OGH 1Ob18/10v

OGH1Ob18/10v20.4.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Magdalena S*****, vertreten durch DDr. Gebhard Klötzl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Dr. Bernhard G*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Lenneis, Rechtsanwalt in Wien, und 2. Martin K*****, vertreten durch Dr. Michael Ploderer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 59.500 EUR sA, über die außerordentliche Revision der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. November 2009, GZ 15 R 118/09x-48, mit dem das Zwischenurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 6. April 2009, GZ 2 Cg 59/07x-39, bestätigt wurde, den

B e s c h l u s s

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden insoweit aufgehoben, als über das gegen die erstbeklagte Partei gerichtete Klagebegehren entschieden wurde. Dem Erstgericht wird insoweit die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

B e g r ü n d u n g :

Die Klägerin kaufte im Jahr 2006 eine Liegenschaft in Niederösterreich um 45.000 EUR. Mit einer (in der Folge vermögenslosen) GmbH schloss sie einen Vertrag über die Lieferung eines Fertigteilhauses zum Preis von 165.000 EUR. Der Kaufpreis sollte in drei Teilbeträgen beglichen werden: 50 % drei Tage nach Vertragsunterfertigung, 40 % spätestens drei Tage nach Aufstellung des Rohbaus und die restlichen 10 % spätestens bei Übergabe des Hauses. Zur Finanzierung beider Verträge nahm die Klägerin bei einer niederösterreichischen Bank drei Kredite auf. Alle drei Kreditverträge hielten fest, dass der Erstbeklagte aufgrund einer separaten Vereinbarung die Treuhandschaft betreffend Ankauf bzw die Errichtung des Fertigteilhauses übernehmen sollte. Inhalt der Treuhandverpflichtung, die der Erstbeklagte gegenüber der kreditgewährenden Bank übernahm, war die Auszahlung des Kaufpreises für das Fertigteilhaus nach Baufortschritt. Nach Überweisung des ersten Teilbetrags überwies die Bank im Juni 2006 auf Anforderung des Erstbeklagten und aufgrund eines von ihm übermittelten Schreibens der Klägerin vom 29. 5. 2006 einen weiteren Teil des Kaufpreises in der Höhe von 66.000 EUR an die Verkäuferin und Errichterin des Fertigteilhauses, was durch den Baufortschritt nicht gedeckt war. Der Zweitbeklagte hatte auf dem Schreiben vom 29. 5. 2006 die Unterschrift der Klägerin gefälscht. Er wurde deswegen wegen Betrugs rechtskräftig verurteilt. Weder der Erstbeklagte noch sein mit dieser Angelegenheit befasster Konzipient hatten die Echtheit der Unterschrift der Klägerin überprüft, obwohl sie von der ersten Erklärung der Klägerin über die Freigabe der ersten Kaufpreisrate abwich und sich auf dem „Firmenbriefpapier“ der ebenfalls unterfertigenden Verkäuferin befand.

Die Klägerin begehrte einen Schadenersatzbetrag von 59.500 EUR sA. Der Zweitbeklagte habe eine Schlüsselrolle in diesem Betrugsfall gespielt und das Vertrauen der Klägerin missbraucht. Der Erstbeklagte, dem das Verhalten seines Konzipienten als Erfüllungsgehilfen zuzurechnen sei, habe aufgrund der unterlassenen Prüfung der Unterschrift seine Pflichten als Treuhänder verletzt.

Der Erstbeklagte wendete - soweit noch relevant - ein, der Zweitbeklagte sei von der Klägerin mit der Wahrung ihrer wirtschaftlichen und rechtlichen Interessen beauftragt worden und als Erfüllungsgehilfe aufgetreten, weshalb ihr sein Verhalten zuzurechnen sei. Die Klägerin selbst sei zu keinem Zeitpunkt aufgetreten, der Zweitbeklagte habe alle Angelegenheiten abgewickelt und mit dem Konzipienten des Erstbeklagten über die Möglichkeit der Absicherung der Klägerin gegenüber dem bauführenden Unternehmen gesprochen. Mit dem Zweitbeklagten sei die Übernahme eines Treuhandauftrags vereinbart worden. Der Erstbeklagte sei verpflichtet gewesen, den Kaufpreis entsprechend dem Baufortschritt und nur nach Bestätigung der Klägerin auszuzahlen. Auch der Bank sei trotz Vorliegens von Unterschriftsproben die Fälschung nicht aufgefallen.

Das Erstgericht sprach mit seinem Zwischenurteil aus, dass die Schadenersatzforderung der Klägerin dem Grunde nach zu Recht bestehe. Der Zweitbeklagte hat dieses Urteil nicht angefochten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Erstbeklagten nicht Folge. Es nahm Schutzpflichten zu Gunsten der Klägerin aus dem zwischen der Bank und dem Erstbeklagten begründeten Treuhandverhältnis an, die der Treuhänder verletzt habe. Ein allfälliger Fehler der Bank sei irrelevant, weil sich diese aufgrund des Treuhandverhältnisses auf eine entsprechende Prüfung durch den Treuhänder verlassen hätte dürfen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen gerichtete Revision des Erstbeklagten ist zulässig und mit ihrem Aufhebungsantrag berechtigt.

1. Die in der Revision gerügten Verfahrensmängel erster Instanz wurden in der Berufung nicht geltend gemacht und sind aus diesem Grund im Revisionsverfahren nicht zu behandeln (RIS-Justiz RS0043111).

2. Nicht berechtigt sind die Revisionsausführungen, soweit sie ein Fehlverhalten des Erstbeklagten bei der Abwicklung des Treuhandauftrags verneinen. In diesem Punkt gelingt es der Revision nicht, eine unrichtige Beurteilung durch das Berufungsgericht aufzuzeigen. Es mag durchaus sein, dass die in der Revision dargestellten, tatsächlich von der Klägerin stammenden Unterschriften keinen vollkommen identen Schriftzug aufweisen. Die Argumentation des Berufungsgerichts beschränkte sich aber keinesfalls auf eine offenkundig unterschiedliche Unterschrift, sondern betonte den zweifellos auffallenden Umstand, dass sich die Einverständniserklärung der Klägerin auf dem Firmenbriefpapier des begünstigten Unternehmens befand, dessen Tätigkeit letztlich der Treuhänder - und zwar in jedem Fall auch bei Beauftragung nur durch die kreditgewährende Bank - hätte überwachen sollen. Der Erstbeklagte kann sich auch nicht auf den Standpunkt zurückziehen, die kreditgewährende Bank hätte eben die Unterschrift prüfen müssen, weil er diese Verpflichtung zur Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Auszahlung gerade im Verhältnis zur Bank übernommen hatte.

3. Zu Recht vermisst die Revision allerdings Feststellungen darüber, ob und inwieweit das Auftreten bzw Verhalten des Zweitbeklagten der Klägerin zuzurechnen ist. Vorbringen dazu hat der Erstbeklagte bereits im Verfahren erster Instanz erstattet. Auch die Klägerin selbst hat den Zweitbeklagten als jemanden bezeichnet, der eine Schlüsselrolle in diesem Betrugsfall gespielt und ihr Vertrauen missbraucht hätte, was sein Auftreten als Beauftragter und Bevollmächtigter nahelegt. Dieselbe Eigenschaft hat ihm der Erstbeklagte zugebilligt, indem er darauf hinwies, der Zweitbeklagte habe alle Angelegenheiten für die Klägerin abgewickelt und mit dem Konzipienten des Erstbeklagten die Übernahme eines Treuhandauftrags vereinbart. Wurde daher der erstbeklagte Rechtsanwalt nicht nur von der kreditgewährenden Bank, sondern - wie bei der fremdnützigen Treuhand im Liegenschaftsverkehr nicht unüblich (vgl P. Bydlinski in KBB² § 1002 ABGB Rz 7) - auch von der Käuferin als Treuhänder beauftragt, würde der Klägerin bei Verletzung der Pflichten des Treuhänders ein direkt aus dem Auftragsverhältnis abgeleiteter Schadenersatzanspruch zustehen. Die vom Berufungsgericht herangezogene Konstruktion des Treuhandvertrags zwischen der Bank und dem Erstbeklagten als Vertrag mit Schutzwirkungen zu Gunsten der Klägerin und Käuferin wäre in diesem Fall nicht notwendig, um vertragliche Schadenersatzansprüche zu begründen. Wie das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang selbst anklingen lässt, lag die (festgestellte) im Treuhandauftrag zu Gunsten der Bank übernommene Verpflichtung des Erstbeklagten, den Kaufpreis nur nach Baufortschritt auszahlen zu lassen, eindeutig im Interesse der Klägerin, die sogar nach dem Vorbringen des Erstbeklagten die Auszahlungen bestätigen musste. Eine ausdrückliche, vom Berufungsgericht übernommene und daher den Obersten Gerichtshof bindende Tatsachenfeststellung, dass der Erstbeklagte nicht (auch) als Treuhänder der Klägerin beauftragt wurde, ist nicht getroffen worden. Bei einem - auf welche Art auch immer zustande gekommenen - direkten Treuhandauftrag im Verhältnis zur Klägerin würde auch die in der Revision angesprochene Subsidiarität eines aus einem Vertrag mit Schutzwirkung abgeleiteten vertraglichen Schadenersatzanspruchs (dazu siehe 7 Ob 245/02h = RIS-Justiz RS0037785 [T26]; Reischauer in Rummel ABGB³ § 1295 ABGB Rz 32; Karner in KBB² § 1295 ABGB Rz 19) keine Rolle spielen.

Anknüpfend an das Verhältnis zwischen Klägerin und Zweitbeklagtem und dessen Auftreten bei Kontakten mit dem Erstbeklagten bzw dessen Konzipienten ist als weiterer Punkt zu klären, inwieweit das Fehlverhalten, das heißt die gefälschte Unterschrift, der Klägerin iSd §§ 1304, 1313a ABGB anzulasten wäre (Reischauer aaO § 1304 ABGB Rz 7 f; Karner aaO § 1304 ABGB Rz 7; vgl RIS-Justiz RS0026766; vgl RS0026751). Ein Geschäftsherr hat auch für den Gehilfen einzustehen, der seine Vollmacht überschreitet, indem er die Auszahlung einer Kaufpreisrate mit Hilfe einer gefälschten Unterschrift seines Vollmachtgebers veranlasst (vgl Karner aaO § 1313a ABGB Rz 2 mwN). Für die Eigenschaft als Erfüllungsgehilfe der Klägerin muss der Zweitbeklagte nicht unbedingt ausdrücklich als ihr Bevollmächtigter aufgetreten sein. Es würde ausreichen, dass seitens der Klägerin in zurechenbarer Weise der Anschein einer Erfüllungsgehilfeneigenschaft geschaffen wurde (Karner aaO § 1313a ABGB Rz 3).

Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht daher konkrete Feststellungen zur Stellung des Zweitbeklagten, insbesondere zu seinem Auftreten gegenüber dem Erstbeklagten im Zusammenhang mit der treuhändigen Abwicklung, zu treffen und danach die Fragen eines Treuhandverhältnisses auch im Verhältnis zur Klägerin sowie ihres Mitverschuldens zu beurteilen haben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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