OGH 5Ob176/09g

OGH5Ob176/09g1.9.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden und durch die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Roch und Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Claudia B*****-P*****, geboren am *****, vertreten durch Dr. Susanne Schwarzenbacher, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. Alfred P*****, geboren am *****, wegen Ehescheidung über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 16. Juni 2009, GZ 48 R 155/09p-71, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die vom Beklagten behauptete Aktenwidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO), weil das Berufungsgericht hinsichtlich dem Beklagten zur Last gelegter Eheverfehlungen nicht den Akteninhalt in einem wesentlichen Punkt unrichtig wiedergegeben (RIS-Justiz RS0043324 [T2]), sondern lediglich die (übernommenen) Feststellungen des Erstgerichts ausgelegt, daraus Schlussfolgerungen gezogen und diese rechtlich bewertet hat.

2. Soweit der Beklagte eine unrichtige rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts bei der Ermittlung des Zeitpunkts der Zerrüttung der Ehe annimmt, unterscheidet er nicht zwischen objektiver und subjektiver Zerrüttung der Ehe. Die (irrevisible) Tatfrage (RIS-Justiz RS0043432 [T3, T4]; 1 Ob 45/02b = EFSlg 100.851), wann der Beklagte die Ehe für (unheilbar) zerrüttet erachtete, haben die Vorinstanzen ohnehin in seinem Sinne beantwortet. Die Frage, wann die Ehe der Streitteile objektiv unheilbar zerrüttet war, stellt dagegen eine - regelmäßig nur einzelfallrelevante (RIS-Justiz RS0043423 [T8]) - Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0043432 [T1]) dar, bei der das Berufungsgericht - nicht unvertretbar - auf den Zeitpunkt der Klagseinbringung abgestellt (RIS-Justiz RS0043432 [T5]) und deshalb - wiederum nicht unvertretbar und einzelfallbezogen (RIS-Justiz RS0043432 [T6]) - spätere Verhaltensweisen der Klägerin nicht mehr als verschuldensrelevant erkannt hat.

3. Für eine Relativierung der vom Beklagten zu vertetenden (jahrelang währenden) Unterhaltsverletzung besteht kein Anlass, weil schon zur Rechtslage vor dem EheRÄG 1999 ein Anspruch auf Gewährung eines Taschengeldes anerkannt war (vgl RIS-Justiz RS0047346) und die Ansicht des Beklagten, die unzulängliche Alimentierung der Klägerin habe nicht ehezerrüttend gewirkt, in den getroffenen Feststellungen nicht gedeckt ist.

4. Wenn der Beklagte sein Missfallen und seine Kritik an der Klägerin - im Beisein Dritter - üben zu müssen glaubte, dann ist dies nicht bloß die von ihm reklamierte Frage der Ehrlichkeit und Offenheit, sondern auch eine solche der rücksichtsvollen Begegnung gegenüber dem Ehepartner, die das Berufungsgericht inhaltlich zu Recht eingefordert hat.

5. Welchem Ehepartner Eheverfehlungen zur Last fallen und welchen das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe trifft, ist eine Frage des konkreten Einzelfalls, die - von Fällen krasser Fehlbeurteilung abgesehen - nicht als erheblich im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu beurteilen ist (RIS-Justiz RS0118125). Wenn das Berufungsgericht insbesondere angesichts der jahrelang vorgelegenen Unterhaltsverletzung durch den Beklagten, der von ihm - im Beisein Dritter - erfolgten Verletzungen des Gebots der anständigen Begegnung und des zu verschiedenen Anlässen geradezu zelebrierten Desinteresses an der Klägerin dessen überwiegendes Verschulden an der Zerrüttung der Ehe angenommen hat, dann liegt darin jedenfalls keine so gravierende Fehlbeurteilung, dass sie vom Obersten Gerichtshof aufgegriffen werden müsste.

6. Eine (isolierte) Überprüfung der Kostenentscheidung des Berufungsgerichts ist ausgeschlossen (§ 528 Abs 2 Z 3 ZPO; 4 Ob 562/95; Zechner in Fasching/Konecny², § 528 ZPO Rz 147). Mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision des Beklagten unzulässig und zurückzuweisen.

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