Spruch:
Die Rekurse beider Parteien werden zurückgewiesen.
Die Streitteile haben die Kosten des Rekursverfahrens jeweils selbst zu tragen.
Text
Begründung
Der Kläger war vom 12. 2. 1979 bis zum 30. 6. 2007 als Busfahrer bei der Beklagten angestellt. Am 26. 5. 2003 sprach die Beklagte die Entlassung des Klägers aus. Diese Entlassung focht der Kläger vor Gericht erfolgreich an, sodass sie unwirksam war und das Arbeitsverhältnis aufrecht fortbestand (8 ObA 10/05m).
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Zahlung von Urlaubsersatzleistung für 85 Kalendertage.
Die Beklagte brachte vor, dass dem Kläger der Verbrauch des Urlaubs nach dem Ausspruch seiner Entlassung bis zum Wiederantritt seiner Beschäftigung nach Zugang des Urteils des Obersten Gerichtshofs am 27. 4. 2005 zumutbar gewesen sei. Aus der Treuepflicht des Klägers ergebe sich seine Verpflichtung, Urlaub während der Zeit der Dienstfreistellung zu konsumieren. Die Beklagte wendete aus dem Titel der irrtümlichen Lohnüberzahlung eine Gegenforderung von 3.852,12 EUR netto im Weg der Aufrechnung gegen das Klagebegehren ein.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil über Berufung des Klägers auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Es führte aus, dass der Kläger im Zeitraum zwischen dem Ausspruch der Entlassung und der Zustellung des im Anfechtungsverfahren klagestattgebenden Urteils erster Instanz nicht aufgrund seiner Treuepflicht Urlaub verbrauchen müsse. Ein Urlaubsverbrauch scheide bis zum Zeitpunkt der Zustellung des Urteils erster Instanz daher aus. Für die Zeit danach sei der Kläger vom Dienst freigestellt gewesen, worin das konkludente Angebot der Beklagten auf Abschluss einer Urlaubsvereinbarung enthalten sein konnte. Die Beklagte behauptete aber weder dessen Annahme durch den Kläger, noch, dass er spezielle Verhaltensweisen gesetzt habe, die die Gewährung von Urlaub erfordert hätten. Auch ein Rechtsmissbrauch sei von der Beklagten nicht eingewendet worden. Aus der Treuepflicht des Arbeitnehmers allein könne jedoch nicht abgeleitet werden, dass dieser verpflichtet sei, das mit der Dienstfreistellung verbundene konkludente Angebot des Arbeitgebers auf Abschluss einer Urlaubsvereinbarung anzunehmen. Die Beklagte sei daher grundsätzlich zur Zahlung von Urlaubsersatzleistung an den Kläger für die Zeit zwischen der Entlassung bis zu seiner Wiederbeschäftigung verpflichtet. Da jedoch wesentliche Feststellungen - insbesondere auch zu Grund und Höhe der eingewendeten Gegenforderung - fehlten, sei das Urteil des Erstgerichts aufzuheben gewesen.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung zu den Fragen fehle, ob im Verzicht auf die Dienstleistung des Arbeitnehmers während eines Entlassungsverfahrens ein Angebot des Arbeitgebers zum Abschluss einer Urlaubsvereinbarung liege, ob in einer Nichtannahme eines solchen Angebots eine Treuepflichtverletzung zu sehen sei und schließlich, ob § 10 Abs 3 UrlG eine Bedachtnahme auf die Zumutbarkeit eines Urlaubsverbrauchs ermögliche.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Klägers aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss im klagestattgebenden Sinn abzuändern, hilfsweise, die Klageforderung im Umfang eines Teilurteils als zurecht bestehend zuzuerkennen und die Rechtssache zur Verhandlung über die Gegenforderung zurückzuverweisen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich auch der Rekurs der Beklagten aus dem erkennbaren Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das Klagebegehren abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
In den Rekursbeantwortungen beantragen beide Parteien, den Rekursen der Gegenseite jeweils nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Beide Rekurse sind unzulässig.
Gemäß § 526 Abs 2 ZPO ist der Oberste Gerichtshof bei Prüfung der Zulässigkeit des Rekurses an die Beurteilung des Gerichts zweiter Instanz über das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage nicht gebunden. Ist eine erhebliche Rechtsfrage nicht zu lösen und hat auch der Rekurswerber nicht zumindest eine solche aufgeworfen, so ist der Rekurs zurückzuweisen (Zechner in Fasching/Konecny2 IV/1 § 519 Rz 106).
Der Oberste Gerichtshof hat bereits in seiner Entscheidung 9 ObA 117/08h zu einem vergleichbaren Sachverhalt ausgeführt, dass die vom Berufungsgericht in der Zulassungsbegründung angeführten ersten beiden Rechtsfragen nicht erheblich im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO sind. Es genügt, auf die Ausführungen in jener Entscheidung zu verweisen.
Allein der Umstand, dass der Kläger unter Fortzahlung des Entgelts von der Arbeitspflicht freigestellt war, führt noch nicht zum Verlust des offenen Urlaubsanspruchs. Daher liegt auch in der weiteren vom Berufungsgericht als wesentlich bezeichneten Rechtsfrage, ob § 10 Abs 3 UrlG idF des BGBl I 44/2000 eine Bedachtnahme auf die Zumutbarkeit eines Urlaubsverbrauches ermögliche, keine wesentliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO.
Gemäß § 10 Abs 3 UrlG idF des BGBl I 44/2000 (ARÄG 2000) gebührt für nicht verbrauchten Urlaub aus vorangegangenen Urlaubsjahren anstelle des noch ausständigen Urlaubsentgelts eine Ersatzleistung in vollem Ausmaß des noch ausständigen Urlaubsentgelts, soweit der Urlaubsanspruch noch nicht verjährt ist. Anstelle des Urlaubsentgelts gebührt daher für nicht verbrauchten Urlaub aus früheren Urlaubsjahren eine Ersatzleistung ungeschmälert, dh in voller Höhe des noch ausständigen Urlaubsentgelts. Maßgeblich für die Bemessung der Höhe dieser Urlaubsersatzleistung ist auch bei Bestehen nicht verbrauchter Urlaubsansprüche aus früheren Jahren der Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (RIS-Justiz RS0077544). Dies galt bereits für § 9 Abs 1 UrlG (alt), die Vorgängerregelung des § 10 Abs 3 UrlG (8 ObS 4/05d mwH). Der Anspruch besteht unabhängig von der Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Nach dem Wegfall der Regelung des § 9 Abs 1 Z 3 und 4 UrlG aF durch das ARÄG 2000 besteht eine Obliegenheit des Arbeitnehmers, seinen Urlaub im Fall einer Dienstfreistellung innerhalb einer längeren Kündigungsfrist zu verbrauchen nur im Fall einer Verletzung der Treuepflicht oder eines Rechtsmissbrauchs (9 ObA 144/05z = SZ 2005/182). Ein Verhalten des Klägers, welches als Verstoß gegen seine Treuepflicht oder als Rechtsmissbrauch gewertet werden könnte, wurde von der Beklagten nicht behauptet. Die Auffassung, dass der Kläger alleine durch die Dienstfreistellung zum Urlaubsverbrauch gezwungen werde, ist unzutreffend (9 ObA 117/08h).
Andere, vom Berufungsgericht noch nicht genannte als erheblich zu wertende Rechtsfragen wurden von den Parteien in ihren Rekursen nicht aufgezeigt. Der Oberste Gerichtshof ist auch im Rekursverfahren nach einem Aufhebungsbeschluss nicht Tatsacheninstanz, sodass auf die Ausführungen im Rekurs des Klägers zur Gegenforderung ebenso wenig einzugehen ist, wie auf die im Rekurs der Beklagten aufgeworfenen Fragen, ob der Kläger ein Urlaubsangebot angenommen hätte oder ein Urlaubsverbrauch möglich gewesen wäre. Der Rekurs nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO bezweckt eine umfassende Überprüfung der Rechtsansicht des Berufungsgerichts. Erweist sich jedoch wie im vorliegenden Fall die den Aufhebungsbeschluss tragende Ansicht als richtig, so kann der Oberste Gerichtshof nicht prüfen, ob eine Ergänzung des Verfahrens tatsächlich erforderlich ist (Zechner aaO § 519 Rz 107).
Beide Rekurse waren daher als unzulässig zurückzuweisen.
Keine der Parteien wies in ihrer Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rekurses der jeweiligen Gegenseite hin, sodass die Parteien auch die Kosten ihrer Rekursbeantwortung jeweils selbst zu tragen haben.
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