OGH 1Ob115/08f

OGH1Ob115/08f25.11.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef E*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Berger, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Elisabeth E*****, vertreten durch Dr. Christoph Gernerth Mautner Markhof, Rechtsanwalt in Hallein, wegen Löschung einer Eigentumseinverleibung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 27. Februar 2008, GZ 53 R 423/07y-13, womit das Urteil des Bezirksgerichts Saalfelden vom 26. September 2007, GZ 2 C 1209/07z-7, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung insgesamt lautet:

„Das Klagebegehren, den zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Übergabsvertrag vom 3. November 2006 für unwirksam zu erklären und die dem Übergabsvertrag zugrunde liegende bücherliche Eintragung zu B-LNR 2, TZ *****/07, EZ ***** GB ***** zu löschen, wird abgewiesen. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 18.120,88 EUR (darin 2.669,81 EUR USt und 2.102 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger schenkte mit Vertrag vom 5. 2. 1990 der Beklagten, seiner damaligen Ehefrau, die Hälfte eines von einer größeren Liegenschaft abgeschriebenen Grundstücks, samt einem darauf errichteten Jugendheim. In Punkt 8 des Vertrags erklärte der Geschenkgeber, auch bei allfälligen künftigen Betriebserweiterungen des Jugendheims eine schenkungsweise Übertragung des jeweiligen Hälfteanteils an seine Gattin vorzunehmen. Im Jahr 1993 übermachte der Kläger der Beklagten demzufolge die Hälfte eines weiteren abgeschriebenen Grundstücks mit einem darauf errichteten Appartementhaus. Beide Betriebe führten die Parteien im Rahmen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die 1998 in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt wurde, deren Komplementärin die Beklagte und deren Kommanditist der Kläger war. Die gesamte Liegenschaft des Klägers erstreckt sich über weite Bereiche eines teils aus Wiese und teils aus Wald bestehenden Berghangs. Nach dem Fehlschlagen eines anderen Projekts plante der Kläger, auf diesem Berghang am Ende einer Skipiste eine Skihütte zu erbauen. Eine Bank knüpfte die Finanzierung dieses Vorhabens durch ein Bankdarlehen daran, dass die Beklagte Hälfteeigentümerin „der Skihütte" werde und neben dem Kläger und der Kommanditgesellschaft als Darlehensschuldnerin mithafte. Auch die Beklagte forderte im Hinblick auf ihre in Aussicht genommene Darlehenshaftung die Übertragung des Hälfteeigentums an der Liegenschaft, womit der Kläger einverstanden war. Ein weiteres wesentliches Motiv für die Übertragung des Hälfteeigentums war die Finanzierung über einen Bürges-Kredit, für dessen Gewährung ein Gastgewerberkonzessionsträger verlangt wurde, ein Kriterium, das nur die Beklagte, nicht aber der Kläger erfüllte. Im Dezember 2003 unterfertigte der Kläger den für die grundbücherliche Durchführung erstellten Vertrag. Die Beklagte schickte den Vertragsentwurf ihrem Rechtsanwalt zur rechtlichen Prüfung, kümmerte sich in der Folge wegen zwischenzeitlich entstandenen ehelichen Problemen aber nicht mehr darum, sodass der zuständige, mit den Streitteilen bekannte Rechtspfleger sie anrief und nach dem Grund der Verzögerung mit der Unterfertigung fragte. Die Beklagte erklärte ihm, sie „werde überhaupt nicht mehr kommen". Dies teilte der Rechtspfleger dem Kläger mit, der die Beklagte nach dem Grund für die mangelnde Unterfertigung fragte und zur Antwort erhielt, sie werde dies nicht mehr tun, sie brauche den Vertrag nicht mehr, sie werde sich vom Kläger scheiden lassen, und im Falle einer Vertragsunterfertigung würde die vermögensrechtliche Auseinandersetzung nur noch komplizierter werden. Diese Mitte Dezember 2003 abgegebene Äußerung quittierte der Kläger mit der Bemerkung „ok". Zu diesem Zeitpunkt hatte die Bank das beantragte Darlehen bereits gewährt, das Geld war schon „geflossen". In der Folge beschäftigten zunehmende Spannungen zwischen den Parteien diverse Gerichte in mehreren Verfahren, darunter auch dem Scheidungsverfahren. Im Zuge der Suche nach prozessrelevanten Unterlagen stieß die Beklagte im Herbst 2006 auf den vom Kläger bereits unterfertigten Vertrag, den sie nie unterschrieben hatte. Die Beklagte holte dies im November 2006 nach und wurde aufgrund ihres Mitte Juni 2007 überreichten Antrags als Hälfteeigentümerin der neu gebildeten klagsgegenständlichen Liegenschaft einverleibt. Die Streitteile sind mittlerweile geschieden.

Der Kläger begehrte, den Übergabsvertrag für unwirksam zu erklären und die darauf basierende bücherliche Eintragung zu löschen. Die Übertragung der Grundstückshälfte in das Eigentum der Beklagten sei zwar vorgesehen gewesen, sie habe aber vor Unterfertigung des Vertrags darauf verzichtet.

Die Beklagte bestritt einen Verzicht, der Kläger habe ihr den Vertrag vorenthalten.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Äußerungen der Beklagten seien objektiv dahin zu verstehen, dass sie nicht mehr Hälfteeigentümerin habe werden wollen. Auch ihre danach jahrelang an den Tag gelegte Untätigkeit gebe klar zu erkennen, dass sie die Übertragung des Hälfteeigentums nicht mehr gewollt habe. Der Kläger habe dem zugestimmt. Im Ergebnis habe daher die Beklagte eine Titelurkunde zur Eigentumseinverleibung verwendet, die nicht mehr den damaligen Parteiwillen entsprochen habe.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Äußerung der Beklagten sei eindeutig als Verzichtserklärung zu verstehen, die der Kläger mit seinem „ok" angenommen habe. Eine andere Auslegung dieser ausdrücklichen Erklärung sei nicht denkbar. Es bedürfe daher nicht mehr „des Abstellens" auf das nachfolgende Verhalten der Beklagten.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen gerichtete Revision der Beklagten ist zulässig und berechtigt.

Die Vorinstanzen haben Judikatur und Lehre zum Verzicht richtig dargestellt, im konkreten Fall aber unrichtig angewandt:

1. Nach § 1444 ABGB kann ein Gläubiger in Fällen, in denen er berechtigt ist, sich eines Rechts zu begeben, auf dieses Recht verzichten, wobei die überwiegende Rechtsprechung diesen Verzicht als Vertrag wertet. Nach einhelliger Ansicht ist der Verzicht ein Verfügungsgeschäft, das eines gültigen Titels bedarf. Als solcher kommt beim entgeltlichen Verzicht ein Austausch oder eine Streitbereinigung in Frage, beim unentgeltlichen Verzicht eine Schenkung (Griss in KBB2 § 1444 ABGB Rz 2 f; Heidinger in Schwimann3 § 1444 ABGB Rz 3 und 5, jeweils mwN).

Ist zweifelhaft, ob eine Erklärung des Gläubigers einen Verzicht enthält, ist dies nach der Absicht der Parteien und der Übung des redlichen Verkehrs unter Heranziehung der Auslegungsregeln der §§ 914, 915 ABGB zu ermitteln. Ein Verzicht ist grundsätzlich nicht zu vermuten, die Verzichtserklärung ist einschränkend auszulegen (Griss aaO Rz 4; Heidinger aaO Rz 7, jeweils mwN). Ein Verzichtswille kann nur angenommen werden, wenn dafür konkrete Anhaltspunkte vorliegen und die festgestellten Tatsachen keinen Zweifel über den Verzichtswillen offen lassen. Bloße Untätigkeit des Gläubigers bedeutet im Allgemeinen keinen stillschweigenden Verzicht, vielmehr muss die verspätete Geltendmachung eines Anspruchs im Einzelfall gegen Treu und Glauben verstoßen (Heidinger aaO Rz 8). Maßgebend ist, ob der Verpflichtete unter Bedachtnahme auf die im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche und unter Überlegung aller Umstände den zweifelsfreien Schluss (§ 863 ABGB) auf den Verzichtswillen des Berechtigten ziehen durfte (Griss aaO Rz 4 mwN), wobei nicht nur der bloße Wortlaut der „Verzichtserklärung", sondern auch jene Umstände, unter denen diese Erklärung abgegeben wurde, zu berücksichtigen sind (SZ 62/64).

Ein unentgeltlicher Verzicht ist schließlich nur dann anzunehmen, wenn ein darauf gerichteter Wille des Anspruchsberechtigten aus den festgestellten Verhältnissen eindeutig hervorgeht. Dabei ist grundsätzlich ein besonders strenger Maßstab anzulegen (RIS-Justiz RS0014234). Die aus einer Erklärung abzuleitenden Rechtsfolgen sind danach zu beurteilen, wie die Erklärung bei objektiver Beurteilung der Sachlage zu verstehen war. Ein unentgeltlicher Verzicht auf Rechtsausübung ist nur anzunehmen, wenn er sich aus der Erklärung unzweifelhaft ergibt (RIS-Justiz RS0014205).

2. Hier hat die Beklagte die von den Vorinstanzen als Verzicht gewertete Erklärung nicht von sich aus nach entsprechender Vorbereitung und Überlegung, sondern als Antwort in einem vom Beklagten initiierten Gespräch abgegeben. Dabei brachte sie die Nichtunterfertigung des Vertrags in Zusammenhang mit der Ankündigung, sich vom Kläger scheiden lassen zu wollen. Die Beklagte sah somit damals in einem übergeordneten Zusammenhang - nämlich der umfassenden vermögensrechtlichen Auseinandersetzung der Streitteile im Zuge einer von ihr intendierten Scheidung - keine Notwendigkeit mehr für die Unterfertigung des Vertrags.

Betrachtet man den objektiven Wert dieser Erklärung im Lichte der dargelegten restriktiven Judikatur, kann von einem Verzicht der Beklagten nicht ausgegangen werden. Die Umstände der Äußerung lassen auch keinen Titel, der Rechtsgrundlage für einen Verzicht bilden könnte, insbesondere eine Schenkung oder einen Austausch, erkennen. Auch der Rechtsgrund der Streitbereinigung kann nicht zu Grunde gelegt werden, ergibt sich doch aus der festgestellten Äußerung eindeutig, dass die Beklagte eine „Streitbereinigung" erst im Zuge der Vermögensauseinandersetzung im Scheidungsverfahren erwartete und nicht durch ihre Erklärung herbeiführen wollte.

3. Auch bei Berücksichtigung des der Erklärung nachfolgenden Verhaltens der Beklagten bis zur Verbücherung ist ein Verzicht nicht anzunehmen:

Nach den Feststellungen stieß die Beklagte nach Jahren bei der Suche nach prozessrelevanten Unterlagen auf den vom Kläger bereits unterfertigten Vertrag, unterschrieb ihn und ließ ihn - wenn auch erst mehrere Monate später - grundbücherlich durchführen. Aus dieser jahrelangen Verzögerung bis zur grundbücherlichen Einverleibung lässt sich nach Überlegung aller Umstände nicht zweifelsfrei auf einen Verzichtswillen der Beklagten schließen. Einerseits steht nicht fest, wann und wie lange ihr der Vertrag überhaupt zur Unterschrift zur Verfügung stand, andererseits liegen im Hinblick auf die festgestellten Auseinandersetzungen zwischen den Streitteilen auch andere Gründe für die Nichtunterfertigung, wie etwa das Abwarten des Ausgangs gerichtlicher Verfahren, die Vorrangigkeit anderer Probleme oder schlicht ein Verlust des Überblicks, durchaus im Bereich des objektiv Möglichen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 Abs 1 und 50 Abs 1 ZPO.

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