OGH 4Ob58/09x

OGH4Ob58/09x9.6.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Peter H*****, vertreten durch Dr. Horst Brunner und andere Rechtsanwälte in Kitzbühel, gegen die beklagte Partei Dr. Christian H*****, vertreten durch Mag. Bernhard Wimmer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unterlassung (Streitwert 5.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 17. Oktober 2008, GZ 3 R 249/08a-38, womit das Urteil des Bezirksgerichts Kitzbühel vom 7. Mai 2008, GZ 4 C 262/05g-34, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Streitteile sind Eigentümer benachbarter Liegenschaften im Stadtgebiet einer Fremdenverkehrsgemeinde. Der Beklagte betreibt auf seiner Liegenschaft ein Hotel.

Der Rechtsvorgänger des Klägers verkaufte 1983 einen Grundstreifen entlang der gemeinsamen Grenze an die Rechtsvorgänger des Beklagten, welche im Gegenzug die Grunddienstbarkeit einräumten, über die im Lageplan eingezeichnete Wegtrasse mit einer durchwegigen Höchstbreite von 3 m über den zum Grundstück des Beklagten gehörigen Hofraum zu gehen und mit Fahrzeugen zu fahren. Bis zum Jahr 2001 waren im Hofbereich drei große Einzelgaragen mit Zugang zum Hotel des Beklagten („Eingang alt"), in deren Bereich Fahrzeuge schräg abgestellt wurden. Je nach Saison parkten dort mehr oder weniger Fahrzeuge. Aufgrund der Parkplatzprobleme gab es immer wieder Gespräche zwischen den Mietern und Pächtern des Klägers sowie Mitarbeitern des Hotels des Beklagten. Nachdem sich in den letzten Jahren die Situation immer mehr zugespitzt hatte, insbesondere weil aufgrund des Umbaus des Hotels noch mehr Gäste kamen, weniger Bustouristen und mehr Individualtouristen mit eigenem Fahrzeug anreisten und der Beklagte die Urgenzen des Klägers ignorierte, sah sich der Kläger zur Klageführung veranlasst.

In der Natur ist die Grundgrenze zwischen den Liegenschaften der Streitteile nicht erkennbar, weil es sich um eine durchgehend asphaltierte Fläche handelt. Durch das schräge Parken waren der Kläger, seine Mieter oder Pächter bei der Zufahrt zu ihren Parkplätzen nicht eingeschränkt, weil zum damaligen Zeitpunkt nordwestlich des vorgesehenen Servitutswegs noch nicht geparkt wurde und sie daher problemlos - wenn auch nicht zur Gänze über die Dienstbarkeitstrasse - zu ihren Parkplätzen zufahren konnten. Aus diesem Grund beschwerte sich der Kläger auch nicht über das zeitweilige Schrägparken der Besucher des vom Beklagten geführten Hotels. Erst in den letzten Jahren, etwa seit Fertigstellung des Hotelumbaus 2001 verschärfte sich die Situation, weil nicht mehr ausreichend Parkplätze für das Hotel vorhanden waren und die bislang genutzten Parkplätze im Nordwestbereich (nordwestlich der Dienstbarkeitstrasse) durch andere Fahrzeuge oder im Winter durch Schneehaufen blockiert wurden. Der Kläger (seine Mieter und Pächter) wurden daher erst seit 2001 bei der Zufahrt zu ihren Parkplätzen tatsächlich beeinträchtigt; eine zeitweise Beeinträchtigung der Dienstbarkeitstrasse des Klägers, die allerdings die Zufahrt des Klägers, seiner Mieter oder Pächter nicht grundsätzlich behinderte, liegt bereits seit vielen Jahren vor.

Im Sommer 2002 ließ der Beklagte im Hofbereich zusätzlich große Steine verlegen, seither kann dort nicht mehr schräg, sondern nur parallel geparkt werden.

Am 12. Februar 2005 war die Wegtrasse aufgrund der Schneeverhältnisse und der auf dem Grundstück des Beklagten geparkten Fahrzeuge auf weniger als 3 m eingeschränkt und das Passieren nur erschwert oder gar nicht möglich. Zumindest ein Fahrzeug war über Anweisung des Beklagten oder seiner Angestellten beinahe zur Gänze auf der Dienstbarkeitstrasse des Klägers abgestellt. Der auf der gegenüberliegenden Seite vorhandene Schneehaufen war Ergebnis der Schneeräumung des Beklagten.

Am 16. Februar 2005 war ebenfalls ein Passieren über eine Breite von 3 m aufgrund eines über Veranlassung des Beklagten abgestellten Fahrzeugs nicht möglich.

Nicht festgestellt werden konnte, dass der Beklagte oder einer seiner Mitarbeiter - bis auf die Vorfälle vom 12. und 16. Februar 2005 - das Abstellen von Fahrzeugen derart gestattet hätte, dass eine Zufahrt zu den Parkplätzen des Klägers nicht mehr möglich gewesen wäre. Der Beklagte versuchte vielmehr, derartiges durch entsprechende Anweisung an seine Gäste sowie das Parken der Gästefahrzeuge durch seine Angestellten zu verhindern.

Der Kläger begehrte, dem Beklagten als Eigentümer des dienenden Grundstücks gegenüber dem Kläger als Eigentümer des herrschenden Grundstücks zu verbieten, den Gästen seines Gastronomiebetriebs zu gestatten, auf der 3 m breiten Wegdienstbarkeitstrasse, die entlang der gemeinsamen Grenze der Grundstücke der Streitteile verläuft, zu parken oder die Dienstbarkeit des Gehens und Fahren auf dieser Wegdienstbarkeitstrasse durch ähnliche Handlungen zu stören. Hilfsweise begehrte er, dem Beklagten aufzutragen, dafür Sorge zu tragen, in eventu auf seine Dienstnehmer einzuwirken, dass Gäste des von ihm betriebenen Gastronomiebetriebs nicht auf der Wegdienstbarkeitstrasse, die in einer Breite von 3 m entlang der gemeinsamen Grenze verläuft, parken oder die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens auf dieser Wegdienstbarkeitstrasse durch ähnliche Handlungen stören. In der Vergangenheit kurzfristig auf der Dienstbarkeitstrasse geparkte Fahrzeuge seien nach Aufforderung immer entfernt worden; erst im Winter 2005 sei seine Dienstbarkeit massiv beeinträchtigt oder deren Ausübung unmöglich gemacht worden. Aufgrund der Baumaßnahmen des Beklagten (Setzung tonnenschwerer Steine entlang des Hotelgebäudes) könne der 3 m breite Dienstbarkeitsstreifen zwar in der Natur befahren werden, allerdings verbleibe zwischen dem Dienstbarkeitsstreifen und dem Hotel kein Parkraum mehr, ohne dass die dienstbare Fläche beeinträchtigt würde. Tatsächlich werde aber dort immer wieder geparkt. Die Leute des Beklagten hätten über Ersuchen des Klägers Fahrzeuge immer wieder weggestellt oder sich darum gekümmert, dass die Fahrzeuge weggestellt werden. Einerseits behaupte der Beklagte, alle denkmöglichen Schritte unternommen zu haben, um Störungshandlungen zu unterbinden, andererseits berufe er sich auf die Freiheitsersitzung. Die großen Steine entlang seines Gebäudes habe der Beklagte erst im Sommer 2002 gesetzt.

Der Beklagte wendete ein, die Zufahrtsmöglichkeit nie gänzlich unmöglich gemacht zu haben. Für den Fall, dass sich ungeachtet gebotener einschränkender Auslegung der Dienstbarkeitsvereinbarung eine Beeinträchtigung der Dienstbarkeit des Klägers durch entlang des Hotels geparkte Fahrzeuge ergeben sollte, sei insoweit das Dienstbarkeitsrecht des Klägers verjährt. Der Beklagte habe sich im Sinn des § 1488 ABGB der Dienstbarkeit schon länger widersetzt. Durch den schon vor 2001 erfolgten Hotelumbau parkten schon mehr als 3 Jahre vor Klageeinbringung Fahrzeuge parallel zur Hauswand des Beklagten, wodurch sich keine Änderung der bereits seit 1986 vom Kläger widerspruchslos akzeptierten Einschränkung bzw örtlichen Verlagerung der Dienstbarkeitstrasse gegenüber der vertraglichen Vereinbarung 1983 ergeben habe.

Das Erstgericht gab dem Unterlassungsbegehren ausgehend von den Vorfällen vom 12. und 16. Februar 2005, welche nur beispielhaft für mehrmaliges Parken an der betreffenden Stelle stünden, statt. Freiheitsersitzung nach § 1488 ABGB sei nicht anzunehmen. Eine Einschränkung der gemessenen Dienstbarkeit sei nicht erfolgt. Der genaue Verlauf der Servitutstrasse sei in der Natur wegen der asphaltierten Fläche nicht erkennbar und daher eine allfällige Freiheitsersitzung für den Kläger nicht bewusst wahrnehmbar gewesen.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Unterlassungsgebot und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000, nicht aber 20.000 EUR übersteige und - nach Abänderungsantrag des Beklagten - die Revision mangels Rechtsprechung zur Frage zulässig sei, ob im Hinblick auf den im Unterlassungsgebot umschriebenen räumlichen Dienstbarkeitsbereich der vom Beklagten erhobene Einwand der Freiheitsersitzung nach § 1488 ABGB auch in diesem Unterlassungsprozess für den gesamten Dienstbarkeitsbereich zu prüfen gewesen sei. Da eine Beeinträchtigung des Dienstbarkeitsrechts des Klägers aufgrund des am 16. Februar 2005 im Bereich des Dienstbarkeitswegs geparkten Fahrzeugs anzunehmen sei, komme es nicht darauf an, ob und inwieweit auch durch weitere Fahrzeuge eine Verletzung des Dienstbarkeitsrechts des Klägers vorliege. Selbst unter der Annahme einer in dem dortigen Bereich eingetretenen Verjährung des Dienstbarkeitsrechts gemäß § 1488 ABGB wäre die Unterlassungsklage nach wie vor gerechtfertigt, wenn nur in einem Teilbereich, wo eine Freiheitsersitzung nicht erwiesen sei, ein rechtswidriger Eingriff in das Recht erfolgt sei. Für eine räumliche Verlegung der Dienstbarkeitstrasse hätten sich keine Anhaltspunkte ergeben. Der Trassenverlauf ergebe sich vielmehr aus dem Vertrag von 1983. Die durch das Verlegen der großen Steine bewirkte Beeinträchtigung des Dienstbarkeitswegs im Falle parallel dazu abgestellter Fahrzeuge sei erst seit Sommer 2002 erfolgt, also weniger als 3 Jahre vor Klageeinbringung. Auf weitere Fragen im Zusammenhang mit den Voraussetzungen einer allfälligen Freiheitsersitzung in sonstigen Bereichen der Dienstbarkeitstrasse müsse nicht weiter eingegangen werden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist zulässig und im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.

Gewöhnlich verjähren Dienstbarkeiten durch bloßen Nichtgebrauch in 30 Jahren (§ 1479 ABGB). § 1488 ABGB verkürzt diesen Rechtsverlust auf drei Jahre, wenn sich der Verpflichtete über die gesamte Zeit ihrer Ausübung widersetzt und der Berechtigte sein Recht nicht geltend macht („Freiheitsersitzung", 3 Ob 47/07v mwN). Voraussetzung für den Eintritt der Freiheitsersitzung ist es, dass der Verpflichtete sich fortwährend der Ausübung der Dienstbarkeit widersetzt und der Berechtigte deshalb deren Ausübung drei Jahre lang, ohne richterliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, unterlassen hat (RIS-Justiz RS0034241). Der Begriff der Widersetzlichkeit des Verpflichteten vereint eine physische Komponente, nämlich die Widersetzungshandlung, welche für den Berechtigten wahrnehmbar und manifest sein muss, und eine zeitliche, nämlich im Unterschied zu einer bloß vorübergehenden Störung (3 Ob 47/07v). Ob sich der verpflichtete Teil der Ausübung einer Servitut im Sinn des § 1488 ABGB widersetzt, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (7 Ob 146/01y ua; M. Bydlinski in Rummel, § 1488 ABGB Rz 2 mwN). Der Oberste Gerichtshof hat in einem vergleichbaren Fall bereits die Auffassung gebilligt, dass ein bloß fallweises, aber doch wiederholtes unregelmäßiges Abstellen von Fahrzeugen, die die Ausübung einer Wegservitut behindern, einem ständigen Abstellen gleichzuhalten ist und dieses als Widersetzen im Sinn des § 1488 ABGB zu werten ist (3 Ob 47/07v).

Im vorliegend zu beurteilenden Fall stellten die Vorinstanzen fest, dass bereits seit vielen Jahren eine zeitweise Beeinträchtigung der Dienstbarkeitstrasse des Klägers vorliegt, welche allerdings die grundsätzliche Zufahrtsmöglichkeit des Klägers (seiner Mieter und Pächter) nicht behinderte. Ungeachtet des Umstands, dass nähere Feststellungen zu Ausmaß und Intensität sowie zeitlicher Einordnung dieser Behinderung fehlen, legen diese Feststellungen nahe, eine zumindest teilweise Freiheitsersitzung im Sinn des § 1488 ABGB in Bezug auf die im Verbotsbegehren näher umschriebene Dienstbarkeitstrasse anzunehmen, ohne dass sich der Dienstbarkeitsberechtigte seines Rechts auf Zufahrt durch Nichtgebrauch zur Gänze begeben hätte. Eine teilweise Freiheitsersitzung stünde allerdings der (uneingeschränkten) Klagestattgebung der Vorinstanzen entgegen. Zu Recht verweist der Beklagte darauf, dass der vom Kläger angestrebte und von den Vorinstanzen erlassene Exekutionstitel jeglichen Eingriff in die räumlich genau festgelegte Wegedienstbarkeit (3 m breiter Streifen entlang der gemeinsamen Grundgrenze) sanktionieren ließe. Die vorher erwähnten Feststellungen der Vorinstanzen indizieren aber eine Beschränkung oder allenfalls Verlegung der Wegdienstbarkeitstrasse infolge Widersetzens des Beklagten über mehr als drei Jahre gemäß § 1488 ABGB.

Eine wenn auch bloß teilweise Freiheitsersitzung des Beklagten ab Verlegung der Dienstbarkeitstrasse stünde dem uneingeschränkten Unterlassungsbegehren des Klägers - auch seine Eventualbegehren beziehen sich immer auf die seinerzeit vertraglich festgelegte Wegdienstbarkeitstrasse - entgegen, handelt es sich bei einer auf eine eingeschränkte (oder allenfalls in ihrer Trasse verlegte) Wegdienstbarkeit beziehende Unterlassungsanordnung gegenüber dem uneingeschränkten Klagebegehren nicht um etwa ein Minus sondern um ein Aliud (vgl 3 Ob 47/07v; RIS-Justiz RS0041040; vgl auch zur Eigentumsklage mit konkretem Grenzverlauf: RIS-Justiz RS0114308).

Um eine allfällige (beschränkte) Freiheitsersitzung des Beklagten nach § 1488 ABGB abschließend beurteilen zu können, sind im fortzusetzenden Verfahren - allenfalls nach Beweisergänzung - konkrete Feststellungen zu der bereits länger als drei Jahre vor Klageeinbringung stattgefundenen Beeinträchtigung der 3 m breiten Wegetrasse entlang der gemeinsamen Grundgrenze zu treffen. Darüber hinaus ist mit den Parteien zu erörtern, welche Auswirkungen eine allfällige teilweise Freiheitsersitzung des Beklagten auf die Berechtigung des Klägers hat, Eingriffe in seine Wegdienstbarkeit im danach verbliebenen Umfang zu verfolgen. Zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung ist dem Kläger überdies Gelegenheit zu geben, sein Unterlassungsbegehren den allenfalls geänderten Verhältnissen anzupassen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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