Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie ersatzlos aufgehoben werden.
Text
Begründung
Der Vater der Minderjährigen wurde mit einstweiliger Verfügung vom 8. 9. 2008 gemäß § 382a EO zur Leistung eines vorläufigen Unterhalts in der Höhe von monatlich 105,40 EUR ab 8. 9. 2008 verpflichtet. Im Hinblick auf diesen Unterhaltstitel gewährte das Erstgericht der Minderjährigen auf deren Antrag mit Beschluss vom 12. 12. 2008 Unterhaltsvorschüsse gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG für die Zeit vom 1. 11. 2008 bis 31. 10. 2011, weil eine Exekutionsführung gegen den Vater aussichtslos erscheine.
Ebenfalls mit Beschluss vom 12. 12. 2008 setzte das Erstgericht den vom Vater ab 4. 2. 2008 zu leistenden monatlichen Unterhalt mit 170 EUR fest und sprach aus, dass die einstweilige Verfügung vom 8. 9. 2008 mit Rechtskraft dieser Entscheidung als aufgehoben gelte. Dieser Beschluss erwuchs in Rechtskraft.
Mit weiterem Beschluss vom 22. 1. 2009 erhöhte das Erstgericht gemäß § 19 Abs 2 UVG von Amts wegen die monatlichen Unterhaltsvorschüsse von 105,40 EUR auf 170 EUR ab 1. 11. 2008.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, keine Folge und sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage, ob die einen vorläufigen Unterhalt nach § 382a EO durch einen „endgültigen" Unterhalt ersetzende Entscheidung als Erhöhung des Unterhaltsbeitrags im Sinn des § 19 Abs 2 UVG anzusehen sei, keine einheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege. Es schloss sich der in 3 Ob 147/00i und 4 Ob 155/07h vertretenen Rechtsansicht an. Eine Auslegung nach dem Zweck des § 19 UVG (Gleichlauf zwischen Unterhaltsvorschüssen und Unterhaltstiteln) scheine geboten. Gegen diese Entscheidung richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs des Bundes mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen ersatzlos aufzuheben.
Der Jugendwohlfahrtsträger beantragt in seiner namens der Minderjährigen erstatteten Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht bezeichneten Grund zulässig und auch berechtigt.
Zu dem gleichzeitig mit dem Revisionsrekurs gemäß § 16 Abs 2 und 3 UVG gestellten Antrag, „die Innehaltung der Auszahlung der monatlichen Vorschüsse bis zur Rechtskraft des angefochtenen Beschlusses anzuordnen", ist darauf zu verweisen, dass das Erstgericht bereits aufgrund des im Rekurs des Bundes gegen den Beschluss vom 22. 1. 2009 gestellten Antrags anordnete, mit dem Vollzug des Erhöhungsbeschlusses innezuhalten (ON U-19). Der Rechtsmittelwerber verweist auf die überwiegende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach die einen vorläufigen Unterhalt nach § 382a EO durch einen „endgültigen" Unterhalt ersetzende Entscheidung nicht als Erhöhung des Unterhaltsbeitrags gemäß § 19 Abs 2 UVG anzusehen sei. Da in einem Fall wie dem vorliegenden keine „ununterbrochene Gewährung von Unterhaltsvorschüssen des gleichen Typs" vorliege, komme eine Vorschusserhöhung nach § 19 Abs 2 UVG nicht in Betracht. Mangels einer diesbezüglichen planwidrigen Unvollständigkeit („Gesetzeslücke") des UVG sei dessen § 19 Abs 2 auch nicht analog anzuwenden.
Diesen Ausführungen kommt im vorliegenden Fall Berechtigung zu. Es entspricht herrschender Meinung und Judikatur, dass die auf der Grundlage einer einstweiligen Verfügung nach § 382a EO gewährten Vorschüsse nicht rückwirkend auf die Höhe des endgültigen Titels erhöht werden können (vgl Neumayr in Schwimann, ABGB³ I § 4 UVG Rz 108 und § 19 UVG Rz 29 mwN). In der Entscheidung 2 Ob 113/07t (= EF-Z 2007/135, 227 [Gitschthaler]) wurde die in 3 Ob 147/00i (= SZ 73/127) vertretene gegenteilige Rechtsansicht im Anschluss an die als überzeugend erachteten Argumente Neumayrs aaO abgelehnt. Zusammengefasst wurde festgehalten, dass unabhängig davon, ob nun aufgrund einer einstweiligen Verfügung nach § 382a EO ein „unechter" Titelvorschuss nach § 4 Z 5 UVG oder ein „echter" Titelvorschuss nach §§ 3, 4 Z 1 UVG gewährt werde, der „vorläufige Unterhalt" kein Vorgriff auf den „erst festzusetzenden Unterhalt" sei, der eine nachträgliche „Anpassung" des auf einen Titel nach § 382a EO beruhenden Vorschusses an den endgültigen Unterhalt entsprechend § 19 Abs 2 UVG rechtfertigen könnte. Erst dann, wenn der (endgültige) Unterhalt festgesetzt sei, könne erstmals auf dessen Basis ein Titelvorschuss beantragt werden. Mangels einer diesbezüglichen planwidrigen Unvollständigkeit („Gesetzeslücke") des UVG sei dessen § 19 Abs 2 auch nicht analog anzuwenden. Da in einem Fall wie hier keine „ununterbrochene Gewährung von Unterhaltsvorschüssen des gleichen Typs" vorliege, komme eine Vorschusserhöhung nach § 19 Abs 2 UVG nicht in Betracht.
Dieser Rechtsprechung sind mittlerweile mehrere Senate des Obersten Gerichtshofs gefolgt (6 Ob 179/07b, 7 Ob 150/07w, 1 Ob 182/07g, 1 Ob 183/07d, 2 Ob 241/07s, 6 Ob 243/07i, 10 Ob 100/07i, 7 Ob 195/07p). Lediglich der 4. Senat kehrte zur überwiegend abgelehnten in der Entscheidung 3 Ob 147/00i vertretenen Meinung zurück (4 Ob 155/07h). Diese vom 4. Senat vertretene Rechtsansicht wurde jedoch zuletzt vom
9. Senat in der Entscheidung 9 Ob 56/07m neuerlich mit der Begründung abgelehnt, dass damit die überzeugenden, insbesondere den Provisorialcharakter der vorläufigen Unterhaltsgewährung nach § 382a EO aufzeigenden Argumente der mehrheitlich vertretenen Gegenmeinung nicht widerlegt worden seien. Der seit 1. 1. 2008 für alle Unterhaltsvorschusssachen zuständige 10. Senat des Obersten Gerichtshofs hat sich bereits in seiner Entscheidung 10 Ob 100/07i der herrschenden Judikatur angeschlossen und sieht sich aufgrund der derzeit geltenden Gesetzeslage auch im Hinblick auf die davon abweichende Entscheidung 4 Ob 155/07h, die auf eine Gleichbehandlung von einstweiligen Verfügungen und endgültigen Unterhaltstiteln abzielt, zu einem Abgehen von der herrschenden Judikatur nicht veranlasst.
Die im Wesentlichen mit 1. 1. 2010 in Kraft tretende Novellierung des UVG durch das Familienrechts-Änderungsgesetz 2009, BGBl I 2009/75, hat nunmehr jedoch unter anderem eine Gleichbehandlung von einstweiligen Verfügungen und endgültigen Unterhaltstiteln zum Ziel. So entfällt die in § 4 Z 5 UVG vorgesehene Sonderregelung für Unterhaltsvorschüsse auf vorläufigen Unterhalt nach § 382a EO. Aufgrund der einstweiligen Verfügung können daher nur mehr „echte" Titelvorschüsse beantragt werden. Der endgültige Unterhaltstitel gilt gemäß § 19 Abs 3 UVG nF gegenüber der vorangegangenen Provisorialentscheidung nicht mehr als neuer Unterhaltstitel, was entgegen der derzeit geltenden Rechtslage eine rückwirkende Anpassung der bisher gewährten Vorschüsse nach endgültiger Unterhaltsfestsetzung ermöglicht (vgl Zak 2009/360, 236). Nach der neuen Regelung des § 19 Abs 3 UVG soll damit nunmehr eine, gegebenenfalls rückwirkende, Erhöhung der Vorschüsse in diesen Fällen ermöglicht werden, wenn sich im Titelverfahren herausstellt, dass der („endgültig" festgestellte) Unterhaltsanspruch über den im Rahmen einer einstweiligen Verfügung zugesprochenen und aufgrund dessen bevorschussten Betrag liegt. Dadurch soll die Absicherung der Kinder für die Dauer der Titelverfahren verbessert werden und der Ausfall von Unterhalts-(Vorschuss-)Leistungen ausgeglichen werden, wenn der (endgültige) Unterhaltsbeitrag höher ist als der mittels einstweiliger Verfügung festgesetzte Betrag, mangels Zahlung durch den Unterhaltsschuldner jedoch erst nach (vollstreckbarer) Titelverschaffung Vorschuss in Höhe des (endgültigen) Unterhaltsbeitrags bewilligt werden kann (vgl IA 673 XXIV. GP 37). Die Bestimmung des § 19 Abs 3 UVG idF BGBl I 2009/75 ist jedoch erst auf Verfahren anzuwenden, in denen der Antrag auf Vorschussgewährung aufgrund des § 4 Z 4 UVG oder einer einstweiligen Verfügung nach dem 31. 12. 2009 bei Gericht eingelangt ist (vgl § 37 Abs 10 UVG idF BGBl I 2009/75).
Ausgehend von der oben dargelegten, derzeit noch geltenden Gesetzeslage waren in Stattgebung des Revisionsrekurses die Entscheidungen der Vorinstanzen ersatzlos aufzuheben.
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