OGH 10Ob57/09v

OGH10Ob57/09v29.9.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon.-Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö***** AG, *****, vertreten durch Rechtsanwälte Weissborn & Wojnar Kommandit-Partnerschaft in Wien, gegen die beklagte Spedition B***** Ges.m.b.H., *****, vertreten durch Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 20.606,66 EUR sA und Räumung, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 3. Dezember 2008, GZ 38 R 250/08h-15, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das beklagte Speditionsunternehmen mietete von der klagenden Partei Büro- und Lagerräume mit direktem Schienenzugang im Bereich eines Bahnhofs. Der Mietvertrag vom 14. 1. 1998 enthielt eine Verpflichtung der beklagten Partei zu einem bestimmten Mindestwagenumsatz. Die Vertragsparteien gingen davon aus, dass dieser Mindestwagenumsatz eingehalten wird.

Nach Übergabe der Räumlichkeiten an die Bestandnehmerin stellte sich heraus, dass der Zugang zu den Gleisen aufgrund schadhafter Tore zunächst nur eingeschränkt möglich war; es kam zu einer eingeschränkten Verwendung. Im Mai 1998 wurde die Verwendung der Zugangstore behördlich untersagt. In der Folge einigten sich die Streitparteien auf eine Mietzinsreduktion und eine Herabsetzung des Mindestwagenumsatzes auf 10 Waggons pro Jahr. Tatsächlich hat die beklagte Partei seither keine Waggonladungen abgefertigt.

Im Zuge des Verfahrens auf Räumung und Zahlung offenen Bestandzinses stellte die beklagte Partei einen Zwischenantrag auf Feststellung, dass das Bestandverhältnis dem MRG unterliegt, während sich die klagende Partei auf den Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 2 Z 1 MRG (Vermietung im Rahmen des Betriebs eines Verkehrsunternehmens) beruft.

Das Erstgericht wies den Zwischenantrag auf Feststellung ab, weil die Vermietung entsprechend der Absicht der klagenden Partei jedenfalls im Betrieb ihres Verkehrsunternehmens erfolgt sei. Auch die Absicht der beklagten Partei sei dahin gegangen, den Bestandgegenstand anzumieten, um ihre Speditionsgeschäfte über die Gleisanlagen der klagenden Partei abzuwickeln.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 2 Z 1 MRG sei erfüllt, weil das Verkehrsunternehmen mit dem Abschluss des Bestandvertrags - im Zusammenhang mit dem vereinbarten Mindestwagenumsatz - eine Förderung seiner eigenen Interessen im Rahmen seines Betriebszwecks verfolgt habe. Auf die tatsächliche Vertragsübung komme es nicht an. Ungeachtet der eingeschränkten Nutzung habe immer die Absicht beider Parteien bestanden, den beabsichtigten Zweck, nämlich die Durchführung der Speditionstätigkeit über die Gleisanlagen der klagenden Partei, sobald wie möglich wieder aufzunehmen, weshalb weiterhin von einer Vermietung „im Rahmen des Betriebes" des Verkehrsunternehmens auszugehen sei. Dass die beklagte Partei zwischenzeitig kein Interesse mehr an einer Güterbeförderung über die Schiene habe, vermöge nichts an der rechtlichen Qualifikation zu ändern. Die Unbenützbarkeit der Gleisanlage hätte die beklagte Partei nur zur Auflösung des Vertrags nach § 1117 ABGB berechtigt, was aber nicht geschehen sei.

In ihrer außerordentlichen Revision weist die beklagte Partei darauf hin, dass die auf eine Nutzung im Rahmen des Verkehrsbetriebs gerichtete Parteienabsicht ohne faktische Möglichkeit zur Nutzung nicht zur Erfüllung des Ausnahmetatbestands ausreiche; ansonsten könnte die Anwendung des MRG umgangen werden. Der im Mai 1998 vereinbarte reduzierte Mindestwagenumsatz von 10 Waggons pro Jahr sei nur mehr der Form halber vereinbart worden und diene nicht mehr der Förderung des Unternehmenszwecks der klagenden Partei, weshalb das Vertragsverhältnis (jedenfalls) seitdem dem MRG unterliege.

Damit wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt.

Gemäß § 1 Abs 2 Z 1 MRG fallen Mietgegenstände, die - unter anderem - im Rahmen des Betriebs eines Verkehrsunternehmens vermietet werden, nicht in den Anwendungsbereich des MRG. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass bei der Prüfung der Frage, ob die Vermietung im Rahmen des Betriebs des Verkehrsunternehmens des Vermieters erfolgte, auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags abzustellen ist (RIS-Justiz RS0069644 [T4] = 6 Ob 12/09x; 1 Ob 294/03x). Wesentlich ist, ob die Vermietung nach dem Bestandzweck an sich in den Geschäftsbereich des Verkehrsunternehmens fiel und tatsächlich von diesem zu diesem Zweck („im Rahmen des Betriebs") vermietet wurde (1 Ob 294/03x mwN). Die Vermietung muss daher vom Betriebsgegenstand des Verkehrsunternehmens umfasst sein (6 Ob 261/02d). Eine „außerbetriebliche" Vermietung durch eines der in § 1 Abs 2 Z 1 MRG angeführten Unternehmen fällt dagegen in den Anwendungsbereich des MRG.

Bei der Bejahung des Ausnahmetatbestands sind die Vorinstanzen nicht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses waren die Tore teilweise nutzbar (und sie wurden nach den Feststellungen zunächst auch eingeschränkt genutzt), weshalb eine Fehlbeurteilung hinsichtlich des Kriteriums der Vermietung „im Rahmen des Betriebs" zu verneinen ist.

Fragen der Vertragsauslegung einschließlich der Auslegung von Vertragsänderungen berühren regelmäßig nur den Einzelfall.

Da sich die angefochtene Entscheidung im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung hält, ist die außerordentliche Revision der beklagten Partei mangels erheblicher Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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