OGH 8ObS4/05d

OGH8ObS4/05d4.5.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Glawischnig sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Marianne T***** Angestellte, *****, vertreten durch Mag. Wolfgang Holzer, Mag. Helmut Holzer, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die beklagte Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Insolvenz-Ausfallgeld (EUR 612,75 netto sA), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. November 2004, GZ 7 Rs 120/04b-12, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie unter Einschluss der in Rechtskraft erwachsenen Abweisung eines Teilbetrags von EUR 296,34 zu lauten haben:

„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin EUR 909,09 binnen 14 Tagen zu bezahlen, wird abgewiesen".

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war vom 1. Jänner 1982 bis 31. März 2003 bei Peter T***** beschäftigt, über dessen Vermögen mit Beschluss vom 14. August 2003 zu 38 S 97/03x des Landesgerichtes Klagenfurt das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet wurde. Das Dienstverhältnis endete durch Arbeitgeberkündigung.

Seit 1. 7. 2002 arbeitete die Klägerin im Rahmen einer Altersteilzeitvereinbarung 20 Wochenstunden. Ihr Monatsbruttogehalt betrug seither 75 % des Gehaltes bei Vollbeschäftigung und zwar EUR 1.234. Das Urlaubsjahr war das Kalenderjahr. Zum Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses hatte sie 57 Arbeitstage unverbrauchten Urlaub, wobei 38 Tage auf die Zeit vor dem 1. Juli 2002 und 19 auf die Zeit danach entfielen.

Mit Bescheid vom 11. 3. 2004 lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin auf Insolvenzausfallgeld für „Urlaubsentschädigung" mit der Begründung ab, dass der 57 Tage übersteigende Urlaubsanspruch bereits verjährt sei und die Berechnung der „Urlaubsentschädigung" auf der Grundlage eines höheren Betrags als 75 % des (ursprünglichen) Entgelts unter Berücksichtigung der Altersteilzeitvereinbarung, nicht gefordert werden könne.

Die Klägerin begehrte (restliche) EUR 909,09, mit der Begründung, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, die erst gegen Ende des Arbeitsverhältnisses (Juli 2002) aufgrund einer Altersteilzeitvereinbarung mit dem Arbeitgeber vereinbarte, „eingeschränkte Arbeitszeit von 75 %" der Berechnung der Urlaubsersatzleistung zugrunde zu legen.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Da die Klägerin zuletzt durch den Lohnausgleich nach § 27f AlVG 75 % des ursprünglichen Gehalts bezogen habe, sei dieser Betrag der Berechnung der Urlaubsersatzleistung zugrunde zu legen. Nur für die Abfertigung sehe § 27 Abs 2 Z 4 AlVG eine Berechnung auf der Grundlage der Arbeitszeit vor Herabsetzung der normalen Arbeitszeit vor.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren hinsichtlich eines Betrags von EUR 612, 75 netto Folge und wies das Mehrbegehren von EUR 296,34 (unbekämpft) ab. Nach ständiger Rechtsprechung sei bei Ermittlung des Urlaubsentgelts das sogenannte Lohnausfallsprinzip anzuwenden. Im Anlassfall habe die Klägerin nur 9 Monate vor Beendigung des Dienstverhältnisses von einer Vollbeschäftigung zu einer Altersteilzeitbeschäftigung gewechselt. Auch wenn diese nicht ausdrücklich im § 10 Abs 4 UrlG genannt werde, erachtet das Gericht die analoge Anwendung insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz des Lohnausfallsprinzips als geboten, zumal es andernfalls zu einer nicht gerechtfertigten Bevorzugung des Arbeitgebers käme. Bei der Klägerin lägen im Jahr 2002 je 6 Monate Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigung vor, weshalb von keinem Überwiegen ausgegangen werden könne und das Gericht es für gerechtfertigt erachte, eine Teilung dahin vorzunehmen, dass für die 38 Arbeitstage, die auf die Zeit vor dem 1. Juli 2002 entfallen, Urlaubsersatzleistung auf Basis einer Vollzeitbeschäftigung und für die danach liegenden 19 Arbeitstage auf Basis der Altersteilzeit erfolge.

Der dagegen von der Beklagten erhobenen Berufung gab das Berufungsgericht nicht Folge. Nach § 10 Abs 1 UrlG idF des ARÄG 2000 BGBl I 44/2000 gebühre dem Arbeitnehmer für das Urlaubsjahr, in dem das Arbeitsverhältnis ende, eine Ersatzleistung als Abgeltung für den der Dauer der Dienstzeit in diesem Urlaubsjahr im Verhältnis zum gesamten Urlaubsjahr entsprechenden Urlaub. Dieser Anspruch bestehe grundsätzlich bei allen Formen der Beendigung, mit Ausnahme des unbegründeten Austritts. Für Teilzeitbeschäftigte gemäß VKG oder MschG oder §§ 14a und 14b AVRAG sei bei Berechnung der Ersatzleistung im Sinne des Abs 1 jene Arbeitszeit zugrunde zu legen, die in dem Urlaubsjahr, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist, vom Arbeitnehmer überwiegend zu leisten war.

§ 10 Abs 3 UrlG bestimme, dass bei nicht verbrauchtem Urlaub aus vorangegangenen Urlaubsjahren eine Ersatzleistung im vollen Ausmaß des noch ausständigen Urlaubsentgelts zustehe. Die Ersatzleitung gebühre „anstelle des noch ausständigen Urlaubsentgelts" in vollem Ausmaß des noch ausständigen Urlaubsentgelts. Darunter sei das Entgelt zu verstehen, das dem Arbeitnehmer gebührt hätte, wenn er seinen Urlaub in dem Urlaubsjahr, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist, angetreten hätte (vgl Cerny, Urlaubsrecht8, 176; Grießer in Festschrift Josef Cerny, Reflexionen zur Änderung des Urlaubsrechtes durch das ARÄG 2000, 211 ff).

Im Anlassfall sei Urlaubsjahr der Klägerin das Kalenderjahr gewesen. Das bedeute, dass ihr letztes Urlaubsjahr vom 1. 1. bis 31. 3. 2003 gedauert habe, wofür sie aliquot Anspruch auf gerundet sieben Arbeitstage Urlaub auf der Basis des zuletzt verdienten Entgelts von EUR 1.234 habe. Der darüber hinausgehende Urlaubsanspruch habe sich auf die Urlaubsjahre 2000 und 2001 bezogen, wobei die Klägerin im letztgenannten Jahr zur Gänze und danach je zur Hälfte voll bzw teilzeitbeschäftigt war. Hätte sie den ihr gebührenden Urlaub für 2001 im Jahr 2001 und für 2002 im ersten Halbjahr konsumiert, wäre ihr das Urlaubsentgelt im Ausmaß jenes Betrags, den sie in diesen Zeiträumen auf Basis der Vollbeschäftigung verdiente, zugestanden. In diesem Sinn sei die vom Erstgericht vorgenommene Berechnung, jenen Urlaub, der in den Zeitraum vor der Vereinbarung der Altersteilzeit fiel, auf der Basis des Entgelts für die Vollbeschäftigung und jenen, der der Zeit der Teilzeitbeschäftigung zuzuordnen war, auf der Basis des auf 75 % reduzierten Entgelts abzugelten, nicht zu beanstanden. Eine analoge Heranziehung der Bestimmung des § 10 Abs 4 UrlG, die sich nur auf die Urlaubsersatzleistung des letzten Urlaubsjahres beziehe, sei daher gar nicht notwendig.

Die ordentliche Revision wurde mit der Begründung, dass „Gründe für die Revisionszulassung nicht zu erkennen seien" nicht zugelassen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die (außerordentliche) Revision der beklagten Partei mit dem Antrag das angefochtene Urteil im gänzlich klagsabweisenden Sinn abzuändern.

Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die (außerordentliche) Revision ist zulässig und auch berechtigt.

Die Revision ist zulässig, da zur Frage der Berechnung der Urlaubsersatzleistung nach § 10 Abs 3 UrlG idF des ARÄG 2000 bei infolge „Altersteilzeit" veränderter Entgelthöhe noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt; sie ist aber auch inhaltlich berechtigt.

Gemäß § 10 Abs 3 UrlG (idF des BGBl I 44/2000) gebührt für nicht verbrauchten Urlaub aus vorangegangenen Urlaubsjahren anstelle des noch ausständigen Urlaubsentgelts eine Ersatzleistung in vollem Ausmaß des noch ausständigen Urlaubsentgelts, soweit der Urlaubsanspruch noch nicht verjährt ist. Den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (91 BlgNR XXI. GP) lässt sich entnehmen, dass die Neuregelung die Aliquotierung des Anspruchs im Jahr der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorsieht, für den zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Ersatzleistung für nicht verbrauchten Urlaub zusteht. Das Ausmaß der Ersatzleistung entspricht dem Urlaubsentgelt zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den der Dauer des Arbeitsverhältnisses im Urlaubsjahr aliquotierten Anspruch. In Abs 3 wird klargestellt, dass für nicht verbrauchten Urlaub aus früheren Urlaubsjahren anstelle des Urlaubsentgelts eine Ersatzleistung ungeschmälert, das heißt in voller Höhe des noch ausständigen Urlaubsentgelts, zusteht, sofern der Urlaubsanspruch noch nicht verjährt ist.

Die Neuregelung ist gemäß § 19 Abs 5 UrlG für Urlaubsjahre, die nach dem 31. 12. 2000 beginnen, anzuwenden.

Der vor der Neuregelung in Geltung gestandene § 9 Abs 1 UrlG (alt) sah eine dem Arbeitnehmer gebührende Entschädigung in der Höhe des noch ausstehenden Urlaubsentgelts vor, wenn das Arbeitsverhältnis nach Entstehung des Urlaubsanspruchs, jedoch vor Verbrauch des Urlaubs auf die in den Z 1 bis 6 leg. cit. näher geregelte Art und Weise endete, vor. Der Oberste Gerichtshof interpretiert diese Regelung in ständiger Rechtsprechung (Arb 10.959; 9 ObA 101/93; 9 ObA 93/97k uva) unter Hinweis auf die Lehre (Cerny, Urlaubsrecht8, 158, Kuderna, UrlG2, 160 mwN) dahin, dass für die Entstehung des Anspruchs auf Urlaubsentschädigung der Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses maßgeblich ist und bei Bemessung der Höhe der Urlaubsentschädigung dabei auch bei Bestehen nicht verbrauchter Urlaubsansprüche aus früheren Jahren, auf den Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses abzustellen sei.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes kann auch der Regelung des § 10 Abs 3 UrlG (neu) kein anderes Verständnis beigelegt werden. Gemäß § 6 Abs 2 UrlG darf ein nach Wochen, Monaten oder längeren Zeiträumen bemessenes Entgelt für die Urlaubsdauer nicht gemindert werden. Grießer (Reflexionen zur Änderung des Urlaubsrechts durch das ARÄG 2000, in Festschrift Cerny, S 211) weist zutreffend darauf hin, dass sowohl die Urlaubsentschädigung als auch der Ersatzanspruch als Bemessungsgrundlage das Urlaubsentgelt ausweisen, weshalb sich an der bisherigen Berechnungsart im Prinzip nichts ändere. Was den Ersatzanspruch für bereits abgeschlossene Urlaubsjahre angeht, vertritt Grießer (aaO S 214) die Ansicht, dass die bisherige Judikatur festgeschrieben worden sei.

Berücksichtigt man die in den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (siehe oben) dargestellten Ausführungen, wonach das Ausmaß der Ersatzleistung dem Urlaubsentgelt zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses .... entspricht, besteht keine Veranlassung von der bisherigen Rechtsprechung abzugehen. Den Ausführungen Cernys (Urlaubsrecht8, 176), wonach die Formulierung, die Ersatzleistung gebührt „anstelle des noch ausständigen Urlaubsentgelts ... in vollem Ausmaß des noch ausständigen Urlaubsentgelts" dahingehend zu verstehen sei, dass die Ersatzleistung jenes Entgelt umfasse, das dem Arbeitnehmer gebührt hätte, wenn er seinen Urlaub in dem Urlaubsjahr, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist, angetreten hätte, kann somit nicht gefolgt werden. Den von Cerny zitierten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes, Arb 9643 und Arb 10.095 ist lediglich zu entnehmen, dass der Anspruch auf Urlaubsentschädigung nach § 9 Abs 1 UrlG einen im Zeitpunkt der Auflösung des Arbeitsverhältnisses bestehenden offenen Urlaubsanspruch zur Voraussetzung hat und dass die Höhe der Urlaubsentschädigung mit der Höhe des noch ausstehenden Urlaubsentgelts identisch ist. Diesbezüglich ist jedoch auf die bereits erwähnte ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu verweisen, wonach bei Bemessung der Höhe der Urlaubsentschädigung (für nicht verbrauchte Urlaubsansprüche aus früheren Jahren) auf den Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses abzustellen ist. Die Regelung des § 4 Abs 1 UrlG, wonach der Urlaub möglichst bis zum Ende des Urlaubsjahres in dem der Anspruch entstanden ist verbraucht werden soll, ist nicht geeignet die gegenteilige Auffassung zu stützen, steht doch dem Arbeitnehmer grundsätzlich die Möglichkeit offen, den noch nicht verjährten Urlaubsanspruch aus den Vorjahren bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses in natura zu konsumieren. Die gegenteilige Ansicht lässt insbesondere den Umstand unberücksichtigt, dass Änderungen des Entgelts während des laufenden Urlaubsjahres keine zu vernachlässigenden Einzelfälle darstellen und offen bleibt, zu welchem konkreten Zeitpunkt innerhalb des jeweiligen Urlaubsjahres, der Arbeitnehmer den Urlaub konsumiert und welches Urlaubsentgelt er bezogen hätte. Das Abstellen der Berechnung des „noch ausständigen Urlaubsentgelts" auf den Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses erweist sich daher auch im Zusammenhang mit der Neuregelung des § 10 Abs 3 UrlG als konseqent.

Eine analoge Anwendung des § 10 Abs 4 UrlG auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses während einer Altersteilzeit kommt nicht in Betracht, da es an einer, vom Gesetzgeber nicht gewollten Regelungslücke fehlt.

Da die Berechnung der Urlaubsersatzleistung durch die beklagte Partei richtigerweise unter Berücksichtigung des zum Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses von der Klägerin bezogenen Entgelts (75 % des vor der Inanspruchnahme der Altersteilzeit bezogenen Entgelts) erfolgte, erweist sich das Klagebegehren als unbegründet.

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