OGH 9Ob56/07m

OGH9Ob56/07m25.11.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Hon.-Prof. Dr. Kuras als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen Julia P*****, geboren am 19. Juli 2005, in Obsorge ihrer Mutter Bettina P*****, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Mödling, über den Revisionsrekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 31. Mai 2007, GZ 16 R 106/07p-U25, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 29. Jänner 2007, GZ 13 P 133/06k-U8, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben; die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie ersatzlos aufgehoben werden.

Text

Begründung

Der Vater der Minderjährigen wurde mit einstweiliger Verfügung vom 22. 11. 2006 gemäß § 382a EO zur Leistung eines vorläufigen Unterhalts in der Höhe von monatlich 105,40 EUR, beginnend mit der Zustellung der Einstweiligen Verfügung, verpflichtet. Die Zustellung erfolgte am 27. 11. 2006. Im Hinblick auf diesen Unterhaltstitel gewährte das Erstgericht der Minderjährigen auf deren Antrag mit Beschluss vom 28. 12. 2006 Unterhaltsvorschüsse gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG für die Zeit vom 1. 12. 2006 bis 30. 11. 2009.

Bereits mit Beschluss vom 15. 12. 2006 hatte das Erstgericht den vom Vater ab 1. 1. 2006 zu leistenden monatlichen Unterhaltsbetrag mit 190 EUR monatlich festgesetzt. Gleichzeitig hatte es ausgesprochen, dass mit Rechtskraft dieses Beschlusses die gemäß § 382a EO erlassene einstweilige Verfügung aufgehoben werde. Dieser Beschluss erwuchs in Rechtskraft.

Das Erstgericht erhöhte nun den Unterhaltsvorschuss gemäß § 19 Abs 2 UVG auf die nunmehrige Titelhöhe, und zwar rückwirkend ab 1. 12. 2006.

Das vom Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Der Oberste Gerichtshof habe in der zu einem vergleichbaren Sachverhalt ergangenen Entscheidung 3 Ob 147/00i unter Ablehnung der gegenteiligen Lehrmeinung Neumayrs (nunmehr in Schwimann, ABGB3 I § 4 UVG Rz 108 und § 19 UVG Rz 29) die Auffassung vertreten, dass die einen vorläufigen Unterhalt nach § 382a EO durch eine „endgültigen" Unterhalt ersetzende Entscheidung als Erhöhung des Unterhaltsbeitrags iSd § 19 Abs 2 UVG anzusehen sei. Mit dieser Bestimmung habe der Gesetzgeber die Herstellung eines Gleichlaufs zwischen Unterhaltsvorschüssen und Unterhaltstiteln bezweckt. Auf eine allfällige materiell-rechtliche Änderung des Unterhaltsanspruchs komme es nicht an. Unerheblich sei auch, in welcher Form die Erhöhung des nach dem maßgeblichen Exekutionstitel geschuldeten Unterhaltsbeitrags zustandekomme. Der Oberste Gerichtshof habe mit dieser Argumentation zumindest die analoge Anwendung des § 19 Abs 2 UVG bejaht.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil die gewichtigen Bedenken Neumayrs, wenngleich sie vom Rekursgericht nicht geteilt würden, eine neuerliche Befassung des Obersten Gerichtshofs rechtfertigten.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen ersatzlos zu beheben.

Eine Revisionsrekursbeantwortung wurde nicht erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig und auch berechtigt.

In der Entscheidung 2 Ob 113/07t wurde die in 3 Ob 147/00i vertretene Rechtsansicht im Anschluss an die als überzeugend erachteten Argumente Neumayrs (aaO) abgelehnt. Zusammengefasst wurde festgehalten, dass unabhängig davon, ob nun aufgrund einer einstweiligen Verfügung nach § 382a EO ein „unechter" Titelvorschuss nach § 4 Z 5 UVG oder ein „echter" Titelvorschuss nach §§ 3, 4 Z 1 UVG gewährt wird, der „vorläufige Unterhalt" kein Vorgriff auf den „erst festzusetzenden Unterhalt" ist, der eine nachträgliche „Anpassung" des auf einem Titel nach § 382a EO beruhenden Vorschusses an den endgültigen Unterhalt entsprechend § 19 Abs 2 UVG rechtfertigen könnte. Erst dann, wenn der (endgültige) Unterhalt festgesetzt ist, kann erstmals auf dessen Basis ein Titelvorschuss beantragt werden. Mangels einer diesbezüglichen planwidrigen Unvollständigkeit („Gesetzeslücke") des UVG ist dessen § 19 Abs 2 auch nicht analog anzuwenden. Da in einem Fall wie hier keine „ununterbrochene Gewährung von Unterhaltsvorschüssen des gleichen Typs" vorliegt, kommt eine Vorschusserhöhung nach § 19 Abs 2 UVG nicht in Betracht.

Dieser Rechtsprechung sind mittlerweile mehrere Senate des Obersten Gerichtshofs gefolgt (6 Ob 179/07b, 7 Ob 150/07w, 1 Ob 182/07g, 1 Ob 183/07d, 2 Ob 241/07s, 6 Ob 243/07i, 10 Ob 100/07i, zuletzt 7 Ob 195/07p). Lediglich der 4. Senat kehrte zur überwiegend abgelehnten, in der Entscheidung 3 Ob 147/00i vertretenen Meinung zurück (4 Ob 155/07h), ohne dabei aber die auch nach Ansicht des erkennenden Senats überzeugenden, insbesondere den Provisorialcharakter der vorläufigen Unterhaltsgewährung nach § 382a EO aufzeigenden Argumente der mehrheitlich vertretenen Gegenmeinung zu widerlegen.

In Stattgebung des Revisionsrekurses sind die Entscheidungen der Vorinstanzen somit ersatzlos aufzuheben.

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