Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die klagende und gefährdete Partei ist schuldig, der beklagten Partei und dem Gegner der gefährdeten Partei die mit 559,15 EUR (darin enthalten 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin ist Turnierreiterin sowie Wertungsrichterin bei Reitturnieren und damit Mitglied und Funktionärin der Beklagten. Aus Anlass ihrer Teilnahme bei einem Dressurturnier am 13. 9. 2008 in Kottingbrunn wurde gegen sie ein verbandsinternes Disziplinarverfahren abgeführt. Ihr wurde vorgeworfen, ihrem Unmut über die schlechte Leistung ihres Pferdes dadurch Ausdruck verliehen zu haben, dass sie das Pferd während des Piaffierens und Passagierens durch übermäßigen Einsatz der Gerte, der Sporen und der Kandare unreiterlich behandelt und das Geschehen mit diversen Schimpfwörtern kommentiert habe. Mit Disziplinarerkenntnis des Strafausschusses der Beklagten vom 30. 3. 2009 wurde sie wegen konkret bezeichneter Disziplinarvergehen nach § 2012 Z 2 der Turnierordnung des Beklagten (ÖTO) zu einem zeitlichen Ausschluss von der Teilnahme an Reitbewerben und zu einer zeitlichen Sperre als Turnierrichterin in der Dauer von drei Monaten verurteilt. Am 30. 6. 2009 wurde dieses Erkenntnis durch das Schiedsgericht des BFV bestätigt.
Die anwendbaren Bestimmungen der ÖTO lauten auszugsweise:
„§ 2001 Zuständigkeit
1. Die Rechtsordnung (RO), in der jeweils gültigen Fassung, bestimmt die Vorgangsweise, wie die satzungsmäßigen Organe, die Mitglieder und Funktionäre ihre entsprechenden Tätigkeiten für das Wohlergehen der Pferde und für die faire Abwicklung aller Pferdesportdisziplinen zum Vorteil aller Teilnehmer und der Zuschauer ausüben.
...
3. Streitigkeiten, die aus der oben erwähnten Tätigkeit oder Funktion resultieren, unterliegen dieser Rechtsordnung. Ausgenommen hievon sind nur Streitigkeiten gemäß den Satzungen des BFV aus dem Vereinsverhältnis des BFV zu ordentlichen Mitgliedern des BFV (das sind die LFV), bei denen das Schiedsgericht gemäß den Satzungen des BFV zuständig ist.
...
5. Schiedsgerichte bei pferdesportlichen Veranstaltungen, Schiedsgerichte der LFV, der Strafausschuss des BFV und das Schiedsgericht des BFV entscheiden über Einsprüche und Ordnungsmaßnahmen. Es handelt sich nicht um Schiedsgerichte im Sinne der Zivilprozessordnung.
6. Ordentliche Gerichte dürfen nicht angerufen werden, soweit und solange die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts der RO oder des Strafausschusses des BFV begründet ist.
Werden ordentliche Gerichte nach Ausschöpfung des verbandsinternen Instanzenzuges und Rechtskraft der ergehenden Entscheidung nicht binnen 4 Wochen nach Zustellung der letztinstanzlichen Entscheidung angerufen, so gilt dies als Verzicht.
...
§ 2002 Organe der Rechtsordnung und sachliche Zuständigkeit
1. In erster Instanz sind folgende Organe zuständig:
1.1 ...
...
1.3 Der Strafausschuss des BFV für vom BFV bestellte oder ernannte Funktionäre ...
...
2. In zweiter Instanz sind folgende Organe zuständig:
2.1 ...
...
2.3 Das Schiedsgericht des BFV.
§2022 Anordnung einer Ordnungsmaßnahme, Veröffentlichung
1. ...
...
4. Ordnungsmaßnahmen mit Ausnahme der Verwarnung sind, sobald sie verbandsintern rechtskräftig geworden sind, ebenso wie vorläufige Maßnahmen, unter Angabe des Grundes in den offiziellen Mitteilungen des BFV zu veröffentlichen.
...“
Punkt XX. der Satzungen des Beklagten lautet:
„XX. Das Schiedsgericht
Zur Schlichtung von aus dem Verbandsverhältnis entstehenden Streitigkeiten ist das verbandsinterne Schiedsgericht gemäß Schiedsrechts-Änderungsgesetz 2006 berufen. Es ist eine ‘Schlichtungseinrichtung' im Sinne des Vereinsgesetzes 2002 und kein Schiedsgericht gemäß den Bestimmungen der ZPO.
Für Berufungen gegen Entscheidungen des Schiedsgerichts ist die Generalversammlung zuständig. Die Generalversammlung entscheidet über die Berufung endgültig und unter Ausschluss des Rechtsweges.“
Die Klägerin erhob am 23. 6. 2009 ein Unterlassungsbegehren und stellte gleichzeitig den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die darauf abzielt, dem Beklagten vor rechtskräftigem Abschluss des vorliegenden Verfahrens den weiteren Vollzug der am 30. 3. 2009 verkündeten Disziplinarmaßnahme, insbesondere durch Veröffentlichung des Disziplinarerkenntnisses, zu untersagen. Das Vereinsschiedsgericht versuche, auf sie größtmöglichen Druck auszuüben. Dies gelange dadurch zum Ausdruck, dass ein lediglich vereinsintern rechtskräftiges Disziplinarurteil vollzogen und veröffentlicht werde. Diese Vorgangsweise beruhe auf Verbandsstatuten, die dem Standard der Menschenrechtskonvention für Strafen und Disziplinarstrafen in grobem Maß widersprechen würden. Sie sei Dressurrichterin und aktive Turnierreiterin. Der Vollzug des Strafurteils und dessen Veröffentlichung begründe einen Schaden, der nicht mehr gut zu machen sei.
Der Beklagte entgegnete, der vereinsinterne Strafausschuss habe die Klägerin mit Urteil vom 30. 3. 2009 wegen Schädigung des Ansehens des Pferdesports, unreiterlichem Benehmen und unreiterlicher Behandlung eines Pferdes zu einer temporären Ordnungsstrafe verurteilt. Das Schiedsgericht habe diese Entscheidung bestätigt. Die Veröffentlichung von Ordnungsmaßnahmen nach verbandsinterner Rechtskraft sei in der ÖTO, der sich die Klägerin unterworfen habe, vorgesehen. Im Interesse des Tierschutzes sei die Veröffentlichung der rechtskräftigen Disziplinarmaßnahme unbedingt erforderlich. Die mit dem Disziplinarurteil verhängten Sperren seien seit 1. 7. 2009 beendet. Die Klägerin habe auch keine konkrete Gefährdung dargelegt.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Aus dem Vorbringen der Klägerin sei nicht ersichtlich, inwieweit eine Veröffentlichung des Straferkenntnisses die Gefahr eines unwiederbringlichen Schadens begründen solle. Nach Ablauf der dreimonatigen Sperre als Turnierreiterin und Turnierrichterin könne sie diese Tätigkeiten wieder ausüben.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Klägerin habe nicht dargelegt, warum eine nicht mehr gut zu machende Schädigung konkret befürchtet werden müsse. Auch mit Rücksicht auf § 1330 ABGB sei eine einstweilige Verfügung anspruchsgebunden. Aus § 7b MedienG sei abzuleiten, dass die Veröffentlichung des Straferkenntnisses nicht unzulässig sei. Zudem sei das Schiedsverfahren auch in zwei Instanzen unter Beiziehung der Klägerin durchgeführt worden. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage der Zulässigkeit der Veröffentlichung eines vereinsinternen Straferkenntnisses vor Ausschöpfung des zivilrechtlichen Instanzenzugs höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle. Über Verlangen des Obersten Gerichtshofs sprach das Rekursgericht ergänzend aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige.
Noch vor Zustellung der Entscheidung des Rekursgerichts, nämlich in der Ausgabe September 2009 der Verbandszeitschrift „Pferde Revue“, in der auch die offiziellen Mitteilungen des beklagten Verbands veröffentlicht werden, erfolgte die in § 2022 Z 4 ÖTO vorgesehene Veröffentlichung des vereinsintern rechtskräftigen Disziplinarerkenntnisses gegen die Klägerin.
Gegen die bestätigende Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die beantragte einstweilige Verfügung zu erlassen.
Mit seiner Revisionsrekursbeantwortung beantragt der Beklagte, dem Rechtsmittel der Klägerin den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs des Rekursgerichts erweist sich der Revisionsrekurs als unzulässig.
1. Das Hauptbegehren und ebenso das weitgehend inhaltsgleiche Sicherungsbegehren zielen auf die Untersagung des Vollzugs des gegen die Klägerin erlassenen Disziplinarerkenntnisses ab. Diesen Vollzug bezog die Klägerin zunächst auf ihre temporäre Sperre als Turnierreiterin und Turnierrichterin sowie auf die Veröffentlichung des Erkenntnisses „als Zusatzstrafe“. Mit Schriftsatz vom 2. 7. 2009 ließ sie das Haupt- sowie das Sicherungsbegehren in Ansehung der Untersagung des Vollzugs der befristeten Sperren zufolge Zeitablaufs fallen. Dementsprechend wies sie in ihrem Rekurs ausdrücklich darauf hin, dass nur mehr die Zusatzstrafe der Veröffentlichung des Disziplinarerkenntnisses vor Ablauf der Frist für die Anrufung der staatlichen Gerichte verfahrensgegenständlich sei.
Zur Begründung von Haupt- und Sicherungsbegehren berief sich die Klägerin in ihrem Vorbringen auf die EMRK- bzw Sittenwidrigkeit der Verbandsstatuten. Im Zusammenhang mit der behaupteten Gefährdung iSd § 381 Z 2 EO führte sie zwar aus, dass ihr Ruf durch den „kalten Vollzug“ des Disziplinarurteils bereits geschädigt sei, weil sie von ihr zugesagte Termine als Turnierrichterin absagen müsse. Der noch viel größere Schaden drohe durch die in § 2022 Z 4 ÖTO vorgesehene Veröffentlichung des Disziplinarerkenntnisses. Dazu erwähnte sie auch die Bestimmung des § 1330 ABGB. Sie legte allerdings nicht dar, worin sie die inkriminierten Äußerungen und den Unwahrheitsgehalt allfälliger unwahrer Tatsachenmitteilungen erblickt. Dementsprechend bezieht sich auch das Sicherungsbegehren nicht auf die Untersagung angeblich ehrverletzender oder rufschädigender Äußerungen. Nach dem Vorbringen der Klägerin und dem Begehren gehört auch die Frage, ob das Disziplinarerkenntnis einer gerichtlichen Kontrolle standhält, nicht zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Die Klägerin wendet sich somit ausschließlich gegen den Vollzug des Disziplinarerkenntnisses durch dessen Veröffentlichung. Ob in dieser Hinsicht eine reine Vereinsstreitigkeit, die eine Anrufung der ordentlichen Gerichte allgemein ausschließt, oder eine rechtliche Vereinsstreitigkeit vorliegt (vgl RIS-Justiz RS0119982; Krejci/S. Bydlinski/Weber-Schallauer, VerG 2002² § 8 Rz 3 f), kann letztlich offen bleiben.
2.1 Zu der in den Verbandsstatuten (§ 2022 Z 4 ÖTO) vorgesehenen Veröffentlichung des Disziplinarerkenntnisses weist die Klägerin in ihrem Revisionsrekurs ausdrücklich darauf hin, dass diese „zum allergrößten Skandal“ (in der September-Ausgabe der „Pferde Revue“) bereits erfolgt sei. Der Beklagte gibt in seiner Revisionsrekursbeantwortung die in Rede stehende Veröffentlichung in der Verbandszeitschrift inhaltlich wieder. Die Tatsache der - zeitlich nach der Entscheidung des Rekursgerichts erfolgten - Veröffentlichung des Disziplinarerkenntnisses steht damit außer Streit.
2.2 Für die gerichtliche Geltendmachung jedes Anspruchs ist das Bestehen eines Rechtsschutzbedürfnisses zwingende Voraussetzung. Dies gilt auch für eine Unterlassungsklage, die zudem das Vorliegen von Wiederholungsgefahr voraussetzt, und gleichermaßen für eine entsprechende Provisorialmaßnahme (RIS-Justiz RS0038062; vgl auch RS0009357; 9 ObA 41/09h). In diesem Sinn mangelt es an dem noch im Zeitpunkt der Rechtsmittelentscheidung erforderlichen Rechtsschutzinteresse, wenn der Entscheidung nur mehr theoretisch abstrakte Bedeutung zukäme, weil es nicht Aufgabe der Rechtsmittelinstanzen ist, über bloß theoretisch bedeutsame Fragen abzusprechen. Bei Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses ist das Rechtsmittel zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0002495; RS0006880).
Wie bereits dargelegt wurde, will die Klägerin mit dem Sicherungsbegehren die in den Statuten (§ 2022 Z 4 ÖTO) vorgesehene Veröffentlichung des Disziplinarerkenntnisses vor dessen gerichtlicher Überprüfung verhindern. Diese in den Statuten vorgesehene Veröffentlichung ist aber bereits erfolgt. Die drohende Gefahr einer weiteren, in den Statuten nicht vorgesehenen Veröffentlichung hat die Klägerin weder behauptet noch bescheinigt. Das aus „anwaltlicher Vorsicht zur Dokumentation des aufrechten Interesses an der Erlassung der einstweiligen Verfügung“ im Revisionsrekurs vorgetragene Argument, dass ein weiteres Disziplinarverfahren eingeleitet worden sei, weil die Klägerin trotz „nicht rechtskräftiger Verurteilung“ an einem Turnier teilgenommen habe, ist zur Darlegung des aufrechten Rechtsschutzbedürfnisses nicht geeignet. Ein Zusammenhang mit einer drohenden weiteren Veröffentlichung des Disziplinarerkenntnisses vom 30. 3. 2009 ist nämlich nicht erkennbar.
Da es der Klägerin für das Sicherungsbegehren somit am Rechtsschutzbedürfnis fehlt, war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40 f, 50 und 52 ZPO. Unterliegt die gefährdete Partei im Provisorialverfahren, so liegt ein vom Hauptverfahren losgelöster Zwischenstreit vor. Die Bestimmung des § 50 Abs 2 ZPO gelangt nur dann zur Anwendung, wenn das Rechtsschutzinteresse zwischen der Einbringung des Rechtsmittels und der Entscheidung darüber weggefallen ist. Im vorliegenden Fall erfolgte die Veröffentlichung des Disziplinarerkenntnisses aber bereits vor Einbringung des Revisionsrekurses. Dementsprechend hat die Klägerin in ihrem Rechtsmittel auf die bereits erfolgte Veröffentlichung hingewiesen. Der Beklagte hat den ERV-Zuschlag überhöht verzeichnet, weil es sich bei seiner Revisionsrekursbeantwortung um keinen verfahrenseinleitenden Schriftsatz iSd § 23a RATG handelt.
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