OGH 6Ob12/09x

OGH6Ob12/09x26.3.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö***** AG, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Josef M*****, vertreten durch Dr. Manfred Meyndt, Rechtsanwalt in Linz, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 11. Juni 2008, GZ 14 R 96/08y-35, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die Frage der „Änderung der Verkehrsbetriebseigenschaft durch Abspaltung und Entstehung eines neuen Mietverhältnisses nach § 1120 ABGB" stellt sich nicht:

Unter „Veräußerung" im Sinn des § 1120 ABGB ist die derivative Einzelrechtsnachfolge unter Lebenden oder von Todes wegen zu verstehen (6 Ob 66/05g mwN; P. Bydlinski in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB² § 1120 Rz 2; Würth in Rummel, ABGB³ § 1120 Rz 3; Binder in Schwimann, ABGB³ § 1120 Rz 13 mwN). Ebensowenig wie die Vererbung der Bestandgeberposition bedürfen Fälle von Gesamtrechtsnachfolge bei juristischen Personen des Rückgriffs auf § 1120 ABGB. Für sie gilt § 1116a ABGB (1 Ob 112/31 SZ 13/64; RIS-Justiz RS0025746; RS0025679; Binder aaO § 1120 Rz 29 f; Würth aaO § 1116a Rz 4 mwN und § 1120 Rz 2).

Im Verhältnis zwischen den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), mit denen die Beklagte den Bestandvertrag im Jahr 1989 abschloss, und der Klägerin ist gar kein Fall einer Rechtsnachfolge zu beurteilen, wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat (2 Ob 105/07s; RIS-Justiz RS0122411). Das achte Hauptstück des BundesbahnG betrifft die Umwandlung der ÖBB in die ÖBB-Infrastruktur Bau AG (Klägerin). Nach § 29 dieses Gesetzes werden zur Durchführung der Umstrukturierung der ÖBB, die nach den im ersten bis fünften und siebenten Hauptstück angeordneten Spaltungsmaßnahmen mit dem Restvermögen ausgestatteten ÖBB unter sinngemäßer Anwendung des Zweiten Abschnitts „Umwandlung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung in eine Aktiengesellschaft" des Elften Teils „Umwandlung" des AktG 1965 idgF in eine Aktiengesellschaft mit der Firma „ÖBB-Infrastruktur Bau Aktiengesellschaft" (ÖBB-Infrastruktur Bau AG) mit dem Sitz in Wien und dem Grundkapital entsprechend dem Stammkapital der ÖBB nach den Spaltungen umgewandelt. Der in dieser Bestimmung enthaltene Verweis gilt den §§ 245 ff AktG, die ebenso wie die korrespondierenden Bestimmungen der §§ 239 ff AktG (Umwandlung einer Aktiengesellschaft in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung) als „formwechselnde Umwandlung" eine bloße Rechtsformänderung ein und desselben Rechtsträgers zum Gegenstand haben. Die Gesellschaft ändert somit nur ihre Rechtsform, das Rechtssubjekt bleibt dabei identisch (2 Ob 105/07s mwN; RIS-Justiz RS0049496). Anders als bei der Gesamtrechtsnachfolge werden beim Formwechsel die Rechtsverhältnisse, wie zB aufrechte Arbeitsverhältnisse oder Bestandverhältnisse, als ident fortgesetzt (2 Ob 105/07s mwN; RIS-Justiz RS0122411). Entsprechend den Grundsätzen der formwechselnden Umwandlung wurden die unter der FN 71396w eingetragenen ÖBB am 7. 4. 2005 in die ÖBB-Infrastruktur Bau AG umbenannt. Die Rechtsidentität zwischen den ÖBB und der Klägerin ist aber nach der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung des § 29 Satz 1 BundesbahnG auf jenes Restvermögen beschränkt, mit dem die ÖBB nach den Spaltungsmaßnahmen ausgestattet waren. Die durch den Formwechsel unberührt gebliebene Fortsetzung sämtlicher Rechtsverhältnisse (hier: Bestandvertrag) wird somit negativ definiert: Voraussetzung ist, dass es sich nicht um jenes, bestimmten Teilbetrieben zugeordnete Vermögen der Österreichischen Bundesbahnen handelt, das im Weg der Gesamtrechtsnachfolge entsprechend den Spaltungs- und Übernahmeverträgen auf die im Zug der Umstrukturierung neu gegründeten, im ersten bis fünften und siebenten Hauptstück genannten Kapitalgesellschaften übergegangen ist. Der letzte Satz des § 29 BundesbahnG nimmt aber eine ausdrückliche positive Zuordnung aller Liegenschaften zu dem nicht übergegangenen und damit der ÖBB-Infrastruktur Bau AG verbleibenden Restvermögen vor, dies allerdings nur soweit sie nicht für die abgespaltenen Teilbetriebe betriebsnotwendig sind. Die Klägerin ist im Grundbuch als Eigentümerin der Liegenschaft eingetragen, von der die Beklagte einen Teil in Bestand genommen hat. Daraus ist zu schließen, dass die Liegenschaft zum der Klägerin nach § 29 letzter Satz BundesbahnG zugeordneten Restvermögen zählt.

2. Gemäß § 1 Abs 2 Z 1 MRG fallen Mietgegenstände, die - unter anderem - im Rahmen des Betriebs eines Verkehrsunternehmens vermietet werden, nicht in den Anwendungsbereich des MRG. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass bei der Prüfung der Frage, ob die Vermietung im Rahmen des Betriebs des Verkehrsunternehmens des Vermieters erfolgte, auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags abzustellen ist (1 Ob 294/03x betreffend die ÖBB). Wesentlich ist, ob die Vermietung nach dem Bestandzweck an sich in den Geschäftsbereich des Verkehrsunternehmens fiel und tatsächlich von diesem zu diesem Zweck („im Rahmen des Betriebs") vermietet wurde (1 Ob 294/03x mwN). Eine „außerbetriebliche" Vermietung durch eines der in § 1 Abs 2 Z 1 MRG angeführten Unternehmen fällt in den Anwendungsbereich des MRG. Die Vermietung muss daher vom Betriebsgegenstand des Verkehrsunternehmens umfasst sein (6 Ob 261/02d).

Bei der Bejahung dieser Voraussetzung sind die Vorinstanzen nicht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen:

In der Entscheidung 7 Ob 119/97v (SZ 70/270) wurde die Voraussetzung bei der Vermietung von Lagerflächen samt Holzhallen auf einem Bahnhofsgelände, die der Intensivierung des Güterverkehrs des Verkehrsunternehmens diente, bejaht. Der Sachverhalt im Anlassfall ist ganz ähnlich gelagert. Die Beklagte hat Flächen auf dem Areal des Frachtenbahnhofs Linz in Bestand genommen und mit ihr gehörenden Superädifikaten (Bürogebäude, Lagerhalle, Betriebstankstelle) bis auf 60 m² verbaut. Nach dem Inhalt des Bestandvertrags ist die Bestandsache zum Umschlag von Gütern bestimmt, die von den ÖBB zugeführt oder abbefördert werden. Gleichzeitig hat sich die Beklagte zu einem Mindestumsatz von (zuletzt) 100 Waggons pro Kalenderjahr verpflichtet, wobei im Fall einer Unterschreitung dieses Mindestumsatzes eine Lastschrift in Höhe von (zuletzt) 2.500 S (181,68 EUR) pro fehlendem Waggon zu entrichten ist.

Der Sachverhalt im Anlassfall ist nicht mit den Sachverhalten zu vergleichen, die den in der Revision genannten höchstgerichtlichen Entscheidungen 6 Ob 261/02d, 4 Ob 517/92 und 1 Ob 294/03x zu Grunde lagen und von denen das Berufungsgericht abgewichen sein soll.

3. Ob Sittenwidrigkeit vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls, die nicht aufzugreifen ist, wenn das Berufungsgericht bei dieser Entscheidung die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens nicht überschritten hat (RIS-Justiz RS0042881). Die klagsweise Geltendmachung eines vertragsmäßigen Anspruchs verstößt, von Ausnahmefällen abgesehen, nicht gegen die guten Sitten (RIS-Justiz RS0016479). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass ein Ausnahmefall nicht gegeben ist, bedarf keiner Korrektur.

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