OGH 9ObA113/08w

OGH9ObA113/08w24.2.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und AR Angelika Neuhauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. Katharina M*****, vertreten durch Forcher-Mayr, Kantner & Ruetz Rechtsanwälte-Partnerschaft in Innsbruck, gegen die beklagte Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Richard Leitner, Rechtsanwalt in Telfs, wegen 3.125,10 EUR brutto sA, über die Revision beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. April 2008, GZ 15 Ra 20/08s-25, mit dem über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 14. November 2007, GZ 43 Cga 18/07m-19, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Hingegen wird der Revision der beklagten Partei Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 592,01 EUR bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 98,67 EUR Umsatzsteuer) und die mit 732,57 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 175 EUR Barauslagen und 92,93 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war bei der Beklagten vom 15. 11. 2004 zunächst befristet bis 15. 5. 2005 und sodann - ohne Unterbrechung - im Rahmen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses weiter bis 15. 12. 2006 beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis war kein Kollektivvertrag anwendbar.

In den vor Beginn des Arbeitsverhältnisses geführten Verhandlungen wurde mündlich festgehalten, dass die Klägerin den mit 1.300 EUR netto (1.907,43 EUR brutto) vereinbarten Monatsbezug 14 mal jährlich erhalten werde. Der schließlich von der Klägerin unterfertigte (befristete) Arbeitsvertrag vom 22. 11. 2004 enthielt die Formulierung „Sonderzahlungen laut Kollektivvertrag".

Tatsächlich erhielt die Klägerin, für die die Sonderzahlungen ein wesentlicher Faktor für ihre Zustimmung zum Arbeitsverhältnis waren, wie alle anderen Mitarbeiter der Beklagten im November 2004 aliquote Sonderzahlungen für 2004 und im Juni den Urlaubszuschuss in Höhe des vereinbarten Monatsbezugs ausgezahlt.

Weil die Beklagte unter wirtschaftlichem Druck stand und erkannte, dass auf ihre Arbeitsverhältnisse entgegen dem Wortlaut des Arbeitsvertrags vom 22. 11. 2004 kein Kollektivvertrag anwendbar und sie daher an sich nicht zur Zahlung von Sonderzahlungen verpflichtet war, drängte sie ihre Mitarbeiter, einer Abänderung der Dienstverträge dahin zuzustimmen, dass die Leistung von Sonderzahlungen lediglich auf freiwilliger Basis beruhe. Vorerst wurde der Klägerin zwecks Verlängerung des bis 15. 5. 2005 befristeten Arbeitsverhältnisses der Arbeitsvertrag vom 16. 5. 2005 (Beil ./L) vorgelegt. In diesem Vertrag, den die Klägerin unterschrieb, fand sich allerdings abermals die schon im ursprünglichen Arbeitsvertrag enthaltene Formulierung, dass Sonderzahlungen „laut Kollektivvertrag" gewährt werden. Als der für die Umgestaltung der Dienstverträge zuständige Vertreter der Beklagten diesen bei der Abfassung des Vertrags unterlaufenen Irrtum bemerkte, bat er die Klägerin, den korrigierten Dienstvertrag vom 26. 5. 2005 (Beil ./1) zu unterfertigen. Dieser enthielt unter Pkt. 6 lit b die Formulierung „Die Ausbezahlung eines 13. und 14. Monatsgehalts beruht auf freiwilliger Basis". Die Klägerin erklärte, auf die Sonderzahlungen nicht verzichten zu können. Erst nachdem ihr der Vertreter der Beklagten versprach, dass sie die Sonderzahlungen auch im Falle der Unterfertigung des neuen Arbeitsvertrags erhalten werde, unterfertigte sie diesen Vertrag.

Im November 2005 wurde der Klägerin die Weihnachtsremuneration lediglich in der Höhe von 572,23 EUR brutto ausgezahlt. Auch die Sonderzahlungen der anderen Mitarbeiter wurden prozentuell im gleichen Ausmaß gekürzt. Die Klägerin beschwerte sich über diese Entgeltkürzung, worauf der Geschäftsführer der Beklagten auf die eben zitierte Klausel im Arbeitsvertrag Beil ./1 verwies und der Klägerin eine Gehaltserhöhung für 2006 versprach, zu der es allerdings nicht kam.

Mit Hilfe der Wirtschaftskammer Tirol fand die Beklagte in der Folge zu einer präziseren Formulierung des zitierten Vertragspunkts. Ein in diesem Sinn überarbeiteter, mit 8. 2. 2006 datierter Arbeitsvertrag (Beil ./2) wurde von der Klägerin unterschrieben, nachdem ihr vom Geschäftsführer der Beklagten angekündigt worden war, dass sie gekündigt werde, falls sie nicht unterschreibe. In diesem Vertrag wurde der bisherige Vertragspunkt 6 lit b durch Punkt 15 präzisiert, der wie folgt lautet:

„15. Begünstigungen

Der Arbeitgeber behält sich den jederzeitigen Widerruf der vereinbarten Leistungen 13. und 14. Gehalt vor. Die Leistungen (13. und 14. Gehalt) erfolgen freiwillig und es entsteht auch bei wiederholter und langjähriger Gewährung kein Rechtsanspruch für die Zukunft, wobei die Höhe der jeweiligen Leistung vom Arbeitgeber festgelegt wird.

Alle Leistungen und Begünstigungen, die nicht in einem gesetzlich vorgeschriebenen Rahmen (ABGB etc) festgesetzt sind, werden ohne Rechtsanspruch für die Zukunft gewährt und können jederzeit und ohne Angaben von Gründen widerrufen werden." [Hervorhebungen laut Original].

Mit der Gehaltsabrechnung für Juni 2006 erhielt die Klägerin einen Urlaubszuschuss von 954 EUR brutto; mit der Gehaltsabrechnung für November 2006 wurde ihr 912 EUR brutto an Weihnachtsremuneration ausgezahlt.

Die Klägerin begehrte die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von 3.125,10 EUR brutto sA an restlichen Sonderzahlungen. Sie habe den einseitigen Kürzungen der Sonderzahlungen durch die Beklagte niemals zugestimmt. Die Beklagte, die sich in keiner betriebswirtschaftlichen Krise befunden habe, sei zur Zahlung der vollen Sonderzahlungen nicht nur vertraglich, sondern auch nach dem GlBG verpflichtet gewesen.

Die Beklagte bestritt, jemals ihre Verpflichtung zur Gewährung von Sonderzahlungen rechtswirksam vereinbart zu haben. Jedenfalls mit der Änderung des Arbeitsvertrags vom 16. 5. 2005 sei vereinbart worden, dass die Sonderzahlungen auf freiwilliger Basis beruhten und jederzeit widerrufen werden könnten. Mit der weiteren Änderung des Arbeitsvertrags vom 8. 2. 2006 sei abermals die Freiwilligkeit und die jederzeitige Widerrufbarkeit der Sonderzahlungen bekräftigt und festgehalten worden, dass der Klägerin kein Rechtsanspruch auf Sonderzahlungen zukomme. Die Klägerin könne daher keine weiteren Zahlungen beanspruchen. Von einem Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot könne keine Rede sein, weil die Beklagte mit sämtlichen Mitarbeitern vergleichbare Vereinbarungen getroffen habe.

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 1.335,20 EUR brutto sA und wies das Mehrbegehren der Klägerin ab.

Zwar bestehe keine gesetzliche oder kollektivvertragliche Regelung, aus der sich eine Verpflichtung der Beklagten zur Leistung von Sonderzahlungen ergeben könnte. Sowohl im Rahmen der mündlichen Vereinbarungen vor Beginn des Arbeitsverhältnisses als auch im Arbeitsvertrag vom 22. 11. 2004 habe sich die Beklagte aber zur Zahlung von Sonderzahlungen verpflichtet. Durch die Verlängerung des vorerst befristeten Vertrags ab 16. 5. 2005 habe sich zunächst - wegen der mündlichen Zusage des Vertreters der Beklagten - an dieser Verpflichtung nichts geändert. Zudem sei die in Pkt. 6 lit b des Arbeitsvertrags enthaltene Vereinbarung zu unbestimmt, um den Wegfall der entsprechenden Verpflichtung der Beklagten zu bewirken. Die Klägerin habe daher Anspruch auf die volle Weihnachtsremuneration für 2005 und damit - nach Berücksichtigung der bereits erhaltenen Zahlung - auf 1.335,20 EUR brutto sA.

Mit dem von der Klägerin am 8. 2. 2006 unterfertigten Arbeitsvertrag Beil ./2 sei klargestellt worden, dass die Beklagte ihre Zusage zur Gewährung von Sonderzahlungen jederzeit widerrufen könne. Die Vereinbarung einer derartigen Widerrufsmöglichkeit sei zulässig. Daran ändere auch die Androhung der Kündigung durch die Beklagte nichts: Da selbst eine Änderungskündigung zulässig sei, müsse dies umso mehr für die bloße Ankündigung einer Kündigung für den Fall der Verweigerung der Zustimmung zu einem Verzicht auf überkollektivvertragliche Entlohnung gelten. Daher bestehe seit dieser Vereinbarung kein Anspruch der Klägerin auf weitere Sonderzahlungen mehr, und zwar auch nicht für den Zeitraum vom 1. 1. 2006 bis zum 7. 2. 2006, weil der Sonderzahlungsanspruch dem Grunde nach nicht sukzessive, sondern jeweils mit dem Anspruch auf Zahlung des laufenden Entgelts für die Monate Juni und November entstehe. In diesen Monaten habe aber kein Anspruch der Klägerin mehr existiert.

Der Einwand, die Beklagte habe gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, sei unberechtigt, weil die Beklagte alle Dienstnehmer in gleicher Weise behandelt habe.

Das nur von der Klägerin angerufene Berufungsgericht änderte in teilweiser Stattgebung der Berufung das Ersturteil im Sinne der Verpflichtung der Beklagten ab, der Klägerin 2.688,12 EUR brutto sA zu zahlen. Das Mehrbegehren der Klägerin wies es ab.

Da die Beklagte den der Klage stattgebenden Teil des Ersturteils nicht bekämpft habe, sei davon auszugehen, dass die Streitteile - auf welche Weise auch immer - zu Beginn des Dienstverhältnisses als auch bei seiner Verlängerung ab 16. 5. 2005 eine Vereinbarung geschlossen haben, nach der die Klägerin jährlich zwei Sonderzahlungen in Höhe jeweils eines Monatsbruttogehalts erhalten sollte.

„Verschlechterungsvereinbarungen" seien - sofern auch der geänderte Vertragsinhalt den durch Gesetz, Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarung normierten Mindesterfordernissen entspreche - zulässig. Werde für den Fall der Ablehnung eines Verschlechterungsvorschlags die Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Aussicht gestellt, könne dies - anders als etwa die Verweigerung der Zahlung fälliger Bezüge oder ähnlicher Maßnahmen - den Vorwurf rechtswidriger Druckausübung nicht rechtfertigen, weil mit einer solchen Kündigung nur vom gesetzlichen Recht Gebrauch gemacht werde, das auf unbestimmte Zeit eingegangene Arbeitsverhältnis jederzeit unter Einhaltung einer bestimmten Frist, aber ohne Angabe von Gründen, aufzulösen. Aus der - allein für den Verzicht auf bereits erworbene Ansprüche entwickelten - Drucktheorie könne also die Unzulässigkeit der von der Beklagten ins Treffen geführten Verschlechterungsvereinbarung nicht abgeleitet werden.

Allerdings enthalte der hier interessierende Punkt 15. der Abänderungsvereinbarung vom 8. 2. 2006 gar keinen Verzicht der Klägerin, sondern einen Änderungs- und Widerrufs- sowie einen Unverbindlichkeitsvorbehalt: Zum einen sei vereinbart, dass sich die Beklagte den jederzeitigen Widerruf der vereinbarten Leistungen vorbehalte; zum anderen sei festgehalten worden, dass die Sonderzahlungen freiwillig erfolgten, ohne Rechtsanspruch für die Zukunft gewährt werden und auch bei wiederholter und langjähriger Gewährung kein Rechtsanspruch für die Zukunft entstehe.

Der Unverbindlichkeitsvorbehalt sei streng vom Änderungs- und Widerrufsvorbehalt zu trennen. Er solle verhindern, dass ein Anspruch auf eine bestimmte Leistung entsteht. Daher bedürfe es in diesem Fall keines Widerrufs, da der Vorbehalt der Unverbindlichkeit bereits im Zeitpunkt seiner Vereinbarung zur jederzeitigen und grundlosen Einstellung der Leistung ermächtigen solle. Der Oberste Gerichtshof habe bisher im Zusammenhang mit der Frage der Zulässigkeit von Unverbindlichkeitsvorbehalten das Entstehen eines Rechtsanspruchs nur bei „entgeltsfernen" Leistungen, die sich außerhalb des vertraglichen Synallagmas bewegen (Zuschüsse zu Konzertabonnements, Freizeiteinrichtungen) verneint. Die Rechtsprechung zu Betriebspensionen sei in diesem Zusammenhang nicht analogiefähig, weil im BPG die Konstruktion einer Betriebspension ohne Rechtsanspruch ausdrücklich vorgesehen sei. Ein Unverbindlichkeitsvorbehalt in Bezug auf das Entgelt sei daher unzulässig. Da Sonderzahlungen zum Entgelt zählten, sei daher der von den Parteien vereinbarte Unverbindlichkeitsvorbehalt rechtsunwirksam.

Der Änderungsvorbehalt sei darauf gerichtet, im Rahmen der Grenzen des zwingenden Rechts einseitig bestimmte Bestandteile des Vertrags variabel gestalten zu können. Meist solle der Einsatz der Arbeitskraft zeitnah an die Bedürfnisse des Betriebs angepasst werden, indem durch Erhöhung oder Reduzierung arbeitsvertraglicher Ansprüche auf Phasen wirtschaftlicher Konjunktur oder Rezession reagiert werde. Bestehe die Veränderung in der vollständigen Beseitigung eines Rechtsanspruchs, so liege ein Widerrufsvorbehalt vor, der dem Dienstgeber das Recht einräume, einmal gewährte Ansprüche des Dienstnehmers zukünftig zur Gänze wieder einzustellen.

Änderungs- und Widerrufsvorbehalte seien zwar - soweit das verbleibende Entgelt nicht gegen zwingendes Recht verstoße - zulässig; die Rechtsprechung prüfe aber ihre Ausübung im Einzelfall. Ein solcher Vorbehalt räume dem Arbeitgeber eine nach Treu und Glauben und nach billigem Ermessen auszuübende Regelungsbefugnis ein, wobei nicht nur verbessernde, sondern auch verschlechternde Bestimmungen von einem solchen Gestaltungsrecht umfasst seien. Der Eingriff dürfe aber nicht schwerwiegender ausfallen, als es die Belange des Betriebs unter Berücksichtigung der Interessen der betroffenen Arbeitnehmer erfordern. Die Zulässigkeit von Widerrufsvorbehalten im Entgeltbereich unter Berufung auf wirtschaftliche Gründe werde idR bejaht. Dafür, dass der Arbeitgeber bei Ausübung des ihm vereinbarungsgemäß vorbehaltenen Gestaltungsrechts die Grenzen des billigen Ermessens überschritten habe, sei der Arbeitnehmer behauptungs- und beweispflichtig. Die Klägerin habe dazu zwar in erster Instanz Vorbringen erstattet; sie sei jedoch in ihrer Berufung nicht mehr darauf zurückgekommen, sodass dahingestellt bleiben könne, ob die vom Erstgericht dazu erarbeitete Sachverhaltsgrundlage die Berufung der Beklagten auf wirtschaftliche Gründe rechtfertigen könnte.

Der Beklagten sei daher ein für die Zukunft wirkendes Gestaltungsrecht eingeräumt worden, dessen Ausübung eine inhaltlich bestimmte oder zumindest bestimmbare rechtsgeschäftliche Erklärung voraussetze, die mit dem Zugehen in den Machtbereich der Klägerin Rechtswirksamkeit erlange. Die Beklagte könne sich in diesem Zusammenhang zwar nicht auf Erklärungen im Laufe des vorliegenden Rechtsstreits berufen, wohl aber auf die frühestens Ende Juni 2006 erfolgte Übermittlung der Gehaltsabrechnung für Juni 2006 sowie auf die (frühestens im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 15. 12. 2006 erfolgte) Übermittlung der Endabrechnung. In diesen Abrechnungen sei die schlüssige Erklärung zu erblicken, den Urlaubszuschuss 2006 lediglich im Betrag von 954 EUR und die Weihnachtsremuneration lediglich im Betrag von 912 EUR gewähren zu wollen. Diese Widerrufserklärung könne aber bereits erworbene Entgeltansprüche nicht rückwirkend erfassen. Die Klägerin habe daher bis zum Zugang der schlüssigen Zugangserklärungen auf der Basis der nach wie vor aufrechten Entgeltsvereinbarung nach Maßgabe der im Arbeitsverhältnis verbrachten Zeit kontinuierlich den (aliquoten) Anspruch auf jährlich zwei Sonderzahlungen im Ausmaß von jeweils einem Bruttomonatsentgelt erworben. Dieser Anspruch stehe der Klägerin zufolge Endigung des Arbeitsverhältnisses bereits am 15. 12. 2006 (jedenfalls) gemäß § 16 AngG im Verhältnis der im Jahr 2006 zurückgelegten Dienstzeit zum gesamten Kalenderjahr 2006 zu, zumal eine dem Stichtagsprinzip entsprechende, sich auf das gesamte Kalenderjahr 2006 beziehende Berechnung der Klageansprüche von der Klägerin nicht vorgenommen worden sei. Dabei sei zu beachten, dass durch die im Fälligkeitszeitpunkt erfolgte Ausübung des Gestaltungsrechts durch die Beklagte der Urlaubszuschuss für den Zeitraum vom 1. 1. 2006 bis 30. 6. 2006 auf der Bemessungsgrundlage eines (vollen) Monatsbruttogehalts und für den verbleibenden Zeitraum auf der Grundlage eines Jahresanspruchs von 954 EUR jeweils aliquot zu berechnen sei. Insgesamt ergebe sich daher für die Zeit vom 1. 1. bis 15. 12. 2006 ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung von 1.352,92 EUR brutto.

Auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz könne sich die Klägerin nicht mit Erfolg stützen, weil die Beklagte gegenüber allen anderen bei ihr beschäftigen Arbeitnehmern die Sonderzahlungen im gleichen Verhältnis gekürzt habe.

Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil zur Behauptungs- und Beweislast einer Ermessensüberschreitung bei der Ausübung eines vereinbarten Abänderungs- bzw Widerrufsvorbehalts durch den Arbeitgeber ebenso jüngere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle, wie zu den Fragen, ob die rechtsgestaltende Wirkung einer Abänderungs- bzw Widerrufserklärung auch für bereits erworbene Anwartschaften rückwirkend Rechtswirksamkeit entfalte und ob ein Rechtswirksamkeitsvorbehalt in Bezug auf Sonderzahlungen wirksam vereinbart werden könne.

Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen beider Parteien.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil im Sinne des Zuspruchs weiterer 436,98 EUR brutto sA abzuändern. Die Beklagte begehrt die Wiederherstellung des Ersturteils. Hilfsweise beantragen beide Parteien die Aufhebung des angefochtenen Urteils.

Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben. Die Klägerin beantragt, der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist nicht berechtigt. Hingegen kommt der Revision der Beklagten Berechtigung zu.

Das Berufungsgericht hat richtig erkannt, dass zwischen „Unverbindlichkeitsvorbehalten" einerseits und „Widerrufs- bzw Änderungsvorbehalten" andererseits unterschieden werden muss. Unverbindlichkeitsvorbehalte weisen darauf hin, dass eine Leistung freiwillig und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht bzw ohne Einräumung eines Anspruchs auf eine zukünftige Leistungserbringung gewährt wird. Auch durch die wiederholte Gewährung soll kein Rechtsanspruch für die Zukunft entstehen. Es soll dem Arbeitgeber von Fall zu Fall überlassen bleiben, neu zu entscheiden, ob und in welcher Höhe er die Leistung weiter gewähren will. Will er dies nicht mehr, so reicht es aus, dass die - ohnehin nicht verpflichtend zu erbringende - Leistung in einem anderen Ausmaß oder überhaupt nicht mehr gewährt wird (Risak, Der Unverbindlichkeitsvorbehalt, ZAS 2006, 162 ff). Da kein Anspruch des Arbeitnehmers besteht, bedarf es keines Widerrufs durch den Arbeitgeber.

Der Widerrufsvorbehalt hingegen setzt einen Anspruch des Arbeitnehmers voraus, der durch den Widerruf wieder vernichtet werden kann (Risak, aaO 163).

Diese Unterscheidung hat erhebliche rechtliche Konsequenzen bei der Einstellung der Leistung: Während die Ausübung des Widerrufsvorbehalts einer Ausübungskontrolle unterliegt - der Arbeitgeber darf das Gestaltungsrecht nur im Rahmen billigen Ermessens ausüben - findet eine solche Kontrolle bei einer unter Unverbindlichkeitsvorbehalt stehenden Leistung nicht statt, weil es in diesem Fall ohnedies keinen Anspruch des Arbeitnehmers gibt (Risak, aaO 163).

Die Meinung des Berufungsgerichts, der Oberste Gerichtshof habe bisher Unverbindlichkeitsvorbehalte nur bei sog „entgeltfernen" Leistungen, die sich außerhalb des vertraglichen Synallagmas bewegen (zB Zuschüsse zu Konzertabonnements) als zulässig und wirksam erachtet (so auch Felten, Arbeitsvertragliche Flexibilisierungsklauseln im Entgeltbereich, RdW 2008, 278 ff [281]), beruht auf einem Missverständnis der in diesem Zusammenhang von der zweiten Instanz bzw von Felten zitierten Entscheidungen 8 ObA 270/95 und 9 ObA 354/93 sowie der ebenfalls zitierten Ausführungen von Kuras, Möglichkeiten und Grenzen einzelvertraglicher Gestaltungen im aufrechten Arbeitsverhältnis, ZAS 2003, 100 ff [105]. Tatsächlich ist den zitierten Entscheidungen zu entnehmen, dass der Oberste Gerichtshof bei derartigen „entgeltfernen" Leistungen im Allgemeinen einen entsprechenden Widerrufs- oder Unverbindlichkeitsvorbehalt des Arbeitgebers gar nicht für erforderlich hält. Den Begünstigten habe auch ohne entsprechende Erklärungen des Arbeitgebers von vornherein klar sein müssen, dass der Arbeitgeber mit der Gewährung dieser Leistungen keine Verpflichtung habe eingehen wollen (näher dazu Kuras [aaO]). Hingegen ist der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Betriebsübung zu entnehmen, dass er Unverbindlichkeitsvorbehalte prinzipiell als zulässig erachtet: Nach dieser Rechtsprechung sind regelmäßig gewährte Arbeitgeberleistungen, mit denen Arbeitnehmer rechnen können, als Offert des Arbeitgebers auf die Einräumung eines Anspruchs auf zukünftige Zahlungen anzusehen, sofern der Arbeitgeber den unverbindlichen Charakter der Zuwendung nicht ausdrücklich betont (RIS-Justiz RS0014154).

Richtig ist allerdings, dass in der Lehre die Zulässigkeit von Unverbindlichkeitsklauseln unterschiedlich beurteilt wird. Zuletzt wurde sie von Risak (aaO) bejaht. Hingegen ist in jüngster Zeit vor allem Schindler (in Resch [Hrsg], Kritische Klauseln im Arbeitsvertrag 55 ff [73f]) der Zulässigkeit derartiger Klauseln vehement entgegengetreten. Die Beliebigkeit hinsichtlich Veränderungen der Entgelthöhe sei kein zulässiger Vertragsinhalt. Regelmäßige Leistungen zu erbringen oder in Aussicht zu stellen, aber zu nichts verpflichtet zu sein, sei nicht möglich. Entsprechende Erklärungen seien - bei Dauerleistungen - eine unmaßgebliche Fehlbezeichnung. Zuletzt hat auch Felten (aaO) Unverbindlichkeitsvorbehalte in Bezug auf das Entgelt als unzulässig bezeichnet. Durch einen solchen Vorbehalt könne die Billigkeitskontrolle, wie sie bei der Ausübung von Widerrufsvorbehalten praktiziert werde, nicht abbedungen werden, insbesondere dann, wenn es sich um (laufendes) Entgelt für die vertraglich geschuldeten Dienste handelt. Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu Widerrufsvorbehalten sei daher auch auf unverbindliche Entgeltvereinbarungen anzuwenden.

Den in der Lehre gegen die Zulässigkeit von Unverbindlichkeitsvorbehalten vorgetragenen Argumenten, vor allem dem Gedanken, dass der Arbeitnehmer auf eine gewisse Beständigkeit seines monatlichen Entgelts vertrauen können müsse, kommt im Zusammenhang mit den wesentlichen Teilen des laufenden monatlichen Entgelts erhebliches Gewicht zu. Eine Klausel, die sich auf einen wesentlichen Teil des Monatsentgelts bezieht, ist aber hier nicht zu beurteilen, sodass dazu nicht weiter Stellung zu nehmen ist. Für andere Entgeltbestandteile, die nicht zum wesentlichen Teil des Grundentgelts gehören oder die nur unregelmäßig bzw aus besonderem Anlass gewährt werden, besteht hingegen nach Ansicht des Senats kein triftiger Grund, ausdrücklich und unmissverständlich erklärte Unverbindlichkeitsvorbehalte generell als unzulässig zu betrachten. Insofern besteht daher kein Anlass, von der bisherigen Rechtsprechung, die sich - soweit überblickbar - nur auf Entgeltbestandteile der zuletzt genannten Kategorie bezieht, abzugehen.

Die hier in Rede stehenden Sonderzahlungen gehören nicht zu den eben erörterten wesentlichen Teilen des laufenden monatlichen Entgelts. Ein sich auf solche Sonderzahlungen beziehender Unverbindlichkeitsvorbehalt ist daher nicht unzulässig.

Im Übrigen ist zu beachten, dass die hier zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung vom 8. 2. 2006 dadurch gekennzeichnet ist, dass sie sowohl einen Unverbindlichkeits- als auch einen Widerrufsvorbehalt enthält. Diese keineswegs seltene Konstellation wirft jedoch Probleme auf, weil - wie gezeigt - Unverbindlichkeits- und Widerrufsvorbehalt unterschiedliche Rechtsfolgen bewirken und daher zueinander in Widerspruch stehen.

Unter Hinweis auf die Entscheidung 9 ObA 15/97i vertritt Risak (aaO 165) die Auffassung, dass in derartigen Fällen nicht bloß auf den Wortlaut der Klausel, sondern auf den Gesamtzusammenhang abzustellen ist. Eine generelle Aussage, dass die Kombination der beiden Vorbehalte immer in die eine oder die andere Richtung ausschlagen müsse, sei nicht möglich. Im Einzelfall sei ohne starre Bindung an den buchstäblichen Wortsinn zu fragen, ob es für den Arbeitnehmer klar sein musste, dass kein Rechtsanspruch eingeräumt oder mit dem Verweis auf den mangelnden Rechtsanspruch vielmehr nur die Widerruflichkeit bestärkt werden sollte. Sei eine Auslegung nach § 914 ABGB nicht möglich, müsse die Unklarheitenregel des § 915 ABGB zum Tragen kommen (näher dazu Risak, aaO 165 f).

In der Tat ist eine Vertragsbestimmung, die Unverbindlichkeits- und Widerrufsklausel kombiniert, auslegungsbedürftig. Es trifft auch zu, dass sich die Auslegung, die immer nur anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls erfolgen kann, nicht auf den bloßen Wortlaut der Klausel zu beschränken hat, sondern den Gesamtzusammenhang der Vereinbarung, aber auch die Umstände, unter denen die Erklärungen abgegeben wurden, berücksichtigen muss.

Für die Anwendung des § 915 ABGB, der nur zum Tragen kommt, wenn die Auslegung nach § 914 ABGB zu keinem klaren Ergebnis führt (Bollenberger in KBB² § 915 Rz 1 mwN), ist aber hier kein Raum, weil unter den hier gegebenen Umständen klar ist, wie die Vertragserklärung des Arbeitgebers gemeint war und wie sie auch von der Klägerin verstanden werden musste: Im konkreten Fall ist nämlich zu berücksichtigen, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung vom 8. 2. 2006 die Kürzung der Sonderzahlungen zwischen den Parteien bereits seit geraumer Zeit ein Diskussionsthema war. Die Beklagte hatte die vorangegangene Sonderzahlung bereits gekürzt, wogegen aber die Klägerin protestiert hatte. Nunmehr ging die Beklagte daran, die von ihr bereits vorgenommene Kürzung vertraglich abzusichern und die Unterfertigung dieses Vertrags durch die Androhung der Kündigung des Arbeitsverhältnisses auch wirklich durchzusetzen. Unter diesen Umständen musste daher auch für die Klägerin klar sein, dass es der Arbeitgeberin nicht um die Schaffung der Möglichkeit eines künftigen Widerrufs der Sonderzahlungen ging, sondern darum, zur Legitimierung der bereits erfolgten Kürzungen den Rechtsanspruch der Klägerin auf Sonderzahlungen in einer bestimmten Höhe endgültig zu beseitigen.

Die Einwände der Klägerin, die Vereinbarung sei - weil sie unter Kündigungsandrohung unterfertigt worden sei - nicht wirksam, haben die Vorinstanzen bereits mit ausführlicher Begründung und von der Klägerin unbekämpft verneint.

Im Gegensatz zum Berufungsgericht geht der Oberste Gerichtshof daher aus, dass zwischen den Parteien am 8. 2. 2006 wirksam die Unverbindlichkeit der Sonderzahlungen vereinbart wurde. Ein (der Billigkeitskontrolle unterliegender) Widerruf der Sonderzahlungen war daher gar nicht mehr erforderlich. Vielmehr steht der Klägerin ab dem 8. 2. 2006 aufgrund des wirksamen Unverbindlichkeitsvorbehalts kein über die ihr ohnedies gewährten (restlichen) Sonderzahlungen hinausgehender Anspruch mehr zu.

Dass der am 8. 2. 2006 vereinbarte Unverbindlichkeitsvorbehalt als solcher keine rückwirkende Wirkung entfaltet hat, trifft zu. Dass - wie die Beklagte behauptet - die Klägerin mit der Unterfertigung rückwirkend auf alle offenen Sonderzahlungsansprüche verzichtet habe, ist dem Vertrag in keiner Weise zu entnehmen. Der für 2005 aushaftende Betrag wurden der Klägerin daher zu Recht vom Erstgericht zugesprochen. Dieser Zuspruch wird von der Beklagten auch nicht mehr bekämpft.

Für die Zeit vom 1. 1. 2006 bis zum 8. 2. 2006 steht der Klägerin kein über die von ihr ohnedies bezogenen Zahlungen hinausgehender Anspruch zu. Sie hat für das Jahr 2006 die Hälfte der Sonderzahlungen erhalten, obwohl ihr kein Rechtsanspruch auf diese Leistung mehr zugestanden ist. Die ihr somit freiwillig für 2006 gewährten Zahlungen decken ihre auf die Zeit vom 1. 1. 2006 bis zum 8. 2. 2006 entfallenden aliquoten Sonderzahlungsansprüche mehr als ab. Sie kann daher für diesen Zeitraum keine weiteren Ansprüche mehr geltend machen.

Im Ergebnis erweist sich daher die Entscheidung des Erstgerichts als zutreffend.

In Stattgebung der Revision der Beklagten war daher das Ersturteil wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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