OGH 1Ob267/07g

OGH1Ob267/07g26.2.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ.-Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen Christian F*****, über den Revisionsrekurs des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 8. August 2007, GZ 43 R 349/07b-U28, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 12. Jänner 2007, GZ 13 P 142/06g-U10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Antrag vom 2. Jänner 2007 auf Gewährung von monatlichen Unterhaltsvorschüssen im Betrag von 105,40 EUR (nach den §§ 3, 4 Z 1 UVG) abgewiesen wird.

Text

Begründung

Das Kind und dessen Mutter sind deutsche Staatsangehörige, beide leben in Österreich. Der Vater und Unterhaltsschuldner ist ebenfalls deutscher Staatsbürger, er lebt in Deutschland. Dem Kind wurde vom Erstgericht ein vorläufiger monatlicher Unterhaltsbetrag von 105,40 EUR zuerkannt.

Auf Grund dieses Titels gewährte das Erstgericht dem unterhaltsberechtigten Kind monatliche Titelunterhaltsvorschüsse in Höhe von 105,40 EUR für den Zeitraum vom 1. 1. 2007 bis 31. 12. 2009. Die Führung einer Exekution sei aussichtslos, weil der Vater keiner versicherungspflichtigen Tätigkeit im Inland nachgehe und auch beim Arbeitsamt nicht „in Bezug" stehe. Er empfange in Deutschland Unterstützung durch den Landkreis Rotenburg (Leistungen nach dem dt Sozialgesetzbuch [SGB II]).

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Der Unterhaltsberechtigte habe unter denselben Voraussetzungen wie Inländer Anspruch auf eine im Recht des Mitgliedstaats vorgesehene Familienleistung, soweit er unter den persönlichen Anwendungsbereich der VO (EG) 1408/71 falle. Die Mutter sei Sozialhilfeempfängerin und daher nicht arbeitslose Arbeitnehmerin im Sinne der genannten Verordnung. Zu prüfen sei daher, ob der Vater, der in Deutschland Sozialleistungen beziehe, unter den persönlichen Anwendungsbereich der Verordnung falle. Dies sei infolge des Bezugs von Leistungen nach dem (dt) SGB II und somit infolge vorliegender Arbeitnehmereigenschaft zu bejahen, was dem Kind einen Anspruch auf Familienleistungen - wie Unterhaltsvorschuss - vermittle.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs des Bundes ist zulässig und im Ergebnis berechtigt.

Der Rechtsmittelwerber führt aus, dass der Vater (lediglich) Sozialhilfegrundsicherung beziehe und damit nicht unter den Arbeitnehmerbegriff im Sinne der Wanderarbeitnehmerverordnung falle, weshalb die Voraussetzungen für die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nicht vorlägen. Nun entschied der Oberste Gerichtshof erst jüngst - mit ausführlicher Begründung -, dass ein im Inland aufhältiges minderjähriges Kind als Staatsbürger eines anderen EU-Mitgliedstaats und Familienangehöriger eines nur in diesem Mitgliedstaat als Selbständiger berufstätigen und allein dort in das System sozialer Sicherheit eingebundenen Geldunterhaltsschuldners keinen Anspruch auf Gewährung österreichischer Unterhaltsvorschüsse hat (4 Ob 4/07b). Gleiches gilt nach Art 13 Abs 2 lit a VO 1408/71 für einen in einem Mitgliedstaat abhängig beschäftigten Vater (6 Ob 121/07y; RIS-Justiz RS0122131). Der Senat sieht sich nicht veranlasst, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Die Klärung der Frage, ob der Vater in die Kategorie des (arbeitslosen) Arbeitnehmers oder des bloßen „Sozialhilfegrundsicherungsempfängers" einzuordnen ist, kann daher auf sich beruhen, weil in keinem der beiden Fälle ein Anspruch auf Gewährung „österreichischer" Unterhaltsvorschüsse besteht.

In Stattgebung des Revisionsrekurses ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

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