OGH 5Ob2/08t

OGH5Ob2/08t22.1.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Hannelore S*****, wegen Genehmigung einer Klage, über den ordentlichen Revisionsrekurs der betroffenen Partei, vertreten durch den Sachwalter Dr. Erich S*****, dieser vertreten durch Dr. Elmar Ther, Rechtsanwalt in Villach, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 9. August 2007, GZ 2 R 185/07v-123, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom 3. Juli 2007, GZ 32 P 18/05z-116, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Hannelore S***** erlitt bei einem Unfall am 19. Mai 2004 schwerste Verletzungen und befindet sich seither im Wachkoma. Eine Kommunikation mit Hannelore S***** ist nicht möglich. Das Bezirksgericht Klagenfurt bestellte der Betroffenen mit Beschluss vom 24. November 2004 (ON 29) gemäß § 273 Abs 3 Z 3 ABGB ihren Lebensgefährten Dr. Erich S***** zum Sachwalter zur Besorgung aller Angelegenheiten.

Der Sachwalter beantragte mit seiner Eingabe vom 18. Jänner 2005 (ON 36) die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung einer auf § 55 EheG gestützten Scheidungsklage.

Das Erstgericht wies diesen Antrag ab.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Betroffenen nicht Folge. Es sprach aus, der Revisionsrekurs sei gemäß § 62 Abs 1 AußStrG zulässig, weil der Oberste Gerichtshof - soweit überblickbar - noch nicht zur Frage Stellung genommen habe, ob die vor dem Verlust ihrer Dispositionsfähigkeit von einer Betroffenen geäußerten Absichten in die Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit einer Ehescheidungsklage so maßgeblich einzubeziehen seien, dass die Erfüllung dieses Willens als Vorteil allfällige wirtschaftliche Risken überwiege.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Betroffenen ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) - Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig. Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG):

1. Bei der Entscheidung über die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung einer Klage ist auf das Wohl der pflegebefohlenen (betroffenen) Person Bedacht zu nehmen (vgl § 281 ABGB). Ob im Einzelfall eine Prozessführung im Interesse der pflegebefohlenen (betroffenen) Person liegt, ist eine Ermessensentscheidung und stellt in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage dar (vgl RIS-Justiz RS0048142; RS0048207).

2. Der Sachwalter macht namens der Betroffenen im Revisionsrekurs zusammengefasst geltend, dass derzeit zwischen den Eheleuten ein Unterhaltsband nach § 94 ABGB bestehe. Die Scheidung nach § 55 EheG könnte zwar zu Unterhaltspflichten gemäß § 69 Abs 3 EheG führen, die allerdings ein qualitatives Minus gegenüber dem Unterhalt nach § 94 ABGB darstellten, weshalb die Betroffene unter dem Gesichtspunkt einer Unterhaltspflicht im Hinblick auf ihre nunmehrigen Einkünfte durch die Scheidung besser gestellt wäre. Die Betroffene habe überdies Passiva ihres Gatten getragen, die sie im Rahmen eines nachehelichen Aufteilungsverfahrens geltend machen könnte. Schließlich sei auch der bereits bekundete Scheidungswille der Betroffenen zu berücksichtigen.

3. Nach dem eigenen Vorbringen der Betroffenen lebte deren Gatte schon jahrelang in wirtschaftlich schlechten Verhältnissen. Dass ihr Gatte jemals konkret Unterhaltsansprüche gestellt hätte, behauptet aber selbst die Betroffene nicht. Gerade die schwierigen finanziellen Verhältnisse ihres Gatten lassen befürchten, dass im Fall der (erfolgreichen) Führung von gerichtlichen Verfahren (auf Scheidung und nacheheliche Aufteilung) Kosten- und sonstige Forderungen gegen den Gatten der Betroffenen nicht (leicht) einbringlich sein könnten.

4. Soweit im Revisionsrekurs dem Scheidungswillen der Betroffenen (auch im Zusammenhang mit der Verhinderung eines Erbrechts ihres Gatten) besondere Bedeutung beigemessen wird, ist doch darauf hinzuweisen, dass die Betroffene bis zu ihrem Unfall bereits mehr als 20 Jahre (!) von ihrem Gatten getrennt lebte und sich in dieser Zeit nicht zur Erhebung einer Scheidungsklage entschließen konnte. Damit steht die Feststellung des Erstgerichts im Einklang, dass die Betroffene - wenn überhaupt - nur eine einvernehmliche, aber keine streitige Scheidung wollte. Schließlich standen die Scheidungsgedanken der Betroffenen nach den erstgerichtlichen Feststellungen im Zusammenhang mit einer erwogenen neuerlichen Eheschließung, die beim derzeitigen Zustand der Betroffenen wohl ausgeschlossen ist.

Wenn die Vorinstanzen unter den genannten Umständen keine ausreichenden Gründe für die Genehmigung der Scheidungsklage erkannten, dann stellt dies jedenfalls keine gravierende, vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar. Auch schließen die Besonderheiten dieses Einzelfalls eine richtungsweisende, die Rechtsentwicklung vorantreibende und für zukünftige Entscheidungen nutzbringende Judikatur des Obersten Gerichtshofs aus (vgl RIS-Justiz RS0102181).

Der Revisionsrekurs ist mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG unzulässig und daher zurückzuweisen.

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