OGH 4Ob54/09h

OGH4Ob54/09h29.9.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 72.000 EUR), über die Revisionsrekurse der klagenden Partei (Revisionsrekursinteresse 36.000 EUR) und der beklagten Partei (Revisionsrekursinteresse 18.000 EUR) jeweils gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 5. Februar 2009, GZ 2 R 8/09y-11, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 9. Dezember 2008, GZ 3 Cg 242/08g-2, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Beide Revisionsrekurse werden zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig, die Beklagte hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin macht geltend, dass die Beklagte mit der von ihr betriebenen „Statt-Preis"-Werbung das Publikum irreführe (§§ 1 Abs 3 Z 2, 2 und 2a UWG) und mit einer zugleich beworbenen Gutschein-Aktion gegen § 9a Abs 1 UWG verstoße. Sie beantragte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit welcher der Beklagten geboten werden solle, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen,

1. mit „Statt-Preisen" zu werben, sofern aus ihren Ankündigungen nicht ausreichend deutlich hervorgeht, auf welche „Statt-Preise" jeweils hingewiesen wird,

2. mit unrichtigen, nicht nachvollziehbaren und/oder nicht offengelegten Hersteller-/Lieferantenpreisen („Listenpreisen") als „Statt-Preisen" zu werben;

3. Konsumenten beim Kauf von Gutscheinen im Wert von 100 EUR zusätzlich einen Gutschein im Wert von 10 EUR gratis anzubieten oder zu gewähren oder Gutschein-Werbeaktionen dieses Inhalts öffentlich anzukündigen.

Das Erstgericht erließ eine einstweilige Verfügung ohne Anhörung der Beklagten im Sinne der Punkte 1. und 2. des Antrags - Punkt 2. mit der Modifikation, dass der Beklagten geboten wurde, es zu unterlassen, mit „Statt-Preisen" als vom Lieferanten/Hersteller unverbindlich empfohlenen Listenpreisen zum Zeitpunkt der Markteinführung zu werben, wenn nicht gleichzeitig der aktuelle (günstigere) vom Hersteller/Lieferanten empfohlene Listenpreis angegeben wird - und wies den dritten Punkt des Sicherungsbegehrens ab.

Punkt 1. der einstweiligen Verfügung blieb unangefochten.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung hinsichtlich der Punkte 2. und 3. der einstweiligen Verfügung.

Der für den Schi samt Bindung angegebene „Statt-Preis" von 599,95 EUR sei zwar nicht unrichtig, weil es sich dabei tatsächlich um den vom Lieferanten/Hersteller unverbindlich empfohlenen Listenpreis zum Zeitpunkt der Markteinführung gehandelt habe. Dem Prospekt der Beklagten sei jedoch nicht zu entnehmen, dass die Markteinführung des beworbenen Produkts schon längere Zeit (zumindest ein Jahr) zurückliege und der vom Lieferanten/Hersteller unverbindlich empfohlene Listenpreis mittlerweile deutlich (nämlich um 100 EUR auf 499,95 EUR) gesunken sei. Den Konsumenten werde damit ein Preisvorteil von 300 EUR suggeriert, obwohl die aktuelle Differenz zwischen Listen- und Verkaufspreis nur mehr 200 EUR betrage. Die beanstandete Preisgegenüberstellung sei daher zur Irreführung geeignet.

Was die behauptete Verletzung des Zugabenverbots betreffe, so liege im gegenständlichen Fall ein Warenrabatt gemäß § 9a Abs 2 Z 6 UWG vor. Die Hauptware sei ein Gutschein, der einen Anspruch seines Inhabers auf den Bezug von bei der Beklagten erhältlichen, vom Berechtigten frei wählbaren Produkten mit einem Verkaufspreis von 100 EUR verbriefe. Die Zugabe bestehe in einer bestimmten Menge derselben Ware, nämlich einem gleichartigen Gutschein über frei wählbare Produkte der Beklagten mit einem Verkaufspreis von 10 EUR. Damit sei eine völlige Identität zwischen Hauptware und zusätzlich gewährter Ware gegeben.

Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht wegen des Fehlens von (jüngerer) Rechtsprechung zur Werbung mit „Statt-Preisen", bei denen es sich um auf den Zeitpunkt der Markteinführung des Produkts bezogene, mittlerweile jedoch nicht mehr gültige Hersteller/Lieferanten-Listenpreise handle, sowie zur Frage, ob ein „Gutschein-Rabatt" wie der hier zu beurteilende unter den Tatbestand des § 9a Abs 2 Z 6 UWG falle, zu.

Der Revisionsrekurs der Beklagten richtet sich gegen die Verpflichtung zu Punkt 2. der einstweiligen Verfügung, jener der Klägerin gegen die Abweisung ihres Sicherungsantrags zu Punkt 3.

Rechtliche Beurteilung

Beide Rechtsmittel sind unzulässig; jenes der Klägerin jedenfalls gemäß § 402 Abs 2 EO und jenes der Beklagten entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) - Ausspruch des Rekursgerichts wegen des Mangels einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO.

I. Revisionsrekurs der Klägerin:

Bestätigt das Gericht zweiter Instanz die ohne Anhörung des Antragsgegners erfolgte Abweisung eines Teils eines Sicherungsbegehrens, ist der Revisionsrekurs dagegen jedenfalls unzulässig. Das gilt nur dann nicht, wenn der bestätigende und der abändernde Teil des rekursgerichtlichen Beschlusses - bei richtiger rechtlicher Beurteilung - in einem unlösbaren Sachzusammenhang stehen, sodass die Zulässigkeit deren Anfechtung nur einheitlich beurteilt werden kann. Der eine einheitliche Beurteilung erfordernde unlösbare Sachzusammenhang ist regelmäßig dann nicht gegeben, wenn jeder der geltend gemachten Sicherungsansprüche ein gesondertes rechtliches Schicksal haben kann (RIS-Justiz RS0107345; RS0012260; 2 Ob 181/08v).

Im vorliegenden Fall ist ein unlösbarer Sachzusammenhang zwischen dem abweisenden und dem stattgebenden Teil der Beschlüsse der Vorinstanzen zu verneinen, weil die Entscheidungen über die beanstandeten „Statt-Preise" und über die Gutschein-Werbeaktion jeweils unterschiedliche rechtliche Schicksale haben können. Daraus folgt die (absolute) Unzulässigkeit des Revisionsrekurses der Klägerin gegen die Bestätigung der (teilweisen) Abweisung ihres Sicherungsantrags (§ 402 Abs 2 EO).

II. Revisionsrekurs der Beklagten:

Die Beklagte macht geltend, dass das Rekursgericht von einem veralteten Verbraucherleitbild des „flüchtigen Durchschnittsverbrauchers" ausgegangen sei. Das Wettbewerbsrecht gehe heute, nicht zuletzt aufgrund der Rechtsprechung des EuGH, von einem Verbraucherleitbild des durchschnittlich informierten und verständigen Adressaten aus. Dieser sei - im Gegensatz zum „flüchtigen" Verbraucher - nicht nur aufmerksamer, sondern auch besser informiert und wisse daher auch, dass die vom Lieferanten seit Markteinführung empfohlenen Verkaufspreise laufend Veränderungen unterworfen sein könnten. Somit liege keine Irreführung vor.

Dem ist Folgendes entgegen zu halten:

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats muss eine zulässige Werbung mit „Statt-Preisen" aus dem Wortlaut oder dem Gesamtbild der Ankündigung, welche in ihrer Gesamtheit eine Einheit darstellen, mit ausreichender Deutlichkeit erkennen lassen, um welche Preise es sich bei den angegebenen „Statt-Preisen" handelt (RIS-Justiz RS0078576). Die Werbung mit Preisgegenüberstellungen verstößt dann gegen § 2 UWG, wenn mangels näherer Erläuterung, auf welche Preise sich der Vergleich beziehe, eine Irreführung des Käuferpublikums möglich ist; angesichts der suggestiven Wirkung einer derartigen Werbemethode ist dabei ein strenger Maßstab anzulegen und im Interesse der angesprochenen Verkehrskreise zu fordern, dass aus dem Wortlaut oder aus dem Gesamtbild der - als Einheit zu betrachtenden - Ankündigung ausreichend deutlich hervorgeht, auf welche Preise jeweils zu Werbezwecken hingewiesen wird (4 Ob 1064/95; 4 Ob 2/05f). Der Zeitpunkt, auf den der „Listenpreis" bezogen ist, kann zur Mehrdeutigkeit beitragen. Der angesprochene Durchschnittsinteressent wird grundsätzlich die Erwartung haben, dass es sich um eine nicht weit zurückliegende und daher noch aktuelle Preisfestsetzung handeln wird (4 Ob 306/80).

An dieser Rechtslage hat sich durch die UWG-Novelle 2007 nichts geändert. Gemäß § 2 Abs 1 Z 4 UWG nF gilt eine Geschäftspraktik als irreführend, wenn sie unrichtige Angaben enthält oder sonst geeignet ist, einen Marktteilnehmer in Bezug auf das Produkt über den Preis, die Art der Preisberechnung oder das Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils derart zu täuschen, dass dieser dazu veranlasst wird, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

Die Frage, ob eine Werbung durch das Verschweigen von wesentlichen Umständen zur Irreführung des Publikums geeignet ist, hängt im Allgemeinen von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet idR keine erhebliche Rechtsfrage iSv § 528 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0078615 [T21]).

2. Für die Ermittlung des Inhalts einer Werbeaussage ist nach der jüngeren Rechtsprechung des Senats das Verständnis und der Grad der Aufmerksamkeit eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers maßgebend. Auch bei Heranziehung dieses, an der Rechtsprechung des EuGH zum europäischen Verbraucherleitbild orientierten Beurteilungsmaßstabs ist zu berücksichtigen, dass der Aufmerksamkeitsgrad von der jeweiligen Situation abhängt und somit stets die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind (RIS-Justiz RS0114366; 4 Ob 177/07v; vgl auch Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG27 § 1 Rz 22 und 25).

3. Das Rekursgericht hat im hier zu beurteilenden Fall die wegen der unterbliebenen Offenlegung der (günstigeren) aktuellen Listenpreise angefochtene Preisgegenüberstellung als zur Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise geeignet beurteilt, weil ihnen regelmäßig keine anderweitigen Informationen über die Höhe und laufenden Veränderungen der Listenpreise der Lieferanten/Hersteller zur Verfügung stehen. Diese Beurteilung hält sich im Rahmen der oben dargestellten Rechtsprechung. Eine aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt nicht vor.

III. Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO, jene über die Kosten der Beklagten auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat nicht auf die absolute Unzulässigkeit des Revisionsrekurses der Klägerin hingewiesen, sodass ihre Revisionsrekursbeantwortung nicht der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung diente (vgl 9 ObA 29/05p).

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