OGH 7Ob169/08s

OGH7Ob169/08s27.8.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der das Verfahren zu AZ 231 P 34/08i des Bezirksgerichts Graz-Ost betreffenden Ablehnungssache über den Revisionsrekurs des Einschreiters Felix Caspar P*****, vertreten durch Mag. Christian Pilz, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 5. Juni 2008, GZ 7 R 75/08p-6, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Graz-Ost vom 8. Mai 2008, GZ 201 Nc 20/08i-2, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Einschreiter stellte als Bruder der minderjährigen Kinder Clara Elisabeth Konstanze, Elsa und Nora P*****, die sich in der Obsorge ihrer Mutter befinden, den Antrag, dieser das Sorgerecht zu entziehen und darüber hinaus die minderjährige Clara Elisabeth Konstanze P***** vorzeitig für volljährig zu erklären. Das Bezirksgericht Graz-Ost wies diese Anträge im Wesentlichen mit der Begründung zurück, dem Einschreiter stehe als (Halb-)Bruder kein Antragsrecht zu. Diese Entscheidungen wurden vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht bestätigt.

Der Einschreiter verband mit der Rekurserhebung einen Ablehnungsantrag gegen die Richterin des Bezirksgerichts Graz-Ost Mag. J*****, den die Vorsteherin des Bezirksgerichts Graz-Ost mit Beschluss vom 8. Mai 2008 zurückwies. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dem Einschreiter komme im Pflegschaftsverfahren kein Antragsrecht und damit auch keine Parteienstellung zu, weshalb ihm auch kein Ablehnungsrecht zustehe. Abgesehen davon habe der Einschreiter keine Umstände darlegen können, die es nach objektiver Prüfung und Beurteilung rechtfertigen würden, die Unbefangenheit der Erstrichterin in Zweifel zu ziehen.

Den dagegen erhobenen Rekurs gab das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht mit seinem Beschluss vom 5. Juni 2008 nicht Folge. Das Erstgericht habe zutreffend ausgeführt, dass dem Einschreiter als (Halb-)Bruder keine Parteistellung im Sinn des § 176 ABGB zukomme; schon aus diesem Grund mangle es ihm auch an der Legitimation, die zuständige Richterin abzulehnen. Im Übrigen könne aus der Nachlässigkeit der zuständigen Richterin, die die fehlenden Daten der betroffenen minderjährigen Kinder durch Registerabfragen feststellen hätte können, ein von der Rechtsprechung anerkannter Ablehnungsgrund nicht abgeleitet werden. Dem Rekurs sei daher sowohl mangels Antragslegitimation als auch mangels Vorliegens anerkannter Ablehnungsgründe nicht Folge zu geben. Ein Revisionsrekurs sei gemäß § 24 JN unzulässig.

Dagegen erhob der Einschreiter „I. Revisionsrekurs in eventu II. Antrag auf Änderung des Zulässigkeitsausspruchs".

Rechtliche Beurteilung

1. Ein weiteres Rechtsmittel des Einschreiters erweist sich gemäß § 24 Abs 2 JN als absolut unzulässig, weil diese Bestimmung eine abschließende Sonderregelung der Anfechtbarkeit von Entscheidungen über die Ablehnung von Richtern darstellt und die allgemeinen Regelungen über die Anfechtbarkeit von Beschlüssen verdrängt (RIS-Justiz RS0098751; RS0046010). § 24 Abs 2 JN schließt im Fall der „Zurückweisung" eines Ablehnungsantrags durch das Gericht erster Instanz den Revisionsrekurs bei bestätigender Entscheidung generell aus, und zwar unabhängig davon, ob das Erstgericht den Antrag meritorisch behandelt und das Vorliegen eines Ablehnungsgrundes verneint oder den Ablehnungsantrag aus formellen Gründen zurückgewiesen hat (RIS-Justiz RS0122963 = 1 Ob 240/07m). Das gilt auch dann, wenn erstmals das Rekursgericht über Rekurs gegen die Ablehnungsentscheidung aus formellen Gründen die Ablehnung nun (auch) aus in der Sache liegenden Gründen verweigert (RIS-Justiz RS0118136 = 3 Ob 195/03b). Der Rechtsmittelzug richtet sich im Ablehnungsverfahren auch in Außerstreitsachen nach § 24 Abs 2 JN, ergänzt durch die Rekursvorschriften der ZPO (RIS-Justiz RS0017269; RS0007183; RS0016522 [T12]).

Lediglich in zwei Fällen kann im Weg des Revisionsrekurses der Oberste Gerichtshof angerufen werden: Wenn das Rekursgericht eine meritorische Behandlung aus formellen Gründen abgelehnt hat (RIS-Justiz RS0046065; RS0044509) und wenn das Rekursgericht einer Befangenheitsanzeige stattgibt, jedoch keinen Ausspruch über die Aufhebung der vom Richter gesetzten nichtigen Handlungen aufgenommen hat (RIS-Justiz RS0046014). Keiner der beiden Ausnahmefälle liegt hier vor.

2. Vielmehr hat die Vorsteherin des Bezirksgerichts Graz-Ost den Ablehnungsantrag des Einschreiters sowohl mangels Legitimation dafür als auch mangels Vorliegens von Ablehnungsgründen zurückgewiesen. Diese Entscheidung wurde vom Rekursgericht sowohl in formeller als auch materieller Hinsicht bestätigt. Es liegen daher zwei Entscheidungen vor, in denen sich die beiden befassten Instanzen sowohl mit der Legitimation des Einschreiters zur Einbringung eines Ablehnungsantrags als auch mit dessen inhaltlicher Berechtigung befasst haben und zum selben Ergebnis, nämlich einer Zurückweisung des Ablehnungsantrags gelangt sind. Damit ist die Rechtsmittelbeschränkung des § 24 Abs 2 JN anzuwenden und die Erhebung eines Revisionsrekurses absolut unzulässig.

3. Soweit der Einschreiter im Revisionsrekurs - als Nichtigkeit - geltend gemacht, der Vorsitzende des rekursgerichtlichen Senats Dr. W***** sei befangen gewesen, ist Folgendes zu bedenken:

Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass die Geltendmachung der Befangenheit noch nach der Erlassung der erstgerichtlichen Entscheidung zulässig ist, und zwar auch noch im Rechtsmittelschriftsatz, was auch für zweitinstanzliche Entscheidungen gilt (RIS-Justiz RS0042028; RS0041933). Dies kommt aber nur für einen anfechtbaren zweitinstanzlichen Beschluss in Frage. Voraussetzung einer solchen Geltendmachung ist somit, dass in der Hauptsache noch ein Rechtsmittel an die dritte Instanz offensteht, in dem die erfolgreiche Ablehnung als Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 1 ZPO (Teilnahme eines wegen Befangenheit erfolgreich abgelehnten Richters an der Entscheidung) geltend gemacht werden kann. Nach rechtskräftiger Beendigung des Hauptverfahrens ist hingegen nach herrschender Auffassung die Ablehnung nicht mehr zulässig, heilt doch der Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 1 ZPO mit der formellen Rechtskraft der Entscheidung (1 Ob 199/99t mwN aus Lehre und Rechtsprechung). Diesfalls fehlt dem Ablehnungswerber ein rechtlich geschütztes Interesse daran, die Befangenheit von Richtern nach rechtskräftiger Entscheidung in der Hauptsache geltend zu machen (1 Ob 18/02g; 10 Ob 52/06d).

Die Hauptsache ist im vorgelegten Akt die Entscheidung über die Befangenheit der Erstrichterin im Pflegschaftsverfahren Mag. J*****. Wie bereits dargestellt, ist der vorliegende Revisionsrekurs gemäß § 24 Abs 2 JN absolut unzulässig; die zweitinstanzliche Entscheidung war unanfechtbar. Ihre formelle Rechtskraft trat daher mit ihrer Zustellung ein (Fasching/Klicka in Fasching/Konecny² § 411 Rz 2), also am 16. Juni 2008. Deshalb steht dem Einschreiter die Möglichkeit der nachträglichen Stellung eines Ablehnungsantrags nicht mehr zur Verfügung.

4. Die Unzulässigkeit des Rechtsmittels erübrigt ein Verbesserungsverfahren zur Unterfertigung des Rechtsmittels durch den einstweiligen Sachwalter für dringende Angelegenheiten (231 P 82/07z des Bezirksgerichts Graz-Ost; 7 Ob 164/08f).

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