Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Dem Rekursgericht wird die neuerliche Entscheidung über den Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß ON 47 aufgetragen.
Text
Begründung
Das Erstgericht bewilligte dem Minderjährigen mit Beschluß vom 13.7.1990 für die Zeit vom 1.6.1990 bis 31.5.1993 Unterhaltsvorschüsse gemäß §§ 4 Z 2, 6 Abs.2 UVG (ON 6), weil die Schaffung eines Unterhaltstitels gegen den seit 1984 unbekannten Aufenthaltes in Kanada weilenden Vater seinerzeit nicht möglich war. Als der Aufenthalt des Vaters bekannt wurde und dieser sich zu einem freiwilligen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 500,-- bereit erklärte, verpflichtete das Erstgericht den Vater mit seinem Beschluß vom 23.3.1992 (ON 22) - unter Vorbehalt der Entscheidung über das weitere Unterhaltsbegehren - ab 1.6.1990 zur Zahlung von monatlich S 500,--. Mit Beschluß vom gleichen Tag (ON 23) stellte es den gewährten Richtsatzvorschuß rückwirkend ab 1.6.1990 ein. Ab 1.9.1992 gewährte es sodann dem Minderjährigen Titelvorschüsse von S 500,-- (ON 35). Mit rechtskräftigem Beschluß vom 5.10.1992 wurde der Unterhaltsbeitrag des Vaters für den Minderjährigen ab 1.6.1990 mit insgesamt monatlich S 1.500,-- festgesetzt (ON 42). Der erkennende Senat des Obersten Gerichtshofs hob mit Beschluß vom 17.6.1993 (ON 46) den vom Rekursgericht bestätigten Beschluß des Erstgerichtes ON 23 ersatzlos auf.
Mit Beschluß vom 22.7.1993 (ON 47) stellte das Erstgericht den ursprünglich dem Minderjährigen nach § 4 Z 2 UVG gewährten Unterhaltsvorschuß (neuerlich) rückwirkend ab 1.6.1990 ein, weil der Vater ab diesem Zeitpunkt rechtskräftig zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von S 1.500,-- verpflichtet worden sei. Mit dem am gleichen Tag gefaßten Beschluß ON 48 erhöhte das Erstgericht die Titelvorschüsse ab 1.9.1992 (von bisher S 500,-- aufgrund seines Beschlusses ON 35) auf S 1.500,--.
Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Gericht zweiter Instanz den Rekurs des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien, gegen den erstinstanzlichen Beschluß ON 47 mangels Beschwer zurück und sprach aus, daß der ordentliche Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Der Präsident des Oberlandesgerichtes habe durch sein Rechtsmittelrecht nach § 15 Abs.1 UVG die finanziellen Interessen des Bundes zu wahren und insbesondere darauf zu achten, daß Unterhaltsvorschüsse nicht unberechtigt gewährt werden. Der Oberste Gerichtshof habe zwar in der Entscheidung EFSlg.
66.687 ausgesprochen, daß eine Beschwer des Präsidenten des Oberlandesgerichtes im Falle der Abweisung des Antrags auf rückwirkende Vorschußeinstellung gegeben sei, auch wenn klar sei, daß eine Rückforderung der zu Unrecht bezogenen Vorschüsse nicht möglich sei, und in der Entscheidung EFSlg. 63.744 eine Beschwer des Präsidenten des Oberlandesgerichtes durch eine rückwirkende Umwandlung von Titelvorschüssen in Haftvorschüsse angenommen, weil bei letzteren eine eingeschränkte Rückforderungsmöglichkeit gemäß § 29 UVG bestehe. Verfolge der Präsident des Oberlandesgerichtes aber - wie hier - mit seinem Rechtsmittel das Ziel, rückwirkend eingestellte Unterhaltsvorschüsse erst mit einem späteren Zeitpunkt einzustellen, so fehle ihm dazu eine Beschwer, weil er nicht die Interessen des Kindes oder gar "Fehler an sich" wahrzunehmen, sondern allein die Interessen des Bundes an der das gesetzliche Maß nicht übersteigenden Gewährung und einer möglichst weitreichenden Nichtgewährung (Einstellung) der Unterhaltsvorschüsse zu verfolgen habe.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Bundes ist zulässig, weil zur Frage der Beschwer des Präsidenten des Oberlandesgerichtes durch die Einstellung von Unterhaltsvorschüssen höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht vorliegt; er ist auch berechtigt.
Das dem Bund zustehende, durch den Präsidenten des (zuständigen) Oberlandesgerichtes auszuübende Rekursrecht im Sinne des § 15 Abs.1 UVG bezweckt ua die Hintanhaltung der unrechtmäßigen Gewährung von Unterhaltsvorschüssen (EFSlg. XVIII 1 = 38.989; EFSlg. 51.927 ua). Wie weit und ob der Bund durch die Einstellung von Unterhaltsvorschüssen beschwert und daher rekursberechtigt ist, hängt davon ab, ob durch die angefochtene Entscheidung in seine Rechte eingegriffen wurde (EFSlg. 38.989; 51.927). Ihm obliegt daher nicht die Wahrung der Interessen des Kindes oder des Unterhaltsschuldners. Fehler in gerichtlichen Entscheidungen über Unterhaltsvorschüsse kann er daher auch nur bekämpfen, wenn sie einen Eingriff in seine ihm nach dem UVG zustehenden Rechte bewirkten.
Nach der Rechtsprechung der Gerichte zweiter Instanz und der Meinung Knolls (UVG-Komm. Rz 4 zu § 15 mwN aus der zweitinstanzlichen Judikatur) fehlt dem Bund (dem Präsidenten des Oberlandesgerichtes) die Beschwer gegen Beschlüsse, die Unterhaltsvorschüsse gänzlich oder teilweise mit oder ohne Rückwirkung einstellen, wenn er mit seinem Rechtsmittel die gänzliche oder teilweise Belassung der Unterhaltsvorschüsse oder deren Einstellung mit einem späteren Zeitpunkt verfolgt; nach dieser Auffassung sei auch aus dem Argument, die (dem Präsidenten des Oberlandesgerichtes gemäß § 23 UVG obliegende) Rückforderung von gewährten Unterhaltsvorschüssen sei nach den, dem bekämpften Beschluß "entsprechenden" Bestimmungen schwieriger als nach den der gewünschten Entscheidung entsprechenden Bestimmungen, keine Beschwer abzuleiten (Knoll aaO; LGzWien EFSlg. 51.926); ein Rechtsschutzinteresse des Bundes an einer - allenfalls dem Gesetz entsprechenden - höheren Unterhaltsvorschußzahlung bzw. geringeren Einstellung von gewährten Unterhaltsvorschüssen sei zu verneinen.
Dieser Auffassung ist nicht beizupflichten.
Die dem Präsidenten des Oberlandesgerichtes im UVG zugewiesenen, die Aufgaben und die Interessen des Bundes wahrenden Rechte und Pflichten sind nicht gesondert für die Gewährung, Änderung und Einstellung von Unterhaltsvorschüssen einerseits und für die etwa in den §§ 22, 23 (Ersatz zu Unrecht gewährter Vorschüsse), 28 (Rückzahlung der Vorschüsse nach § 4 Z 2), 29 (Rückzahlung der Vorschüsse nach § 4 Z 3) oder 31 UVG (Eintreibung für den Bund) geregelten Aufgabenbereiche andererseits, sondern als Einheit zu betrachten. Verliert daher der Präsident des Oberlandesgerichtes, wie im vorliegenden Fall durch die bis zur Erstgewährung rückwirkende Einstellung der dem Minderjährigen gewährten Richtsatzvorschüsse gemäß § 4 Z 2 UVG den für die Rückforderung gegen den Unterhaltsschuldner ihm vom Gesetz (§ 28 Abs 2 UVG) zugedachten Exekutionstitel, dann ist er (der Bund) durch diesen Einstellungsbeschluß in seiner die Rückforderung der gewährten Vorschüsse betreffenden Rechtsstellung beeinträchtigt und damit beschwert, zumal ihm dadurch die Rückforderungsmöglichkeit des § 28 UVG genommen wurde und die Rückforderung bzw Rückzahlung der Vorschüsse jedenfalls erschwert werden kann (vgl EFSlg 63.744). An diesem Ergebnis vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, daß der Präsident des Oberlandesgerichtes im Verfahren auf Gewährung, Änderung und Einstellung von Unterhaltsvorschüssen kein Antragsrecht hat, weil er in Wahrung der Interessen des Bundes die über solche Anträge ergehenden Entscheidungen gemäß § 15 UVG bekämpfen kann, wenn sie sich auf die im UVG erfaßte Rechtssphäre des Bundes auswirken.
Das Gericht zweiter Instanz wird sohin über den Rekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes gegen den erstgerichtlichen Beschluß ON 47 sachlich zu entscheiden haben.
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