OGH 6Ob66/05g

OGH6Ob66/05g12.10.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elsa K*****, vertreten durch Dr. Richard Bickel, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen die beklagte Partei Heinz M*****, vertreten durch Dr. Manfred De Bock, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 27. Dezember 2004, GZ 2 R 379/04g-13, womit das Urteil des Bezirksgerichts Dornbirn vom 28. Oktober 2004, GZ 6 C 486/04b-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 300,09 (davon EUR 50,02 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Josef F***** wurde mit Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichts Dornbirn vom 7. 9. 1955 der Nachlass seiner Mutter auf Grund deren Testamentes vom 10. 3. 1949 als Alleinerben mit der Beschränkung der fideikommisarischen Substitution auf den Überrest zu Gunsten seiner Kinder eingeantwortet. Zum Nachlass gehörte die Liegenschaft EZ 3034, Grundbuch *****.

Am 20. 6. 1960 schloss Josef F***** als Verpächter mit Werner M*****, dem Rechtsvorgänger des Beklagten, als Pächter einen Pachtvertrag über einen Teil der genannten Liegenschaft (24,49 a [Wald]) auf die Dauer von 99 Jahren.

Der Beklagte und sein Rechtsvorgänger nutzten das Grundstück in der im Pachtvertrag vorgesehenen Weise durch Anpflanzung von Büschen und Bäumen. Zum Zweck der Bewirtschaftung des Waldes wurde - wie im Pachtvertrag gestattet - eine Feldhütte errichtet.

Josef F***** verstarb am 26. 12. 1979. Der Substitutionsnachlass, zu dem die oben genannte Liegenschaft gehörte, wurde seinen Kindern, darunter die Klägerin, am 16. 8. 1982 eingeantwortet. Auf Grund des Schenkungsvertrages vom 17. 8. 1999 erwarb die Klägerin die Anteile der anderen Miteigentümer der erwähnten Liegenschaft, deren Alleineigentümerin sie nunmehr ist.

Am 9. 3. 2004 kündigte die Klägerin gerichtlich den Pachtvertrag zum 30.9. 2004 wegen Eigenbedarfes auf. Das befristete Pachtverhältnis habe sich durch den Eigentumsübergang auf die Nacherben in ein solches auf unbestimmte Zeit geändert, dessen Kündigung unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsbestimmungen zulässig sei. Der Beklagte beantragte, die Aufkündigung aufzuheben, und wandte unter anderem ein, das von den Rechtsvorgängern geschlossene Bestandverhältnis über das vom Bestandnehmer aufgeforstete Grundstück sei vor Ablauf der bedungenen Bestandzeit unkündbar. Das Erstgericht erkannte die Aufkündigung für wirksam und verpflichtete den Beklagten zur Räumung. Es stellte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest und beurteilte ihn rechtlich dahin, das von den Rechtsvorgängern der Streitteile abgeschlossene Bestandverhältnis sei als Pachtvertrag zu qualifizieren. Da der Verpächter nur Vorerbe des in Bestand gegebenen Grundstücks gewesen sei, habe sich das befristete Pachtverhältnis mit seinem Tod in ein solches auf unbestimmte Dauer mit gesetzlicher Kündigungsfrist verwandelt. Da die Klägerin die vorgesehene Kündigungsfrist eingehalten habe, sei die Aufkündigung wirksam.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil über die Berufung des Beklagten dahin ab, dass es die Aufkündigung aufhob und das Räumungsbegehren abwies. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, § 1120 ABGB sei nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung im Substitutionsfall analog auf den Übergang der Bestandsache vom Vorerben auf den Nacherben anzuwenden. Im Fall einer fideikommisarischen Substitution auf den Überrest sei dieser Auffassung jedoch nicht zu folgen. Dem Vorerben käme eine weit stärkere Stellung als die eines reinen Fruchtnießers zu, könne er doch unter Lebenden über das Substitutionsgut frei verfügen. Da der Vorerbe die verpachtete Liegenschaft auch verkaufen hätte können, sei es nicht nachvollziehbar, weshalb ein Bestandvertrag mit einer festen Dauer, die über die Lebenszeit des Vorerben hinausgegangen sei, vom Nacherben nicht in vollem Umfang zu übernehmen sei. Bedenke man, dass die Klägerin nicht nur Nacherbin gewesen sei, sondern auch als gesetzliche Erbin nach ihrem verstorbenen Vater seine Gesamtrechtsnachfolgerin sei, habe sie sich die von ihrem Vater getroffenen Abmachungen in ihrer Gesamtheit, auch in Bezug auf die vereinbarte Bestanddauer, zurechnen zu lassen, ohne dass sich das Bestandverhältnis in ein solches auf unbestimmte Dauer mit gesetzlichen Kündigungsfristen verwandelt habe.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob bei einer fideikommissarischen Substitution auf den Überrest (befreiten Vorerbschaft), vom Vorerben abgeschlossene Bestandverträge mit bestimmter Dauer in solche auf unbestimmte Dauer mit gesetzlichen Kündigungsfristen zu den gesetzlichen Kündigungsterminen verwandelt würden.

Die Revision der Klägerin ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber im Ergebnis nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionswerberin macht unter anderem geltend, auf der vom Pachtvertrag betroffenen Liegenschaft sei auch zu Gunsten der Klägerin ein Veräußerungsverbot einverleibt gewesen. Ihr Vater habe dieses Verbot durch Abschluss des Pachtvertrags mit einer Dauer von 99 Jahren in sittenwidriger Weise umgangen, weshalb der Vertrag nichtig sei. Darauf ist nicht weiter einzugehen, weil die erstmals in der Revision erhobene Einwendung der Sittenwidrigkeit des Bestandvertrags eine unzulässige Neuerung ist (§ 504 Abs 2 ZPO; RIS-Justiz RS0016481; zuletzt 7 Ob 215/05a).

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe als gesetzliche Erbin nach ihrem Vater seine Gesamtrechtsnachfolge angetreten, kann sich weder auf Feststellungen des Erstgerichts noch auf Vorbringen der Parteien stützen. Aus dem vom Erstgericht verlesenen Akt des Bezirksgerichts Dornbirn A 39/80 ergibt sich, dass dieses Gericht mit Beschluss vom 18. 6. 1980 ausgesprochen hat, dass eine Verlassenschaftsabhandlung nach dem Vater der Klägerin wegen Abganges eines Vermögens gemäß § 72 Abs 1 AußStrG 1854 nicht stattfindet. Mangels Einantwortung ist nach der Rechtsprechung zu § 72 Abs 1 AußStrG 1954 Gesamtrechtsnachfolge der Erben nach dem Vater der Klägerin nicht eingetreten (SZ 27/37; RIS-Justiz RS0007628; s Eccher in Schwimann², ABGB § 798 Rz 4 mwN der Rechtsprechung). Hat der Eigentümer das Bestandstück an einen anderen veräußert und ihm bereits übergeben, so muss gemäß § 1120 ABGB der Bestandinhaber, wenn sein Recht nicht in die öffentlichen Bücher eingetragen ist (§ 1095 ABGB), nach der gehörigen Aufkündigung dem neuen Besitzer weichen. Es ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig, dass auf den Bestandvertrag das MRG nicht anwendbar ist, sodass der Rechtsfall nach den Regelungen des ABGB zu lösen ist (SZ 73/102 mwN). § 1120 ABGB sieht bei Rechtsbesitz des Bestandnehmers und Einzelrechtsnachfolge auf der Bestandgeberseite eine vom Willen der Beteiligten unabhängige, kraft Gesetzes wirksam werdende Übernahme des Bestandvertrags durch den Erwerber des Bestandgegenstands vor (SZ 66/148; SZ 73/102 mwN uva; Binder in Schwimann3, ABGB § 1120 Rz 13 mwN; Würth in Rummel3, ABGB § 1120 Rz 2, 3 und 5).

Bei Miteigentum setzt die Anwendbarkeit des § 1120 ABGB die, wenn auch sukzessive, Veräußerung aller Anteile auf andere Personen als die ursprüngliche Bestandvertragspartei voraus (SZ 32/89; Binder aaO § 1120 Rz 15 mwN; Würth aaO § 1120 Rz 2). Dass die Klägerin durch den rechtsgeschäftlichen Erwerb unter Lebenden aller übrigen Liegenschaftsanteile von einer Miteigentümerin zur Alleineigentümerin des Pachtgegenstandes geworden ist, begründete demnach das außerordentliche Kündigungsrecht nach § 1120 ABGB nicht. Dies behauptet die Revisionswerberin auch nicht.

Der Oberste Gerichtshof sprach in der Entscheidung 7 Ob 587, 588/92 (= MietSlg XLIV/40) aus, es sei einer Einzelrechtsnachfolge gleichzuhalten und § 1120 ABGB analog anwendbar, wenn der als Fruchtnießer zu behandelnde Vorerbe einen Bestandvertrag über Substitutionsgut abgeschlossen habe und die Bestandsache im Substitutionsfall vom Vorerben auf den Nacherben übergehe. Der Nacherbe sei nämlich - wie der Vorerbe - Erbe und Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers (des Substitutionsgutes), nicht aber des Vorerben. Der Vorerbe erlange mit der Einantwortung die Stellung eines zeitlich beschränkten Eigentümers; sein Recht ende mit dem Nacherbfall (s auch 5 Ob 182/00a).

Bei der - im Gesetz nicht geregelten - Substitution auf den Überrest (befreite Vorerbschaft) ist der Vorerbe von allen sich aus der Stellung eines Fruchtnießers ergebenden Beschränkungen seines Erbrechtes befreit (RIS-Justiz RS0012535; Weiß in Klang III² 431); er kann über das Substitutionsgut unter Lebenden, nicht aber von Todes wegen frei verfügen; der Nacherbe erhält, was beim Tod des Vorerben übrig ist (SZ 71/83 ua; Welser in Rummel3, ABGB § 613 Rz 26 mwN;

Eccher in Schwimann3, ABGB § 614 Rz 4 mwN). Die Befreiung des Vorerben bezieht sich aber - ebenso wie bei der nicht befreiten Vorerbschaft - nicht auf die Dauer seines Rechtes (Weiß aaO 431);

auch der befreite Vorerbe erlangt mit der Einantwortung nur die Stellung eines zeitlich beschränkten Eigentümers, dessen Recht mit dem Nacherbfall endet. Diese für die Annahme einer fideikommisarischen Substitution wesentliche Beschränkung des Vorerben durch das zeitlich auf ihn folgende Recht des Nacherben (Weiß aaO 431) und der im Substitutionsfall eintretende Eigentümerwechsel sind aber der maßgebliche Gesichtspunkt, der die in der Entscheidung 7 Ob 587, 588/92 dargelegte Rechtsauffassung trägt. Der Ansicht des Berufungsgerichts ist daher nicht zu folgen. Auch wenn im Sinn dieser Ausführungen § 1120 ABGB im Substitutionsfall analog auf den Übergang der Bestandsache vom befreiten Vorerben auf den Nacherben anzuwenden ist, ist für die Revisionswerberin nichts gewonnen, führt doch die gebotene allseitige Prüfung der Berechtigung der Rechtsrüge (s Zechner in Fasching/Konecny² § 503 ZPO Rz 189 mwN) zu einer Bestätigung der bekämpften Entscheidung.

Nach § 1120 ABGB ist der Erwerber der Bestandsache als Einzelrechtsnachfolger an solche Bestimmungen des Bestandvertrags, die nur die Dauer des Vertrages oder die Kündigungsfrist betreffen, insbesondere auch an einen Kündigungsverzicht, den sein Vorgänger gegenüber dem Bestandnehmer ausgesprochen hat, nicht gebunden (stRsp:

SZ 73/102 mwN; RIS-Justiz RS001444). Er kann daher das Bestandverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsmodalitäten auflösen, wobei ihm aber kürzere vereinbarte Kündigungsfristen zugute kommen (SZ 73/102). Wiederholt wurde vom Obersten Gerichtshof ausgesprochen, dass sich mit dem Eintritt des Erwerbers der Bestandsache in die Position des Bestandgebers ein auf bestimmte Zeit geschlossenes Bestandverhältnis - mangels Verbücherung oder besonderer Vereinbarung („Volleintritt" des Erwerbers) - in ein solches auf unbestimmte Dauer mit gesetzlichen Kündigungsfristen zu den gesetzlichen Kündigungsterminen verwandle (MietSlg XLIV/40 mwN;

SZ 73/102). Der erste Senat hat in den Entscheidungen 1 Ob 344/99s (=

SZ 73/102), 1 Ob 122/02a (= wobl 2003, 91) und 1 Ob 248/03g (= RdW

2004, 273) erwogen, diese Rechtsprechung im Anschluss an die von einem Teil der Lehre (P. Bydlinski, Gestaltungsrechte 186; Holzner, JBl 1994, 597; zust Binder in Schwimann3, ABGB § 1120 Rz 57; Iro in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB § 1120 Rz 6) vertretene Ansicht dahin zu ändern, dass das Kündigungsrecht nach § 1120 ABGB binnen angemessener Frist geltend gemacht werden muss, andernfalls die Vereinbarung über die Beendigung des Bestandverhältnisses doch maßgeblich ist. Diese Frage kann auch im vorliegenden Verfahren offen bleiben. Zu einem Eintritt des Erwerbers der Bestandsache auch in allfällige vertragliche Kündigungsbeschränkungen kommt es durch eine ausdrückliche oder schlüssige Vereinbarung zwischen Erwerber und Bestandnehmer („Volleintritt" des Erwerbers; SZ 73/102 ua; vgl Würth aaO § 1120 Rz 8 mwN). Ein vollwirksamer Eintritt ist zwar nicht schon dann anzunehmen, wenn der Erwerber nicht zum nächsten Termin aufkündigt, zumal wenn Kündigungsbeschränkungen bestehen, oder bloß Bestandzins einhebt (SZ 32/89; MietSlg 49.149); der Erwerber muss sich auch nicht dahin äußern, einen bestehenden Kündigungsverzicht nicht anzuerkennen (SZ 32/89); auch die bloße Kenntnis eines Kündigungsverzichtes ist nicht von Bedeutung (MietSlg 24.182; 40.204/40). Einen stillschweigenden Eintritt des Erwerbers eines Pachtgegenstandes in den Pachtvertrag nimmt aber die Entscheidung 6 Ob 95/62 (= MietSlg 15.120) an, wenn der Pächter den Pachtgegenstand nach einem Eigentümerwechsel in Ansehung des Pachtgegenstandes mehr als acht Jahre unangefochten weiter benützt, ohne dass das Pachtverhältnis durch Kündigung aufgelöst worden wäre. Da hier nach dem Übergang der Bestandsache vom Vorerben auf die Nacherben eine gesetzlich nicht beschränkte Kündigungsmöglichkeit bestand, von dieser die Miteigentümer und schließlich die als Alleineigentümerin verbliebene Klägerin jedoch mehr als 20 Jahre nach dem Erwerb nicht Gebrauch machten und die Klägerin gar nicht behauptete, sie habe schon erheblich früher gegenüber dem Beklagten geäußert, das Bestandverhältnis nicht fortsetzen zu wollen, ist im Sinn der referierten Entscheidung ein schlüssiger Eintritt der Klägerin auch in die Vereinbarung über die bestimmte Dauer des Bestandverhältnisses anzunehmen.

Eine Auflösung des befristeten Bestandverhältnisses vor Zeitablauf aus wichtigem Grund machte die Klägerin nicht geltend. Die Entscheidung des Berufungsgerichts war daher zu bestätigen. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 41 ZPO.

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