu erhalten. Wie bereits dargelegt, erwerben die Zeichner von Genussrechten aber keine sozietären Anteile an der Beklagten, sondern eine Gläubigerstellung, sodass dieses Argument fehlschlägt.

8.2. Die Tatsache, dass die Beklagte die Erlöse aus der Emission der Genussscheine als Eigenkapital behandeln möchte, hat nicht zur Rechtsfolge, dass ein Austrittsrecht durch ein Übertragungsrecht ersetzt werden darf. Vielmehr ist umgekehrt zuerst in zivilrechtlicher Hinsicht ‑ hier gegenüber Verbrauchern ‑ die Zulässigkeit des Ausschlusses des Kündigungsrechts zu prüfen; daran können sich gegebenenfalls zB bilanz‑ oder steuerrechtliche Rechtsfolgen knüpfen.

8.3. Wie ebenfalls bereits in 10 Ob 34/05f dargelegt, kann der Ausschluss der Kündigung grundsätzlich nur dann zulässig sein, wenn die Übertragbarkeit der Beteiligung ausreichend gesichert ist und dem Anleger eine der Kündigung gleichwertige Beendigungsmöglichkeit geboten wird. Dieser Umstand wurde dort in der Verbriefung und Börsezugänglichkeit gesehen. Der 10. Senat sah eine unkündbare Zurverfügungstellung von Kapital (in Bezug auf das ordentliche Kündigungsrecht) für rechtfertigbar, wenn die Übertragbarkeit der Anteile über eine organisierte Markteinrichtung - insbesondere über die Börse - möglich ist. Keinen Einfluss maß er dem Umstand bei, dass durch mangelnden Umsatz weder die rasche Veräußerbarkeit gewährleistet sei, noch (wegen des Kursrisikos) die Sicherheit bestehen kann, dass der Anleger den tatsächlichen Wert seines eingesetzten Vermögens lukrieren kann. Dies falle vielmehr in das typische Anlegerrisiko. Die Börsennotierung sei aber keine automatische Berechtigung, sondern nur ein starkes Indiz für die Zulässigkeit des Austauschs der Lösungsrechte, weil mit der Börsennotierung nicht nur die Vereinfachung der Vertragspartnersuche, sondern auch die Bewertung der Kapitalanlage einhergehe. Auch wenn eine im Zeitpunkt des Erwerbs des Wertpapiers bestehende Börsennotierung noch keine verlässliche Sicherheit dafür biete, dass das Wertpapier auch während der nachfolgenden Jahrzehnte immer an der Börse zu seinem dort bestehenden Kurswert verkauft werden könne, treffe dieses Marktrisiko den veräußernden Anleger. Die nachträgliche Verschlechterung der Veräußerungsmöglichkeit durch eine unvorhergesehene Änderung der Marktlage schade nicht. Die Liquidität werde nicht nur vom Emittenten alleine sondern im Zusammenwirken mit den am Handel Beteiligten und schließlich vor allem durch die kauf‑ und verkaufswilligen Anleger bestimmt. Die Börsennotierung gebe dem Anleger grundsätzlich die Möglichkeit, seine Kapitalanlage jederzeit zu objektiv festgestellten Konditionen zu veräußern (aaO mit Verweis auf Kalss , Anlegerinteressen 54).

8.4. Selbst wenn man davon ausginge, dass Börsegängigkeit im Sinne der obigen Ausführungen grundsätzlich den Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts rechtfertigen könnte, ist hier aber auf folgende besondere Umstände Bedacht zu nehmen:

Festgestellt wurde zwar, dass die Gewinnscheine seit ihrer Ausgabe an der Börse notieren, nicht dagegen, ob dies tatsächlich für alle betroffenen Gewinnscheine gilt, oder - wie dem Vorbringen der Klagsseite zu entnehmen ist - nur für einen Teil, und bejahendenfalls wie hoch der Anteil ist. Dies bedarf aber keiner näheren Klärung, weil die Sache auch so entscheidungsreif ist.

In den AGB der Beklagten wird die ordentliche Kündigung der Anleger auf Dauer des Bestehens der Beklagten ausgeschlossen. Die Beklagte dagegen ist beginnend mit Ende 2004, also rund 3 Jahre nach Erstausgabe der Genussscheine, berechtigt, zum Ende eines jeden Wirtschaftsjahres die Genussrechte zu kündigen und zurückzukaufen. Dies ist aber - wie Braumann in ÖBA 1984, 402 plastisch darlegt - doppelt bedenklich: Einerseits kann damit verhindert werden, dass nach Ablauf der Verzichtsfrist der Kurs der Gewinnscheine steigt, weil die Käufer mit der jederzeitigen Kündigung rechnen müssen. Die Kündigung ist aber gerade dann zu befürchten, wenn die Gewinnaussichten der Emittenten gut sind, weil dann Genussscheine wegen der Gewinnbeteiligung tendenziell „teuer“ sind. Die Kündigungsmöglichkeit durch die Emittenten kann also die Lukrierung dieser Ertragsaussichten und damit möglicherweise auch das Zustandekommen eines Sekundärmarkts verhindern. Das aber stellt den Zweck der Börseneinführung und die Rechtfertigung für die Unkündbarkeit der Gewinnscheine in Frage. Da tendenziell bei positiver wirtschaftlicher Entwicklung mit einer Kündigung durch den Emittenten gerechnet werden muss, bleiben die Anleger von den Ertragsaussichten eher ausgeschlossen, obwohl sie mit demselben Risiko wie die Gesellschafter ihren kapitalmäßigen Beitrag geleistet haben. Umgekehrt haben sie aber bei schlechter Ertragsentwicklung keine Möglichkeit, sich von der Beteiligung zu trennen, mit Ausnahme der Veräußerung über die Börse zu einem Kurs, der die schlechte wirtschaftliche Lage voll widerspiegeln wird.

8.5. Da die schlechte Marktlage - wie oben dargelegt ‑ in der Regel kein Grund für die Ausübung des außerordentlichen Kündigungsrechts, sondern Teil des Anlegerrisikos ist, bedeutet diese unterschiedliche Ausgestaltung der ordentlichen Kündigungsrechte eine gröbliche Benachteiligung der Anleger zu Gunsten der Beklagten, für die eine sachliche Rechtfertigung nicht zu erkennen ist.

9. Dass die Beklagte im Zuge des Verfahrens die Unterlassungspflicht im Bezug auf das der Gesellschaft zustehende ordentliche Kündigungsrecht zum Ende eines jeden Wirtschaftsjahres ab 2004 anerkannt hat, ändert an dieser Beurteilung nichts. Zum einen ist, wie bereits dargelegt, bei der Angemessenheitskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB objektiv auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen und für diesen Zeitpunkt eine umfassende, die Umstände des Einzelfalls berücksichtigende Interessenprüfung vorzunehmen. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass der Wegfall dieser Klausel der AGB lediglich dazu führt, dass das ordentliche Kündigungsrecht der Beklagten nicht mehr in den AGB geregelt ist. Keineswegs ist damit umgekehrt ‑ wie bei den Anlegern ‑ ein Ausschluss der ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung auch für die Beklagte Inhalt der AGB bzw der Verträge.

Dass die Beklagte das Kündigungsrecht nur einmal im Jahr (zum Ende des Geschäftsjahrs) ausüben kann, ändert an der Beurteilung als gröbliche Benachteiligung ebenfalls nichts, weil die Beklagte selbst ihr Geschäftsfeld und ihre wirtschaftlichen Aussichten sowie ihre tatsächliche wirtschaftliche Lage am besten einschätzen und daher die Kündigungsmöglichkeit auch einmal im Jahr ungleich vorteilhafter nutzen kann.

10. Was letztlich den Verweis auf die einseitigen Kündigungsrechte nach dem SpaltG bzw § 226 AktienG betrifft, handelt es sich dort um Spezialfälle der Spaltung bzw Verschmelzung von Gesellschaften ohne Aussagekraft für das hier zu beurteilende Vertragsverhältnis.

11. Ob daher die Börsengängigkeit von Genussrechten grundsätzlich geeignet wäre, das ordentliche Kündigungsrecht ‑ zumindest für die Dauer der tatsächlichen Börsennotierung ‑ zu ersetzen, braucht hier nicht abschließend beurteilt zu werden, weil im Hinblick auf die übrigen Bestimmungen der AGB bei der Gesamtabwägung von einer Nichtigkeit der beanstandeten Klauseln iSd § 879 Abs 3 ABGB und § 6 Abs 1 Z 1 KSchG auszugehen ist.

12. Über die bis zur Konkurseröffnung aufgelaufenen Kosten ist mangels Fortsetzung des Verfahrens (noch) nicht zu entscheiden. Beim Kostenersatzanspruch des Klägers für den Fortsetzungsantrag nach der Konkurseröffnung handelt es sich dagegen um eine Masseforderung, sodass insoweit ein Leistungsbefehl zu erlassen ist (vgl 9 ObA 87/08x mwN).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte