OGH 6Ob139/09y

OGH6Ob139/09y18.9.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christine P*****, vertreten durch Sattlegger, Dorninger, Steiner & Partner Anwaltssocietät in Linz, gegen die beklagte Partei Ing. Richard E*****, vertreten durch Dr. Hubert Maier, Rechtsanwalt in Mauthausen, wegen Löschung einer Dienstbarkeit (Streitwert 25.000 EUR) und Räumung (Streitwert 2.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 17. April 2009, GZ 4 R 52/09h-23, mit dem das Urteil des Landesgerichts Steyr vom 6. November 2008, GZ 4 Cg 208/07g-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 1.540,44 EUR (darin 256,74 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:

Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es habe zur Lösung des vorliegenden Falls im Wesentlichen nur auf eine einzige veröffentlichte Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zurückgreifen können, weshalb von einer gesicherten Rechtsprechung noch nicht gesprochen werden könne; überdies sei in der Entscheidung 1 Ob 125/01s nicht zu prüfen gewesen, was rechtens ist, wenn die rechtlich noch tolerierbare Befristung (gemeint: des Fruchtgenussrechts als Grunddienstbarkeit analog § 612 ABGB) bereits verstrichen sei.

1.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kann eine Dienstbarkeit, die gewöhnlich eine persönliche ist, als Grunddienstbarkeit bestellt werden (RIS-Justiz RS0011621); dies gilt insbesondere auch für das Fruchtgenussrecht (5 Ob 130/92 NZ 1993, 237 [Hofmeister]; 5 Ob 271/00i wobl 2001/206 [Call]; vgl auch 1 Ob 125/01s SZ 74/95 und 5 Ob 40/06b Zak 2006/397).

Der Oberste Gerichtshof hat außerdem bereits mehrfach unter Hinweis auf Hofmeister (NZ 1993, 242 [Entscheidungsanmerkung]) klargestellt, dass eine solche Verbücherung nur mit einer zeitlichen Beschränkung möglich ist, um die dauernde Schaffung geteilten Eigentums zu verhindern (1 Ob 125/01s; 5 Ob 40/06b). Die Beschränkung ist dabei an den Wertungen des § 612 ABGB zu messen (1 Ob 125/01s). Diese Auffassung ist - soweit überblickbar - in der Lehre nicht auf Kritik gestoßen, vielmehr haben mehrere Autoren der Entscheidung 1 Ob 125/01s ausdrücklich zugestimmt (Kiendl-Wendner in Schwimann, ABGB³ [2005] § 479 Rz 2; Koch in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB² [2007] § 479 Rz 1; vgl auch Call, wobl 2001/206 [Entscheidungsanmerkung]).

Von dieser Rechtsprechung ist das Berufungsgericht nicht abgewichen; auch der Beklagte wendet sich in seiner Revision nicht gegen diese Rechtsauffassung.

1.2. Ebenso wenig wendet sich der Beklagte gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass dem Eigentümer des dienenden Grundstücks nach Ablauf der sich aus § 612 ABGB ergebenden zeitlichen Beschränkung des als Grunddienstbarkeit einverleibten Fruchtgenussrechts ein klagbarer Anspruch auf Löschung der Dienstbarkeit im Grundbuch sowie ein Räumungsanspruch zustehen. Dies ergibt sich bereits aus § 523 ABGB (Eigentumsfreiheitsklage).

1.3. Einer weiteren Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs zu den vom Berufungsgericht als erheblich bezeichneten Rechtsfragen bedarf es somit nicht.

2. Der Beklagte macht in seiner Revision geltend, in Wahrheit hätten die Rechtsvorgänger der Streitteile im Jahr 1934 nicht einen Dienstbarkeitsvertrag geschlossen; vielmehr hätten die Rechtsvorgänger der Klägerin jenen des Beklagten den verfahrensgegenständlichen Raum verkauft. Dies ergebe eine Auslegung der Vereinbarung unter Anwendung der Grundsätze des § 914 ABGB. Dieser Rechtsmeinung sind bereits beide Vorinstanzen übereinstimmend mit eingehender Begründung entgegen getreten.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs stellt die Frage, ob eine Vereinbarung im Einzelfall - insbesondere unter Erforschung der im konkreten Fall verfolgten Parteiabsicht - richtig ausgelegt wurde, nur dann eine erhebliche Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) dar, wenn in krasser Verkennung der Auslegungsgrundsätze ein unvertretbares, aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit zu korrigierendes Auslegungsergebnis erzielt wurde, was etwa dann der Fall ist, wenn die Interpretation mit Sprachregeln, allgemeinen Erkenntnissätzen oder gesetzlichen Auslegungsregeln in (unversöhnlichem) Widerspruch steht (statt vieler 10 Ob 52/07f; 7 Ob 212/07p). Ein derartiger Fehler ist den Vorinstanzen hier jedoch nicht unterlaufen.

3. Darauf, dass es sich bei der von den Rechtsvorgängern der Streitteile vereinbarten Dienstbarkeit um eine Hausservitut gemäß § 475 ABGB oder jedenfalls um eine regelmäßige (Grund-)Dienstbarkeit handeln könnte, wie der Beklagte nunmehr in seiner Revision noch meint, hat er sich im gesamten bisherigen Verfahren nicht gestützt; er kann dies daher im Revisionsverfahren nicht mehr nachholen.

4. Die Revision war somit zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.

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