Spruch:
Dem Revisionsrekurs des Bundes wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Rekursgericht aufgetragen, den Rekurs unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund zu behandeln.
Text
Begründung
Die am 18. 6. 1998 geborene Nicole F***** ist die Tochter von Markus E***** und Monika F*****. Das Kind lebt bei der Mutter in Wien. Der Vater ist zu Geldunterhalt verpflichtet.
Mit Beschluss vom 11. 9. 2008 (ON U18) setzte das Erstgericht von Amts wegen die dem Kind für Zeiträume vom 1. 7. 2002 bis 30. 9. 2008 gewährten Unterhaltsvorschüsse auf folgende monatliche Beträge herab:
- a) vom 1. 7. 2002 bis 31. 12. 2004 auf 80 EUR,
- b) vom 1. 1. 2005 bis 31. 12. 2005 auf 85 EUR,
- c) vom 1. 1. 2006 bis 31. 12. 2007 auf 90 EUR und
- d) ab 1. 1. 2008 auf 95 EUR.
Als Unterhaltsbemessungsgrundlage des Vaters, der im maßgeblichen Zeitraum Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung und der Krankenversicherung bezog, zog das Gericht das jeweilige Existenzminimum heran. Die Herabsetzung erfolgte im Hinblick auf „begründete Bedenken" (§ 19 Abs 1 in Verbindung mit § 7 Abs 1 UVG). Den auf Herabsetzung der Vorschüsse auf einen monatlichen Betrag von 30 EUR gerichteten Rekurs des Bundes (ON U21) wies das Rekursgericht im Hinblick auf fehlende Beschwer zurück. Eine Herabsetzung der Vorschüsse von Amts wegen aufgrund begründeter Bedenken nach § 7 UVG begründe weder eine formelle noch eine materielle Beschwer des Bundes, weil die Zahlungspflicht des Bundes durch die Entscheidung des Erstgerichts ohnedies reduziert worden sei. Demnach seien fiskalische Interessen des Bundes (nur solche könnten eine Beschwer des Bundes begründen) nicht berührt. Ein Anspruch des Bundes auf eine weitergehende Herabsetzung der Vorschüsse von Amts wegen bestehe nicht.
Der Revisionsrekurs sei im Hinblick auf das Fehlen höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage der Beschwer des Bundes im Fall einer amtswegigen Herabsetzung der Unterhaltsvorschüsse zulässig.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Bundes mit dem Antrag, die Entscheidung des Rekursgerichts dahin abzuändern, dass seinem Rekurs gegen die Entscheidung des Erstgerichts Folge gegeben wird. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Das Kind, der Vater und die Mutter (Zahlungsempfängerin) haben sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht die Frage der Beschwer des Bundes unrichtig gelöst hat, was aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifen ist. Der Revisionsrekurs ist auch im Sinne einer Aufhebung der angefochtenen Entscheidung berechtigt. In seinem Revisionsrekurs macht der Bund geltend, dass er durch die die mangelnde Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners nicht hinreichend berücksichtigende Entscheidung des Erstgerichts über die Herabsetzung der Unterhaltsvorschüsse auch dann in seinen fiskalischen Interessen berührt werde und daher materiell beschwert sei, wenn die Herabsetzung von Amts wegen erfolgt sei. Würde man der Rechtsansicht des Rekursgerichts folgen, müsste in amtswegigen Verfahren jedes Rechtsmittel unzulässig sein. Richtigerweise sei hier jedoch von dem im Rechtsmittelantrag zum Ausdruck kommenden hypothetisch beabsichtigten Entscheidungsantrag des Rechtsmittelwerbers in erster Instanz auszugehen.
Dazu hat der Senat erwogen:
1. Nach § 19 Abs 1 Satz 1 UVG hat das Gericht von Amts wegen oder auf Antrag die Unterhaltsvorschüsse entsprechend herabzusetzen, wenn der Unterhaltsbeitrag herabgesetzt wird oder wenn ein Fall des § 7 Abs 1 UVG eintritt, ohne dass es zur gänzlichen Versagung der Vorschüsse käme. Zu einer entsprechenden Antragstellung ist auch der Bund legitimiert (1 Ob 364/98f = SZ 72/50 = RIS-Justiz RS0111782); im Hinblick auf die Verpflichtung zum amtswegigen Vorgehen ist das Gericht aber nicht auf einen Antrag angewiesen.
2. Im Rahmen der ihm im UVG zugewiesenen Rechtsposition hat der Bund eine ihn beschwerende unrechtmäßige Gewährung von Unterhaltsvorschüssen hintanzuhalten (2 Ob 508/94; RIS-Justiz RS0076559). In diesem Sinn werden Interessen des Bundes verletzt, wenn er weiter zu Zahlungen verpflichtet ist, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen für eine (weitergehende) Herabsetzung oder die Einstellung der Unterhaltsvorschüsse vorliegen (1 Ob 364/98f = SZ 72/50); eine Beschwer des Bundes ist in diesem Fall zu bejahen (vgl 3 Ob 535/91).
3. Die Beschwer besteht unabhängig davon, ob der Bund einen Herabsetzungs- oder Einstellungsantrag gestellt hat, dem das Gericht nicht oder nicht zur Gänze gefolgt ist, oder ob das Gericht von Amts wegen eine Herabsetzung der Vorschüsse beschlossen hat, die aus Sicht des Bundes nicht weit genug geht. Auch im zweitgenannten Fall werden materielle Interessen des Bundes verletzt. Zur Beurteilung der Beschwer ist dann vom Rechtsmittelantrag auszugehen, der den Inhalt des vom Rechtsmittelwerber bereits in erster Instanz hypothetisch beabsichtigten Entscheidungsantrags zum Gegenstand hat (Fasching in Fasching/Konecny2 IV/1, Einleitung Rz 108).
4. Dem Rekurs des Bundes ist daher Folge zu geben; der zweiten Instanz ist eine neuerliche Entscheidung über den Rekurs des Bundes (ON U21) unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.
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