OGH 8Ob46/09m

OGH8Ob46/09m30.7.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Spenling und Hon.-Prof. Dr. Kuras sowie die Hofrätin Dr. Glawischnig und den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karin E*****, vertreten durch Göbel & Groh Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Rainer G*****, vertreten durch Dr. Thomas G. Eustacchio, Rechtsanwalt in Wien, wegen gerichtlicher Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 3. Dezember 2008, GZ 38 R 234/08f-40, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Josefstadt vom 26. Juni 2008, GZ 17 C 989/06h-36, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Aufkündigung aufgehoben und das Begehren auf Übergabe der Wohnung top 30 im vierten Stock des Hauses *****, geräumt von Fahrnissen binnen 14 Tagen, abgewiesen wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.707,59 EUR (darin enthalten 460,71 EUR USt und 1.943,30 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu zahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte ist seit 1982 Mieter einer Wohnung in einem Haus der Klägerin. Er entschloss sich 1999, die Gasleitung in seiner Wohnung zu erneuern, und eine Gasetagenheizung einzubauen. Dazu erhielt er auch die Zustimmung der Hausverwaltung. Er beauftragte den „Hausinstallateur". Die Kommissionierung der neuen Anlage erfolgte schließlich im April 2003. Der Beklagte entschloss sich aber darüber hinaus auch sein WC zu erneuern und stellte dabei fest, dass sich dort vermorschte Holzbalken im Bereich des WC-Bodens befanden. Davon verständigte er die Hausverwaltung, die eine Firma mit der Verlegung einer tragenden Betondecke beauftragte. Der „Hausinstallateur" nahm dann, nachdem der Beklagte die Öffnung für einen entsprechenden Spülkasten gestemmt hatte, die Installation des neuen Hänge-WCs vor. Im Zusammenhang mit diesen Arbeiten kam auch zum Vorschein, dass im Vorzimmer vermorschte Balken waren. Auch die Behebung dieser Mängel beauftragte, nachdem sie davon informiert wurde, die Hausverwaltung. Der Beklagte selbst legte noch ergänzend weitere Deckenbalken ein. Auch entfernte er im Bereich der Küche einen Waschbeton-Belag, der Risse aufwies, und stellte fest, dass der darunter liegende Bretterboden feucht und ebenfalls teilweise morsch war. Er entfernte diesen und nahm auch weitere Verbesserungen bei den Deckenkonstruktionen vor, etwa indem er Tellwolle zwischen die Balken legte und darauf Spanplatten als Blindboden. Der „Hausinstallateur" verlegte dann in weiterer Folge darauf eine Fußbodenheizung und brachte einen Estrich auf. Auch stellte er, nachdem der Beklagte eine Sitzbadewanne entfernt hatte und eine Dusche installieren wollte, den Abfluss für eine geplante Badewanne in Normalgröße her. Der Beklagte selbst verlegte ein Waschbecken um ca einen Meter. In der Zeit zwischen dem Jahr 2000 bis zur Kommissionierung im April 2003 verfügte der Beklagte in der Wohnung weder über eine Badegelegenheit noch über eine Kochmöglichkeit.

Nach der Fertigstellung der Installationsarbeiten begann der Beklagte die Türen in der Wohnung zu sanieren.

Von den Arbeiten im Zusammenhang mit der Errichtung der Fußbodenheizung und des Badezimmers informierte der Beklagte die Hausverwaltung nicht, da er davon ausging, dass dies der „Hausinstallateur" gemacht hatte. Durch die vom Beklagten selbst vorgenommenen zusätzlichen Verstärkungen der Deckenbalken wurde die Tragesicherheit der Deckenkonstruktion nicht beeinträchtigt. Auch die sonstigen Veränderungen durch den Beklagten bewirkten keine Gefährdung.

Seit Beginn der Bauarbeiten im Jahr 2001 nützte der Beklagte innerhalb der ca 60 m2 großen Wohnung nur ein Zimmer, während die übrigen Wohnräumlichkeiten Baustellen mit Werkstättencharakter darstellen. Im Jahr 2001 zog er aus beruflichen Gründen nach München. Eine Rückkehr nach Wien wurde ihm noch nicht konkret in Aussicht gestellt. In München hat der Beklagte auch seit 2001 eine Wohnung. In der hier maßgeblichen Wiener Wohnung verbringt er jedoch sowohl die Wochenenden als auch die Urlaube von ca zumeist 6 Wochen im Jahr (ausgenommen 2003). Er nächtigt in der Wohnung und führt auch selbst die Sanierungsarbeiten durch, trifft seine Bekannten und Freunde und besucht seine Mutter und den Frisör.

Mit der dem Beklagten am 18. 1. 2007 zugestellten Aufkündigung beantragt die Klägerin, dem Beklagten aufzutragen, den Bestandgegenstand binnen 14 Tagen nach Wirksamkeit der Aufkündigung zum 28. 2. 2007 geräumt zu übergeben. Sie stützt diese Aufkündigung einerseits auf einen erheblichen nachteiligen Gebrauch im Sinne des § 30 Abs 2 Z 3 MRG und andererseits darauf, dass der Beklagte die Wohnung nicht regelmäßig zur Befriedigung eines dringenden Wohnbedürfnisses verwende und daher der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 6 MRG vorliege. Die Umbauarbeiten seien unsachgemäß erfolgt und hätten die Statik des Hauses beeinträchtigt. Die Wohnung stelle auch seit Jahren schon eine nicht benützbare Baustelle dar. Bewilligungen zum Umbau habe der Beklagte nicht eingeholt. Dessen Lebensschwerpunkt liege nunmehr in München.

Der Beklagte erhob fristgerecht Einwendungen, beantragte die Aufhebung der Kündigung und die Klageabweisung. Er stützte sich im Wesentlichen darauf, dass sich die Wohnung in einem schlechten Gesamtzustand befunden habe und er sich daher nach Abschluss seines Studiums zur Generalsanierung entschlossen habe. Diese sei auch fachgerecht durchgeführt worden. Der Ausbau habe sich nur deshalb verzögert, weil der Beklagte eben von seiner Firma nach München berufen worden sei, was jedoch nichts am Bedarf an der Wiener Wohnung geändert habe. In Wirklichkeit gehe es nur darum, den Beklagten, der einen niedrigen Hauptmietzins zahle, aus der Wohnung zu entfernen. Die Verbesserungsarbeiten seien mit Wissen und Kenntnis der Hausverwaltung erfolgt. Die Verlegung seiner Abteilung nach München ändere nichts daran, dass der Beklagte in Wien weiter seine Lebensinteressen habe und die Wohnung regelmäßig benütze. All seine sozialen Kontakte bestünden ausschließlich in Wien, da sich der Beklagte in Deutschland auf seine Berufstätigkeit beschränke. Der Beklagte beabsichtige in Zukunft, auch bereits am Donnerstag, allenfalls schon am Mittwoch nach Wien zurückzufahren und von dort aus seine Forschungstätigkeit zu verrichten. In etwa dreieinhalb Jahren werde der Kläger überhaupt eine Anstellung in Wien annehmen.

Das Erstgericht erkannte die gerichtliche Aufkündigung als rechtswirksam und den Beklagten für schuldig, die Wohnung binnen 14 Tagen geräumt zu übergeben. Es verneinte zwar das Vorliegen eines erheblich nachteiligen Gebrauchs im Sinne des § 30 Abs 2 Z 3 MRG, ging aber davon aus, dass der Beklagte die Wohnung nicht mehr regelmäßig für Wohnzwecke verwende und daher der Kündigungsgrund der Z 6 des § 30 Abs 2 MRG verwirklicht sei. Die Benützung einer Freizeit- oder Zweitwohnung aus Bequemlichkeitsgründen oder als Arbeitsstätte weise keine regelmäßige Verwendung zu Wohnzwecken nach. Dass der Beklagte in absehbarer Zeit ein dringendes Wohnbedürfnis haben könnte, habe dieser nicht nachweisen können.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Beklagten nicht Folge. Es führte aus, dass nach den Feststellungen davon auszugehen sei, dass der Beklagte nach München „verzogen" sei und damit auch eine Verlegung des Wohnsitzes im Sinne einer Aufgabe des bisherigen unter Begründung eines neuen Lebensmittelpunkts verbunden sei, habe sich der Beklagte doch im Wesentlichen nur mehr für Zwecke der Sanierungsarbeiten in seiner Wiener Wohnung aufgehalten und Freunde, Bekannte und seine Mutter sowie den Frisör nur dann aufgesucht, wenn dies neben den Arbeiten möglich gewesen sei. Damit liege aber eine regelmäßige Verwendung der Wohnung zu Wohnzwecken nicht (mehr) vor, sondern bloß eine Nutzung zu Zwecken der Freizeitgestaltung bzw als Arbeitsstätte. Auch ein in Zukunft bestehendes dringendes Wohnbedürfnis habe der Beklagte nicht nachweisen können.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht mangels Vorliegens einer in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Frage als nicht zulässig.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten mit dem Antrag, es dahin abzuändern, dass das Klagebegehren kostenpflichtig abgewiesen werde; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist - entgegen den Ausführungen in der Revisionsbeantwortung - sowohl rechtzeitig als auch zulässig, weil das Berufungsgericht die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach die Benützung mehrerer Wohnungen noch nicht den Kündigungstatbestand erfüllt, solange der Mittelpunkt der Lebenshaltung zumindest zum Teil in der aufgekündigten Wohnung liegt (RIS-Justiz RS0079252 mzwN), und die Rechtsprechung, dass an die Anforderungen eines Lebensschwerpunkts bei einem Junggesellen naturgemäß kein allzu strenger Maßstab anzulegen ist (vgl RIS-Justiz RS0079241 mwN), unbeachtet ließ.

Die Revision ist auch berechtigt.

Nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG liegt ein Kündigungsgrund dann vor, wenn die vermietete Wohnung nicht zur Befriedigung eines dringenden Wohnungsbedürfnisses des Mieters oder einer eintrittsberechtigten Person regelmäßig verwendet wird, es sei denn, dass der Mieter zu Kur- oder Unterrichtszwecken oder aus beruflichen Gründen abwesend ist.

Vorweg zu prüfen ist hier nun, ob die Klägerin wegen mangelnder regelmäßiger Verwendung zu Wohnzwecken den Kündigungsgrund nachweisen konnte.

Nach ständiger Rechtsprechung setzt die regelmäßige Verwendung zu Wohnzwecken im Sinne dieser Gesetzesbestimmung zwar voraus, dass die Wohnung vom Gekündigten wenigstens während eines beträchtlichen Zeitraums im Jahr als Mittelpunkt seiner Lebenshaltung benützt wird, jedoch kann an die Anforderungen dieses Lebensschwerpunkts bei einem Junggesellen naturgemäß kein allzu strenger Maßstab angelegt werden, weil doch ein „familiärer Mittelpunkt" nicht in Betracht kommt, sondern im Ergebnis nur ein Ort der Haushaltsführung (vgl RIS-Justiz RS0079241 mzwN, zuletzt 7 Ob 195/08i; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht21 § 30 MRG Rz 41; Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht 5. Lfg [2007] § 30 MRG Rz 53; allgemein zur regelmäßigen Verwendung der Wohnung als wirtschaftlichen und familiären Mittelpunkt RIS-Justiz RS0079240). Auch die Benützung mehrerer Wohnungen erfüllt noch nicht den Kündigungstatbestand, solange der Mittelpunkt der Lebenshaltung zumindest zum Teil in der aufgekündigten Wohnung liegt (RIS-Justiz RS0079252 mzwN, zuletzt 7 Ob 234/04v; Würth/Zingher/Kovanyi aaO Rz 41). Dabei genügt es, wenn die aufgekündigte Wohnung zumindest in mancher Beziehung noch Mittelpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit und des Familienlebens des Mieters ist (RIS-Justiz RS0068874 mwN, zuletzt 7 Ob 273/06g). Allein eine Benützung als „Absteigquartier" oder Freizeitwohnung reicht allerdings nicht aus (vgl Würth/Zingher/Kovanyi aaO Rz 41 ebenso Hausmann/Vonkilch aaO Rz 54).

Unter Zugrundelegung der konkreten und maßgeblichen Feststellungen ist davon auszugehen, dass der Kläger seit und trotz (Teil-)Übersiedlung nach München sein gesamtes soziales Umfeld (Familie, Mutter; Freunde, Bekannte) weiterhin in Wien hat und auch im Wesentlichen alle Wochenenden und Urlaube hier verbringt. Dies ist aber durchaus als beachtlicher Zeitraum im Laufe eines Jahres anzusehen, in dem er diese Wohnung weiter als Ausgangspunkt im Wesentlichen sämtlicher festgestellter privater sozialer Beziehungen nützt. Dass er in dieser Wohnung auch als Hobbybastler nachhaltig auftritt und dabei offensichtlich einen Lebensstandard in Kauf nimmt, der vom normalen Lebensstandard abweichen mag, nimmt ihm nicht das dringende Wohnbedürfnis an dieser Wohnung. Durch diese Funktion als Mittelpunkt der sozialen Beziehungen eines Junggesellen (anders etwa 4 Ob 333/98v), aber auch der im Hinblick auf die Entfernung mangelnden Möglichkeit, sein Wohnbedürfnis anders zu befriedigen (anders etwa 1 Ob 528/88), ist jedoch die Verwendung zu Wohnzwecken indiziert. Ausgehend davon reicht auch der dargestellte Umfang der Verwendung zu Wohnzwecken, um dem Nachweis des Fehlens einer regelmäßigen Verwendung zu Wohnzwecken durch die Klägerin entgegenzustehen.

Das Vorliegen des weiteren Kündigungsgrundes der erheblichen nachteiligen Benützung im Sinne des § 30 Abs 2 Z 3 MRG wurde schon im Berufungsverfahren nicht mehr aufrechterhalten.

In diesem Sinne war daher der Revision des Beklagten Folge zu geben und waren die Entscheidungen der Vorinstanzen im klagsabweisenden Sinne abzuändern.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO. Die im erstgerichtlichen Verfahren in kurzen zeitlichen Abständen vorgenommenen Beweisanbote und Urkundenvorlagen hätten verbunden werden können und waren insoweit zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich.

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