OGH 10Ob77/09k

OGH10Ob77/09k24.11.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon.-Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen Stephanie B*****, geboren am 13. November 1996, *****, vertreten durch das Land Niederösterreich als Jugendwohlfahrtsträger (Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung, Leopoldstraße 21, 3400 Klosterneuburg), über den Revisionsrekurs des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 5. März 2009, GZ 20 R 150/08m-U70, womit infolge Rekurses des Bundes der Beschluss des Bezirksgerichts Klosterneuburg vom 24. Juni 2008, GZ 1 P 84/08w-U60, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die bei ihrer Mutter in Niederösterreich lebende deutsche Staatsangehörige Stephanie B*****, geboren am 13. 11. 1996, ist die Tochter von Sylvia B***** und Rolland H*****. Die Mutter ist deutsche Staatsangehörige; der Vater ist ungarischer Staatsangehöriger und auch in Ungarn wohnhaft und beschäftigt. Der Vater ist aufgrund des rechtskräftigen Beschlusses des Bezirksgerichts Donaustadt vom 15. 3. 2007, 1 P 13/06f-U20, seit 1. 12. 2006 zu einem monatlichen Geldunterhaltsbeitrag von 92 EUR verpflichtet.

Mit rechtskräftigem Beschluss vom 21. 6. 2005 gewährte das Bezirksgericht Donaustadt dem Kind Unterhaltsvorschüsse gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG in Titelhöhe für die Zeit vom 1. 6. 2005 bis 31. 5. 2008 (ON U2).

Gegen den am 24. 6. 2008 (ON U60) gefassten Beschluss des Erstgerichts, mit dem die Vorschüsse für den Zeitraum vom 1. 6. 2008 bis 31. 5. 2011 weitergewährt wurden, erhob der Bund, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, Rekurs (ON U63), dem das Rekursgericht nicht Folge gab. Abgesehen davon, dass die Antragstellerin im Vergleich zu einem Kind mit österreichischer Staatsangehörigkeit diskriminiert würde, würden ihm österreichische Unterhaltsvorschüsse versagt, sei das Gericht nicht berechtigt, im Zusammenhang mit der Weitergewährung von Unterhaltsvorschüssen den ursprünglichen Genehmigungsbeschluss zu überprüfen. Bei identem Sachverhalt wie bei der Erstgewährung sei im Hinblick auf die Rechtskraft des Gewährungsbeschlusses eine abweichende rechtliche Beurteilung im Weitergewährungsverfahren ausgeschlossen. Der Revisionsrekurs wurde nachträglich zugelassen, weil das Rekursgericht möglicherweise von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen oder diese uneinheitlich sei. In Bezug auf die Wirkung der Rechtskraft des ursprünglichen Gewährungsbeschlusses sei zu bedenken, dass eine tiefgreifende Änderung der Rechtsprechung einer Änderung der Rechtslage gleichgehalten werde. Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Bundes mit dem Antrag auf Abänderung im antragsabweisenden Sinn.

Das Kind, die Mutter und der Vater haben sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist im Hinblick auf die mittlerweile ergangene höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht zulässig.

Der Oberste Gerichtshof hat schon mehrfach ausführlich dargelegt (RIS-Justiz RS0122248), dass das Gericht nach dem Konzept des § 18 Abs 1 UVG nicht berechtigt ist, im Zusammenhang mit der Weitergewährung den ursprünglichen Gewährungsbeschluss zu überprüfen. Haben sich nach der Erstgewährung Sach- und Rechtslage nicht geändert, ist eine abweichende rechtliche Beurteilung im Weitergewährungsverfahren im Hinblick auf die Rechtskraft des ursprünglichen Gewährungsbeschlusses ausgeschlossen. Der Revisionsrekurswerber beruft sich auf eine tiefgreifende Änderung der Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen für österreichische Unterhaltsvorschüsse im Anwendungsbereich der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 („Wanderarbeitnehmerverordnung"); diese Rechtsprechungsänderung sei einer Änderung der Rechtslage gleichzuhalten (4 Ob 42/05p = RIS-Justiz RS0007171 [T26] mwN).

Eine solche tiefgreifende Änderung der Rechtsprechung ist jedoch nicht eingetreten.

Von der früheren Rechtsprechung (4 Ob 117/02p = SZ 2002/77; 9 Ob 157/02g ua), wonach der Anspruch eines Kindes auf Unterhaltsvorschüsse als Familienleistungen nach der Verordnung Nr 1408/71 voraussetzt, dass zumindest ein Elternteil tätiger oder arbeitsloser Arbeitnehmer gemäß Art 2 Abs 1 iVm Art 1 lit f Z 1 der Verordnung ist, ist der Oberste Gerichtshof in drei vereinzelt gebliebenen Entscheidungen (4 Ob 4/07b, 6 Ob 121/07y, 1 Ob 267/07g) abgewichen und hat dort die Ansicht vertreten, dass der Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse (nur) an die Rechtsstellung des Unterhaltsschuldners anknüpfe, in dessen Haushalt das Kind nicht lebe und der den ihm auferlegten Geldunterhalt als Familienlast nicht tragen könne oder wolle; daher sei für die Beurteilung des Anspruchs nach den Kollisionsregeln der VO 1408/71 (nur) jenes System sozialer Sicherheit maßgebend, in das der Geldunterhaltsschuldner eingebunden sei.

In allen seither zu vergleichbaren Konstellationen ergangenen Entscheidungen hat der Oberste Gerichtshof diese zuletzt genannte Ansicht nicht aufrechterhalten (RIS-Justiz RS0124515 in ausdrücklicher Abkehr von RIS-Justiz RS0122131) und ist zur früheren Rechtsprechungslinie zurückgekehrt.

Kommt es innerhalb einer an sich durchgehenden Rechtsprechungslinie zu drei abweichenden Entscheidungen, liegt in keiner Richtung eine tiefgreifende Rechtsprechungsänderung vor, die einen Eingriff in die Rechtskraft des ursprünglichen Gewährungsbeschlusses zulassen würde. Mangels einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG ist der Revisionsrekurs des Bundes nicht zulässig.

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