Spruch:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung
Heribert G***** (in der Folge: Bauleiter) war vom 20. 2. 1989 bis zu seiner Entlassung am 31. 3. 2005 bei der klagenden Partei als Facharbeiter beschäftigt. Die klagende Partei begründete die Entlassung mit dem Vorwurf, dass der Bauleiter ein Angebot der klagenden Partei an eine Subfirma weitergeleitet habe, die in der Folge die klagende Partei unterboten und den Auftrag erhalten habe.
In einem Verfahren vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht begehrte der Bauleiter von der nunmehr klagenden Partei insgesamt 4.214,41 EUR brutto an ua zum Teil entlassungsabhängigen Ansprüchen. Die (hier) klagende Partei wendete berechtigte Entlassung sowie eine Gegenforderung von 56.272,02 EUR bestehend aus Gehaltsvorschüssen bzw aus einem Darlehen und aus weiteren Forderungen ein. Eine Klärung des Sachverhalts im Rahmen eines kontradiktorischen Verfahrens erfolgte nicht. Am 6. 9. 2005 schlossen der Bauleiter und die hier klagende Partei vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz einen Vergleich folgenden Inhalts (wobei die hier klagende Partei in diesem Vergleich als beklagte Partei und der Bauleiter als klagende Partei bezeichnet wurden):
„1. Die beiden Streitteile vereinbaren die einvernehmliche Auflösung des gegenständlichen Arbeitsverhältnisses per 31. 3. 2005.
2. Die klagende Partei verzichtet gegenüber der beklagten Partei auf die im gegenständlichen Verfahren geltend gemachten Ansprüche in Höhe von 4.214,41 EUR brutto und tritt der beklagten Partei die gegenüber der Bauarbeiter- Urlaubs- und Abfertigungskasse bestehenden Abfertigungsansprüche ab und ist mit der Auszahlung derselben an die beklagte Partei ausdrücklich einverstanden.
3. Mit diesem Vergleich sind sämtliche wechselseitigen Ansprüche der beiden Streitteile resultierend aus dem gegenständlichen Arbeitsverhältnis bereinigt und verglichen ... ."
Dieser Vergleich wurde vor dem Hintergrund geschlossen, dass der Bauleiter das Bestehen von beträchtlichen Gegenforderungen der hier klagenden Partei gegen ihn zugestand und dieser offensichtlich bewusst war, dass die Durchsetzung ihrer Ansprüche aufgrund zahlreicher Exekutionen gegen den Bauleiter problematisch wäre. Man ging davon aus, dass der Bauleiter Anspruch auf Abfertigung habe und er diese Ansprüche der hier klagenden Partei zur Abgeltung der Gegenforderungen abtrete.
In weiterer Folge verweigerte die Beklagte die Auszahlung der Abfertigung an die klagende Partei unter Hinweis auf die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses.
Der Bauleiter und die klagende Partei schlossen daraufhin am 17. 3. 2006 folgende neue Vereinbarung:
„In Abänderung des Vergleichs vom 6. 9. 2005 wird festgelegt, dass das gegenständliche Dienstverhältnis per 31. 3. 2005 durch Dienstgeberkündigung aufgelöst wurde. Die Punkte 2. 3. und 4. des Vergleichs vom 6. 9. 2005 bleiben voll aufrecht."
Die klagende Partei begehrte mit ihrer am 21. 12. 2007 beim Erstgericht eingebrachten Klage 10.624,08 EUR sA. Die dem Bauleiter gegenüber angegebenen Entlassungsgründe hätten sich als nicht haltbar erwiesen, das Dienstverhältnis habe letztendlich durch Dienstgeberkündigung geendet, womit ihr die an sie abgetretenen Abfertigungsansprüche des Bauleiters zustünden. Es treffe nicht zu, dass der Vergleich vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz ausschließlich zu Lasten der Beklagten geschlossen worden sei, vielmehr entspreche dieser der tatsächlichen Sachlage.
Die beklagte Partei beantragte Klageabweisung und wendete ein, dass der Vergleich vom 6. 9. 2005 und die Vereinbarung vom 17. 3. 2006 sittenwidrig seien. Bei einer berechtigten Entlassung sei es unzulässig, zu Lasten der Beklagten eine Arbeitgeberkündigung zu fingieren. Es sei unverständlich, warum der Bauleiter auf die im Vorprozess geltend gemachten Ansprüche verzichten und darüber hinaus noch seine Ansprüche gegen die beklagte Partei der Klägerin abtreten solle, wenn tatsächlich kein Entlassungsgrund vorgelegen sei. Die Vereinbarungen zwischen der klagenden Partei und dem Bauleiter hätten nur dazu gedient, die beklagte Partei zu schädigen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. In rechtlicher Hinsicht erachtete es die Zusatzvereinbarung vom 17. 3. 2006 als sittenwidrig, weil diese in der Absicht erfolgt sei, der klagenden Partei einen Geldbetrag zu sichern, der ihr aufgrund des ursprünglichen Vergleichs nicht zugestanden sei.
Das Berufungsgericht hob über Berufung der klagenden Partei das Ersturteil auf, verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück und ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu. Seine rechtliche Beurteilung lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Den Parteien eines Arbeitsvertrags sei es grundsätzlich unbenommen, einen Endigungsgrund einvernehmlich umzuwandeln. Derartige Vereinbarungen seien unter dem Gesichtspunkt der Privatautonomie grundsätzlich zulässig (Dullinger, DRdA 1997, 226 [richtig: 313- Glosse zu DRdA 1997/35]). So sei es etwa möglich, eine Entlassung einvernehmlich in eine Kündigung umzuwandeln (8 ObA 2313/96x = RdA 1997, 226; RIS-Justiz RS0028693). Eine Kündigung könne wiederum in eine einvernehmliche Auflösung umgewandelt werden (9 ObA 313/92). Letzteres gelte auch für eine Entlassung. Es bestehe auch kein Hindernis, dass Parteien derartige Gestaltungen mehrfach vornehmen. Nach der zuletzt getroffenen Vereinbarung vom 17. 3. 2006 hätten die Parteien des Arbeitsvertrags dessen einvernehmliche Beendigung in eine Arbeitgeberkündigung umgewandelt. Bei einer solchen Art der Beendigung seien die Zeiten des Arbeitsverhältnisses - im Gegensatz zu einer (berechtigten) Entlassung oder einer einvernehmlichen Beendigung - für den Erwerb eines Abfertigungsanspruchs nach dem BUAG anzurechnen (§ 13c Abs 4 BUAG). Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sei es den Parteien des Arbeitsvertrags freilich verwehrt, bei einer berechtigten Entlassung zu Lasten der Bauarbeiter- Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) eine Arbeitgeberkündigung zu fingieren (8 ObA 2313/96x). Dem entspreche die Rechtsprechung zu gleich gelagerten Problemfällen betreffend Rechtshandlungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die darauf abzielen, Entgeltansprüche zu Lasten des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds zu begründen. Soweit keine ausdrücklichen, solche Maßnahmen verbietenden Regelungen bestehen (wie etwa § 1 Abs 3 IESG), werde die Ungültigkeit mit Sittenwidrigkeit nach § 879 Abs 1 ABGB begründet.
Nach ständiger Rechtsprechung habe die Bauarbeiter- Urlaubs- und Abfertigungskasse den Abfertigungsanspruch selbständig zu prüfen, ohne dass sie etwa an eine Meldung des Arbeitgebers oder sogar an ein in einem Verfahren zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ergangenes Urteil gebunden wäre. Eine unberechtigte Entlassung beende das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung, erfülle aber nicht den Tatbestand der „Entlassung aus Verschulden des Arbeitnehmers" im Sinn des § 13c Abs 4 Z 4 BUAG, wonach Beschäftigungszeiten aus einem derart beendeten Arbeitsverhältnis für den Abfertigungsanspruch nicht zu berücksichtigen seien.
Der Umstand, dass die Parteien die (in offenbarer Unkenntnis des § 13c Abs 4 Z 1 BUAG) zunächst vereinbarte Umdeutung der Entlassung in eine einvernehmliche Beendigung in weiterer Folge neuerlich modifiziert hätten, bewirke also nicht schon deshalb Sittenwidrigkeit. Wohl sei nur damit ein möglicher Anspruch gegenüber der Beklagten gewahrt worden; es sei aber nicht zwingend, dass sich dadurch die Rechtsposition der Beklagten im Vergleich zur tatsächlichen Rechtslage im Zeitpunkt der Entlassung verschlechtert habe. Eine allfällige Sittenwidrigkeit der Vereinbarung vom 17. 3. 2006 könne nämlich nicht isoliert von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. 3. 2005 betrachtet werden. Eine Sittenwidrigkeit der nach der Entlassung getroffenen Vereinbarung wäre nur dann zu bejahen, wenn die Entlassung berechtigt erfolgt wäre. Die Beklagte sei für diesen Umstand beweispflichtig.
Die Entscheidung sei schon im Hinblick auf das Verbot von Überraschungsentscheidungen (§ 182a ZPO) daher noch nicht spruchreif. Das Erstgericht habe nämlich zunächst (im Rahmen seines Rechtsgespräches) signalisiert, die Berechtigung der Entlassung zu prüfen. Die Beklagte habe daher zu diesem Zeitpunkt davon ausgehen können, auch ein ausreichendes Vorbringen zur Frage der Entlassung erstattet zu haben. Das Erstgericht werde im fortgesetzten Verfahren daher als Vorfrage zu beurteilen haben, ob der Bauleiter einen Entlassungsgrund gesetzt habe. Nur wenn dies zu bejahen sei, könne von einer Sittenwidrigkeit der getroffenen Vereinbarung ausgegangen werden.
Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zuzulassen, weil - soweit überblickbar - Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dazu fehle, ob ein Abfertigungsanspruch nach dem BUAG auch bei einer sukzessiven vergleichsweisen Regelung, mit der eine Entlassung zunächst in eine einvernehmliche Auflösung und anschließend in eine Dienstgeberkündigung umgewandelt werde, zustehen könne. Insbesondere sei ungeklärt, ob eine einvernehmlich getroffene abfertigungsvernichtende Regelung zu Lasten der Bauarbeiter- Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) neuerlich modifiziert werden könne, wenn damit eine den wahren Gegebenheiten zum Zeitpunkt der Entlassung entsprechende Rechtslage hergestellt werde.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen. Die klagende Partei beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist entgegen der den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht zulässig (§ 526 Abs 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat unter Zitierung von Rechtsprechung und Lehre zutreffend dargelegt, dass es den Parteien des Arbeitsvertrags grundsätzlich frei steht, eine Beendigungsart einvernehmlich in eine andere umzuwandeln. Ob und inwieweit eine derartige „Umwandlung" auch mehrmals möglich ist, ist mangels spezieller rechtlicher Schranken im Rahmen der allgemeinen Grenzen der Zulässigkeit und Wirksamkeit von Vereinbarungen zu beurteilen und stellt abgesehen von einer krassen Verkennung der Rechtslage durch das Berufungsgericht keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung dar. Hier hat das Berufungsgericht in sehr gut vertretbarer Weise auch die mehrfache „einverständliche Umwandlung" der Art der Beendigung des Dienstverhältnisses grundsätzlich bejaht.
Dem Sittenwidrigkeitseinwand der Rechtsmittelwerberin hat das Berufungsgericht ohnehin durch seinen Aufhebungsbeschluss Rechnung getragen. Ob Sittenwidrigkeit vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls, die nicht aufzugreifen ist, wenn das Berufungsgericht bei dieser Entscheidung die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens nicht überschritten hat (RIS-Justiz RS0042881 [T4; T5; T6; T8]). Eine derartige Ermessensüberschreitung kann aber in der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach die hier zur Beurteilung stehenden Vereinbarungen nur dann sittenwidrig wären, wenn sich dadurch die Rechtsposition der beklagten Partei im Vergleich zur tatsächlichen Rechtslage im Zeitpunkt der Entlassung verschlechtert hätte, nicht erblickt werden.
Der Rekurs ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO. Die klagende Partei hat in ihrer Rechtsmittelbeantwortung nicht die Zurückweisung des Rekurses als unzulässig beantragt. Ein nach neuerer Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0123222) grundsätzlich möglicher Zuspruch der Kosten der Rekursbeantwortung bei Zurückweisung des Rekurses kommt daher hier nicht in Betracht.
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