Spruch:
Das Verfahren über die Revision der beklagten Partei wird bis zum Einlangen der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) über das im Verfahren 4 Ob 154/08p beschlossene Ersuchen um Vorabentscheidung (RS C-540/08 ) unterbrochen. Eine Fortsetzung erfolgt nur über Antrag einer Partei.
Text
Begründung
1. Die Vorinstanzen verboten der Beklagten, im geschäftlichen Verkehr gegenüber Verbrauchern unentgeltliche Sachzugaben, insbesondere Gesundheitsbücher, anzukündigen und/oder zu gewähren und ermächtigten die Klägerin zur Veröffentlichung des Urteilsspruchs auf Kosten der Beklagten (nach der teilweisen Abänderung des erstgerichtlichen Urteils durch das Berufungsgericht: nur mehr) im redaktionellen Teil einer Sonntagsausgabe der Tageszeitung „Ö*****". Im Einklang mit der Entscheidung im vorangegangenen Provisorialverfahren (4 Ob 237/07t) seien die von der Beklagten für den Abschluss eines Abonnementvertrags angebotenen zwei Gesundheitsbücher geeignet gewesen, einen vom Gesetzgeber verpönten Anlockungseffekt zu bewirken.
2. In ihrer außerordentlichen Revision macht die Beklagte geltend, das Zugabenverbot des § 9a UWG sei mit den Art 6 ff der „Richtlinie über Unlautere Geschäftspraktiken" (RL 2005/29/EG) unvereinbar. Diese verbiete es nicht, den Bezug von unentgeltlichen Waren vom Kauf einer bestimmten Ware oder Dienstleistung abhängig zu machen; eine solche „Kopplung" sei auch kein Anwendungsfall einer irreführenden oder aggressiven Geschäftspraktik im Sinne der Art 6 ff RL. Unter die Generalklausel des Art 5 der RL könne das Kopplungs- und damit Zugabenverbot nur fallen, wenn die Maßnahme den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt widerspräche oder geeignet wäre, das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers wesentlich zu beeinflussen. Dies sei aber nicht der Fall, vielmehr statuiere § 9a UWG ein von der Wirkung unabhängiges „per se"-Verbot. Entgegen der Begründung des Berufungsgerichts verstoße die streitgegenständliche Ankündigung nicht gegen § 9a Abs 1 UWG, weil in Wahrheit eine Gegenleistung für die Einräumung eines Bankeinzugsrechts versprochen werde. Das Unterlassungsgebot sei zu weit gefasst und hätte sich nur auf das Verbot von Sachzugaben beim Vertrieb der Tageszeitung beziehen dürfen. Die Beklagte sei nicht mehr Medieninhaberin dieser Tageszeitung und stehe daher nicht mehr in einem Wettbewerbsverhältnis zur Klägerin, eine Wiederholungsgefahr müsse verneint werden.
Die Klägerin beantragt in der freigestellten Revisionsbeantwortung, dem Rechtsmittel keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
3. Der Senat hat dazu Folgendes erwogen:
3.1. Bereits im vorangegangenen Provisiorialverfahren hat der Oberste Gerichtshof die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, dass es sich bei den angebotenen Büchern um eine Zugabe mit nicht völlig vernachlässigbarem Anlockungseffekt und Eignung zur Nachfrageverlagerung handelte, geteilt (4 Ob 237/07t). Soweit die Revision neuerlich die Zugabeneigenschaft der Gesundheitsbücher in Frage stellt, zeigt sie dabei keine noch nicht behandelten Umstände des Einzelfalls, die eine vom Ergebnis des Provisorialverfahrens abweichende Beurteilung gebieten würden, und insoweit keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.
3.2. Fest steht, dass die Beklagte seit Jänner 2008 aufgrund eines Teilbetriebsübergangs nicht mehr Medieninhaberin der Zeitung „Ö*****" ist, sondern die M***** GmbH (FN *****) diese Funktion übernommen hat. Mehrheitsgesellschafterin der M***** GmbH ist die Beklagte, die Geschäftsführer der beiden Gesellschaften sind ident. Der Revisionswerberin ist zwar darin zuzustimmen, dass die Wiederholungsgefahr bei der Veräußerung eines Unternehmens (SZ 37/49 = ÖBl 1964, 75 - Heereskraftfahrerabzeichen) oder seiner Schließung (ÖBl 1972, 126 - Perücken-Ausverkauf) im Allgemeinen wegfallen wird. Anderes gilt aber etwa dann, wenn ernstliche Anzeichen dafür bestehen, dass der Betrieb - wenn auch in anderer Form - wieder aufgenommen wird (ÖBl 1972; ÖBl 1995, 214; ÖBl 1996, 35; RIS-Justiz RS0077206). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach auch im vorliegenden Fall die Betriebsübertragung allein kein ausreichendes Indiz für einen Wegfall der Wiederholungsgefahr ist, bewegt sich im Rahmen dieser ständigen Rechtsprechung, eine krasse Fehlbeurteilung ist darin nicht zu erkennen (siehe auch 4 Ob 51/09t).
3.3. Auch mit ihren Ausführungen über eine gebotene Beschränkung des Unterlassungsgebots auf Vertriebsmaßnahmen für die Zeitschrift „Ö*****" zeigt die Revision keine über den Einzelfall hinaus relevante Rechtsfrage auf; die darauf bezogenen Ausführungen der Vorinstanzen sind im Lichte der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs jedenfalls nicht unvertretbar.
3.4. Von Relevanz bleibt daher noch die bereits im Verfahren 4 Ob 154/08p den Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH bildende Frage, ob bestimmte Bestimmungen der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr dahin auszulegen sind, dass sie einem Zugabenverbot wie jenem nach § 9a Abs 1 Z 1 UWG entgegenstehen. Da die zu 4 Ob 154/08p dargelegten Erwägungen betreffend Auslegungszweifel gemeinschaftsrelevanter Vorschriften auch für die vorliegende Rechtssache gelten, ist es zweckmäßig und geboten, mit der Entscheidung bis zu jener des Europäischen Gerichtshofs über das bereits gestellte Vorabentscheidungsersuchen zuzuwarten und das gegenständliche Revisionsverfahren zu unterbrechen. Dieses Vorgehen dient der Prozessökonomie, weil der Oberste Gerichtshof auch in Rechtssachen, in denen er nicht unmittelbar Anlassfallgericht ist, von einer allgemeinen Wirkung der Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs auszugehen und diese auch für andere als die hier unmittelbaren Anlassfälle anzuwenden hat (stRsp, vgl RIS-Justiz RS0110583).
Der von der Klägerin in ihrer aufgetragenen Stellungnahme zur beabsichtigten Verfahrensunterbrechung angeregten Erweiterung des Vorabentscheidungsersuchens war nicht näherzutreten. Die darin als „1b." formulierte Frage unterscheidet sich von der zu 4 Ob 154/08p gestellten Vorlagefrage im Wesentlichen nur dadurch, dass sie eine Darstellung der einschlägigen österreichischen Rechtsprechung einschließt. In ähnlicher Formulierung ist diese Darstellung aber ohnehin Teil der Schilderung des nationalen Rechtshintergrundes im Punkt V 1. des Vorabentscheidungsersuchens. Die als „3." bezeichnete Frage betrifft nach Ansicht des Senats überhaupt keinen zulässigen Vorlagegegenstand.
Das Revisionsverfahren ist daher bis zur Erledigung des zu 4 Ob 154/08p (EUGH Rs C-540/08 ) eingeleiteten Vorabentscheidungsersuchens zu unterbrechen.
Nach Vorliegen der Vorabentscheidung wird das Verfahren nur auf Antrag einer Partei fortgesetzt werden. Eine amtswegige Fortsetzung ist nicht erforderlich, da (auch) Sicherungsverfahren der Disposition der Parteien unterliegen. Diese können daher zum gegebenen Zeitpunkt zunächst selbst ihre Schlüsse aus der dann vorliegenden Vorabentscheidung zum Zugabenverbot ziehen.
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