OGH 4Ob154/08p

OGH4Ob154/08p18.11.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Zechner als Vorsitzenden und die Hofrätin Dr. Schenk sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei „Ö*****"-***** GmbH, *****, vertreten durch Berger Saurer Zöchbauer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 65.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 28. Mai 2008, GZ 2 R 57/08d-8, mit welchem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 29. Februar 2008, GZ 22 Cg 170/07d-4, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

I. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden gemäß Art 234 EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Stehen Art 3 Abs 1 und Art 5 Abs 5 der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG , 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) oder andere Bestimmungen dieser Richtlinie einer nationalen Regelung, wonach das Ankündigen, Anbieten oder Gewähren von unentgeltlichen Zugaben zu periodischen Druckschriften sowie das Ankündigen von unentgeltlichen Zugaben zu anderen Waren oder Dienstleistungen abgesehen von abschließend genannten Ausnahmen unzulässig ist, ohne dass im Einzelfall der irreführende, aggressive oder sonst unlautere Charakter dieser Geschäftspraxis geprüft werden müsste, auch dann entgegen, wenn diese Regelung nicht nur dem Verbraucherschutz, sondern auch anderen Zwecken dient, die nicht vom sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie erfasst werden, etwa der Aufrechterhaltung der Medienvielfalt oder dem Schutz schwächerer Mitbewerber?

2. Wenn Frage 1 bejaht wird:

Ist die mit dem Erwerb einer Zeitung verbundene Ermöglichung der Teilnahme an einem Gewinnspiel allein deswegen eine unlautere Geschäftspraxis im Sinn von Art 5 Abs 2 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, weil diese Teilnahmemöglichkeit zumindest für einen Teil der angesprochenen Kreise zwar nicht das einzige, wohl aber das ausschlaggebende Motiv für den Erwerb der Zeitung bildet? II. Das Verfahren über das Rechtsmittel der Klägerin wird bis zum Einlangen der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften gemäß § 90a Abs 1 GOG ausgesetzt.

Text

Begründung

I. Sachverhalt

Die Parteien stehen im Wettbewerb auf dem österreichischen Markt für Tageszeitungen. Die Beklagte kündigte in ihrer Zeitung die Wahl eines „Fußballers des Jahres" an. In der fettgedruckten Einleitung zum Artikel hieß es: „Mitmachen lohnt sich: Gewinnen Sie ein Abendessen mit dem Sieger der großen Kickerwahl." Links vom Artikel befand sich ein „Wahl-Coupon" mit der Aufschrift „Ausschneiden und einsenden". Rechts wurde auf die Möglichkeit des Wählens im Internet hingewiesen. Ähnliche Artikel erschienen an den neun folgenden Tagen. II. Anträge und Vorbringen der Parteien

Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass die mit dem Erwerb der Zeitung verbundene Möglichkeit, ein Abendessen mit dem „Fußballer des Jahres" zu gewinnen, eine nach § 9a des österreichischen Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) unzulässige Zugabe sei. Sie beantragt daher, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es

„im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs beim Vertrieb von periodischen Druckschriften, insbesondere der Tageszeitung „Ö*****", die Ankündigung und/oder Durchführung von Gewinnspielen, insbesondere der Wahl von Fußballstars, zu unterlassen, wenn dabei Preise nicht unbedeutenden Wertes, insbesondere ein Abendessen mit dem Sieger gewonnen werden können und zur Teilnahme und/oder Erhöhung der Gewinnchancen der Kauf einer von der Beklagten verlegten Zeitung notwendig oder förderlich ist bzw erscheint."

Die Beklagte bestreitet das Vorliegen einer Zugabe im Sinn von § 9a Abs 1 Z 1 UWG. Sie wendet unter anderem ein,

Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab. Voraussetzung für die Anwendung des Zugabenverbots sei eine nicht bloß unerhebliche Auswirkung auf den Markt („Anlockeffekt"). Eine solche Auswirkung könne nur vorliegen, soweit Interessenten über kein Internet verfügten und zudem annähmen, dass eine Mehrfacheinsendung die Gewinnchancen erhöhe und nur mit Originalcoupons (also nicht mit Ablichtungen) möglich sei. Denn nur dann wäre das Gewinnspiel für sie ein Anlass, auch an den Folgetagen Exemplare der Zeitung zu kaufen. Schließlich sei auch der Preis nicht sonderlich attraktiv, da man damit rechnen müsse, mit dem Spieler eines „gegnerischen" Vereins zusammenzutreffen. Das beanstandete Verhalten habe daher keine relevante Auswirkung auf den Markt.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat über einen außerordentlichen Revisionsrekurs der Klägerin zu entscheiden, mit dem sie die Wiederherstellung der vom Erstgericht erlassenen einstweiligen Verfügung anstrebt. Nach der vorläufigen Beurteilung des Senats wäre dem Rechtsmittel bei Anwendung des nationalen Rechts stattzugeben, weil das Rekursgericht die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Zugabenverbot unrichtig angewendet hat.

IV. Rechtsgrundlagen

1. Nach Art 2 lit d RL-UGP bezeichnet der Ausdruck „Geschäftspraktiken im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern" bzw kurz „Geschäftspraktiken"

jede Handlung, Unterlassung, Verhaltensweise oder Erklärung, kommerzielle Mitteilung einschließlich Werbung und Marketing eines Gewerbetreibenden, die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts an Verbraucher zusammenhängt.

Art 3 Abs 1 RL-UGP, der den Anwendungsbereich dieser Richtlinie umschreibt, lautet wie folgt:

Diese Richtlinie gilt für unlautere Geschäftspraktiken im Sinne des Artikels 5 zwischen Unternehmen und Verbrauchern vor, während und nach Abschluss eines auf ein Produkt bezogenen Handelsgeschäfts. Die nach Ansicht des Senats für den Streitfall maßgebenden Absätze von Art 5 RL-UGP lauten auszugsweise wie folgt:

(1) Unlautere Geschäftspraktiken sind verboten.

(2) Eine Geschäftspraxis ist unlauter, wenn

a) sie den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht widerspricht, und

b) sie in Bezug auf das jeweilige Produkt das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers, den sie erreicht oder an den sie sich richtet oder des durchschnittlichen Mitglieds einer Gruppe von Verbrauchern, wenn sich eine Geschäftspraxis an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, wesentlich beeinflusst oder dazu geeignet ist, es wesentlich zu beeinflussen.

[...]

(5) Anhang I enthält eine Liste jener Geschäftspraktiken, die unter allen Umständen als unlauter anzusehen sind. Diese Liste gilt einheitlich in allen Mitgliedstaaten und kann nur durch eine Änderung dieser Richtlinie abgeändert werden.

2. § 9a Abs 1 des österreichischen Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) lautet wie folgt:

Wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

1. in öffentlichen Bekanntmachungen oder anderen Mitteilungen, die für einen größeren Personenkreis bestimmt sind, ankündigt, dass er Verbrauchern neben Waren oder Leistungen unentgeltliche Zugaben (Prämien) gewährt, oder Verbrauchern neben periodischen Druckwerken unentgeltliche Zugaben (Prämien) anbietet, ankündigt oder gewährt oder

2. Unternehmern neben Waren oder Leistungen unentgeltliche Zugaben (Prämien) anbietet, ankündigt oder gewährt,

kann auf Unterlassung und Schadenersatz in Anspruch genommen werden. Dies gilt auch dann, wenn die Unentgeltlichkeit der Zugabe durch Gesamtpreise für Waren oder Leistungen, durch Scheinpreise für eine Zugabe oder auf andere Art verschleiert wird.

§ 9a Abs 2 UWG enthält eine abschließende Liste mit Ausnahmen vom Zugabenverbot, die jedoch im vorliegenden Fall nicht anwendbar sind.

V. Vorlagefragen

1. Ein ausschließlich dem Verbraucherschutz dienendes Zugabenverbot wäre nach Auffassung des Senats mit der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken unvereinbar.

1.1. § 9a Abs 1 Z 1 UWG untersagt Unternehmern, gegenüber

Verbrauchern unentgeltliche Zugaben zu Waren oder Dienstleistungen

anzukündigen. Besteht die Hauptware in einem periodischen Druckwerk

(Zeitung, Zeitschrift), erstreckt sich das Verbot auch auf das bloße

Anbieten und Gewähren von Zugaben. Als Zugabe gilt insbesondere die

mit dem Erwerb der Hauptware gekoppelte Ermöglichung der Teilnahme an

einem Gewinnspiel (4 Ob 87/92 = ÖBl 1993, 24 - Welt des Wohnens;

zuletzt etwa 3 Ob 273/07d = MR 2008, 35 - ORF-Teletext, und 4 Ob

17/08s).

Die Anwendung von § 9a Abs 1 Z 1 UWG setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass das beanstandete Verhalten im konkreten Fall (a) objektiv geeignet war, Verbraucher in ihrem Entschluss zum Erwerb der Hauptware (Hauptleistung) zu beeinflussen (4 Ob 87/92 = ÖBl 1993, 24 - Welt des Wohnens; RIS-Justiz RS0081417), und dass dieses Verhalten (daher) (b) zu einer nicht bloß unerheblichen Nachfrageverlagerung führen konnte (4 Ob 290/99x = ÖBl 2000, 126 [Wiltschek] - Tipp des Tages III, RIS-Justiz RS0113000).

1.2. Die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken gilt nach ihrem Art 3 Abs 1 „für unlautere Geschäftspraktiken im Sinne des Artikels 5 zwischen Unternehmen und Verbrauchern vor, während und nach Abschluss eines auf ein Produkt bezogenen Handelsgeschäfts." Sie führt, wie sich insbesondere aus einem Gegenschluss zum hier nicht anwendbaren Art 3 Abs 5 RL-UGP ergibt, grundsätzlich zu einer Vollharmonisierung des verbraucherschützenden Lauterkeitsrechts. Diente § 9a Abs 1 Z 1 UWG tatsächlich nur dem Verbraucherschutz, wäre daher auch diese Bestimmung an den Vorgaben der Richtlinie zu messen. Denn das Ankündigen, Anbieten oder Gewähren von Zugaben hängt unmittelbar mit der Förderung des Absatzes der jeweiligen Hauptware zusammen und erfüllt daher den Tatbestand der „Geschäftspraktik" im Sinn von Art 2 lit d RL-UGP.

1.3. Nach § 9a Abs 1 Z 1 UWG ist das Ankündigen, Anbieten oder Gewähren von Zugaben jedenfalls unzulässig, ohne dass die Gerichte im Einzelfall zu prüfen haben, ob dieses Verhalten aggressiv oder irreführend im Sinn von Art 5 Abs 4 RL-UGP ist oder die Generalklausel des Art 5 Abs 2 RL-UGP erfüllt. Damit widerspräche § 9a Abs 1 Z 1 UWG dem Art 5 Abs 5 RL-UGP, wonach die im Anhang der Richtlinie enthaltene Liste jener Geschäftspraktiken, die unter allen Umständen als unzulässig anzusehen sind, nur durch Änderung der Richtlinie abgeändert werden kann. Denn aus der letztgenannten Bestimmung wird abzuleiten sein, dass die nach Art 5 Abs 2 bzw Art 5 Abs 4 RL-UGP erforderliche Beurteilung des irreführenden, aggressiven oder sonst unlauteren Charakters einer nicht im Anhang zur Richtlinie genannten Geschäftspraktik im Einzelfall von den Gerichten vorzunehmen ist und nicht für bestimmte (andere) Geschäftspraktiken vom Gesetzgeber vorweggenommen werden darf.

1.4. Ähnliche Bedenken gegen Bestimmungen des deutschen und des belgischen Rechts liegen Vorabentscheidungsersuchen des deutschen Bundesgerichtshofs (C-304/08 ) und des Handelsgerichts Antwerpen (verbundene Rechtssachen C-261/07 und C-299/07 ) zu Grunde; sie werden von der Generalanwältin in den Schlussanträgen zu den Rechtssachen C-261/07 und C-299/07 geteilt. Ein Unterschied zu diesen Rechtssachen liegt zwar darin, dass die österreichischen Gerichte § 9a Abs 1 Z 1 UWG einschränkend auslegen. Wie oben dargestellt, ist nicht jede unentgeltliche Zugabe unzulässig; vielmehr muss deren Ankündigen, Anbieten oder Gewähren objektiv geeignet sein, das Verhalten der angesprochenen Verbraucher zu beeinflussen. Dieses von der Rechtsprechung entwickelte Erfordernis kann im Sinn von Art 5 Abs 2 lit b RL-UGP (Eignung zur wesentlichen Beeinflussung eines Durchschnittsverbrauchers) gedeutet werden. Allerdings können die Gerichte nicht prüfen, ob das Ankündigen, Anbieten oder Gewähren einer Zugabe auch dem Grunde nach unlauter ist, ob es also gegen das Verbot irreführender oder aggressiver Geschäftspraktiken verstößt oder auf andere Weise den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt widerspricht. Der Oberste Gerichtshof nimmt daher vorläufig an, dass ein ausschließlich dem Verbraucherschutz dienendes allgemeines Zugabenverbot mit der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken nicht vereinbar wäre.

2. Sollte der Europäische Gerichtshof diese Auffassung teilen, was nach den Schlussanträgen der Generalanwältin in den Verfahren C-261/07 und C-299/07 in Betracht kommt, stellen sich jedoch zwei weitere Fragen.

2.1. Die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken regelt ausschließlich das Verhältnis zwischen Unternehmern und Verbrauchern. Der hier anzuwendende § 9a Abs 1 Z 1 UWG hat demgegenüber einen über dieses Verhältnis hinausgehenden Regelungszweck.

(a) Nach § 9 Abs 1 Z 2 UWG ist das Ankündigen, Anbieten oder Gewähren von Zugaben auch gegenüber Unternehmen unzulässig. Schon daraus folgt, dass das Zugabenverbot nicht bloß verbraucherschützenden Charakter hat. Vielmehr soll es auch das gegenseitige Übersteigern von Mitbewerbern mit (weiteren) Nebenleistungen verhindern (4 Ob 2120/96k = SZ 57/15 - Vorhangnähen gratis) und dadurch vor allem solche Mitbewerber schützen, die aufgrund ihrer geringeren wirtschaftlichen Mittel nicht in der Lage sind, den Absatz ihrer Produkte durch unentgeltliche Zugaben zu fördern. Das Verbot dient daher auch dem Erhalt eines funktionierenden Wettbewerbs auf Märkten mit unterschiedlich finanzkräftigen Anbietern.

(b) Das gilt insbesondere auf dem Markt für Zeitungen und Zeitschriften. Hier war die gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit von § 9a Abs 1 Z 1 UWG schon einmal Gegenstand eines Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof (C-368/95 = Slg 1997 I 3689 - Vereinigte Familiapress Zeitungsverlags und -vertriebs GmbH /Heinrich Bauer Verlag). Strittig war dort allerdings nur, ob das - aus dem Zugabenverbot abgeleitete - Gewinnspielverbot in Sachverhalten mit Auslandsbezug eine Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung sei und ob diese Maßnahme gegebenenfalls gerechtfertigt sein könnte.

Der Europäische Gerichtshof bejahte in der Entscheidung C-368/95 zwar das Vorliegen einer Maßnahme gleicher Wirkung. Das Verbot von Gewinnspielen sei aber dennoch zulässig, wenn es in einem angemessenen Verhältnis zum Ziel der Aufrechterhaltung der Medienvielfalt stehe und dieser Zweck nicht durch Maßnahmen erreicht werden könne, die weniger beschränkend seien. Dies setze insbesondere voraus, dass Zeitschriften, die im Rahmen von Gewinnspielen, Rätseln oder Preisausschreiben eine Gewinnchance eröffneten, mit kleinen Presseunternehmen in Wettbewerb stünden, von denen angenommen werde, dass sie keine vergleichbaren Preise aussetzen könnten, und dass eine solche Gewinnchance zu einer Verlagerung der Nachfrage führen könne. (c) Damit hat auch der Europäische Gerichtshof einen Regelungszweck des Gewinnspielverbots - und damit allgemein des Zugabenverbots - anerkannt, der keinen unmittelbar verbraucherschützenden Charakter hat. Zwar stehen einer generellen Verwirklichung dieses Regelungszwecks in Sachverhalten mit Auslandsberührung unter Umständen bestimmte Erwägungen nach dem Primärrecht entgegen. Allerdings ist durchaus fraglich, ob sich solche Hindernisse auch aus der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken ergeben können. Denn diese Richtlinie dient ausschließlich dem (unmittelbaren) Schutz von Verbraucherinteressen. Es ist daher nicht anzunehmen, dass sie der Anwendung einer nationalen Vorschrift entgegenstehen kann, die zwar ebenfalls eine „Geschäftspraxis" im Sinn von Art 2 lit d RL-UGP regelt, jedoch nach der Wertung des Gesetzgebers nicht überwiegend Zwecken des Verbraucherschutzes dient, sondern zumindest in gleicher Weise auch den Schutz der Mitbewerber und den Erhalt funktionierender Marktverhältnisse zum Gegenstand hat.

Diese Auffassung wird durch den Wortlaut von Art 3 Abs 1 RL-UGP gestützt. Danach gilt die Richtlinie „für unlautere Geschäftspraktiken im Sinn des Artikel 5 zwischen Unternehmen und Verbrauchern". Sie gilt daher nicht für die Beurteilung der möglichen Unlauterkeit eines Verhaltens gegenüber einem Mitbewerber. Vielmehr sind die Mitgliedstaaten bei der Regelung dieser Frage - in den Grenzen des Primärrechts - frei. Es ist zweifelhaft, ob diese Regelungsbefugnis allein dadurch verloren gehen kann, dass eine zu Zwecken des Mitbewerberschutzes getroffene Regelung - immer oder in bestimmten Fallgestaltungen - auch (unmittelbar) dem Verbraucherschutz dient.

(d) Folgt man dieser Ansicht, so stünde die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken dem österreichischen Zugabenverbot nicht entgegen. Auf die primärrechtlich relevante Verhältnismäßigkeit dieses Verbots (Rs C-368/95 ) käme es bei einem reinen Inlandssachverhalt nicht an. Zudem sind die Bedingungen der letztgenannten Entscheidung auf dem österreichischen Tageszeitungsmarkt zweifellos erfüllt. Zwar sind die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits offenkundig finanzstarke Unternehmen, sodass sie den Schutz des Zugabenverbots für sich selbst nicht benötigten. Könnten sie aber in ihrem gegeneinander geführten Wettbewerb uneingeschränkt Zugaben ankündigen, so bedrohte das kleinere Mitbewerber, die sich entsprechende verkaufsfördernde Maßnahmen nicht oder jedenfalls nicht im gleichen Ausmaß leisten könnten.

(e) Die erste Frage zielt daher auf eine Klarstellung des Regelungsbereichs der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken ab. Ist nach dieser Richtlinie das generelle Verbot einer nicht in ihrem Anhang genannten Geschäftspraktik auch dann unzulässig, wenn dieses Verbot nicht nur dem Verbraucherschutz, sondern auch Zwecken dient, die nicht vom sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie erfasst werden, etwa der Aufrechterhaltung der Medienvielfalt oder dem Schutz schwächerer Mitbewerber?

2.2. Sollte der Europäische Gerichtshof diese Frage bejahen, hätte der Oberste Gerichtshof unabhängig vom dann gegenstandslosen § 9a Abs 1 Z 1 UWG zu prüfen, ob die strittige Ankündigung des Gewinnspiels als irreführende, aggressive oder unlautere „Geschäftspraxis" iSv Art 5 RL-UGP anzusehen ist. Träfe das zu, stünde die Richtlinie einem gerichtlichen Verbot des beanstandeten Verhaltens nicht entgegen. (a) Zwar kann das Ankündigen einer unentgeltlichen Zugabe im Einzelfall irreführenden oder aggressiven Charakter (Art 5 Abs 4 RL-UGP) haben. Eine irreführende Geschäftspraktik läge etwa vor, wenn der Unternehmer Fehlvorstellungen über den tatsächlichen Wert der Zugabe erweckte, sodass ein Durchschnittsverbraucher den Wert der Kombination von Hauptware und Zugabe in einer für den Kaufentschluss erheblichen Weise falsch einschätzte. Eine aggressive Geschäftspraktik wäre anzunehmen, wenn eine Zugabe aufgrund ihres (tatsächlichen oder angenommenen) Wertes einen so hohen Anlockeffekt ausübte, dass sie auch für einen sonst aufmerksamen und kritischen Verbraucher - unter Ausschaltung rationaler Erwägungen - zum alleinigen Grund für den Erwerb der Hauptware würde. (b) Im vorliegenden Fall ist die Ankündigung der Zugabe allerdings weder als aggressive noch als irreführende Geschäftspraktik zu werten. Ein Verbot könnte daher nur durch die Generalklausel des Art 5 Abs 2 RL-UGP gerechtfertigt sein. Die Eignung der Zugabe zur wesentlichen Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens eines Durchschnittsverbrauchers (Art 5 Abs 2 lit b RL-UGP) ist bei vorläufiger Prüfung nicht ausgeschlossen. Fraglich ist jedoch, ob das Ankündigen eines Gewinnspiels den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt widerspricht (Art 5 Abs 2 lit a RL-UGP).

Dafür könnte allenfalls sprechen, dass Verbraucher durch diese Ankündigung zu einer nicht allein mit sachlichen Erwägungen begründeten Entscheidung über den Kauf einer Zeitung veranlasst werden sollen. Hat diese Geschäftspraxis Erfolg, ist für die Kaufentscheidung nicht mehr (allein) die Qualität der Zeitung maßgebend, sondern (auch) die Hoffnung auf den Gewinn eines Preises. Bei einem beschränkten Budget für den Erwerb von Tageszeitungen kann diese Erwartung durchaus ausschlaggebende Bedeutung für die Kaufentscheidung haben. Zudem könnte auch das Ausnutzen des Spieltriebs als Verstoß gegen die berufliche Sorgfalt angesehen werden.

Ein derart weitgehender Verbraucherschutz stünde allerdings im Widerspruch zum Leitbild eines mündigen Verbrauchers, dem es grundsätzlich freistehen muss, seine wirtschaftlichen Entscheidungen auch aufgrund unsachlicher Erwägungen oder sogar gegen seine wohlverstandenen - dh vom Gesetzgeber oder von der Rechtsprechung definierten - Interessen zu treffen. Solange eine auf ein solches Verhalten gerichtete Geschäftspraktik nicht einen irreführenden oder aggressiven Charakter hat, kann sie daher nicht von vornherein als unlauter angesehen werden.

(c) Folgt man dieser Auffassung, so wäre die Unlauterkeit des beanstandeten Verhaltens im vorliegenden Fall zu verneinen. Allerdings lässt sich dieses Ergebnis nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit aus der Generalklausel des Art 5 Abs 2 RL-UGP ableiten. Die zweite Frage ist daher darauf gerichtet, ob allein der Umstand, dass die Teilnahmemöglichkeit an einem Gewinnspiel ausschlaggebende Bedeutung für den Erwerb einer Tageszeitung haben kann, dazu führt, dass eine darauf gerichtete Ankündigung eines Unternehmers als unlauter im Sinn von Art 5 Abs 2 RL-UGP anzusehen ist. VI. Verfahrensrechtliches

Als Gericht letzter Instanz ist der Oberste Gerichtshof zur Vorlage verpflichtet, wenn die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts nicht derart offenkundig ist, dass kein Raum für einen vernünftigen Zweifel bleibt. Solche Zweifel liegen hier vor. Ein Abwarten der Entscheidung in den bereits anhängigen Vorabentscheidungsverfahren zu Koppelungsangeboten ist nicht angezeigt, weil diese Verfahren nicht alle Aspekte des vorliegenden Ersuchens abdecken.

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