OGH 6Ob213/07b

OGH6Ob213/07b17.12.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hermann L*****, vertreten durch Sluka Hammerer Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei M*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Lirk, Mag. Hanna Spielbüchler und Dr. Johannes Hirtzberger, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Abberufung eines Geschäftsführers (Streitwert 35.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 20. April 2007, GZ 4 R 52/07f-26, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 10. Jänner 2007, GZ 1 Cg 92/05d-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts zu lauten hat:

„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, in die Abberufung des Geschäftsführers der L*****gesellschaft mbH, Dr. Johannes E*****, einzuwilligen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 8.981,28 EUR (davon 1.496,38 EUR USt und 3 EUR Barauslagen) bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 6.782,90 EUR (davon 780,15 EUR USt und 2.102 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die L*****gesellschaft mbH (künftig: Holding GmbH) ist Aktionärin der operativ tätigen G***** L***** AG (im Folgenden: AG), die 1993 durch Umwandlung der G***** L***** Gesellschaft mbH entstanden ist, die auf eine im Jahr 1924 gegründete offene Handelsgesellschaft zurückgeht. Der Kläger hält 25 %, seine Mutter und seine beiden Brüder halten zusammen weitere 25 % und die Beklagte, deren Alleingesellschafter die L***** Privatstiftung ist, hält die restlichen 50 % am Stammkapital der Holding GmbH. Diese steht je zur Hälfte im „Eigentum" der Familie des Klägers und - im Weg der Beklagten und der L***** Privatstiftung - Karl L*****s.

Alleiniger Zweck der Holding GmbH ist die Verwaltung der Beteiligung an der AG.

Punkt V. des Gesellschaftsvertrags der Holding GmbH bestimmt, dass die Gesellschaft drei Geschäftsführer hat, wobei je zwei Geschäftsführer gemeinsam zur Geschäftsführung und Vertretung berechtigt werden. Sowohl dem Familienstamm des Klägers als auch jenem Karl L*****s wird das Recht zur Entsendung je eines Geschäftsführers eingeräumt. Der Kläger und Karl L***** sind Geschäftsführer der Holding GmbH. In Punkt V. 5. des Gesellschaftsvertrags heißt es:

„Für die Geschäftsführer gilt volles Konkurrenzverbot. Sie dürfen unter den Rechtsfolgen des § 24 GmbH-Gesetz ohne beschlussfähige Einwilligung der Generalversammlung im Geschäftszweig der Gesellschaft weder Geschäfte für eigene oder fremde Rechnung machen, noch sich bei einer Gesellschaft des gleichen Geschäftszweiges beteiligen oder eine Stelle im Vorstand (Geschäftsführung) oder Aufsichtsrat bekleiden.

Überhaupt ist es den Geschäftsführern untersagt, der Gesellschaft bzw. den Gesellschaften, an denen diese Gesellschaft beteiligt ist, mittelbar oder unmittelbar, direkt oder indirekt, gelegentlich oder gewerbsmäßig Konkurrenz zu machen oder sich an einem Konkurrenzunternehmen direkt oder indirekt zu beteiligen. Von dem Konkurrenzverbot ausgenommen sind Tätigkeiten, Beteiligungen und Funktionen, die der Geschäftsführer im Zeitpunkt seiner Bestellung bereits ausgeübt bzw. besessen hat und von denen die Gesellschaft Kenntnis hatte."

Parallel zur Gründung der Holding GmbH schlossen deren Gesellschafter 1987 einen Syndikatsvertrag, in dem unter anderem die Bestellung des dritten Geschäftsführers der Holding GmbH geregelt wurde. Die Präambel des Syndikatsvertrags lautet:

„Die L*****gesellschaft mbH erfüllt die Funktion einer Holding Gesellschaft der G***** L***** Gesellschaft mbH. Die Gesellschafter der L*****gesellschaft mbH bilden zwei Gruppen, die zu je 50 % am Stammkapital beteiligt sind. Bei allen Maßnahmen der Gesellschafter ist dem gemeinsamen Willen bzw dem mehrheitlichen Willen der Gruppen immer der Vorzug zu geben. ...

Mit gegenständlichem Syndikatsvertrag soll Vorsorge dafür getroffen werden

(1) Der Vorstand hat in den ersten fünf Monaten des Geschäftsjahres den Jahresabschluss sowie den Geschäftsbericht für das vergangene Geschäftsjahr aufzustellen und dem Abschlussprüfer vorzulegen. Nach Eingang des Prüfungsberichtes sind der Jahresabschluss, der Geschäftsbericht, der Prüfungsbericht und der Vorschlag für die Verwendung des Bilanzgewinnes unverzüglich dem Aufsichtsrat vorzulegen.

(2) Die Hauptversammlung beschließt alljährlich in den ersten acht Monaten des Geschäftsjahres über die Entlastung des Vorstandes und des Aufsichtsrates, über die Verwendung des im Vorjahr erzielten Reingewinnes, über die Wahl des Abschlussprüfers und in den im Gesetz vorgesehenen Fällen über die Feststellung des Jahresabschlusses (ordentliche Hauptversammlung)."

Die AG betreibt ein Großhandelsunternehmen. Regelmäßig bestehen hohe Kundenverbindlichkeiten. Es kommt durch Insolvenz von Kunden immer wieder zu größeren Zahlungsausfällen. Um derartige Ausfälle ausgleichen zu können und um Stabilität zu gewährleisten, zielte die Geschäftspolitik der Gesellschaft über Jahre hinweg auf eine hohe Eigenkapitalquote ab. Dadurch sollte auch die Unabhängigkeit der Firmengruppe von Banken, die Möglichkeit, Kunden lange Zahlungsziele ohne Liquiditätsengpass zu gewähren, die wirtschaftliche Solidität des Unternehmens sowie die Stabilität und Ausweitung des Kundenstocks sichergestellt werden. Gemäß der Bilanz zum 31. 3. 2005 betrug die Eigenmittelausstattung der AG 10 Mio EUR. Die Fremdfinanzierung beläuft sich auf 8 Mio EUR.

Im Einklang mit der verfolgten Geschäftspolitik wurden über Jahre hindurch in der Regel etwa 50 % der Gewinne im Unternehmen belassen und etwa 50 % an die Holding GmbH ausgeschüttet.

Bis zur Hauptversammlung der AG und der Generalversammlung der Holding GmbH am 23. 11. 2004 bestand zwischen den beiden Familiengruppen über die Grundsätze der Gewinnausschüttungspraxis Einvernehmen. Sämtliche Beschlüsse wurden in der Generalversammlung der Holding GmbH einstimmig gefasst. Auch die Geschäftsführung erfolgte im Einvernehmen sämtlicher Geschäftsführer. Dessen ungeachtet hat es schon in den Jahren zuvor Differenzen über die Höhe der Gewinnausschüttung gegeben. Wiederholt war von der Familiengruppe des Klägers eine höhere Ausschüttung verlangt worden. In der Praxis erfolgte die Festlegung des auszuschüttenden Betrags so, dass dieser zwischen Karl L*****, der auch Mitglied des Vorstands der AG ist, mit dem von der Familiengruppe des Klägers entsandten Aufsichtsratsmitglieds Dkfm. Dr. Josef M*****, der die Interessen der Familiengruppe des Klägers im Aufsichtsrat vertritt und seit etwa 1997 den Kläger anstelle von Dr. E***** in steuerlichen Angelegenheiten berät, vor den Haupt- bzw Generalversammlungen abgesprochen wurde. In weiterer Folge wurden damit übereinstimmende Beschlüsse in den jeweiligen Gremien getroffen.

Dr. Johannes E***** folgte der von Karl L***** vertretenen, restriktiven Gewinnausschüttungspolitik. Er vertrat diesen Standpunkt auch gegenüber der Familiengruppe des Klägers. Seiner Ansicht nach wären höhere Ausschüttungsquoten mit dem hohen Eigenkapitalbedarf nicht vereinbar gewesen.

Am 23. 11. 2004 fand die ordentliche Generalversammlung der Holding GmbH statt. In dieser wurde über den Antrag der zur Familie des Klägers zählenden Gesellschafter auf Abberufung des Geschäftsführers Dr. Johannes E***** abgestimmt. Die Beklagte stimmte dagegen, die Familie des Klägers stimmte dafür, sodass der Antrag mangels Stimmenmehrheit abgelehnt wurde. Es wurde auch über eine Weisung an die Geschäftsführer der Holding GmbH, wonach die Beschlussfassung in der Hauptversammlung der AG über die Ergebnisverwendung des Geschäftsjahres 2003/2004 im Sinne des vom Vorstand im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat erstellten Gewinnverwendungsvorschlags zu erfolgen habe, abgestimmt. Aufgrund der Gegenstimmen der Familie des Klägers wurde eine derartige Weisung nicht erteilt. Zuvor hatte der Rechtsanwalt des Klägers vorgebracht, dass der im Vorschlag im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat vorgesehene Ausschluss eines Teils des Jahresgewinns der AG von der Verteilung unter Vortrag auf neue Rechnung gesetzwidrig sei, weil die Satzung der AG keine Ermächtigung der Hauptversammlung vorsehe, den Bilanzgewinn ganz oder zum Teil von der Verteilung auszuschließen. Es sei daher der gesamte Bilanzgewinn in Höhe von 2.998.333,58 EUR an die Aktionäre auszuschütten. In der Hauptversammlung der AG am selben Tag wies der Rechtsanwalt des Klägers erneut darauf hin, dass die Aktionäre mangels ausdrücklicher Satzungsermächtigung einen vollen Gewinnanspruch hätten. Demgegenüber vertraten die Aufsichtsratsmitglieder Dr. Wolfgang B*****, Dkfm. Dr. Josef M***** und Dr. Walter W***** die Ansicht, dass eine Beschlussfassung, wonach nur ein Teil des Gewinns ausgeschüttet werde, zulässig sei. Bei der anschließenden Abstimmung stimmten die Geschäftsführer der Holding GmbH Dr. Johannes E***** und Karl L***** für die im Gewinnverwendungsvorschlag vorgesehene Ausschüttung nur eines Teils des Bilanzgewinns von 450.000 EUR und den Vortrag des restlichen Bilanzgewinns auf neue Rechnung. Der Kläger als Geschäftsführer der Holding GmbH und sein Rechtsanwalt als Bevollmächtigter des Klägers als Treuhandaktionär stimmten dagegen. In der außerordentlichen Generalversammlung der Holding GmbH vom 17. 1. 2005 war einem neuerlichen Antrag auf Abberufung von Dr. Johannes E***** als Geschäftsführer aufgrund der Gegenstimmen der Beklagten kein Erfolg beschieden. Gegen die Ablehnung des Antrags erklärten die zur Familie des Klägers zählenden Gesellschafter Widerspruch zu Protokoll. Ein weiterer Antrag auf Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen die Geschäftsführer Karl L***** und Dr. Johannes E***** wegen Vereitelung der Gewinnausschüttung der AG wurde von der Beklagten ebenfalls abgelehnt.

Dr. Johannes E***** vertritt seit 1977 sämtliche Gesellschaften der L*****-Firmengruppe sowie Karl L***** und die Mitglieder seines Familienstamms in steuerlichen Belangen, wobei die Auftragsverhältnisse mit der Dr. E***** & Partner Wirtschaftstreuhänder GmbH bestehen. Für Mitglieder der Familiengruppe des Klägers war er bis 2000 tätig. Dass er neben seinen sonstigen Funktionen auch Vorstand der L***** Privatstiftung wurde, erfuhr der Kläger etwa Mitte des Jahres 2004. Dr. Johannes E***** genießt nicht mehr das Vertrauen des Klägers und der übrigen Mitglieder der Familie des Klägers. Sie sind der Überzeugung, dass er die erforderliche Objektivität vermissen lässt und ausschließlich die Interessen Karl L*****s vertritt. Mit Schreiben vom 19. 1. 2005 forderten sie ihn auf, die Geschäftsführung der Holding GmbH zurückzulegen. Es konnte nicht festgestellt werden, dass Dr. Johannes E***** als Geschäftsführer der Holding GmbH parteilich, das heißt ohne sachliche Rechtfertigung, zugunsten des Familienstamms Karl L*****s und gegen jenen des Klägers agierte. Der Kläger begehrt mit seiner Klage von der Beklagten, der Abberufung von Dr. Johannes E***** als Geschäftsführer der Holding GmbH zuzustimmen. Zum einen sei der im Syndikatsvertrag vorgesehene Ausgleich durch den dritten Geschäftsführer nicht mehr gegeben. Dr. E***** verfüge nicht mehr über das Vertrauen der Gesellschaftergruppe der Familie des Klägers, weil er seit langem einseitig und über die Maßen ausschließlich die Interessen Karl L*****s und der Beklagten vertrete. Der Syndikatsvertrag setze für die Person des dritten Geschäftsführers voraus, dass dieser einerseits über das Vertrauen beider Familien verfüge, andererseits so weit objektiv und unabhängig sei, dass er die Interessen beider Familien vertrete und für den erforderlichen Ausgleich sorge. Dr. E***** bzw seine Wirtschaftstreuhandgesellschaft stünden in entgeltlichen Auftragsverhältnissen zu Karl L*****, der AG und Karl L***** zuzuordnenden Gesellschaften. Zudem sei er Vorstand der L***** Privatstiftung und verstoße in dieser Funktion gegen das gesetzliche und vertragliche Wettbewerbsverbot, beschäftigten sich doch sowohl die L***** Privatstiftung als auch die Holding GmbH mit Beteiligungsverwaltung. In seiner Funktion als Stiftungsvorstand sei er ausschließlich dem Interesse von Stifter und Stiftungsbegünstigten, insbesondere Karl L*****, verpflichtet. Dr. E***** habe im Zusammenwirken mit Karl L***** der Holding GmbH einen Schaden in Höhe von 2,5 Mio EUR zugefügt, indem er in gesetzwidriger Weise in der Hauptversammlung der AG am 23. 11. 2004 eine Ausschüttung des gesamten Bilanzgewinns an die Holding GmbH vereitelt und verhindert habe.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Dr. E***** habe seiner Verantwortung, die ihm im Rahmen der Aufspaltung der Beteiligung an der AG auf die zwei Familienstämme übertragen worden sei, nur in Ausnahmefällen nachkommen müssen. In wesentlichen Fragen sei ein gemeinsamer Wille der Gesellschafter und Gesellschafter-Geschäftsführer der Holding GmbH vorhanden gewesen. Erst die Auseinandersetzung im Zusammenhang mit der Entlassung des Klägers als Dienstnehmer der AG im Jahr 2004 habe diesen veranlasst, von der bis dahin einvernehmlichen Geschäftspolitik abzugehen. Bei der Fassung des Beschlusses über die Gewinnverteilung der AG habe sich Dr. E***** für die Fortführung einer seit rund zwanzig Jahren bestehenden Übung entschieden. Er habe überdies eine Maßnahme unterstützt, die sowohl der Aufsichtsrat als auch der Vorstand der AG vorgeschlagen habe. Er habe daher ausschließlich die Interessen der Gesellschaft verfolgt. Aus strategischen Gründen habe Karl L***** seine Anteile an der Beklagten in die L***** Privatstiftung eingebracht. Da sich ein allfälliges Wettbewerbsverbot nur auf den gleichen Geschäftszweig der betroffenen Unternehmen beziehen könne, scheide ein Verstoß aus. Nach der maßgeblichen Verkehrsauffassung sei eine Privatstiftung, die als Stiftungszweck die Versorgung von Begünstigten habe, nicht im selben Geschäftszweig wie eine Beteiligungsgesellschaft tätig, die dem Ausgleich von Familieninteressen dienen solle. Im Übrigen bestehe gar kein Wettbewerb zwischen der Privatstiftung und der Holding GmbH. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen. Rechtlich führte es aus, die Abberufung eines Fremdgeschäftsführers durch gerichtliche Entscheidung setze das Vorliegen eines wichtigen Grundes voraus. Ein solcher liege jedenfalls bei grober Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung oder Vertretung vor. Eine Pflichtverletzung des Fremdgeschäftsführers Dr. E***** sei darin zu erblicken, dass er in der Hauptversammlung der AG am 23. 11. 2004 entgegen dem Vollausschüttungsgebot des § 126 Abs 3 AktG für die Gewinnthesaurierung gestimmt habe. Die Satzung der AG enthalte keine Gewinnverwendungsvorschrift oder eine Ermächtigung der Hauptversammlung zur freien Verfügung über den Bilanzgewinn. Dadurch sei der Holding GmbH ein erheblicher Nachteil bzw Schaden in Form des auf Rechnung vorgetragenen Gewinns entstanden. Dr. E***** habe durch sein Stimmverhalten gegen seine Geschäftsführerpflicht, den Vorteil der Gesellschaft zu wahren und Schaden von ihr abzuwenden, verstoßen. Dass die Ausschüttung nur eines Teils des Gewinns der langjährigen, mit guten Gründen versehenen Übung entsprochen und der Kläger bis dahin formell ebenfalls zugestimmt habe, vermögen daran nichts zu ändern. Ein Verstoß gegen das vertragliche und gesetzliche Wettbewerbsverbot wegen der Bestellung Dr. E*****s zum Vorstand der L***** Privatstiftung komme mangels konkurrenzierender Tätigkeit nicht in Betracht. Die gleichzeitige Tätigkeit als Stiftungsvorstand begründe jedoch unter Berücksichtigung der Gesellschaftsstruktur der Holding GmbH einen der Gesellschaft und den Gesellschaftern unzumutbaren Interessenkonflikt. Der Syndikatsvertrag entfalte zwar grundsätzlich nur zwischen den daran beteiligten Gesellschaftern bindende Wirkung; die erforderliche Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des dritten Geschäftsführers ergebe sich jedoch bereits aus dem Gesellschaftsvertrag. Vom dritten Geschäftsführer sei die Wahrnehmung der Interessen beider Gesellschaftergruppen zu verlangen. Damit sei die Stellung Dr. E*****s als Vorstandsvorsitzender der Privatstiftung nicht zu vereinbaren, weil er in dieser Funktion ausschließlich die Interessen der Stiftung und damit - über den Weg der Beklagten - jene des Familienstamms Karl L*****s zu vertreten habe. Diese Interessenkollision sei für die Gesellschaftergruppe des Klägers unabhängig vom tatsächlichen Verhalten Dr. E*****s unzumutbar, zumal sie durch die Steuerberatungstätigkeit für die Gesellschaften der L*****-Firmengruppe und die Mitglieder des Familienstamms Karl L*****s noch zusätzlich beeinträchtigt werde. Bei der gebotenen Betrachtung sämtlicher Umstände liege daher insgesamt ein wichtiger Grund zur Abberufung vor.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Satzung der AG habe am Vollausschüttungsgebot des § 126 Abs 3 AktG nichts geändert. Zu den Pflichten des Geschäftsführers einer Gesellschaft mbH gehöre es, das Unternehmen unter Beachtung aller maßgebenden Rechtsvorschriften zu leiten. Er sei verpflichtet, den Vorteil der Gesellschaft zu wahren und Schaden von ihr abzuwenden. In der Holding GmbH habe es keinen einhelligen Gesellschafterwillen gegeben, einer von der Gesetzeslage abweichenden Abstimmung in der Hauptversammlung zuzustimmen. Daher habe der Geschäftsführer sein Abstimmungsverhalten im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen auszuüben gehabt. Eine gesetzwidrige Vorgangsweise durch einen Geschäftsführer stelle grundsätzlich einen Pflichtenverstoß dar, weil eine wesentliche Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Geschäftsführertätigkeit die Beachtung der Rechtsvorschriften sei. Bei Unklarheiten oder unterschiedlichen Ansichten über die Rechtslage hätten die Geschäftsführer vor ihrer Entscheidung objektive fachkundige Rechtsauskünfte einzuholen gehabt. Die Nichteinholung derartiger Auskünfte begründe bei gesetzwidriger Vorgangsweise Fahrlässigkeit. Dass der Holding GmbH durch den Thesaurierungsbeschluss kein Schaden entstanden sei, mache die Beklagte in dieser Deutlichkeit erstmals in der Berufung geltend. Soweit darin nicht ohnedies ein Verstoß gegen das Neuerungsverbot liege, sei dem entgegenzuhalten, dass der Wert der Beteiligung an der AG, der mit einer Thesaurierung steige und mit einer Gewinnausschüttung sinke, nicht notwendigerweise ein volles Äquivalent zu einem ausgeschütteten Betrag darstellen müsse. Der Schaden einer GmbH sei jede dem Unternehmenszweck widersprechende, in Geld messbare Beeinträchtigung des Vermögens. Das Prozessvorbringen beider Parteien in erster Instanz enthalte kein Tatsachensubstrat dafür, dass der Kläger anfechtungsberechtigt im Sinn des § 196 AktG gewesen wäre. Dem Protokoll der Hauptversammlung vom 23. 11. 2004 sei zu entnehmen, dass der Kläger 300 Stückaktien der AG gehalten habe. Aus dem im vom Kläger gegen Karl L***** und Dr. E***** angestrengten Schadenersatzprozess ergangenen Urteil des Berufungsgerichts gehe hervor, dass die Holding GmbH als Treugeberin dem Kläger als Treuhandaktionär per Weisung die Anfechtungsklage verboten habe. Nach dem Vorbringen des Klägers soll die Holding GmbH Alleinaktionärin der AG gewesen sein. Die erstmals in der Berufung aufgeworfene Frage nach der Legitimation des Klägers zur Anfechtungsklage verstoße gegen das Neuerungsverbot. In der Funktion Dr. E*****s als Vorstand der Privatstiftung Karl L*****s sei eine Interessenkollision vom Gewicht des § 16 Abs 2 GmbHG zu erblicken. Seine Funktion als dritter unparteiischer Geschäftsführer könne nicht objektiv erfüllen, wer als Leitungsorgan einer juristischen Person einem der beiden Widersacher in besonderer Weise verantwortlich sei. Die Beibehaltung dieser Struktur sei dem anderen unzumutbar.

Das Berufungsgericht sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einem hinreichend vergleichbaren Sachverhalt nicht habe aufgefunden werden können. Die zum gesetzlichen Vollausschüttungsgebot ergangene höchstgerichtliche Judikatur betreffe durchwegs Firmenbuchsachen und nicht die Abberufung von Geschäftsführern.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist zulässig und auch berechtigt.

1. Nach § 16 Abs 2 GmbHG kann ein Fremdgeschäftsführer, für dessen Abberufung sich keine Gesellschaftermehrheit findet, aus einem wichtigen Grund mit Hilfe des Gerichts auf dem im dritten Satz dieser Bestimmung beschriebenen Weg abberufen werden. Was als wichtiger Grund in Betracht kommt, definiert das Gesetz nicht. Ein wichtiger Grund ist insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung (vgl 6 Ob 190/06v, GesRZ 2007, 128 [U. Torggler]; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 16 Rz 8, 30d; Straube/Ratka in Wiener KommzGmbHG, § 16 Rz 17, 58). Während die grobe Pflichtverletzung ein grobes Verschulden voraussetzt, ist die Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung verschuldensunabhängig zu beurteilen (Straube/Ratka aaO § 16 Rz 17; vgl U. Torggler/H. Torggler in Straube, HGB³ § 117 Rz 14). Im Allgemeinen ist ein wichtiger Grund für die Abberufung dann gegeben, wenn die Umstände das Verbleiben des Geschäftsführers unzumutbar machen. Dabei sind, insbesondere in Hinblick auf die Interessen der Gesellschaft, die Gesamtumstände des Einzelfalls unter Abwägung der Interessen sämtlicher Gesellschafter zu würdigen (vgl 6 Ob 190/06v; 7 Ob 700/88, SZ 61/216; Koppensteiner/Rüffler aaO § 16 Rz 8 mwN; Straube/Ratka aaO § 16 Rz 17 mwN). Zu würdigen ist auch das Schadenspotential der Fehlentwicklung, ihr vorübergehender oder dauernder Charakter (1 Ob 109/03s; Koppensteiner/Rüffler aaO § 16 Rz 8 mwN).

Keine „Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung" liegt vor, wenn zwischen mehreren Geschäftsführern oder zwischen einem Geschäftsführer und Gesellschaftern keine Einigkeit über die Geschäftspolitik besteht (vgl Koppensteiner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, dGmbHG4 § 38 Rz 13; Schneider in Scholz, dGmbHG10 § 38 Rz 46c mwN). Vertrauensentzug seitens eines Gesellschafters allein reicht als wichtiger Grund für die Abberufung nicht aus, weil dies im Ergebnis auf die Zulassung der freien Abberufbarkeit hinaus liefe (vgl Paefgen in Ulmer/Habersack/Winter, GroßkommzGmbHG § 38 Rz 28 mwN).

2. Wenngleich wegen der notwendigen Rücksichtnahme auf die Umstände des Einzelfalls in der Regel das Vorliegen eines „wichtigen Grundes" im Sinn des § 16 Abs 2 GmbHG keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO bildet (RIS-Justiz RS0118175), liegt im Anlassfall eine Rechtsfrage dieser Art vor, weil das Berufungsgericht seinen Bewertungsspielraum bei der Abwägung der festgestellten Umstände überschritten hat.

3. Der Oberste Gerichtshof hat mit Urteil vom 23. 5. 2007, 3 Ob 59/07h (GesRZ 2008, 22 [Linder] = RWZ 2007/76 S 261 [Wenger]), die vom Kläger gegen den abzuberufenden Fremdgeschäftsführer und den Geschäftsführer Karl L***** wegen der Zustimmung zur Gewinnthesaurierung in der Hauptversammlung der AG am 23. 11. 2004 erhobene Schadenersatzklage abgewiesen. Er führte in dieser Entscheidung mit eingehender Begründung aus, dass der in dieser Hauptversammlung gefasste Beschluss, vom Bilanzgewinn zum 31. 3. 2004 - bestehend aus dem Gewinnvortrag von 2.188.152,81 EUR und dem Jahresgewinn von 810.230,77 EUR - nur 450.000 EUR auszuschütten und den Rest als Gewinnvortrag fortzuschreiben, mangels gegenteiliger Regelung in der Satzung gegen das Vollausschüttungsgebot des § 126 Abs 3 AktG verstoßen habe. Die beiden beklagten Geschäftsführer der Aktionärin hätten durch diese Beschlussfassung die Kompetenz der von ihnen vertretenen Holding GmbH überschritten. Im Gewinnvortrag anstelle der nach § 126 Abs 3 AktG gebotenen Vollausschüttung liege grundsätzlich ein ersatzfähiger Schaden der Holding GmbH. Eine Pflichtverletzung der beiden Geschäftsführer bei außergewöhnlichen Maßnahmen der Geschäftspolitik setze voraus, dass sich die Geschäftsführer über einen deklarierten Willen der Gesellschafter hinwegsetzten. Dies sei aber bei der gegebenen Pattsituation in den Gesellschafterverhältnissen nicht der Fall, weil sich die beklagten Geschäftsführer doch bei unentschiedenem Meinungsstand der Gesellschafter mit jeder Geschäftsführerentscheidung ins Unrecht setzen, also auch bei einer Entscheidung zugunsten einer Vollausschüttung. Mangels wirksamer Weisung durch eine Gesellschaftermehrheit sei die strittige Frage in die Geschäftsführerkompetenz gefallen. Der eingeklagte Schadenersatzanspruch könne daher nicht auf eine Überschreitung der Geschäftsführerzuständigkeit, sondern nur auf eine - wirtschaftlich betrachtet - evident unrichtige Sachentscheidung gestützt werden. Diese liege aber nicht schon dann vor, wenn die AG zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Gewinnverteilung eine Stärkung ihrer Kapitalkraft nicht unbedingt benötigt habe, weil es grundsätzlich eine Frage der Geschäftspolitik sei, ob und aus welchen Zweckmäßigkeitsgründen Gewinne thesauriert oder an die Gesellschafter ausgeschüttet werden sollen. Hätten daher die beklagten Geschäftsführer aufgrund der gegebenen Gesellschafterverhältnisse nur eine Entscheidung fassen können, die zwangsläufig nur von der Hälfte der Gesellschafter gedeckt wird, sei ihnen allein daraus weder ein rechtswidriges noch ein schuldhaftes Verhalten anzulasten.

3.1. Während Linder, GesRZ 2008, 26, in seiner Anmerkung zu dieser Entscheidung der Beurteilung, dass die Frage des pflichtwidrigen Handelns der Geschäftsführer zu verneinen ist, zustimmt, nimmt der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung dagegen ausführlich Stellung.

3.2. Es muss auf diese Ausführungen des Klägers nicht näher eingegangen werden. Selbst wenn ein pflichtwidriges Handeln des Fremdgeschäftsführers zu bejahen wäre, fehlte es am groben Verschulden. Das Abstimmungsverhalten des Fremdgeschäftsführers entsprach der bisherigen, sachlich begründeten und jahrelang von allen Gesellschaftern und Gesellschafter-Geschäftsführern verfolgten Geschäftspolitik. Eine allenfalls leicht fahrlässige Pflichtwidrigkeit würde den weiteren Verbleib des Fremdgeschäftsführers für die Gesellschaft aus diesem Grund nicht unzumutbar machen, zumal immerhin mehr als die Hälfte des Jahresgewinns (7,5 % bezogen auf das Grundkapital der AG) ausgeschüttet wurden; sie begründete keine Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung.

3.3. Der abzuberufende Fremdgeschäftsführer war bei Abschluss des Syndikatsvertrags am 20. 2. 1987 Geschäftsführer der beklagten Partei (Beilage ./G). Daraus und aus den festgestellten Steuerberatungstätigkeiten lässt sich schließen, dass ein latenter Loyalitätskonflikt - Geschäftsführer der Holding GmbH einerseits, Geschäftsführer eines nicht zum Familienstamm des Klägers zählenden Gesellschafters dieser Gesellschaft - offensichtlich vom Kläger und den Gesellschaftern seines Familienstamms (mehr als 16 Jahre) nicht dahin gewertet wurde, dieser beeinträchtige den Fremdgeschäftsführer bei der Ausübung der ihm von beiden Familienstämmen zugedachten Funktion. Das Erstgericht konnte eine parteiliche, sachlich nicht gerechtfertigte Geschäftsführung des Fremdgeschäftsführers nicht feststellen. Angesichts dieser Umstände begründet die Tatsache, dass der Fremdgeschäftsführer seit dem Jahr 2000 Vorsitzender der L***** Privatstiftung ist, und der festgestellte Vertrauensverlust der Gesellschaftergruppe des Klägers unter Zugrundelegung der unter Punkt 1. angeführten, in Rechtsprechung und Lehre entwickelten Leitlinien keinen Grund, der die weitere Tätigkeit des Fremdgeschäftsführers für die Gesellschaft unzumutbar machen würde. Der Fremdgeschäftsführer erscheint keineswegs unfähig, seine Funktion ordnungsgemäß zu erfüllen.

3.4. Das Erstgericht hat zutreffend den besonderen Abberufungsgrund des § 24 Abs 3 GmbHG verneint. Die Bestellung des Fremdgeschäftsführers zum Vorsitzenden der L***** Privatstiftung bedeutete keinen Verstoß gegen das gesetzliche (§ 24 Abs 1 GmbHG) und das im Gesellschaftsvertrag der Holding GmbH geregelte Wettbewerbsverbot, stehen doch die Gesellschaft, deren Zweck nur die Verwaltung der Beteiligung an der AG ist, und die Privatstiftung nicht in Konkurrenz im Sinn dieser Bestimmungen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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